Wehrmedizinische Monatsschrift

REFRESHER INTENSIVMEDIZIN

Lunge und Beatmung

Carsten Veit a, Maja Florentine Iversen a

a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik X – Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie

 

Zusammenfassung

Akute respiratorische Störungen und akute Exazerbationen bei bekannten Lungenparenchymerkrankungen gehören zu den häufigsten Ursachen für stationäre Aufnahmen. Neben primär pulmonalen Erkrankungen müssen mögliche Differenzialdiagnosen als ursächlich oder komplizierend im Sinne von Komorbiditäten in die diagnostischen und therapeutischen Bemühungen inkludiert werden.

Der Artikel fasst Diagnostik und Therapie der COPD, des ARDS, neue Aspekte der Lungenersatztherapie, der invasiven und nicht-invasiven Beatmung inklusive HFNC und der Beatmungsentwöhnung unter Berücksichtigung der aktuellen und klinisch relevanten S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ zusammen.

Stichworte: ARDS, COPD, Exazerbation, adjunktive Therapie, Weaningkriterien

Keywords: ARDS, COPD, exacerbation, adjunctive therapy, weaning criteria

Einleitung

Die Behandlung von Patientinnen und Patienten1 mit Lungenerkrankungen ist ein wesentlicher Schwerpunkt in der Intensivmedizin. In diesem Beitrag werden daher relevante Entitäten von Lungenerkrankungen und therapeutische Aspekte unter den Bedingungen der Intensivmedizin und unter Beachtung der aktuellen S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ beleuchtet [16].

Am Beispiel der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) und des akuten respiratorischen ­Distress Syndroms (ARDS) werden grundsätzliche und erweiterte Therapieentscheidungen und Lagerungsmaßnahmen erläutert.

Ein Augenmerk wird auf invasive und nicht-invasive Beatmungsverfahren gelegt. Insbesondere bezüglich der Beatmung von Patienten hat in den letzten Jahren das pathophysiologische Verständnis und dessen Umsetzung in veränderte Beatmungsregime deutlich zugenommen. Hierbei sind Kenntnisse des Prinzips einer maschinellen Beatmung und deren Einfluss auf pulmonale Funktionen für das Verständnis obligat.

Letztlich behandelt der Artikel die wichtigsten Aspekte des Weanings, der stufenweisen Entwöhnung von der mechanischen Beatmung und Wiederherstellung einer spontanen Atmung.

COPD

Krankheitsbild/Definition

Die COPD ist ein Sammelbegriff für pulmonale Erkrankungen mit hoher Prävalenz, die nach Exazerbation eine Mortalität von etwa 10 % und für den Fall einer Intensivtherapie von 40 % aufweisen [22]. In erster Linie sind hierbei die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem zu nennen, die durch Husten, Expektoration und Dyspnoe klinisch manifest werden. In Deutschland sind rund 3-5 Millionen Menschen erkrankt.

Pathophysiologisch steht die chronische Entzündung, zumeist ausgelöst und unterhalten durch inhalative ­Noxen, im Vordergrund. Eine Abgrenzung zum Asthma bronchiale ergibt sich neben häufig differenter Anamnese durch die unterschiedliche Zytokinexpression des Entzündungsinfiltrates (T-Lymphozyten, Makrophagen, neutrophile Granulozyten – bei Asthma eher eosinophile Granulozyten). Diese zirkulierenden Botenstoffe sorgen ebenfalls für systemische Schädigungen abseits des Lungenbefalls.

Diagnostik

Als diagnostische Maßnahmen sind bei einer exazerbierten COPD

gefordert.

Therapie

Medikamentös spielen zur Behandlung der exazerbierten COPD inhalative Bronchodilatatoren (Beta-2-Agonisten, Anticholinergika), eine antibiotische Therapie bei Zeichen einer bakteriellen Infektion und zeitlich begrenzt systemische Kortikoide (40 mg Prednisolon für 5 Tage) die vorrangige Rolle [29]. Die 2013 von LEUPPI et al. publizierte REDUCE-Studie randomisierte 314 Patienten und untersuchte eine Steroidtherapie bei akuter Exazerbation über eine Dauer von 5 im Vergleich zu 14 Tagen. Die Studie bestätigte die Hypothese, dass eine verkürzte Cortisontherapie vergleichbar wirksam ist [32].

Schnellwirksame inhalative Bronchodilatatoren sind gegenüber der intravenösen Applikationsform zu bevorzugen, da sie bei vergleichbarer Wirksamkeit ein deutlich geringeres Nebenwirkungspotenzial aufweisen. Magnesium hat lediglich beim schweren Asthmaanfall einen therapeutischen Stellenwert (Relaxation der glatten Bronchialmuskulatur). Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion ist die angepasste und frühzeitige antibiotische Therapie entscheidend. Dabei sollte die Wahl der Antibiotika sich an dem Schweregrad der Erkrankung und dem Risiko eines veränderten Keimspektrums, insbesondere Pseudomonaden, orientieren.

Risikofaktoren

Risikofaktoren für eine Infektion mit Pseudomonaden und andere gramnegative Stäbchen sind

Therapeutisch hat in diesem Zusammenhang die physikalische Therapie einen hohen Stellenwert. Für den Fall einer Ateminsuffizienz (pH < 7,3) sollte neben der angepassten Sauerstoffgabe eine Beatmung erfolgen. In mehreren Studien [45] hat sich dabei herausgestellt, dass die nichtinvasive Beatmung (NIV) – zumeist über Maske – mit einem besseren Outcome einhergeht als eine bereits initial veranlasste Intubation und invasive Beatmung (für weitere Details siehe Kapitel NIV weiter unten).

Risikofaktor Schlaf-Apnoe

Eine 2012 von ADLER et al. veröffentlichte Arbeit weist noch einmal darauf hin, dass COPD-Patienten häufig unter nächtlichen Ventilationsstörungen im Sinne eines Schlafapnoe-Syndroms leiden. Dieses auch als Overlap-Syndrom bezeichnete Krankheitsbild kompliziert den klinischen Verlauf; deshalb sollte bei unbefriedigender Symptomkontrolle, insbesondere bei morgendlich starker Atemnot, an die Möglichkeit einer Fehltriggerung mit Asynchronie der Patient-Ventilator Abstimmung als Ursache gedacht werden. Diese Patienten müssen polygraphisch oder polysomnographisch untersucht werden [2].

Komorbiditäten

Ein wichtiger Aspekt ist, dass viele Patienten mit COPD unter weiteren Erkrankungen leiden. Eine cross-selektionale multizentrische Studie an 743 Patienten in 50 italienischen Krankenhäusern ergab, dass lediglich 17 % keine weiteren Komorbiditäten aufwiesen [8]. Die häufigsten begleitenden Erkrankungen sind kardiovaskulärer Natur. Das Risiko für einen Schlaganfall und/oder einen Herzinfarkt ist in den ersten 91 Tagen nach akuter Exazer­bation signifikant erhöht – mit dem höchsten Risiko innerhalb der ersten 28 Tage [53]. Eine Herzinsuffizienz und psychiatrische Komorbiditäten waren verstärkt mit der Häufigkeit erneuter Exazerbationen assoziiert.

Viele Patienten mit COPD entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung eine Anämie, deren Ursache unklar ist. Eine aktuelle Studie [17] befasste sich mit der Frage, ob die Anämie ein unabhängiger Risikofaktor für gehäufte Exazer­bationen und eine höhere Sterblichkeit ist. Um dieser Frage nachzugehen, wurden 106 Patienten untersucht. Dabei war die Anämie (Hb < 12 g%) stärkster Prädiktor (OR 3,99) einer erhöhten Krankenhausmortalität, gefolgt vom Versagen der nichtinvasiven Beatmung (OR 2,56).

ARDS

Krankheitsbild/Definition

In einer internationalen, multizentrisch, prospektiven Kohortenstudie wurden 459 Intensivstationen aus 50 Ländern erfasst, wobei insgesamt 29 144 Patienten eingeschlossen waren. 10,4 % aller auf eine Intensivstation aufgenommenen Patienten und 23,4 % aller beatmeten Patienten hatten ein ARDS [6].

Die 2012 unter Beteiligung mehrerer Fachgesellschaften verabschiedete Berlin-Definition des ARDS ist mittlerweile etabliert [4]. Das ARDS wird danach in drei Schweregrade, abhängig von der Hypoxämie, unterteilt. Ein PEEP-Wert unter 5 cm H2O darf hierbei nicht unterschritten werden.

Bei einem Vergleich klinischer Kriterien der Berlin-Definition mit histopathologischen Befunden zeigte sich eine positive Korrelation zwischen klinischem Schweregrad und dem Vorliegen eines diffusen Alveolarschadens (schweres ARDS 58 %, moderates ARDS 40 %, mildes ARDS 12 %) [60].

Eine Übersichtsarbeit von THOMPSON aus dem Jahr 2017 fasst die Risikofaktoren für dieses Krankheitsbild zusammen [61]. Als ursächlich werden




angesehen. Die einzige kausale Therapie ist die Fokussanierung.

Eine von SIMOU et al. 2018 veröffentlichte Metaanalyse zeigte, dass ein höherer Alkoholkonsum in der Vorgeschichte mit einem signifikant höheren ARDS-Risiko einherging [57]. Grundsätzlich sind bei mehr als 85 % der Patienten Pneumonien, Sepsis oder Aspiration ursächlich für ein ARDS.

Diagnostik
Zur Diagnostik vor allem bei unklarer Ursache des ARDS ist 2016 von PAPAZIAN et al. eine Übersichtsarbeit erschienen, die folgende 6 Schritte der Diagnostik empfiehlt [46].

ARDS-Diagnostik

  1. Blutkulturen
    • Legionellen-Ag im Urin,
    • Blutuntersuchung auf Mycoplasma pneu­moniae, Chlamydia pneumoniae und Legionella pneumophila,
    • bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit mikrobiologischer Aufarbeitung (Bakterien, Influenza, Herpes simplex und Cytomegalie-Virus, Pneumocystis jirovecii, Aspergillus fumigatus)
  2. Diagnostik auf Autoimmunerkrankungen mit möglicher Lungenbeteiligung (systemischer Lupus erythematodes, Sklerodermie, Wegener Granulomatose. Rheumatoide Arthritis)
  3. Evaluation eines medikamentös verursachten Lungenversagens
  4. CT, besonders bei Verdacht auf einen intraabdominellen Fokus oder pulmonale Aspergillose
  5. Sonographie zum Nachweis von Pleuraergüssen, der kardialen Funktion und eines Pneumothorax
  6. Offene Lungenbiopsie, wenn alle anderen Untersuchungen negativ oder inkonklusiv sind.

 

Das ARDS ist häufig mit anderen Organversagen vergesellschaftet. Damit befindet sich der Intensivmediziner im klinischen Alltag in einem Zwiespalt zwischen der Begünstigung bzw. dem Herbeiführen pulmonaler Ödeme und der Aufrechterhaltung eines adäquaten Volumenstatus zur Aufrechterhaltung der Organperfusion. Dies bedarf einer individuellen, sich zumeist an objektiven Messwerten orientierenden Therapie. Das Paradigma der trockenen Lunge wurde zugunsten einer stabileren Hämodynamik und damit Reduktion sekundärer Organschäden verlassen.

Allgemeine Therapieentscheidungen

Es empfiehlt sich, Parameter wie globales enddiastolisches Volumen (GEDV), intrathorakales Blutvolumen (ITBV), extravasales Lungenwasser (EVLW) und Schlagvolumenvariation (SVV) sowie Sauerstoffangebot und -verbrauch kritisch zu bewerten und in die Therapieentscheidung zu integrieren.

Gerade das EVLW muss im Verlauf bewertet werden, da der Absolutwert bereits aufgrund des ARDS und damit verbundener Endothelschäden oberhalb der Norm liegen kann. Dabei kommt es darauf an, wie sich unter positiver Flüssigkeitsbilanz die Hämodynamik im Vergleich zum EVLW und Sauerstoffhaushaltsparametern verhält. Der pulmonale Permeabilitätsindex (PVPI) kann weiterhin bei der Differenzierung von kardialen und durch erhöhte lungenkapilläre Permeabilität bedingte Lungenödeme helfen.

Die FiO2 sollte so gewählt sein, dass eine SpO2 ≥ 90 % erreicht wird, dabei sind Hb und HZV als weitere Komponenten der Sauerstoffversorgung zu beachten (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Übersicht von Empfehlungen zur Sauerstofftherapie bei verschiedenen Krankheitsbildern (Quelle: Grensemann J, Fuhrmann V, Kluge S: Sauerstofftherapie in der Intensiv- und Notfallmedizin. Dtsch Artebl Int 2018; 115: 455-462. <www.doi.org/10.3238/arztebl.2018.0455>

Die Beatmung unterliegt den Kriterien der unten erläuterten lungenprotektiven Beatmung. Ziel ist es, eine ausreichende Oxygenierung und Ventilation zu erreichen, ohne die Lunge durch die Beatmung zusätzlich zu schädigen.

Bezüglich der nichtinvasiven Beatmung beim ARDS gibt es auch in der 2017 publizierten Leitlinie der European Respiratory Society und der American Thoracic Society keine Empfehlung [52].

NIV sollte generell nur beim milden ARDS angewendet werden. Eine Matching-Analyse der LUNG-SAFE-Studie zeigte eine erhöhte Intensivmortalität unter NIV, wenn im ARDS der PaO2/FIO2-Quotient unter 150 mmHg lag [6]. Im Einzelfall kann bei schwerer Immunsupprimierung und hoher Komorbidität versucht werden, die Intubation mit längerdauernder NIV zu vermeiden. Neben der Beachtung der Kontraindikationen ist ein engmaschiges Monitoring wichtig und im Falle des Versagens darf die Intubation nicht verzögert werden.

Unter Beachtung der Kontraindikationen und unter kontinuierlichem Monitoring, ohne Verzögerung einer ggf. erforderlichen Intubation ergibt sich folgendes ...

... Fazit für die Praxis:

PEEP und alveoläre Rekrutierungsmanöver

Bezüglich der Höhe des PEEP und alveolärer Rekrutierungsmanöver ist die Studienlage heterogen, so dass sowohl für einen hohen PEEP als auch für eine regelhafte Durchführung von Open Lung keine klaren Empfehlungen vorliegen. Diese Entscheidungen müssen individuell und anhand von Ventilationsparametern (PaCO2 zeigt sich in mehreren Studien dem PaO2 in diesem Zusammenhang als Vorhersagewert einer zusätzlichen Rekrutierung und anhaltenden Ventilation offener Lungenareale überlegen) und der dynamischen bzw. quasi statischen Beatmungsparameter (z. B. Compliance, transpulmonaler Druck) getroffen werden.

Ende 2016 wurde ein Cochrane-Review publiziert [26]; danach reduzierte eine Beatmung mit Rekrutierungsmanövern die Intensivletalität ohne Einfluss auf die 28-Tage- und Krankenhausletalität. Die aktuelle ART-Studie [66] randomisierte 120 Intensivstationen in 9 Ländern über 6 Jahre. Eingeschlossen wurden 1 010 Patienten mit moderatem und schwerem ARDS innerhalb der ersten 72 Stunden. Die Kontrollgruppe erhielt eine Beatmung ohne Rekrutierung und eine PEEP-Einstellung nach der „lower“ ARDS-Network-Tabelle. Die Interventionsgruppe erhielt nach Muskelrelaxierung unter Beachtung eines Driving-Pressure von 15 cmH2O eine Rekrutierung, gefolgt von einer Reduktion des PEEP bis zur maximalen statischen Lungencompliance. Nach PEEP-Titration wurde erneut rekrutiert. Diese doch sehr praxisnahe Verfahrensweise führte zu einer signifikant erhöhten 28-Tage- und 6-Monate-Mortalität in der Re­kru­tierungsgruppe. Aufgrund dieser Daten sollte von einer routinemäßigen Anwendung von Rekrutierungsmanövern Abstand genommen werden.

Der PEEP sollte nach Möglichkeit so gewählt werden, dass sowohl ein zyklischer Alveolarkollaps als auch eine Überdehnung der Lunge vermieden werden, ein positiver transpulmonaler Druck (1-5 cm H2O) vorliegt und die Auswirkungen auf die Hämodynamik Berücksichtigung finden.

Es ist bekannt, dass ein hoher PEEP bei ARDS-Patienten mit Oxygenierungsstörungen positive Effekte auf die Oxygenierung durch alveoläre Rekrutierung hat, andererseits es aber zu Überdehnungen von bereits eröffneten Lungenarealen und zur Beeinträchtigung der rechtsventrikulären Funktion und Hämodynamik kommen kann. Es kann anhand aktueller Daten keine klare Empfehlung über das ideale PEEP-Niveau bzw. dessen Ermittlung abgegeben werden.

Ein Review-Artikel von 2017 im Am J Respir Crit Care Med beschreibt zahlreiche Methoden zur Bestimmung des „best PEEP“ (Lungenmechanik, transpulmonale Druckmessung, CT, Sonographie, Emissions Impedance Tomography [54].

Kernaussagen zum PEEP:

Driving-Pressure

Viel Aufmerksamkeit erregte 2015 eine von Amato et al. publizierte Studie zum Driving-Pressure. In einer sekundären Analyse wurden in 9 prospektiv-randomisierten Studien mit 3 562 Patienten im ARDS untersucht, ob der Driving-­Pressure mit der Überlebensrate korreliert [3]. Es zeigte sich, dass der Driving-Pressure von allen Ventilations­variablen am stärksten mit dem Überleben des Patienten assoziiert war. Dabei stieg die Letalität mit einer ­Zunahme von 7 cm H2O, auch wenn mit niedrigen Tidalvolumina (VT) und reduziertem Plateaudruck beatmet wurde.

Bauchlagerung

Zur Bauchlagerung bestehen Empfehlungen mit höherem Evidenzgrad beim schweren ARDS konkret bei PaO2 /FiO2 < 150 mmHg für mindestens 16 Stunden; dabei ist die Rekrutierung von Lungenoberfläche, ersichtlich an der Ventilation (PaCO2) und Oxygenierung (PaO2) durch Beeinflussung des transpulmonalen Druckes in bis dato atelektatischen Arealen, entscheidend und sollte im Verlauf kontrolliert und bewertet werden.

Randomisierte, kontrollierte Studien konnten bei bis zu 60 % der Patienten mit invasiv beatmetem ARDS eine signifikante Verbesserung der Oxygenierung in Bauchlage ohne erhöhte Inzidenz von Komplikationen nachweisen. Die 2013 im New England Journal of Medicine veröffentlichte französische PROSEVA-Studie zur Bauchlagerung bei ARDS belegte eindrucksvoll eine signifikante Mortalitätsreduktion (Halbierung) durch Bauchlagerung bei Patienten im schweren ARDS [25].

Ernüchternd ist die Tatsache, dass in der LUNG-­SAFE-Studie eine Bauchlagerung beim schweren ARDS nur bei 16,3 % der Fälle angewendet wurde [6].

Erweiterte Therapieentscheidung

Seit längerer Zeit wird versucht, die Prognose des ARDS durch medikamentöse Maßnahmen zu verbessern. Der entscheidende Ansatz hierbei ist, die inflammatorische Reaktion zu beeinflussen. Für viele Substanzen (N-Acetylcystein, Albumin, Beta-2-Agonisten, Pentoxifyllin, aktiviertes Protein C, GM-CSF, exogene Surfactantsubstitution) konnte kein Effekt nachgewiesen werden.

Die Daten für die niedrigdosierte Anwendung von Methylprednisolon innerhalb der ersten 14 Tage eines ARDS, die zur Verbesserung von Oxygenierungsparametern und verkürzter Beatmungsdauer geführt haben, bleiben weiterhin umstritten. Die Erkenntnisse sollten gegenwärtig bei schweren Verläufen dieses Krankheitsbildes mögliche therapeutische Berücksichtigung finden (Ausnahme ARDS infolge auto-immunologischer pulmonaler Prozesse) und im Weiteren die Studienlage diesbezüglich kritisch bewertet werden. Ebenfalls kann ein routinemäßiger Einsatz von inhalativem Stickstoffmonoxid (NO) oder dem inhalativen PGI2-Analogon Iloprost bei ARDS nicht empfohlen werden. Es bleiben allerdings Optionen im Sinne einer Rescue-Therapie bei refraktärer Hypoxämie.

Das Thema Muskelrelaxierung in der Frühphase des ARDS wurde ebenfalls kontrovers diskutiert. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch eine 2010 erschienene französische Multizenterstudie, bei der sich im frühen ARDS (paO2/FiO2 < 150) unter der Behandlung mit Cisatracurium (Dauer 48 Stunden) eine signifikant verminderte 90-Tage-Mortalität zeigte [47]. Diese Studie wurde 2019 durch die ROSE-Studie, publiziert im NEJM, mit fast 3-mal so großer Fallzahl widerlegt [39]. Diesbezüglich besteht kein Grund, Patienten mit ARDS routinemäßig zu relaxieren. Ein weiterer Aspekt ist, dass in den letzten Jahren die frühe Spontanatmung unterstützt durch Sedationspausen/angepasste flache Sedierung (Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS) 0 bis -1) zunehmend in den klinischen Fokus rückt und beides unter Relaxation nicht möglich ist.

Eine US-amerikanische placebokontrollierte, randomisierte IIa-Studie [20] befasste sich mit dem Therapie­effekt inhalativer Gaben von Budenosid und Formeterol bei Patienten mit hohem Risiko für eine ARDS. Die Patienten der Behandlungsgruppe hatten eine verbesserte Oxygenierung. Zurzeit wird daher eine Folgestudie geplant. Eine allgemeine Empfehlung kann gegenwärtig nicht gegeben werden.

Extrakorporaler Lungenersatz

Grundsätzliche Aspekte

Extrakorporale Gasaustauschverfahren werden eingesetzt, um zeitlich begrenzt einen suffizienten Gasaustausch zu generieren, bis der Heilungsprozess eine adäquate eigenständige Atmung zulässt. Gleichzeitig ermöglicht die Anwendung extrakorporaler Verfahren eine Minimierung beatmungsinduzierter Lungenschäden [12].

Die Entwicklung in den letzten Jahren hat durch Optimierung der Pumpen- und Schlauchsysteme sowie von Membranen und Kanülen zu einer merklich höheren Effektivität und Sicherheit und damit gleichzeitig zu einer zunehmenden Anwendungshäufigkeit geführt. Trotzdem bleibt die Anwendung derartiger Systeme invasiv und potenziell komplikationsträchtig.

Grundsätzlich lassen sich Systeme zur primären extrakorporalen CO2-Elimination und solche, die zusätzlich auch eine Oxygenierung ermöglichen, unterscheiden. Dabei kommen die veno-venöse extracorporale Membranoxygenierung (vv-ECMO) beim schweren therapierefraktären hypoxischen Lungenversagen und die extrakorporale CO2-Elimination beim leichten bis milden ARDS zum Einsatz. Die veno-arterielle ECMO ­(va-ECMO) kommt mit hauptsächlicher Indikation beim kardiogenen Schock zur Anwendung.

Eine aktuelle Guideline zum Thema ECMO findet sich u. a. auf der Homepage (www.elso.org) der amerikanischen Extracorporal Life Support Organization.

Indikationen für eine ECMO gem. ELSO:

Selbstverständlich sollten vor Anlage alle konservativen Maßnahmen (Bauchlage, PEEP-Adjustierung, Negativbilanz usw.) ausgeschöpft sein. Eine relevante Studie zum Überlebensvorteil von Patienten im schweren ARDS nach ECMO-Therapie ohne schwere Behinderung ist die prospektiv randomisierte CESAR-Trial [48].

Zum Thema Beatmung unter ECMO untersuchten NETO et al. 545 Patienten aus 9 kontrollierten Studien [48]. Nach ECMO-Anlage zeigten sich signifikante Reduktionen von Tidalvolumen, PEEP, Plateaudruck, Driving-­Pressure, Atemfrequenz und Atemminutenvolumen. Weiterhin kam es zu einem Anstieg des PaO2/FiO2, arteriellen pH und Abfall des PaCO2. Erwähnenswert ist, dass auch in dieser Studie der sog. Driving-Pressure, in dem Fall dessen Reduktion, einzig mit einer unabhängigen Assoziation der Krankenhaussterblichkeit vergesellschaftet war.

Aufgrund des extrakorporalen Kreislaufs ist eine Antikoagulation erforderlich. Standard ist eine Heparinisierung (bei vvECMO: aPTT 1,5-fach, AT III und Fibrinogen im Normbereich, Thrombozyten > 80 000/mcl). In ausgewählten Fällen, z. B. bei heparininduzierter Thrombozytopenie (HIT), kann Argatroban mit gleicher Sicherheit angewendet werden [38].

Eine aktuelle Metaanalyse zu Komplikationsraten unter vv-ECMO untersuchte 12 Studien mit deutlicher Heterogenität der letzten 15 Jahre [63]. Die gepoolte Letalität lag bei 37,7 %, Komplikationen traten bei 40,2 % auf; dabei waren Blutungen mit 29,3 % am häufigsten. Zu mechanischen Komplikationen kam es in 11 % und zu Dysfunktionen in 12,8 % der Fälle.

Eine Observationsstudie zu neurologischen Komplikationen zeigte eine Komplikationsrate von 18 %, darunter 7,5 % zerebrale Blutungen mit einer Letalität von 70 %. Patienten mit einem Schlaganfall verstarben nur zu 33 %. Nierenversagen bei Intensivaufnahme und ein sehr schneller CO2-Abfall nach ECMO-Implementierung waren in diesem Kontext mit einer höheren Rate an zere­bralen Blutungen assoziiert [36].

Relative Kontraindikationen für eine ECMO gem. ELSO:

In den aktuellen Guidelines der ELSO werden ebenfalls relative Kontraindikationen für eine ECMO bei akutem respiratorischen Versagen genannt.

Spezielle Aspekte
„interventional Lung Assist“ (iLA)
Der pumpenlose „interventional lung assist“ (iLA) ist ­prinzipiell ein arteriovenöser Shunt mit integrierter Gasaustauschfläche. Technisch wird nach Kanülierung der Arteria und Vena femoralis durch die an das HZV gekoppelte arteriovenöse Druckdifferenz ein Blutfluss von etwa 0,5-1,5 l/min durch das System erzeugt. Das Blut umspült eine rund 1,3 m2 große Gasaustauschfläche, über die es via Sauerstoffinsufflation zu einer Elimination von CO2 aus dem Blut kommt.

Die Funktionalität dieser Systeme erfordert eine Oberfläche > 0,8 m2 und Blutflüsse > 750 ml/min, damit es zu einer suffizienten Korrektur der respiratorischen Azidose kommt [28]. Für den Betrieb einer av-CO2-Eliminierung muss der Patient einen funktionierenden Kreislauf aufweisen, um einen adäquaten Blutfluss über den künstlichen Shunt generieren zu können. Der kontinuierliche Sauerstofffluss regelt die Höhe der CO2-Elimination. Parallel findet eine leichte Oxygenierung des Blutes statt, die allerdings aufgrund des auf maximal 1,5 l/min begrenzten Blutflusses für die Behandlung von Oxygenierungsstörungen unzureichend ist.

Der Blutfluss wird kontinuierlich mittels Doppler gemessen und ist neben dem HZV/a.v.-Druckdifferenz, durch die Kanülengröße bestimmt (pumpenbetriebene Systeme mit höherem Blutfluss sind anders zu bewerten). Der iLA ist ähnlich wie die modernen ECMO–Systeme mit Heparin beschichtet.

ECMO-Systeme

Zur vv-ECMO-Therapie sind unterschiedliche Systeme etabliert. Je nach Kanülierung und Membrangröße sind Blutflüsse von 0,5-7 l/min möglich; damit kann das Verfahren sowohl für die primäre Decarboxylierung (zumeist via Twinportkanüle) als auch für die Oxygenierung und CO2-Elimination angewendet werden (Mehrkanülentechnik, in der Regel über eine Kanülierung von V. femoralis und V. jugularis).

In den neuen Systemen sind zumeist miniaturisierte Zentrifugalpumpen verbaut, die sich gegenüber den älteren Geräten durch reduzierte Komplikationsraten bei vergleichbarer Effizienz auszeichnen und zu einer Verbreitung im klinischen Alltag geführt haben.

Eine Pumpe befördert venöses Blut aus einer großlumigen Gefäßkanüle zum Oxygenator, welcher in 2 Kompartimente unterteilt ist. Über eine semipermeable Membran wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und Kohlendioxid eliminiert. Anschließend wird das oxygenierte und decarboxylierte Blut in das venöse System reinfundiert. Im Grundsatz und sehr vereinfacht gilt, dass über den Blutfluss die Oxygenierung gesteuert und über den Sauerstofffluss – ähnlich der iLA – die Decarboxylierung geregelt werden kann.

ECMO-Entwöhnung

Die Entwöhnung von der ECMO ist ein schrittweiser Prozess, der ein überlegtes Handeln erfordert. Bei vv-ECMO sind für die Entwöhnung die Atemmechanik und der pulmonale Gasaustausch entscheidend.

Bei primär hypoxischen Patienten wird der Blutfluss analog zur Erholung des pulmonalen Gasaustausches langsam reduziert. Idealerweise sollten zu diesem Zeitpunkt der Plateaudruck < 30 mbar, der PEEP < 15 mbar und die FiO2 < 0,6 liegen. Beim hyperkapnischen Lungenversagen läuft die Entwöhnung primär durch Reduktion des Frischgasflusses. Vor der Entfernung einer vv-ECMO sollte ein Auslassversuch mit 0 l/min Frischgasfluss erfolgen.

Nicht-Invasive Beatmung (NIV)

Grundsätzliche Aspekte

Die NIV hat mittlerweile einen hohen Stellenwert, sowohl in der Behandlung akuter respiratorischer Insuffizienzen (ARI) als auch bei chronischen Ventilationsstörungen (Obesitas-Hypoventilationssyndrom) oder End of Life Situationen (z. B. bei ALS). Indikationen und Grenzen wurden evidenzbasiert in die S3-Leitlinien aufgenommen und sollen im Folgenden erläutert werden [52].

Empfehlungen mit hohem Evidenzgrad für die NIV bestehen bei COPD und akuter kardialer Insuffizienz, v. a. bei diastolischer Dysfunktion (zumeist im Rahmen hypertensiver Krisen). Eine Cochrane-Analyse bescheinigte bei kardialer Insuffizienz in Hinblick auf die nichtinvasive Beatmung beim kardiogenen pulmonalen Ödem eine signifikante Reduktion der Krankenhausmortalität, Verminderung der Notwendigkeit endotrachealer Intubation und kein erhöhtes Auftreten von Myokardinfarkten [64].

Die Domäne der NIV sind im Wesentlichen Erkrankungen, die mit dem Versagen der Atempumpe einhergehen. Eine pathophysiologische Erklärung der schlechteren Wirksamkeit bei primär hypoxämischen Lungenversagen ist das zu Grunde liegende Ventilations-Perfusions-Missverhältnis bei diesen Patienten und die damit verbundene therapeutische Notwendigkeit positiver endexpiratorischer Drücke zur Reduzierung bestehender Atelektasen. Diese lassen sich unter NIV weniger zuverlässig und kontinuierlich auf das respiratorische System übertragen. Eine Metaanalyse über 12 Studien und 963 Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz konnte zeigen, dass – indiziert und adäquat angewendet – die nichtinvasive Beatmung signifikant die Intubationsrate und die Intensivmortalität ohne Einfluss auf die Krankenhausmortalität reduziert [35]. Unter Anwendung der NIV gelingt es ­vielfach, Risiken, die mit dem Tubus einhergehen, zu vermeiden, so z. B. die tubusassoziierte Pneumonie und die meist notwendige tiefere Sedierung. Tabelle 3 vergleicht Vorteile und Risiken der NIV versus invasive Beatmung.




Grundsätzliche Empfehlungen zur NIV:

Absolute Kontraindikationen einer NIV:

Bei Vorliegen relativer Kontraindikationen (Koma, Agitation, Sekretverhalt, Hypoxämie, Azidose < 7,1, hämodynamische Instabilität, anatomische Inkompatibilität und Z.n. OP im oberen Gastrointesinaltrakt GIT) sollte NIV nur durch qualifizierte Behandlungsteams und in Intubationsbereitschaft durchgeführt werden.

Ein NIV-Versuch bei komatösen Patienten mit hyper­kapnischem ARI kann indiziert sein.

Spezielle Aspekte
Im Mittelpunkt des hyperkapnischen Lungenversagens steht das Missverhältnis zwischen relativ erhöhter Atemarbeit in Bezug zu Kraft und Ausdauer der Atemmuskulatur. Die vermehrte Atemarbeit wird primär inspiratorisch geleistet und beinhaltet im Wesentlichen eine restriktive Komponente (erhöht bei COPD) und eine elastische Komponente (erhöht bei Adipositas, ARDS, Lungenödem, Lungenfibrose oder anatomischen Deformitäten). Bei der COPD (insbesondere bei führendem Lungenemphysem) spielen die vermehrte Volumenarbeit und der intrinsische PEEP (PEEPi) eine Rolle.

Zwerchfellaktivität

VIVIER et al. untersuchten im Ultraschall (M-Mode) die Zwerchfellaktivität als Maß der Atemarbeit bei spontan atmenden und nicht invasiv beatmeten Patienten. Die Untersucher berechneten die sogenannte „thickening fraction“ (Dicke des Zwerchfells bei Inspiration minus Dicke des Zwerchfells bei Exspiration geteilt durch Dicke des Zwerchfells endexspiratorisch), welche in guter Korrelation zur Zwerchfelllast stand [65].

Dieses Hilfsmittel kann in der Praxis bei der Bewertung von langzeitbeatmeten Patienten mit schwerer Entwöhnung und noch bestehender Insuffizienz der Atempumpe hinzugezogen werden.

AECOPD
Gemäß Konsens ist die exacerbierte COPD (AECOPD) durch einen pH < 7,35 und einen PaCO 2 > 45 mmHg definiert. Die NIV bei AECOPD wirkt über die Antagonisierung des PEEPi durch Einsatz des externen PEEP und durch maschinelle Druckunterstützung der diaphragmalen Atemarbeit. Indikationen ergeben sich frühzeitig bei pH 7,3-7,35. Bei schwerer AECOPD (pH < 7,25) ist der Versuch gerechtfertigt, die Erfolgsaussichten allerdings schlechter. Oberhalb eines pH von 7,35 besteht keine Indikation zur NIV.

NIV-Beatmunsgssysteme
Zur Behandlung hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienzen sollten Beatmungssysteme mit geringem Totraumvolumen, wie partielle oder Vollgesichtsmasken zur Anwendung kommen. Die nichtinvasive Beatmung via Helm ist aufgrund hoher Totraumventilation und reduzierter Triggerempfindlichkeit in diesem Kontext weniger geeignet, erweist sich aber in ihrer Funktionalität (PEEP kann zumeist höher eingestellt und besser aufrecht erhalten werden), im Hinblick auf den Patientenkomfort im Einzelfall und insbesondere bei hypoxämischer ARI durchaus als geeignete Alternative. Ein Übersichtsartikel aus dem Jahr 2013 fasste die Studien zur Beatmung via Helm zusammen und bescheinigte dieser Methode einen der Maskenbeatmung vergleichbare Effektivität, solange die Beatmungsdrücke maximal 15 cmH2O betrugen [18]. Bei höheren Druckwerten ist der Helm für den Patienten nur noch bedingt tolerabel, die Leckage erhöht und der Ventilationseffekt deutlich reduziert.

NIV und Delir

Eine Arbeit von CHAN et al. untersuchte in einer prospektiven Beobachtungsstudie an 153 Patienten den Einfluss eines Delirs auf das Versagen einer NIV-Therapie und das Outcome [11]. Es stellte sich heraus, dass ein früherer Tod nicht mit der Einschränkung der Lungenfunktion (FEV1) assoziiert war, sondern dass ein höherer Apache-­II-Score, ein niedriger BMI, relevante Komorbiditäten und ein Nachweis deliranter Zustände prognostisch ungünstig waren. 31 % der in diese Studie eingefassten Patienten hatten ein Delir. Für die Praxis heißt das, dass Patienten, die unter NIV ein Delir entwickeln, eher frühzeitig intubiert werden sollten, wenn die NIV bezüglich der Verbesserung der respiratorischen Situation nicht eindeutig erfolgreich ist. Wichtig bei der Umsetzung dieser Maßnahme ist neben der begleitenden Behandlung die zeitnahe Reevaluation, um ein Therapieversagen frühzeitig zu erkennen und die NIV zu beenden.

Behandlungs- und Behandlungsabbruchskriterien

Kriterien zur Behandlung oder zum Behandlungsabbruch sind die Bewertung von

Der prinzipiell sehr valide Rapid-Shallow-Breathing-Index (Atemfrequenz zu Tidalvolumen (in l), fb/VT > 105) kann mangels zuverlässiger Messungen des VT oft im Kontext der nichtinvasiven Beatmung nicht sicher bestimmt werden. Die bedeutsamsten Prädiktoren für das NIV-Versagen sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 %:

Ergänzend sei noch auf eine Studie verwiesen, die den Einfluss des Husten-Stoßes bei Pneumoniepatienten auf ein NIV-Versagen untersuchte [27]. Dabei bestätigte sich die klinische Erfahrung, dass ein schwacher Hustenstoß ein unabhängiger Risikofaktor für das Versagen einer NIV ist. Es ist von hoher Relevanz, diese Parameter zu überwachen und Nonresponder frühzeitig zu erkennen, um die Therapie zu verändern bzw. zeitnah auf eine notwendige invasive Beatmung zu wechseln. Eine Verzögerung dieser Konsequenz hat einen negativen Einfluss auf die Mortalität. Daher empfiehlt es sich, in der Anfangsphase kurze Überwachungsintervalle (ca. 30 min) einzuhalten, die im weiteren Verlauf verlängert werden können. Die Durchführung einer nichtinvasiven Beatmung ist damit eine sehr personal- und zeitaufwändige Prozedur.

Hochdruck- oder Niederdruck-NIV?

Die Daten zur technischen Umsetzung einer NIV-Therapie sprechen dafür, dass eine Hochdruck-NIV effektiver ist als eine Niedrigdruck-NIV. Bei guter Toleranz durch den Patienten können Drücke bis 28 cmH2O appliziert werden [40, 55].

Weitere NIV-Indikationen

Neben der hyperkapnischen ARI sind weitere Indikationen zur Anwendung der NIV:

Technik und Anwendung der NIV

Regeln für die Anwendung einer NIV:

Risikofaktoren für sekundäres Extubationsversagen sind:

Dauer der invasiven Beatmung > 48h und einer der folgenden Faktoren:

Bei Patienten mit primärer Oxygenierungsstörung – ausgenommen die oben genannten Indikationen – ist gemäß Studienlage eine NIV nicht generell zu empfehlen. Erkenntnisse über NIV bei Pneumonie, Lungenfibrosen, cystischer Fibrose und ARDS beschränken sich auf Untersuchungen, die nur partiell positive Effekte erbrachten, allerdings ohne Signifikanzniveau. Daher sollte die Entscheidung zur NIV abseits der bis dato sicheren Indikationen im Einzelfall geprüft werden.

Spezielle Indikationen ergeben sich auch bei der Betreuung von Kindern, immunsupprimierten Patienten und Palliativpatienten, für die sich Indikationen ergeben können und die gleichfalls individuell entschieden werden sollten. Ergänzend sei noch auf die im Kapitel ARDS bereits erläuterte post-hoc-Analyse der LUNG-SAFE-­Studie hingewiesen, wonach sich bei Patienten im leichten bis moderaten ARDS kein Unterschied für die Anwendung einer primären nicht-invasiven und einer invasiven Beatmung ergab [6].

High-Flow-Sauerstofftherapie

Die Gabe von High-Flow-Sauerstoff hat sich in den letzten Jahren auf vielen Intensivstationen etabliert. Zusammengefasst wird angefeuchteter und erwärmter Sauerstoff mit einem hohen Flow (bis 50 l/min) über eine spezielle Nasenbrille (HFNC: High Flow Nasal Canula) bzw. einen Tracheostomaaufsatz verabreicht. Dabei kann die FiO2 auf bis zu 100 % geregelt werden. Dieser hohe Atemgasfluss generiert einen sog. „Flowteppich“, wodurch unabhängig von Mundschluss ein leichter positiver CPAP erzeugt wird, der zu einem erhöhten endexspiratorischen Lungenvolumen und verbesserter Effi­zienz der Atmung durch reduzierte Atemarbeit führt [37].

Infolge dieser physiologischen Effekte kommt es idealerweise unter HFNC zu einer verbesserten Oxygenierung und Ventilation. Diese Therapieform erzeugt eine hohe Patientencompliance, da z. B. Essen und Trinken trotz hoher Sauerstoffpflichtigkeit möglich wird. In einer großen randomisierten Studie von FRAT et al. [21], bestätigt durch eine Studie von NI et al. [43], konnte gezeigt werden, dass unter HFNC im Vergleich zur NIV und kon­ventionellen Sauerstofftherapie weniger Patienten mit hypoxi­scher respiratorischer Insuffizienz intubiert werden mussten und eine geringere 90-Tages-Mortalität aufwiesen. Es wurden in den letzten Jahren Studien unterschiedlicher Güte zu vielen denkbaren Indikationen zur HFNC-Anwendung aufgelegt. Für die folgenden Szenarien wurden positive ­Effekte oder Nichtunterlegenheiten gezeigt:

Trotz hoher Akzeptanz dieser Methode ist die wissenschaftliche Evidenz in Ermangelung ausreichender großer randomisierter Studien nicht sehr stark. Die meisten Metaanalysen konnten einen Vorteil der HFNC in Bezug auf die Intubationsrate bei akuter respiratorischer Insuffizienz und auf die Reintubationsrate nach Extubation zeigen [33, 42, 68]. Die meisten Studien schlossen nur Patienten mit hypoxischer respiratorischer Insuffizienz ein. Somit stellt die HFNC bei diesen Patienten auch in der Praxis ein Bindeglied zwischen konventioneller Sauerstofftherapie und NIV dar.

Eine prospektive Beobachtungsstudie von BISELLI et al. untersuchte den Effekt von HFNC versus Low-Flow-­Sauerstofftherapie in Bezug auf Ventilationsparameter und die Atemarbeit bei Patienten mit COPD im Schlaf [7]. Unter HFNC kam es zu einer stärkeren Reduktion des AMV bei einer zusätzlichen Reduktion des CO2-Spiegels. Für die Intensivmedizin könnte das bedeuten, dass Patienten mit COPD, mäßiger Hyperkapnie und erhöhter Atemarbeit von einer HFNC-Therapie profitieren könnten.

Lungenprotektive Beatmung

Bezüglich der Beatmung von Patienten hat sich in den letzten Jahren ein deutlicher Zuwachs an pathophysiologischem Verständnis und dessen Umsetzung in veränderte Beatmungsregime ergeben. Für die erfolgreiche Durchführung einer lungenprotektiven Beatmung sind das Verständnis der Technik einer maschinellen Be­atmung und das Wissen um deren Einfluss auf den Gesamtorganismus erforderlich.

Die lungenprotektive Beatmung ist seit der im Jahr 2000 publizierten ARDS-Network-Studie integraler Bestandteil der Beatmungseinstellung beim schweren Lungenversagen [1]. Dieses Vorgehen wurde durch eine 2012 publizierte Kohortenstudie von NEEDHAM et al. nochmal bestätigt [41]. Dabei ergab sich nach Adjustierung der Daten für Beatmungsdauer, Schwere der Erkrankung und anderen Faktoren eine lineare Relation von Tidalvolumen und 2-Jahres-Überleben. Ein weiterer Punkt, den diese Studie offenlegte und der unbedingter Beachtung bedarf, ist die Tatsache, dass 37 % der Patienten trotz Studienbedingungen zu keinem Zeitpunkt protektiv beatmet waren. Das ist sicher eine Feststellung, die täglicher Evaluationen der Umsetzung von Therapieempfehlungen in der eigenen Klinik bedarf.

Ein lesenswerter Review-Artikel von LELLOUCHE et al. fasste die vorliegenden Studien zum Thema protektive Beatmung auf Intensivstation und im OP zusammen [31]. Die Autoren empfehlen den Einsatz der protektiven Beatmung auch auf Nicht-ARDS-Patienten zu erweitern, insbesondere, wenn Risikofaktoren vorliegen.

In einer 2017 publizierten Studie wurde das Thema der permissiven Hyperkapnie und deren unerwünschter physiologischer Nebenwirkungen aufgenommen [44]. Dabei zeigte sich, dass bei ARDS-Patienten ein pCO2 > 50 mmHg mit einer erhöhten Mortalität assoziiert war. Zu der gleichen Schlussfolgerung kommt eine Datensatzanalyse aus australischen Intensivstationen [62]. Hier war eine hyperkapnische Azidose in den ersten 24 Stunden nach Intensivaufnahme mit erhöhter Krankenhaussterblichkeit verbunden.

Grundsätzlich ist immer zu beachten:

Die Beatmung ist ein dynamischer Prozess, der einer regelmäßigen Überwachung und Adaptation bedarf.


Tracheotomie oder translaryngeale Intubation?

Der Stellenwert der Tracheotomie zur Vermeidung der beatmungsassoziierten Pneumonie oder aufgrund möglicher Vorteile durch Beendigung der Sedierung (verbesserte Husten- und Schluckreflexe, mögliche Mobilisierung) bleibt unklar. Eine 2013 im JAMA publizierte TracMan-Studie randomisierte 909 Patienten in Großbritannien und ist weltweit eine der größten Studien zum Thema Frühtracheotomie [67]. Hierbei wurden ­Patienten verschiedener Fachrichtungen mit einer absehbaren Beatmungsdauer ≥ 7 Tage randomisiert einer frühen (Tag 1-4) oder späten (> 10 Tage) Tracheotomiegruppe zugeordnet. Die Mehrzahl der Verfahren (89 %) waren die auch in Deutschland am weitesten verbreiteten perkutanen Dilatationstracheotomien. Der primäre Endpunkt, die 30-Tage-Mortalität, unterschied sich nicht signifikant in beiden Gruppen. Auch in Hinblick auf weitere Endpunkte (2-Jahres-Mortalität, Intensivverweildauer) zeigten sich keine Vorteile für die Frühtracheotomie. ­Beachtenswert bleibt die Tatsache, dass lediglich 44,9 % der Patienten, die der Spättracheotomiegruppe zu­geordnet worden waren, überhaupt tracheotomiert wurden.

Eine routinemäßige Frühtracheotomie bei Intensivpatienten kann gegenwärtig nicht empfohlen werden. Ist eine Beatmungsdauer von mehr als 2 Wochen zu erwarten, kann eine Tracheotomie erwogen werden. Beachtet werden muss, dass die Abschätzung der Beatmungsdauer selbst für Experten schwierig sein kann. Eine Expertengruppe publizierte 2017 eine evidenzbasierte Leitlinie zur Tracheotomie bei Intensivpatienten [51]. Sie kommen zu dem Schluss, dass es keine Indikation für eine Frühtracheotomie gibt.

Kernaussagen und Merksätze

Kernaussagen und Merksätze zur lungenprotektiven Beatmung sind in Abbildung 2 zusammengefasst.

Abb. 2: Kern- und Merksätze zur lungenprotektiven Beatmung

Weaning

Grundsätzliches

Weaning ist die stufenweise Entwöhnung von der mechanischen Beatmung und Wiederherstellung einer spontanen Atmung. Abhängig von Grunderkrankungen, der aktuellen Situation (kardiopulmonal, metabolisch und neurologisch, Erfolg der Behandlung der für den Beginn der Beatmung verantwortlichen Erkrankung) und der Beatmungsdauer ist dieser Prozess zeitlich variabel.

ICC-Klassifikation

Eine internationale Konsensuskonferenz hatte vor mehr als 10 Jahren eine sog. ICC-Klassifikation erarbeitet. Diese teilte Patienten im Weaningprozess in drei Gruppen ein.

Eine Arbeit von PENNUELAS et al. untersuchte 2 714 Patienten, die mindestens 12 Stunden beatmet wurden und erfasste den Erfolg der Entwöhnung [49]. Danach waren 55 % der Patienten schnell entwöhnt, 39 % boten ein schwieriges Weaning und bei 6 % dauerte der Entwöhnungsprozess länger als 7 Tage. Die letztgenannte Gruppe zeigte dabei eine signifikant erhöhte Mortalität.

Folgestudien konnten zeigen, dass 40-50 % der Patienten im klinischen Alltag einer Intensivstation nicht durch diese Klassifikation erfasst werden, z. B. tracheotomierte Patienten, Patienten nach Selbstextubation und Patienten, die aufgrund der Tatsache, dass der Spontanatemversuch nicht überall etabliert ist, nicht erfasst werden konnten.

WIND-Klassifikation

2017 wurde eine große multizentrische Studie aus Frankreich, Spanien und der Schweiz mit dem Ziel einer Re­klassifikation veröffentlicht [5]. In diese Studie wurden 2 709 Patienten inkludiert und eine 4 Gruppen umfassende sog. WIND-Klassifikation erarbeitet. Der Beginn des Weaningprozesses wurde als erstmalige Diskonnektion vom Beatmungsgerät definiert; erfolgreich war eine ­Weaning, wenn der Patient innerhalb von 7 Tagen nach Extubation nicht reintubiert werden musste.

WIND-Klassifikation

Tracheotomierte Patienten wurden in diese Klassifikation eingebunden. Der Separationsversuch wurde definiert als eine Periode von 24 Stunden Spontanatmung ohne mechanische Unterstützung. Der Weaningprozess in dieser Studie/Klassifikation bezieht sich ausschließlich auf die invasive Beatmung, d. h. eine Unterstützung via NIV spielt keine Rolle.

Es ist von großer Bedeutung, jeden beatmeten ­Patienten täglich auf eine mögliche Entwöhnbarkeit zu überprüfen. Die Evaluierung und zeitgerechte Einleitung hat sich bezüglich des Outcome als wichtiger erwiesen als die eigentliche technische Durchführung.


Risiken der maschinellen Beatmung
Unterschiedliche Weaning-Verläufe bzw. ein Weaning-Versagen resultieren aus den Risiken der maschinellen Beatmung. Diese sind

Voraussetzungen erfolgreichen Weanings

Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung einer Entwöhnung vom Respirator und damit Kriterien für den Beginn des Weanings sind:

Kriterien für den Beginn des Weanings

Entlastungspausen für die Atemmuskulatur

Im Weaning wechseln sich Phasen, in denen der Patient seine Atemmuskulatur trainiert (Spontanatmung mit variablen Unterstützungen), und Ruhephasen ab. Nach aktuellem Wissen und praktischer Erfahrung renommierter Zentren sollte der Atemmuskulatur in den Entwöhnungspausen eine möglichst hohe Entlastung eingeräumt werden. Dazu kann die Druckunterstützung der Spontanatmung erhöht (Stufenkonzept) oder der Patient kontrolliert beatmet werden (intermittierendes Konzept), zumeist im BIPAP-Modus. Insbesondere zur Wahrung des täglichen Biorhythmus sollte diesen Patienten eine nächtliche Pause gewährt werden, die eine Erholung der Atemmuskulatur beinhaltet.

Lagerung
Untersuchungen zum Einfluss der Lagerung auf die Atemanstrengung bei Patienten im schwierigen Ent­wöhnungsprozess bestätigen die klinische Erfahrung, dass sich Patienten in halb sitzender Position am ­wohlsten fühlen und auch objektiv von einer größten Entlastung der Atemmuskulatur in dieser Lage auszugehen ist [50].

Schwierige Entwöhnung

Die Ursachen der schwierigen Entwöhnung resultieren aus der Differenz zwischen notwendiger und leistbarer Atemarbeit, die sich klinisch manifestiert und konsequent therapiert werden muss:

Zahlreiche Studien untersuchten mögliche Prädiktoren für ein erfolgreiches Weaning bzw. dessen Versagen.

Rapid-Shallow-Breathing-Index

In einer Arbeit von SPANDARO et al. wurde die Datenlage zum Rapid-Shallow-Breathing- Index zusammengefasst [58]. Die Messung der Atemfrequenz in Relation zum Atemzugvolumen ist ein guter Prädiktor für eine erfolgreiche Extubation. Ein Wert < 105 Atemzüge/min/l besitzt eine Sensitivität von 97 % und Spezifität von 64 %, einen positiven Vorhersagewert von 78 % und einen negativen Vorhersagewert von 95 % für eine erfolgreiche Extubation. Grundsätzlich sind serielle Messungen dieses Index zu empfehlen.

Kardiale Dysfunktion

Der Zusammenhang zwischen kardialer Funktion und Weaningversagen ist lange bekannt. Für Patienten mit systolischer Dysfunktion ist mehrfach gezeigt worden, dass eine vollständige Rekompensation (z. B. durch Volumenbilanzierung) für ein erfolgreiches Weaning erforderlich ist [34].

Zur Verifikation der diastolischen Dysfunktion als prognostisch relevantem Risikofaktor für ein Weaningversagen wurde 2016 eine Metaanalyse veröffentlicht [15]. Dabei waren klassische echokardiographische Parameter der diastolischen Dysfunktion (E/A-Verhältnis, E/E´-­Verhältnis) mit einem weaninginduzierten kardialen Lungenödem assoziiert. Das absolute Risiko bei Patienten mit nachgewiesener diastolischer Funktionsstörung war um den Faktor 11 erhöht.

BNP-Spiegel

Der BNP5-Spiegel korreliert vor allem im Verlauf des Weanings mit dessen Erfolg. Ein Anstieg des BNP-Wertes zum Ende des Spontanatemversuches zeigte ein höheres Risiko für ein Weaningversagen [30].

Zwerchfellfunktion

Die bettseitige Sonographie zur Erfassung der Zwerchfellfunkion ist ein relativ einfaches Verfahren, um einen Überblick über die Beweglichkeit und die Kontraktion (Durchmesserveränderung) des Zwerchfells zu erhalten. Exemplarisch sei eine Arbeit von CARRIE et al. erwähnt, wo sich durch die der maximalen Zwerchfellexkursion gegenüber der die allgemeine Muskelkraft eines Intensivpatienten einschätzenden MRC-Score zwar eine gute Korrelation, aber kein zusätzlicher Informationsgewinn bezüglich der Vorhersage eines Weaningversagens herausarbeiten ließ [10]. Eine Arbeit von BLUMHOF et al. untersuchte nicht die Verschieblichkeit, sondern die Veränderung des Zwerchfelldurchmessers [9]. Die Autoren befanden eine Verkürzungsfraktion (Durchmesser Zwerchfell in der Inspiration im Verhältnis zur Exspiration im B-Mode) von > 20 % als robusten Prädiktor einer erfolgreichen Extubation.

Eine Arbeit von GOLIGHER et al. bestätigte, dass eine Zwerchfellatrophie prozentual häufig unter beatmeten Patienten zu beobachten ist und sich negativ auf die Länge der Beatmungsdauer und Komplikationsraten auswirkt [24]. Interessant war der Aspekt, dass auch eine Verdickung des Zwerchfells (vermutlich durch erhöhte Atemanstrengung bedingt) ungünstig ist.

Phosphat-Spiegel

Eine chinesische Arbeit konnte die direkte klinische Konsequenz einer Hypophosphatämie auf den Weaningerfolg zeigen [69]. Der Phosphatspiegel im Serum ist für die Erythrozyten (keine eigenen Phosphatspeicher), genauer für die Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins, von wesentlicher Bedeutung. In der besagten Arbeit konnte gezeigt werden, dass ein erniedrigter Phosphatspiegel (< 0,87 mmol/l) zu einem höheren Weaningversagen führte (43 versus 10,34 %).

Weitere Einflussfaktoren

Eine Bestätigung für die Korrelation von Komorbiditäten und schwierigem Weaning ist die Arbeit von DATTA et al. [14]. Untersucht wurde die Assoziation von Nierenfunktionsstörungen und prolongiertem Weaning auf das Überleben. Es stellte sich heraus, dass die Niereninsuffizienz einen signifikanten Einfluss auf das Weaning und das Überleben der Patienten hat.

In einer Vergleichsstudie von CONTI et al. wurde Dexmedetomidin versus Propofol bei Patienten mit schwierigem Weaning untersucht [13]. Das primäre Outcome dieser Untersuchung war der Asynchronie-Index (Fehltriggerung bei unterstützter Spontanatmung) und die elektrische Aktivität des Zwerchfells (NAVA-Messung). Dabei zeigte sich, dass ein Sedierungskonzept mit dem untersuchten Alpha-2-Agonisten gegenüber Propofol Vorteile bezüglich des Asynchronie-Index bietet. Außerdem waren die gemessenen Atemanstrengungen in der Dexmedetomidingruppe größer. Ob der Effekt auch auf das günstigere Clonidin zu übertragen ist, ist wahrscheinlich, aber nicht klar zu beantworten. Aus klinischer Sicht ist das ein wichtiges Ergebnis und als Fazit festzustellen:

Die Desynchronisierung zwischen Patient und Beatmungsgerät führt zu erheblichem Stress für den Patienten und verlängert das Weaning.


Eine Untersuchung von FERNADEZ et al. überprüfte den praktischen Aspekt, ob ein Patient nach erfolgreichem Spontanatemversuch (SBT) noch 1 Stunde an der Beatmung verbleiben sollte [19]. Dabei zeigte sich, dass in der Gruppe der Patienten, die unmittelbar nach erfolgreichem SBT extubiert wurden, die Re-Intubationsraten innerhalb 48 Stunden signifikant häufiger war.

Leitlinien zum Weaning

Aus aktuellen Publikationen der American Thorax Society und des American College of Chest Physicians können folgende Leitlinien zum Weaning abgeleitet werden:

Leitlinien zum Weaning

Abbruchkriterien des Weaning

Zeichen der Erschöpfung und damit Abbruchkriterien (Umstellung von Atemtraining auf Entlastung) sind:

Über allen Leitlinien und Empfehlungen gilt immer:

Abhängig von den Grunderkrankungen, der aktuellen Situation (kardiopulmonal, metabolisch und neurologisch), Erfolg der Behandlung der für den Beginn der Beatmung verantwortlichen Erkrankung und der Beatmungsdauer ist der Weaning-­Prozess zeitlich variabel.

 

Schlussbemerkungen

Die Fachgesellschaften, vertreten durch eine interdisziplinäre Leiliniengruppe, haben im Dezember 2017 für Deutschland, Österreich und die Schweiz die neue S3-Leitlinie zur invasiven Beatmung und zum Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz verabschiedet [16]. Die daraus zu entnehmenden Empfehlungen orientieren sich am klinischen Alltag auf einer Intensivstation und befassen sich mit Indikationen der invasiven Beatmung, Beatmungsmodi, Einstellungen der Beatmung, begleitender Therapie, Empfehlungen zum Umgang mit therapierefraktären Gasaustauschstörungen, inklusive extrakorporaler Ersatzverfahren und mit der Entwöhnung und Folgeversorgung nach invasiver Beatmung.

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Manuskriptdaten

Zitierweise

Veit C, Iversen MF: Refresher Intensivmedizin – Lunge und Beatmung. WMM 2019; 63(12): 386-400.

Für die Verfasser

Flottillenarzt Dr. Carsten Veit

Flottillenarzt Dr. Maja Florentine Iversen

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg –

Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie

Lesserstrasse 180, 22049 Hamburg

E-Mail: carstenveit@bundeswehr.org


1 In diesem Beitrag wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit teilweise auf eine geschlechtsbezogene Formulierung verzichtet. Gemeint sind jedoch stets beide Geschlechter.

2 GOLD = Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease; ­Stadieneinteilung (I-IV) zur Beschreibung des Ausmaßes der Lungeneinschränkungen.

3 CPAP: Continuous Positive Airway Pressure mit dauerhaft bei Ein- und Ausatmung aufrechterhaltenem positivem Druck in den Atemwegen
ASB: Assisted Spontaneous Breathing: Unterstützung der Atmung mit Triggerung durch die Eigenatmung des Patienten

4 BIPAP: Bilevel Positive Airway Pressure mit unterschiedlichen Drücken bei Inspiration und Exspiration

5 BNP = B-Typ Natriuretisches Peptid