Wehrmedizinische Monatsschrift

LEBENSMITTELCHEMIE

Lebensmittel unter Einsatzbedingungen –

Simulation von Klimaverläufen im Labor

Johannes von Einsiedel a, Thomas Timm a

a Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München, Außenstelle Koblenz

 

Zusammenfassung

Mit den zunehmenden Einsätzen der Bundeswehr unter extremen klimatischen Bedingungen steigen die Anforderungen an Mensch und Ausrüstung. Dies betrifft auch die Bestandteile der Einmannpackungen (EPa) zur feldküchenunabhängigen Verpflegung.

Zur Beurteilung der Eignung solcher Lebensmittelkomponenten wird im Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ZInstSanBw) München Außenstelle Koblenz die Lagerung bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen simuliert und das Lebensmittel anschließend analysiert.

Am Beispiel der EPa-Komponente „Hartkeks“ werden Planung und Durchführung solcher Klimasimulationen erläutert und die daraus gewonnenen Daten hinsichtlich der Verbesserung von Produkten analysiert und diskutiert.

Schüsselwörter: Verpflegung, Einsatz, Klimasimulation, Lebensmitteltechnologie, Einmannpackung

Keywords: food, deployment, climate simulation, food technology, field ration

Einleitung

Die feldmäßige Verpflegung der Soldaten mit Einmannpackungen (kurz „EPa“) ist bereits seit geraumer Zeit nicht mehr nur auf den Inlandsbetrieb beschränkt. Jede in einem EPa enthaltene Komponente muss heutzutage der Belastung in unterschiedlichsten Einsatzszenarien standhalten: von tropisch-feucht in EUTM Mali über trocken-heiß in MINUSMA Mali bis hin zu frostig-kalt bei Trident Juncture 2018 in Norwegen. Dabei die Qualität jedes einzelnen Lebensmittels über die gesamte Haltbarkeitsdauer von 3 Jahren gleichbleibend hoch zu halten, ist eine technologische Herausforderung.

Die Prüfung und Beurteilung der Eignung solcher Lebensmittel für verschiedene klimatische Bedingungen sowie die Beratung von Verpflegungsamt, Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und Kommandobehörden hinsichtlich der Entwicklung und Einführung geeigneter Produkte ist ein Kerngebiet der Teileinheit (TE) Lebensmitteltechnologie, die ihre Ursprünge im ehemaligen ZInstSanBw Koblenz hat und nach Umstrukturierungsmaßnahmen nunmehr Teil der Außenstelle des ­ZInstSanBw München ist.

Der TE Lebensmitteltechnologie stehen dabei modernes Equipment, wie Klimaprüfungskammern und ein Ultratiefkühlschrank, sowie umfangreiche Analysenmethoden zur Verfügung. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Außenstelle Koblenz erstreckt sich das Analysenspektrum zudem auf mikrobiologische, trinkwasser- und ökochemische Untersuchungen sowie chemisch-technische Prüfungen von Verpackungsmaterialien.

Der nachfolgende Artikel befasst sich mit der Untersuchung der Klimatauglichkeit einer bekannten und bei Soldaten durchaus beliebten EPa-Komponente: den Hartkeksen.

Hintergrund

Im Rahmen interner Qualitätskontrollen der Einsatzbevorratung traten starke geruchliche Abweichungen bei der Lagerware von Hartkeksen auf. In einer groß angelegten Untersuchung wurden chargenabhängig starke sensorische Veränderungen (Geruch und Geschmack) durch einen fortgeschrittenen Fettverderb als Folge von Verpackungsmaterial unzureichender Qualität festgestellt. Als Resultat konnten die Produkte, welche bereits bei kontrollierten Lagerbedingungen im Inland nicht die erforderlichen Spezifikationen aufwiesen, nicht länger zur Bestückung der u. a. für die Verwendung im Einsatz vorgesehenen EPa verwendet werden. Dies führte zur Sperrung bestehender Bestände und Zurückweisung weiterer Beschaffungen.

Zur Sicherstellung der Versorgung der Soldaten mit vollständigen Tagesrationen war die zeitnahe Identifizierung möglicher Alternativprodukte erforderlich. Im Fokus der Untersuchungen standen Kekse in den Geschmacksqualitäten „süß“ und „salzig“, die bereits Bestandteil französischer Tagesrationen sind. Zur Prüfung auf Eignung für verschiedene klimatische Bedingungen wurden Muster dieser Produkte der TE Lebensmitteltechnologie zur Verfügung gestellt.

Material und Methoden 1

Anforderungen der Bundeswehr

Für jede EPa-Komponente erstellt das Verpflegungsamt der Bundeswehr (VpflABw) einen detaillierten Anforderungskatalog, sogenannte Leistungsbeschreibungen (LB). Sie legen Anforderungen u. a. für das Verpackungsmaterial, das Herstellungsverfahren, die Zusammensetzung sowie die Haltbarkeit von Produkten fest. Ein wesentlicher Bestandteil bei Hartkeksen ist die Eignung zum Verzehr nach Lagerung in kalten und heißen Klimazonen (sogenannte „Klimatauglichkeit“) [5]. Im Hinblick auf die eingangs erwähnten Einsatzszenarien ist diese Eigenschaft ein wesentliches Merkmal für neu zu beschaffende Produkte.

Klimasimulation

Für die Simulation unterschiedlichster Klimabedingungen stehen der TE Lebensmitteltechnologie zwei Klimaprüfschränke (Abbildung 1) zur Verfügung, mit denen der präzise Ablauf von Temperatur- und Feuchtigkeitszyklen oder konstanten klimatischen Bedingungen über lange Zeiträume vollautomatisch simuliert werden kann. Durch die vorhandenen Tageslichtlampen kann zudem der Einfluss von Sonnenlicht geprüft werden. Darüber hinaus ist die Simulation arktischer Temperaturen mit konstanten Verläufen bis -86 °C im Ultratiefkühlschrank möglich.

Abb. 1: Klimaprüfschrank Binder KMF 720 (links) und KBWF 240 (rechts)

Die eingesandten Proben „salzige/süße Kekse“ wurden gemäß Nr. 2.4.1 der LB für Hartkekse [5] unter definierten Bedingungen gelagert:

1 Monat, +49 °C, 50 % rel. Luftfeuchtigkeit
3 Monate +39 °C, 50 % rel. Luftfeuchtigkeit
3 Monate, -46 °C 2

Die Werte orientieren sich an den Klimazonen gemäß NATO STANAG 4370 [3] in Verbindung mit den „Climatic Conditions“ der AECTP-230 [4]. Das einmonatige Intervall simuliert den heißesten Monat, während der Zeitraum über 3 Monate die Durchschnittstemperatur der betreffenden Klimazonen darstellt. Die Lagerung bei warmen Temperaturen begünstigt insbesondere die Lipidoxidation, welche sich sensorisch durch einen ranzigen ­Geruch und/oder Geschmack äußert. Zudem können lagerungsbedingte Oxidationsvorgänge durch die charakteristische Fettsäureverteilung sowie eine Veränderung des Sauerstoffgehaltes in der Packung objektiviert werden. Bei kalten Temperaturen sind Instabilitäten der Verpackung sowie sensorische Veränderungen hinsichtlich der Konsistenz zu erwarten.

Die o. g. Produkte sind in einer Verbundfolie aus Aluminium und Kunststoff verpackt. Zum Verschließen werden die Enden mit einer Siegelzange zusammengedrückt und durch Hitze verschweißt. Die dabei entstehenden Schweißnähte werden Siegelnähte genannt und tragen maßgeblich zur Dichtigkeit der Verpackung bei. Dies lässt sich mittels Vakuumtestmethode überprüfen.

Um den Einfluss der Lagertemperaturen auf die Produktqualität beurteilen zu können, wurden Proben derselben Charge parallel bei Raumtemperatur (< 25 °C) verwahrt. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich Vergleiche grundsätzlich auf diese „Referenzproben“.

Analysenverfahren

Zur Beurteilung fanden die nachstehend genannten Analysenverfahren Anwendung. Erläuterungen zu den einzelnen Verfahren erfolgen im Ergebnisteil.

Einfach beschreibende Sensorik

Beurteilung von Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz gemäß der Amtlichen Sammlung von Untersuchungsverfahren (ASU) § 64 LFGB L 00.90-06 (2015-06)

Siegelnahtdichtigkeit (Vakuumtest)

Modifiziertes Prüfverfahren (Vakuumtest bei 700 mbar) in Anlehnung an die LB für Wasserentkeimungstabletten [6]. Bewertung einer Probe als „dicht“, wenn die sich aufblähenden Packungen die Form während der Prüfzeit halten konnten.

Sauerstoffgehalt

Elektrochemische Bestimmung des Sauerstoff-Partialdruckes mittels Restsauerstoff-Messgerät GMH 3692

Fettsäureverteilung

Bestimmung als Fettsäuremethylester mittels Gaschromatographie-Flammenionisationsdetektor (GC-FID) gemäß ASU § 64 LFGB L 13.00-26 (2008-06)

Wasseraktivität (aw-Wert)

Bestimmung über den Taupunkt mittels Aqualab 4 TE DUO

Ergebnisse und Beurteilung

Salzige und süße Kekse

Keine der vorliegenden Proben „salzige Kekse“ wies vor Lagerungsbeginn sichtbare Schäden an der Verpackung auf, wohingegen sich bei 3 der 26 Packungen „süße Kekse“ Risse an den Siegelnähten zeigten. Insgesamt war die Verarbeitung der Siegelnähte selbst jedoch bei allen Proben optisch einwandfrei (Abbildung 2), was sich bei der Prüfung der Siegelnahtdichtigkeit bestätigte: 93 % der eingesandten Packungen beider Produktgruppen (süß und salzig) waren vor der Lagerung dicht. Von den verbleibenden, als „dicht“ bewerteten Packungen, konnten 97 % diesen Zustand auch nach der Lagerung halten (alle Lagertemperaturen). Zum Vergleich: bei dem Bestandsprodukt „Hartkeks“ waren durchschnittlich weniger als 70 % der Packungen dicht.

Abb. 2: Produkt „süße Kekse“ nach der Klimaprüfung; links – Außenansicht, rechts – unverpacktes Produkt

Nach dreimonatiger Lagerung bei -46 °C konnte auch sensorisch keine nachteilige Beeinflussung festgestellt werden (Abbildung 2). Die Fettsäureverteilung war vergleichbar mit den Referenzproben und entsprach der des deklarierten Palmfetts. Der Sauerstoffgehalt lag im Bereich normaler Umgebungsluft.

Auch eine einmonatige Lagerung bei +49 °C zeigte keinen nachteiligen Einfluss auf die Produkte. Das Fettsäurespektrum sowie der Sauerstoffgehalt waren unauffällig. Der ausgeprägte fettige Geruchs- und Geschmackseindruck wurde weder als ranzig noch als qualitätsmindernd wahrgenommen, weshalb die Proben insgesamt als verzehrfähig zu beurteilen waren.

Eine ausgeprägte Fettnote trat bei den süßen Keksen nach einer dreimonatigen Lagerung bei +39 °C auf. Darüber hinaus waren die Proben analytisch wie sensorisch ohne Beanstandung. Bei den salzigen Keksen wurde vereinzelt ein wahrnehmbarer, leicht ranziger Geruch festgestellt. Geschmacklich wurden die Proben als pappig bei beginnend wahrnehmbarer Ranzigkeit beschrieben.

Im Fettsäurespektrum konnten keine wesentlichen Unterschiede bezogen auf die Referenzproben festgestellt werden. Vereinzelt war eine Tendenz zur Abnahme langkettiger, ungesättigter Fettsäuren, wie Ölsäure (C18:1) oder Linolsäure (C18:2), erkennbar. Gleichzeitig war eine geringfügige Zunahme gesättigter Fettsäuren wie Palmitinsäure (C16:0) festzustellen. Diese Tendenzen sind lediglich als Hinweis auf einen möglichen beginnenden Fettverderb zu verstehen. In Anbetracht der nur gering abweichenden sensorischen Eigenschaften bei einer Lagerdauer von 3 Monaten wurden die betreffenden Proben insgesamt als noch verzehrfähig beurteilt.

Fazit

Die Alternativprodukte „süße/salzige Kekse“ halten den verschiedenen Klimabedingungen mit vereinzelt geringen Qualitätsminderungen stand. Sie sind hinsichtlich der durchgeführten Untersuchungen für die genannten klimatischen Bedingungen geeignet und entsprechen somit den Vorgaben gemäß Nr. 2.4.1 der LB für Hart­kekse.

Bestandsprodukt „Hartkeks“

Im klaren Kontrast dazu stehen die Ergebnisse der Klimasimulation des Bestandsproduktes „Hartkeks“. Die Lagerung bei -46 °C hatte keinen nachteiligen Einfluss auf das Produkt. Auffällig waren jedoch die deutlichen sensorischen Mängel bei warmen Temperaturen (+39 °C; +49 °C); es traten ein ranziger bis lösemittelartiger Geruch und ein entsprechend abweichender Geschmackseindruck auf. Der fortgeschrittene Fettverderb der Produkte äußerte sich analytisch in einem massiven Abbau ungesättigter Fettsäuren. Das Produkt ist nach Lagerung bei +39 °C und +49 °C als nicht verzehrfähig zu beurteilen und daher für die Verwendung in heißen Klimazonen ungeeignet. Es entspricht somit nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung.

Ursachen der Qualitätsunterschiede

Die zur Neubeschaffung vorgesehenen Alternativprodukte zeigten gegenüber den Bestandsprodukten wesentliche qualitative Unterschiede. Als Ursache für die erheblich höhere Produktstabilität konnten im Wesentlichen drei Faktoren identifiziert werden:

Verpackungsqualität/Siegelnahtdichtigkeit

Die Erklärung ist einfach, aber essenziell: eine dicht verschlossene Verpackung schützt das Produkt am effektivsten. Neben den offensichtlichen Mängeln bzw. Beschädigungen ist die Dichtigkeit der Siegelnähte jedoch mit bloßem Auge nicht erkennbar. Wie unterschiedlich die Verarbeitung sein kann, zeigen die durchgeführten Prüfungen. Während bei dem Bestandsprodukt „Hartkeks“ gut ein Drittel aller Proben undichte Siegelnähte zeigten, waren es bei den Alternativprodukten (süß/salzig) weniger als 10 %. Die dadurch bedingte Zufuhr von Luftsauerstoff aus der Umgebung kann die sensorischen Abweichungen der Hartkekse bedingen.

Zum Vergleich wurden die als undicht bewerteten Proben „süße Kekse“ ebenfalls unter den genannten Bedingungen gelagert. Während die Lagertemperaturen bei -46 °C sowie +49 °C keinen nachteiligen Einfluss hatten, wurde nach dreimonatiger Lagerung bei +39 °C eine abweichende, ranzige Note festgestellt. Die Dichtigkeit der Verpackung ist demnach wesentlich für die Stabilität der Produkte. Indem der Gasaustausch mit dem umgebenden Luftsauerstoff reduziert wird, kann jedoch nicht der hauptsächliche bzw. alleinige Faktor für die erhöhte Stabilität der Alternativprodukte sein.

Qualität des eingesetzten Fettes

Gemäß Zutatenverzeichnis wurde bei den Alternativprodukten (salzig/süß) als Fettkomponente Palmfett verwendet. Palmfett besteht im Wesentlichen aus gesättigten und einfach ungesättigten Fettsäuren und nur zu einem geringen Teil aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Tabelle 1) [1]. Im Bestandsprodukt „Hartkeks“ ist der Zusatz von „teilweise hydriertem Sonnenblumenöl“ deklariert. Reines Sonnenblumenöl besteht zu einem Großteil aus einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren [1]. Durch die partielle Hydrierung wurde der Anteil der mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu Gunsten der einfach ungesättigten Fettsäuren reduziert (Tabelle 1). Dies lässt eine verminderte Oxidationsanfälligkeit des Bestandsproduktes erwarten, welche durch den weiterhin hohen Anteil einfach ungesättigter Fettsäuren (64 %) jedoch deutlich über der des auf Palmfett (37 %) basierten Alternativproduktes liegen sollte.

Tab. 1: Vergleich der Fettsäureverteilung von Palmfett und Sonnenblumenöl mit den bei Raumtemperatur gelagerten Produkten. C16:0 – Palmitinsäure, C18:1 – Linolsäure, C18:2 – Linolensäure, g. FS – Summe gesättigter Fettsäuren, e. ug. FS – Summe einfach ungesättigter Fettsäuren, m. ug. FS – Summe mehrfach ungesättigter Fettsäuren; alle Angaben in [%]

Die Untersuchungsergebnisse bestätigten diese Annahme. Unter dem Einfluss warmer Temperaturen wies die Fettsäureverteilung der Alternativprodukte (süß/salzig) keine Unterschiede (+39 °C) bzw. lediglich die bereits beschriebenen Tendenzen (+49 °C) hinsichtlich einer Abnahme einfach ungesättigter Fettsäuren hin zu kurzkettigen, gesättigten Fettsäuren (Differenzen < 1 %) auf.

Die Fettsäureverteilung des Bestandsproduktes „Hartkeks“ deutete nach der Lagerung bei +39 °C und +49 °C auf eine starke Lipidoxidation hin. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (insbesondere C18:2) wiesen chargenabhängig Differenzen zwischen 2 % und 17 % gegenüber den bei Raumtemperatur gelagerten Produkten auf. Gleichzeitig war eine Zunahme der Gehalte einfach ungesättigter Fettsäuren (C18:1) sowie gesättigter Fettsäuren kürzerer Kettenlänge (C6:0 bis C16:0) festzustellen (Abbildung 3). Unterschiede zwischen den beiden Lagerungsarten (3 Monate +39°C vs. 1 Monat +49 °C) waren nicht erkennbar. Die Ergebnisse können durch eine Sättigung der Doppelbindungen durch Luftsauerstoff sowie Spaltungsreaktionen erklärt werden. Die entsprechenden Spaltprodukte sind sensorisch als Fettverderb (ranzige Note) wahrnehmbar.

Abb. 3: Fettsäureverteilung der bei Raumtemperatur (grün) und bei 49 °C (gelb) gelagerten Proben „Hartkeks“; deutliche Unterschiede in der Gesamtverteilung (rechts) und bei ausgewählten Fettsäuren (links)

Ernährungsphysiologisch ist die Verwendung von Sonnenblumenöl sicherlich zu bevorzugen. Bei den als Feldverpflegung vorgesehenen Produkten sind die Zielgrößen jedoch die Energieversorgung der Soldaten sowie die erhöhte Produktstabilität.

Die Ergebnisse zeigen, dass die auf Palmfett basierenden Alternativprodukte (salzig/süß) deutlich stabiler gegenüber einer Lipidoxidation sind. Der reduzierte Anteil ungesättigter Fettsäuren allein kann diesen Sachverhalt jedoch nicht erklären, da eine oxidative Veränderung auch bei der verbleibenden Fraktion durchaus möglich ist.

Wasseraktivität

Einen maßgeblichen Einfluss auf den Verderb von Lebensmitteln hat der Wasseraktivitätswert (Water Activity, aw). Er beschreibt das freie bzw. nicht durch Substrat gebundene Wasser. Für chemische Reaktionen wie die Fettoxidation ist dieses freie Wasser entscheidend.

Zur Bewertung der Wasseraktivitätswerte in den vorliegenden Produkten wurden nur die Werte verwendet, bei denen die Verpackungen hinreichend dicht waren. Undichte Packungen zeigten eine deutliche Gewichtszunahme von bis zu 5 g. Die Zunahme ist durch einen erhöhten Feuchtigkeitsgehalt, bedingt durch die relative Feuchtigkeit im Klimaschrank von 50 %, zu erklären. Diese Proben zeigten stark inkonsistente Wasseraktivitätswerte und eigneten sich daher nicht zur Charakterisierung der eigentlichen Produkte. Bei Betrachtung der Proben mit dichter Packung und Gewichtszunahmen < 1 % ergaben sich die in Tabelle 2 dargestellten medianen Wasseraktivitätswerte.

Tab. 2: Mediane Wasseraktivitätswerte aw der Produkte „Hartkeks“, „salzige Kekse“ und „süße Kekse“; Angabe des kleinsten und größten Wertes (Min/Max) sowie Anzahl der berücksichtigten Messwerte (n)

Mit einem Median von 0,25 bzw. 0,28 lagen die Alternativprodukte deutlich über dem Bestandsprodukt „Hartkeks“ (0,08). Gemäß der Korrelation von Wasseraktivität zu Lipidoxidation nach LABUZA et al. 1972[2] ist bei einem Wasseraktivitätswert < 0,20 von einer deutlich erhöhten Neigung zur Lipidoxidation im Lebensmittel auszugehen (Abbildung 4).

Abb. 4: Korrelation von Wasseraktivität und relativer Reaktionsrate verschiedener Verderbnisvorgänge nach LABUZA et al. (1972) [2]

Der mediane Wasseraktivitätswert von <0,1 bei den Hartkeksen kann somit eine Erklärung für die erhöhte Neigung zur Lipidoxidation sein. Andererseits ist von einer deutlich erhöhten Oxidationsstabilität bei den Alternativprodukten auszugehen, die mit ihren medianen Wasseraktivitätswerten annähernd dem Minimum der oben gezeigten Lipidoxidationskurve entsprechen.

Fazit und Ausblick

Die dargestellten Ergebnisse geben eine mögliche Erklärung für die stark variierenden Stabilitätsdaten zwischen dem Bestandsprodukt „Hartkeks“ und den Alternativprodukten „salzige/süße Kekse“. Die Trias aus Wahl der Fettkomponente, Anpassung des Wasseraktivitätswertes und Optimierung der Verpackungsqualität zeigt potenzielle Einflussfaktoren und bietet darüber hinaus die Möglichkeit, das bewährte Produkt „Hartkeks“ klimatauglich zu gestalten. Weitere, in dieser Arbeit nicht näher diskutierte Möglichkeiten zur Senkung des Sauerstoffgehaltes im Produkt sind das Verpacken unter Schutzatmosphäre sowie das Anlegen eines Vakuums.

Mit der Klimatauglichkeitsprüfung verfügt die TE Lebensmitteltechnologie über essenzielle Fähigkeiten zur Beurteilung von Verpflegungskomponenten, deren Relevanz hinsichtlich der Beschaffung neuer Produkte am Beispiel der Hartkekse dargestellt werden konnte. Insbesondere im Hinblick auf Einsatzszenarien unter kritischen klimatischen Bedingungen leistet die TE Lebensmitteltechnologie somit einen wesentlichen Beitrag zur Qualität, Sicherheit und Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, die an die Truppe geliefert werden.

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft e.V.: Fettsäurezusammensetzung wichtiger pflanzlicher und tierischer Speisefette und –öle. (last accessed on 02 August 2019). mehr lesen
  2. Labuza TP, McNally L, Gallagher D, et al.: Stability of Intermediate Moisture Foods: 1. Lipid Oxidation. Journal of Food Science 1972; 37: 154-159. mehr lesen
  3. North Atlantic Treaty Organization (NATO): Standardization Agreement (STANAG) 4370: Environmental Testing. Edition 6 vom 08.12.2016.
  4. North Atlantic Treaty Organization (NATO): Allied Environmental Conditions and Test Publication (AECTP) 230: Climatic Conditions. Edition 1 vom Mai 2009. mehr lesen
  5. Verpflegungsamt der Bundeswehr: Leistungsbeschreibung Hartkeks. Ausgabe 6 vom 22.02.2018.
  6. Verpflegungsamt der Bundeswehr: Leistungsbeschreibung Wasserentkeimungstablette. Kapitel 2.2.5 - Testverfahren zur Siegelnahtprüfung. Ausgabe 6 vom 20.06.2018.
 

Manuskriptdaten

Zitierweise

von Einsiedel J, Timm T: Lebensmittel unter Einsatzbedingungen – Simulation von Klimaverläufen im Labor. WMM 2020, 64(2): 74-79.

Für die Verfasser

Oberstabsapotheker Johannes von Einsiedel

Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München

Außenstelle Koblenz

Abteilung B – Lebensmittelchemie und Ökochemie

Andernacher Str. 100, 56070 Koblenz

E-Mail: JohannesvonEinsiedel@bundeswehr.org


1 Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wurden Begründungen für die angewandten Simulationsmodelle in die Methodenbeschreibung aufgenommen.

2 In diesem Temperaturbereich wird die Luftfeuchtigkeit aus technischen Gründen nicht gesteuert; deshalb fehlt hier deren Angabe.