Wehrmedizinische Monatsschrift

Einfluss von Smartphone, PC, TV und Co.

Ingo Froböse a

a Deutsche Sporthochschule Köln – Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation / Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung

 

Hintergrund

Physisch fordernde Berufe stellen große Ansprüche an die Ausführenden. Neben altersunabhängiger umfassender körperlicher Leistungsfähigkeit sind das Erlangen und der Erhalt der Leistungsfähigkeit der Dreh- und Angelpunkt. Die Berufstätigen müssen nicht nur in ihrer Arbeitszeit Leistung abrufen und erbringen können; oftmals müssen sie über ihre normale Arbeitszeit hinaus trainieren, um Arbeitsphasen mit geringerer Beanspruchung zu überbrücken und nichts von ihrer Leistungsfähigkeit einzubüßen. Auch Krankheiten, orthopädische Probleme oder längerer Urlaub müssen ausgeglichen werden.

Dem gegenüber steht die zunehmende körperliche Inaktivität in der Freizeit, welche durch die vorherrschenden Unterhaltungsmedien generiert wird. Große Teile der freien Zeit werden, zusätzlich zu Bürophasen, sitzend oder liegend verbracht, zum Beispiel mit Streaming, Konsolen- oder PC-Spielen, Smartphonenutzung oder Fernsehen. Auch zahlreiche andere Hobbys mit digitaler Unterstützung gleichen der Büro- bzw. Wissensarbeit im digitalen Zeitalter.

Multiple Risikofaktoren

Lange Sitzzeiten haben einen ungünstigen Einfluss auf das kardiovaskuläre System. Unter anderem wird die Durchblutung der Gefäße gestört [2], was wiederum die Gefahr für die Entwicklung einer Typ-2-Diabetes oder anderer Stoffwechsel- oder Herz-Kreislaufkrankheiten begünstigt [1][4]. Um diesen und noch weiteren Gefahren entgegenzuwirken, werden regelmäßige Bewegungspausen empfohlen: spätestens alle 60-90 Minuten sollte eine aktive Bewegungspause von mindestens 5 Minuten eingelegt werden [9].

Abb. 1: Einfluss langer Sitzzeiten auf das kardiovaskuläre System [2]

Auch aus ergonomischer Sicht besteht Handlungsbedarf: Der Schulter-Nacken-Bereich, die Hals- und Brustwirbelsäule sowie der Handgelenk-Arm-Schulterbereich werden einseitig und stark durch monotone Haltungen belastet. Zusätzlich können repetitive Bewegungen in immer ähnlichen Gelenkstellungen zu Sehnenerkrankungen, Verspannungen oder Krampfhaltungen führen. Die physisch anspruchsarme, eintönige Aktivität kann zudem Muskelatrophie oder muskuläre Dysbalancen zur Folge haben, was wiederum die körperlich betonten Berufe negativ beeinflussen kann [3][5]. Selbst die Lungenfunktion und damit der Sauerstoffgehalt im Blut, kann durch die gekrümmte bzw. unphysiologische Haltung vermindert werden: die resultierende flachere Atmung begünstigt das Risiko für Gefäßerkrankungen [10]. Auch hier ist Prävention wichtig: durch bewusste Entspannungs-, Kräftigungs- und Dehnungsübungen der beanspruchten Körperregionen und zusätzlichen häufigem Positionswechsel, können Risiken vermindert werden.

Psychische Faktoren

Ebenfalls können die genannten Risikofaktoren die Psyche nachhaltig negativ beeinflussen. Beispielsweise kann der Schlafrhythmus durch erhöhten Smartphone-, PC- oder Tabletgebrauch gestört werden, was wiederum zu Schlafmangel und Tagesmüdigkeit führt [6]. Das Weiterlaufen der Geräte sowie der hohe Anteil an blauem Licht, vermindern darüber hinaus die Schlafqualität. Die Beeinflussung beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Nachtphasen. Neben Konzentrationsproblemen oder Ablenkungen durch die Geräte [7], kann sogar die bloße Anwesenheit, z. B. des Smartphones, das Arbeitsgedächtnis und die fluide Intelligenz negativ beeinträchtigen. Dies auch tagsüber und am Arbeits- oder Trainingsort [8]. Medienfreie Zeit vor dem Einschlafen, bewusster zeitlicher Verzicht auf Smartphone und Tablet sowie bewusstes „nicht-erreichbar-sein“, können Eckpfeiler im sinnvollen Umgang mit den Mediengeräten sein.

Abb. 2: Oft wirken stundenlang erhebliche Zugkräfte an der Hals- und Nackenmuskulatur bei intensiver Smartphonenutzung (nach [3]).

Prävention entscheidend

Zusätzlich zum leistungssteigernden Training, welches der Beruf erfordert, sollte also allen Risikofaktoren präventiv begegnet werden. Hierfür bieten sich, neben den erwähnten Bewegungspausen, auch innovative Arbeitsplatzgestaltung (z. B. bewegungsfördernde Umgebungen oder Stehplätze), Ausgleichsgymnastik oder Massage an. Ebenso ist eine Adressierung der psychischen Einflussfaktoren wichtig, um die Konzentration und Erholung der Arbeitenden nicht zu gefährden. Ignoriert man eventuelle Beschwerden oder Be- und Überlastungen im Berufs- und Trainingsalltag, drohen Verletzungen und langfristige Ausfälle. Es ist also von essenzieller Bedeutung für jeden Arbeitsplatz und jeden Einsatzort, entsprechende Risikofaktoren zu identifizieren und ihnen mit adäquaten Maßnahmen zu begegnen.

Literatur

  1. Bailey DP, Hewson DJ, Champion RB, Sayegh SM: Sitting time and risk of cardiovascular disease and diabetes: A systematic review and meta-analysis. Am J Prev Med 2019; 57(3): 408-416. mehr lesen
  2. Biswas A, Oh PI, Faulkner GE et al.: Sedentary time and its association with risk for disease incidence, mortality, and hospitalization in adults: a systematic review and meta-analysis. Ann Intern Med 2015; 162(2): 123-132. mehr lesen
  3. Hansraj KK: Assessment of stresses in the cervical spine caused by posture and position of the head. Surg Technol Int 2014; 25: 277-279. mehr lesen
  4. Restaino RM, Holwerda SW, Credeur DP, Fadel PJ, Padilla J: Impact of prolonged sitting on lower and upper limb micro- and macrovascular dilator function. Exp Physiol 2015; 100(7): 829-838. mehr lesen
  5. Shahar D, Sayers MGL: Prominent exostosis projecting from the occipital squama more substantial and prevalent in young adult than older age groups. Sci Rep 2018; 8(1): 3354. mehr lesen
  6. Spitzer M: Geist & Gehirn: Schlaflos mit Blaulicht. Nervenheilkunde 2015; 34(7): 560-562. mehr lesen
  7. Spitzer M: Smartphones, Angst und Stress. Nervenheilkunde 2015; 34(8): 591-600. mehr lesen
  8. Spitzer M: Die Smartphone-Denkstörung. Nervenheilkunde 2017;36(8): 587-590. mehr lesen
  9. Starrett K, Cordoza G: Sitzen ist das neue Rauchen: Das Trainingsprogramm, um lebensstilbedingten Haltungsschäden vorzubeugen und unsere natürliche Mobilität zurückzugewinnen. München: Riva 2016.
  10. Wolf D: Gefahren der intensiven Nutzung von Smartphones , letzter Aufruf 25. Juli 2020. mehr lesen

Verfasser

Univ.-Prof. Dr. Ingo Froböse

Deutsche Sporthochschule Köln – Institut für ­Bewegungstherapie und bewegungsorientierte ­Prävention und Rehabilitation / Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung.

Am Sportpark Müngersdorf 6, 50933 Köln

E-Mail: froboese@dshs-koeln.de