Wie „fit“ ist die (Bundes-)Polizei heute?
Thomas Witt a
a Bundespolizeiakademie Lübeck
Einleitung
Die Bundespolizei als eine der tragenden Säulen innerhalb der deutschen Sicherheitsarchitektur und einer der Garanten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Deutschland hat sich in den letzten Jahren aufgrund der Professionalität bei der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben auch in der medial-öffentlichen Darstellung sowie in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem national wie international entscheidenden Akteur im Rahmen des polizeilichen Aufgabenspektrums entwickelt.
Entscheidend für diese Bewertung sind nicht nur die polizeilichen Erfolge und wahrgenommenen Aufgaben im In- und Ausland, sondern insbesondere auch das nach außen wahrnehmbare und bewusst platzierte Bild von professionell ausgebildeten und gut trainierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Abb. 1: Das Bild von professionell ausgebildeten und gut trainierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird nach außen wahrgenommen und auch bewusst platziert.
Fähigkeits- und Fertigkeitserhalt – wie?
Die Erhaltung und Bewahrung dieser besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind die Grundvoraussetzung für eine auch weiterhin professionelle Aufgabenwahrnehmung und das daraus resultierende Bild der Organisation Bundespolizei in der Öffentlichkeit. Elementar sind in diesem Zusammenhang
a) eine zielgerichtete Personalauswahl,
b) eine qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildung und
c) eine auf die jeweilige Aufgabenwahrnehmung bezogene adäquate Infrastruktur und Ausstattung.
Angesichts zum Teil gravierender und rasanter gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, die erhebliche Auswirkungen auf die Institution Bundespolizei haben, muss allerdings die Frage gestellt werden, inwieweit die Bundespolizei angesichts der aktuell immensen Herausforderungen zukünftig dieser beschriebenen Rolle überhaupt noch gerecht werden kann. Dieser Herausforderung muss sich jedoch nicht nur die Bundespolizei stellen, sondern sie betrifft alle Sicherheitsbehörden in Deutschland, wenn auch in anderen Dimensionen als bei der Bundespolizei.
Zusätzliche Einstellungsraten
Ein wesentlicher Faktor in diesem Kontext gesellschaftlicher Veränderungen ist die seit 2015 andauernde Einstellungsoffensive der Bundespolizei, u. a. auch als Reaktion auf die im Herbst des Jahres 2015 einsetzende verstärkte Migrationslage. Seit 2015 hat die Bundespolizei in drei sogenannten „Sicherheitspaketen“ insgesamt 8 500 Anwärterinnen und Anwärter zusätzlich zu den vorgesehenen jährlichen Einstellungsraten eingestellt und bildet diese aktuell durch die Bundespolizeiakademie aus. Das entspricht fast 20 % des bis dato gültigen Personalschlüssels an zusätzlichen Einstellungen. Die jüngste politische Entscheidung in diesem Zusammenhang aus dem Sommer des Jahres 2019 sieht eine nochmals darüber hinausgehende Einstellung von weiteren 11 300 Anwärterinnen und Anwärtern in den Jahren 2020-2025 vor.
Generation „ Y“ und „Z“
Diese grundsätzlich überaus positive Weichenstellung zur Stärkung des Personalkörpers der Bundespolizei macht es jedoch in Verbindung mit einem jährlich kleiner werdenden „Markt“ von potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern bereits jetzt sehr schwer, die bisher gültigen und notwendigen Qualitätsstandards insbesondere im Bereich der körperlichen Fitness als Grundvoraussetzung für den Polizeiberuf zu halten.
Abb. 2: Im Durchschnitt mehr als ein Viertel aller Bewerberinnen und Bewerber scheiterte im Eignungsauswahlverfahren am Sporttest
(mD = mittlerer Dienst, gD = gehobener Dienst).
Erschwerend kommen dabei weitere Faktoren hinzu, so z. B. der Generationswandel. Die bereits in vielen Beiträgen erwähnten und viel diskutierten Generationen „Y“ und „Z“ befinden sich aktuell nicht nur in der Ausbildung zum/zur Polizeibeamten/-in, sondern haben zum Teil bereits Führungsfunktionen in der (Bundes-)Polizei übernommen. Diese Generationen bringen zwar unbestritten Fähigkeiten mit, die für zukünftige Polizeiarbeit zum Teil von elementarer Bedeutung sein werden (Stichwort „social media“), allerdings belegen nationale und internationale Studien eben auch eine insgesamt schlechtere körperliche Leistungsfähigkeit dieser jungen Menschen. Die erhobenen Ergebnisse der Sportprüfungen bei der Bundespolizei der letzten Jahre bestätigen leider diesen Negativtrend.
Grundvoraussetzung: Körperliche Leistungsfähigkeit
Eben diese körperliche Leistungsfähigkeit ist jedoch Grundvoraussetzung, um in Zeiten einer statistisch belegten, seit Jahren steigenden Anzahl der Angriffe auf Polizeibeamte adäquat und gut trainiert reagieren zu können.
Abb. 3: Gewalt gegenüber Polizeivollzugsbeamten hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.
Die Bundespolizei hat zwar – wie auch alle Landespolizeien – auf die polizeiliche Lageentwicklung der letzten Jahre u. a. mit der Einführung neuer, zusätzlicher Führungs- und Einsatzmittel sowie hochwertiger Schutzbekleidung reagiert. Diese grundsätzlich ebenfalls überaus positiv zu bewertende Entwicklung bedingt aber auch, dass Polizeibeamte/-innen heutzutage in der Alltagsbekleidung zum Teil bis zu 10 kg an zusätzlichem Gewicht zu tragen haben, bei – wie oben gezeigt – schlechteren körperlichen Grundvoraussetzungen und einer zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber Polizei und Rettungsdiensten sowie einer bis vor wenigen Jahren in Deutschland nicht vorstellbaren, realen terroristischen Bedrohungslage („Lebensbedrohliche Einsatzlagen“).
Abb. 4: Neue Schutzausrüstung und neue Einsatzmittel – das zusätzliche Gewicht von ca. 10 kg stellt auch erhöhte Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit.
Fazit und Ausblick
Insofern wird es eher die Zukunft und die weitere gesellschaftliche Entwicklung sein, die die Frage beantworten, ob die Generationen „Y“ und „Z“, die in wenigen Jahren mehr als 90 % des Personalkörpers auch in den Polizeien bilden, fit genug sind, um die polizeilichen Einsätze und Herausforderungen professionell bewältigen zu können. Sollten angesichts des enormen Handlungsdrucks, die vorgegebenen oben genannten extrem hohen Einstellungszahlen realisieren zu müssen, weitere Kompromisse bei den Einstellungsvoraussetzungen für den Polizeiberuf gemacht werden, sind hieran zumindest Zweifel angebracht.
Es muss nach wie vor der Grundsatz gelten, dass eine gute körperliche Fitness eine der Schlüsselqualifikationen für den Polizeiberuf ist. Eine Vernachlässigung dieses Grundsatzes hätte aus Sicht des Autors mittelfristig verheerende Folgen für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit der deutschen Polizeien.
Verfasser
Polizeidirektor D Thomas Witt
Bundespolizeiakademie Lübeck
Fachkoordinator Polizeitraining
Ratzeburger Landstraße 4, 23562 Lübeck
E-Mail: thomas.witt@polizei.bund.de