Neustrukturierung der Grundausbildung im Heer
Michael Adolf Hochwarta
a Kommando Heer, Strausberg
Ausgangslage
Unseren Rekrutinnen und Rekruten fehlt es zunehmend an den körperlichen Voraussetzungen, um die Anforderungen der Grundausbildung, vor allem im Gefechtsdienst, erfolgreich zu bewältigen. Diese Entwicklung geht mit Veränderungen in unserer Gesellschaft einher. Der Alltag wird immer umfassender technisiert, mit Bewegungsmangel als Folgeerscheinung. Zunehmende Sportabstinenz und zugleich ungünstige Ernährungsgewohnheiten der Heranwachsenden treten dazu. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation mittelfristig ändern wird.
Soldaten des Heeres müssen für die Erfüllung ihres Auftrages robust, leistungs- und durchhaltefähig sein. Deshalb hat das Heer begonnen, Organisation und Durchführung des Ausbildungsgebietes Körperliche Leistungsfähigkeit (KLF) gezielter auf die Anforderungen des militärischen Dienstes auszurichten. In einem ersten Schritt wurde die Grundausbildung neu strukturiert.
Pilotprojekt Hagenow
Der Inspekteur des Heeres wies im März 2018 an, die körperliche Leistungsfähigkeit der Soldaten zu erhöhen und so ein stabileres Fundament für die militärische Ausbildung zu schaffen. Dabei waren:
- individuelle Trainingszustände bei Diensteintritt zu berücksichtigen,
- nach einem Eingangstest Leistungsgruppen einzuteilen sowie
- ein Trainingsprogramm zu entwickeln.
Abb. 1: Das neue Konzept für die Grundausbildung im Heer
In einem Pilotprojekt in der Ausbildungs- und Unterstützungskompanie 401 in Hagenow erprobte das Heer in einem Grundausbildungsdurchgang Maßnahmen, die die Lücke zwischen der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Diensteintritt und den körperlichen Anforderungen der Gefechtsausbildung schließen sollten. Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr begleitete die Maßnahmen wissenschaftlich und wertete sie aus [3].
Die Ergebnisse dieses Pilotprojektes mündeten darin, die Grundausbildung im Heer neu zu strukturieren. Seit dem 1. Mai 2019 wird in den Grundausbildungseinheiten, und seit dem 1. Juni 2019 auch in den Führungsnachwuchsbataillonen nach einem neuen Ausbildungskonzept ausgebildet.
Neues Ausbildungskonzept
Im neuen Ausbildungskonzept teilt sich die Grundausbildung in zwei Ausbildungsphasen. Insbesondere untrainierte Soldaten sollen an das Anforderungsniveau „Soldat im Heer“ – die Befähigung zum Kampf – herangeführt werden.
- 1. Phase: „Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit“ (1. – 6. Woche)
- 2. Phase „Gefechtsausbildung“ (7. – 11. Woche)
Der Stundenanteil, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern, wurde um 40 Ausbildungsstunden auf insgesamt 110 Ausbildungsstunden erhöht. Das Training erfolgt differenziert in Leistungsgruppen und wird durchgehend in Form von sogenannten „KLF-Routinen“ (je ca. 45 min) und Funktionalem Training (je ca. 90 min) durchgeführt.
Dem Funktionalen Training, als neuem Bestandteil des sportartübergreifenden Fitnesstrainings, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Anforderungsgerecht an militärischen Grundfertigkeiten (Bewegen im Gelände, Überwinden von Hindernissen, Bewältigen von Lasten) ausgerichtet, bereitet es die Gefechtsausbildung zielgerichtet vor.
Abb. 2: Funktionales Training – neuer Bestandteil des sportartübergreifenden Fitnesstrainings
Nach der 1. Phase müssen die Mindestanforderungen des Basis-Fitness-Tests (BFT) [1][S.36-48] erfüllt sein, um in der 2. Phase mit der Gefechtsausbildung beginnen zu können. Zusätzlich wurde das Soldaten-Grundfitness-Tool (SGT) [1][S.17] verpflichtend eingeführt, um standardisiert Ausprägungswerte grundlegender Bewegungsfertigkeiten (Bewegen im Gelände, Bewältigen von Lasten) zu erhalten.
Erste Erfahrungen
Erste Erfahrungen bestätigen die Ergebnisse aus dem Pilotprojekt und zeigen, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. Das neue Ausbildungskonzept wird sowohl von den Rekruten als auch von den Ausbildern als positiv und gewinnbringend bewertet.
Abb. 3.: Das Soldaten-Grundfitness-Tool (SGT) gewinnt standardisiert Ausprägungswerte grundlegender Bewegungsfertigkeiten.
Weiterqualifizierung der Sportausbilder
In Planung und Durchführung des Ausbildungsgebietes KLF sowie bei der Ausbildung ihrer Ausbilder werden die Grundausbildungseinheiten von Sportlehrern Truppe und von Truppenpsychologen unterstützt. 130 Übungsleiter der Bundeswehr, die in der Grundausbildung und der Führungsnachwuchsausbildung des Heeres eingesetzt sind, wurden seit März 2019 gezielt weiterqualifiziert, um das Ausbildungsgebiet KLF noch besser umsetzen zu können.
Ausblick
Im Rahmen der Professionalisierung des Ausbildungsgebietes KLF werden seit Januar 2019 ehemalige Spitzensportler als „Trainer Sport/ KLF“ am Standort Munster eingesetzt. Sie führen dort, im Zusammenwirken mit den militärischen Ausbildern, die Allgemeine Sportausbildung hauptamtlich durch. Dies wird seit IV. Quartal 2019 in weiteren Grundausbildungseinheiten im Heer fortgesetzt.
Gemeinsam mit dem InstPrävMedBw wird ein „Fitnessregister Grundausbildung Heer“ aufgebaut, welches zukünftig ein valides Lagebild der physischen Leistungsfähigkeit gewährleisten und die Weiterentwicklung des Ausbildungskonzeptes ermöglichen soll.
Die erste umfassende Auswertung im Heer wurde, unter Einbindung der fachlich zuständigen Stellen, Anfang 2020 begonnen.
Literatur
- BMVg (ed.): ZV A1-224/0-1 Zentralvorschrift: Sport und Körperliche Leistungsfähigkeit. Berlin: BMVg 2017. mehr lesen
- Rohde U, Leyk D: Neustrukturierung der Grundausbildung im Heer – Evidenzbasierte Begleitung durch das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (Vortrags-Abstract). WMM 2020; 64(3-4): 125-126 mehr lesen
Verfasser
Generalmajor Michael Adolf Hochwart
Kommando Heer, Abteilung I – Einsatz, Militärisches Nachrichtenwesen, Ausbildung
Prötzeler Chaussee 15, 14344 Strausberg