EINE VERTRAUENSFRAGE
SARS-CoV-2:
Validierung einer automatischen PCR-Diagnostik
Konstantin Tanidaa
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin
Hintergrund
Im Dezember 2019 häuften sich in der chinesischen Metropole Wuhan (Provinz Hubei) Fälle einer infektiösen Lungenkrankheit, die durch ein neuartiges Coronavirus ausgelöst wurden. Aufgrund beobachteter Fälle eines potenziell lebensbedrohlichen Atemwegsbefalls wurde das Virus „Severe Acute Respiratory Syndrome“-Corona-Virus (SARS-CoV-2) genannt. Durch internationalen Reiseverkehr breitete sich SARS-CoV-2 aus und führte zur weltweiten Pandemie.
Als effektive Strategie zur Eindämmung von SARS-CoV-2-Infektionen wird in Deutschland die frühzeitige Identifikation und Isolation der infizierten Personen diskutiert. Der direkte Virusnachweis erfolgt hierbei in medizinischen Laboratorien durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in mehreren Arbeitsschritten auf unterschiedlichen Geräten. Kommerzielle Hersteller entwickelten SARS-CoV-2-Testverfahren für bereits bestehende geschlossene Einweg-PCR-Systeme, die u. a. von der Bundeswehr im Auslandseinsatz, aber auch zur patientennahen Diagnostik in den Bundeswehrkrankenhäusern (Bw(Z)Krhs), seit mehreren Jahren erfolgreich verwendet werden. Wir berichten nachfolgend über die nötigen Schritte und Herausforderungen bei der Inbetriebnahme eines qualitativen PCR-Testsystems zur SARS-CoV-2-Diagnostik in der Abteilung XXI – Mikrobiologie – des BwKrhs Hamburg.
Was ist Validierung bzw. Verifizierung?
Durch die Validierung von Testsystemen können Aussagen zu „Präzision, Richtigkeit und Linearität bei quantitativen Testsystemen bzw. zur Nachweisgrenze bei qualitativen Testsystemen“ [1] getroffen werden. Normalerweise liefert der Hersteller des Testverfahrens dessen Leistungsdaten nach eigener Validierung und lässt es für die Zulassung zertifizieren (sogenanntes CE-Zertifikat). Vor Inbetriebnahme des Testverfahrens im medizinischen Laboratorium muss durch den zuständigen Facharzt für Labormedizin oder Mikrobiologie kritisch geprüft werden, dass das Testverfahren richtige und präzise Ergebnisse produziert.
Der Überprüfungsprozess eines bereits durch den Hersteller validierten Testverfahrens wird Verifizierung genannt. Wenn das Testverfahren nicht vom Hersteller validiert ist, muss das medizinische Laboratorium die Validierung selbst durchführen, da es laut „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen“ („RiLiBÄK“) „nur validierte Untersuchungsverfahren einsetzen“ („RiLiBÄK“, 6.2.2) [1] darf. Abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung ermöglicht die Validierung dem Labormediziner oder Mikrobiologen, das entgegengebrachte Vertrauen zu rechtfertigen und einen Befund guten Gewissens an die klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte weiterzureichen. Im Rahmen der COVID-19-Pandemie erteilten die nationalen Behörden (z. B. FDA in den USA) Notfallzulassungen („Emergency Use Authorization“), die zwar einen Vertrieb frühzeitig möglich machten, jedoch die Verantwortlichkeit der Validierung den medizinischen Laboratorien übertrugen.
Welche Variablen werden in der Validierung erhoben?
Als Matrix für die Validierung verwendeten wir die Vorgaben aus der Publikation „Validierung von Untersuchungsverfahren im Bereich der Virusdiagnostik“ [2], die als Leitfaden Mindestanforderungen an die Validierung stellt und insbesondere bei der molekularbiologischen Diagnostik zwischen kommerziellen CE-zertifizierten Tests und sogenannten in-house-Tests unterscheidet. In unserem Falle eines qualitativen in-house-Testverfahrens sollten folgende Leistungskenndaten durch Vergleich mit einem bereits validierten Testverfahren eruiert werden: Präzision, Richtigkeit und Nachweisgrenze. Die Präzision beschreibt, ob ein Testverfahren verlässlich reproduzierbare Ergebnisse liefert. Dies wird durch Testungen derselben Probe an unterschiedlichen Tagen bzw. durch unterschiedliches Laborpersonal getestet. Die Richtigkeit wird durch Vergleich der Ergebnisse mit denen des Vergleichslabors durch Berechnung der Sensitivität und Spezifität überprüft. Ferner wurde durch Verdünnungsstufen der Ziel-DNA bzw. Ziel-RNA ermittelt, ab welcher Konzentration das Testverfahren ein Amplifikationsprodukt detektieren kann (Nachweisgrenze).
Wie wurde die Validierung konkret durchgeführt?
Die Firma Cepheid® erhielt am 21.März 2020 die Notfallzulassung für das „Xpert Xpress SARS-CoV-2“-Testverfahren für nasopharyngeale Abstriche mit dem firmeneigenen Abstrichtupfer inkl. Viren-Transport-Medium. Bei diesem Testverfahren wird die Probe auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2-RNA (zwei Ziel-Gene: E-Gen und N2-Gen) untersucht.
Im BwKrhs Hamburg wurden jedoch oropharyngeale Abstriche mittels „eSwab“-Abstrichtupfer (Firma Copan™) für die SARS-CoV-2-Diagnostik verwendet, so dass das „Xpert Xpress SARS-CoV-2“-Testverfahren für ein anderes Material nebst anderen Abstrichtupfern samt Transportmedium validiert werden musste. Nach Erhalt der Kartuschen am 8. April 2020 wurden die Labormitarbeiter im Umgang mit dem neuen Testverfahren geschult. Dazu wurden im Zeitraum vom 15. April 2020 bis 5. Mai 2020 jeweils zwei Rachenabstriche von stationären Patienten der COVID-19-Station und der Intensivstation sowie Abstriche aus der Fieberambulanz verwendet. Je ein Abstrich wurde im „Xpert Xpress SARS-CoV-2“-Testverfahren untersucht, der zweite Abstrich wurde zur vergleichenden PCR-Diagnostik an das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) versendet. Das Bearbeiten von bekannt SARS-CoV-2-positiven Proben musste aufgrund der möglichen Aerosolbildung beim Pipettieren unter der mikrobiologischen Sicherheitswerkbank mit persönlicher Schutzausrüstung (Schutzbrille, Mundschutz mind. FFP2, Handschuhe, Kittel) erfolgen. Anschließend wurden die Ergebnisse dokumentiert und mit denen der UKE-PCR in einer Excel-Tabelle zusammengeführt.
Abb. 1: Pipettieren an der mikrobiologischen Sicherheitswerkbank; eine FFP2-Maske wird hier nicht getragen, da das Foto bei einer nicht-gezielten diagnostischen Untersuchung aufgenommen wurde.
Gewonnene Erkenntnisse
Die abschließende Evaluation der Ergebnisse bestätigte eine akzeptable Überstimmung im Vergleich des „Xpert Xpress SARS-CoV-2“-Testverfahrens mit der am WHO-Standard orientierten UKE-PCR (n = 70, Sensitivität = 100 %, Spezifität = 88 %, PPV = 85 %, NPV = 100 %, Cohens Kappa = 0,80) für das Ziel-Gen (E-Gen). Die Nachweisgrenze lag in der Verdünnungsreihe bei 100 Plasmidkopien/ml, der Hersteller gab nach Abschluss der Validierung eine Nachweisgrenze von 250 Kopien/ml an.
Generell zeigte sich das „Xpert Xpress-SARS-CoV-2“-Testverfahren etwas sensitiver als die UKE-PCR, was durch früheren Anstieg des exponentiellen Wachstums einer Kurve (entspricht niedrigeren Cycle-threshold-Werten, also einem „früheren“ Positivwerden der PCR) für das E-Gen bzw. eine auch zeitlich längere Nachweisbarkeit des Ziel-Gens im Krankheitsverlauf belegt wurde. Die höhere Sensitivität des „Xpert Xpress SARS-CoV-2“-Testverfahrens führte dazu, dass fünf Proben von SARS-CoV-2-Patienten in Ausheilung noch positiv getestet wurden, die in der UKE-PCR bereits negativ befundet worden waren, was in der nur scheinbar „niedrigen“ Spezifität von 88 % resultierte.
Mögliche Limitationen
Es muss zunächst festgestellt werden, dass wir nur das E-Gen (und nicht das SARS-CoV-2-spezifische N2-Gen) vergleichen konnten, da auf Letztgenanntes am UKE nicht routinemäßig untersucht wird. Für die „Metastruktur“ SARS-CoV-2 ändert dies jedoch nichts an der Aussage. Zudem sind individuelle Fehler bei der Probenentnahme bei Verwendung von zwei Abstrichtupfern nicht auszuschließen. Diese „Restunschärfe“ wurde in Kauf genommen, um eine Kontamination der Probe für das UKE durch Pipettieren und Eröffnen unsererseits zu verhindern.
Das Patientenkollektiv bestand zu Beginn der Testung aus stationären (ergo symptomatischen) SARS-CoV-2-positiven Patienten, als sie in unsere Validation einbezogen wurden. Daraus folgt, dass diese im späteren Krankheitsstadium abgestrichen wurden, was durch verhältnismäßige hohe Cycle-threshold-Werte belegt werden konnte.
Erschwerend kam ein Mangel an positiven und grenzwertig positiven Proben im Verlauf der Validierungsphase hinzu: Die von der Politik veranlassten Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens schienen Wirkung zu zeigen und die befürchtete Überlastung des Gesundheitssystems blieb Stand Mitte Mai 2020 aus. Um unsere Untersuchungen abzuschließen, baten wir das UKE um Zusendung von positiven und grenzwertig positiven Proben, die noch nicht durch das „Xpert Xpress SARS-CoV-2“-Testverfahren getestet wurden. Auf diesem Wege konnten wir an einem Arbeitstag ein Drittel der noch nötigen Testläufe bewältigen. Für zukünftige Validationen könnte diese Verfahrensweise – also die gezielte Zusendung der benötigten Proben – eine effektive Option darstellen, sofern geeignete Kooperationen existieren.
Schlussbemerkung
Die Daten unserer Validierung wurden für den Sanitätsdienst der Bundewehr über die Sanitätsakademie der Bundeswehr (Abteilung F) zur Verfügung gestellt und können so die jeweiligen Leiter der medizinischen Laboratorien bei ihren Entscheidungen unterstützen. In einer später durchgeführten externen Laborkontrolluntersuchung in Kooperation mit der Universitätsklinik Regensburg, von wo aus auch die molekularbiologischen Ringversuche verschickt werden, konnten alle positiven und grenzwertig positiven Vergleichsproben zuverlässig identifiziert werden, was die in Hamburg erhobenen Validationsergebnisse bestätigt.
Literatur
- Bundesärztekammer: Neufassung der “Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen-Rili-BÄK.” BÄK 2019; https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/qualitaetssicherung/richtlinien-leitlinien-empfehlungen-stellungnahmen/richtlinien-leitlinien-empfehlungen-zur-qualitaetssicherung/labor/, letzter Aufruf 18. August 2020.
- Rabenau HF, Kortenbusch M, Berger A, Steinhorst A: Validierung von Untersuchungsverfahren im Bereich der Virusdiagnostik. LaboratoriumsMedizin 2007; 31: 41-47.
Verfasser
Stabsarzt Dr. Konstantin Tanida
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Abteilung XVI – Laboratoriumsmedizin
Lesserstr 180, 22049 Hamburg
E-Mail: konstantintanida@bundeswehr.org