Wehrmedizinische Monatsschrift

MALARIA UND INTENSIVMEDIZIN

Intensivmedizinische Therapie
bei komplizierter Malaria tropica-Infektion – ein Fallbericht

Sophia Wilk-Vollmanna, Stefan Markoffa

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik X – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin

 

Zusammenfassung

Die aktuellen Empfehlungen zur Intensivtherapie bei schweren Malaria tropica-Verläufen werden dargelegt und an einem Fallbeispiel besprochen. Wir berichten über den Verlauf einer komplizierten Malaria tropica nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Mali. Der ­Patient präsentierte sich im Vollbild eines Multiorganversagens und mit einer initialen Parasitenlast von 25 %. Er entwickelte eine ausgeprägte Mikrozirkula­tionsstörung in den Akren, die wir mit dem synthetischen Prostaglandin E1 (PGE1) Alprostadil intravenös behandelten.

Schlüsselwörter: Intensivmedizin, Malaria tropica, Update, Casereport, Militärmedizin

Keywords: intensive care medicine, malaria tropica, update, case report, military medicine

Hintergrund

Die Bundeswehr beteiligt sich seit Jahren an Einsätzen, die durch ihre geografische Lage ein unterschiedlich hohes Risiko an Malariainfektionen aufweisen. Der Deutsche Bundestag mandatierte 2013 erstmals zwei Missionen in Mali. Damit sind derzeit die meisten deutschen Soldaten in einem unmittelbaren Malaria-Risikogebiet eingesetzt. Sowohl die Awareness in der Truppe gegenüber tropenmedizinischen Erkrankungen als auch die entsprechende Ausbildung des medizinischen Personals nehmen an Bedeutung zu.

Schwere Verläufe einer Malariainfektion treten vornehmlich im tropischen Afrika, Südostasien, Ozeanien und Mittelamerika auf. Fast 80 % der Malariainfektionen, die 2017 verzeichnet wurden, können auf 15 afrikanische Länder sowie Indien zurückgeführt werden. Davon entfielen 3 % der Erkrankten auf Mali. In 99,7 % der Fälle wird von einer Plasmodium (P.) falciparum-Infektion ausgegangen [25]. Die Erkrankung wird über die weibliche Anophelesmücke übertragen. Fünf Plasmodien-Spezies sind bekannt, wobei Infektionen mit P. falciparum und P. vivax am häufigsten auftreten [24]. Infektionen mit P. ovale, P. malariae und P. knowlesi (Affenmalaria) kommen dagegen nur bei 1 % aller Infektionen vor.

Gerade Reiserückkehrer aus den oben genannten Gebieten sind gefährdet. In Europa werden jährlich rund 6 000 Malariainfektionen gemeldet, importiert von Reisenden aus Risikogebieten. Rund 10 % der Erkrankten entwickeln schwere Verläufe [7]. Reisende aus nicht-­endemischen Ländern sind immunologisch naiv. Aus diesem Grund zeigen sie häufiger Verläufe mit hoher Parasitenlast und Multiorganbeteiligung [2]. Bei unklaren klinischen Präsentationen sollten sie daher immer auf eine Malariainfektion untersucht werden (siehe Tabelle 1). Ein Malaria-Schnelltest ist daher in allen Behandlungseinrichtungen der Bundeswehr vorzuhalten.

Tab. 1: Indikation zur Malariadiagnostik

Derzeit ist der BinaxNOW® Malaria-Test Standard (siehe Abbildung 1). Er weist Antigene von Plasmodien nach und kann dadurch alle wesentliche Malariaspezies detektieren, die beim Menschen vorkommen können. Allerdings ist der Test lediglich eine Unterstützung in der Diagnostik der Malaria. Der BinaxNOW®-Test zeigt Antigene des Histidin-reichen Proteins II (HRPII) an. Das HRPII ist spezifisch für das P. falciparum. Über ein zusätzliches Antigen, das die meisten Malariaspezies besitzen, können mit Ausnahme der P. knowlesi-Infektion alle Malariasubtypen detektiert werden. Sowohl bei einem positiven als auch negativen Ergebnis sollte keinesfalls eine mikroskopische Diagnostik ausgelassen werden. Um ein positives Schnelltestergebnis anzeigen zu können, muss eine Mindestlast von 100 Parasiten/µl gegeben sein. Im Blutausstrich hingegen sind 50 Parasiten/µl ausreichend, um eine Diagnose zu stellen. Daher sind dieser Test und parallel dazu der „Dicke Tropfen“ die wegweisenden Methoden [14]

Abb. 1: Malaria-Schnelltest, wie er im Sanitätsdienst der Bundeswehr Anwendung findet.

Gerade bei einer hohen Parasitenlast können falsch negative Schnelltestergebnisse auftreten. Der Hook- oder Protozone-Effekt ist ein immunologisches Phänomen. Liegt eine zu hohe Konzentration des Analyten vor – in dem Fall eine hohe Anzahl an Plasmodien – kann die Bindungskapazität der Assayantikörper des Testes überschritten werden [22]. Wiederum können Rheumafaktoren im Blut zu einem falsch positiven Test führen.

Eine Bestimmung der Serumantikörper gegen Plasmodien ist nicht zur Akutdiagnostik einer Malaria geeignet.

Die intensivmedizinische Betreuung bei einer Malaria tropica-Infektion soll exemplarisch an einem Patienten dargestellt werden, der mit einer schweren Malaria ­tropica-Parasitämie im Bundeswehrkrankenhaus Berlin behandelt wurde. Im folgenden Beispiel wird auf eine Ausführung der Behandlung anderer Malariaformen verzichtet.

Fallbeschreibung

Anamnese

Ein 41-jähriger männlicher ziviler Arbeitnehmer stellte sich Mitte 2018 in GAO/Mali in der truppenärztlichen Sprechstunde vor:

Bereits seit drei Wochen bestünden unspezifische neurologische Symptome. Weiterhin seien ein ausgeprägtes Durstgefühl und seit nunmehr drei Tagen bestehende Fieberschübe aufgetreten. Er gab an, vor drei Wochen die Malariaprophylaxe mit Doxycyclin eigenständig abgesetzt zu haben.

Relevante Vorerkrankungen bestünden nicht. Keine Allergien und Medikamenteneinnahme. Fremdanamnestisch wurde aber über einen regelmäßigen Alkoholkonsum berichtet.

Klinisches Bild

In Afrika und beim Transport

Der Patient präsentierte sich bereits in GAO ikterisch, mit deutlich verminderten Allgemeinzustand und kompromittierten Vitalparametern. Die initiale Körpertemperatur ergab 40 °C tympanal. Petechien oder Hämatome waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erkennen, wohl aber Zahnfleischbluten bei desolatem Zahnstatus. Laborchemisch imponierten eine Hyperkaliämie, Hypoglykämie, ein ausgeprägter Laktatanstieg und eine kombinierte metabolisch-respiratorische Azidose. Unter Therapie ließ sich ein maximaler pH-Wert-Anstieg auf 7,09 erzielen.

Die deutsche Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Malaria klassifiziert bereits bei Vorliegen einer der folgenden Kriterien eine schwere Malaria tropica-Infektion (siehe Tabelle 2). Sie orientiert sich dabei an den WHO-Kriterien. Auch das alleinige Vorliegen einer Hyperparasitämie ohne Organbeteiligung ist ein Kriterium für einen komplizierten Verlauf. Allerdings unterscheiden sich hier die Definitionen je nach Leitlinie. Die WHO hat eine Parasitämie von 2 % festgelegt, die US-Leitlinie eine von 5 % [5][6].

Tab. 2: Schweregrad einer Malaria tropica-Infektion [8]

Bei konsekutiver klinischer Verschlechterung mit respiratorischer Erschöpfung (Atemfrequenz >30/min) wurde der Patient intubiert und per Intensivtransport in Zusammenarbeit mit den französischen Streitkräften nach Deutschland repatriiert. Um einen Minimalkreislauf aufrecht zu erhalten, wurden bei einer zunehmenden Katecholaminresistenz Dosen von bis zu 11 mg/h Noradrenalin benötigt. Noch während des Transportes präsentierte der Patient das Vollbild eines Kreislauf-, Gerinnungs-, Nieren- und Leberversagens. Ein Organersatzverfahren stand nicht zur Verfügung.

Klinischer Verlauf in Deutschland

Wir übernahmen nach der Repatriierung den instabilen Patienten auf unsere interdisziplinäre Intensivstation (ITS) im BwKrhs Berlin mit einer gesicherten Malaria tropica-Infektion.

In der initialen sonografischen Untersuchung zeigten sich weder ein Pleuraerguss noch freie abdominelle Flüssigkeit, allerdings eine auffällige Splenomegalie und Anzeichen eines akuten Nierenversagens. Die Urinausscheidung war mit 0,3 ml/kg KG/h eingeschränkt.

Eine Röntgenaufnahme des Thorax ergab einen unauffälligen Befund. In der transthorakalen Echokardiografie imponierte eine kardiale Globalinsuffizienz mit deutlich dilatierten Ventrikeln. Das Eingangs-EKG war unauffällig. Der generalisierte Ikterus korrelierte mit den laborchemischen Parametern. Zusätzlich zeigte sich eine livide, marmorierte und isolierte Verfärbung des linken Arms im Sinne einer Mikrozirkulationsstörung. Obwohl die linke Hand im Seitenvergleich deutlich kühler erschien, ließ sich in der Doppleruntersuchung kein Korrelat zu einer Makrozirkulationsstörung finden (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Am Aufnahmetag vorhandene Mikrozirkulationsstörung am Beispiel der linken Hand (aus [20])

Neurosonografisch konnten Stauungspapillen ausgeschlossen werden, die verschmälerten Seitenventrikel ergaben in einer cranialen Computertomografie (cCT) keinen Anhalt für ein therapiebedürftiges Hirnödem.

Es lag somit eine komplizierte Malaria tropica mit septischem Krankheitsbild und Multiorganversagen vor .

Etwa 1 % aller P. falciparum-Infektionen resultieren in einem schweren Verlauf mit Organdysfunktion, metabolischen Veränderungen und Anämie. Unbehandelt entwickeln sich diese Infektionen fulminant bis hin zum Tod des Patienten [14].

Abb. 3: „Dicker Tropfen“-Blutausstrich, 25 % Parasitämie aus GAO, Mali; Vergrößerung 1000x, Giemsa-Färbung (aus [20])

Der direkte mikroskopische Nachweis der Plasmodien (P. falciparum) konnte bereits in Mali im „Dicken Tropfen“ erbracht werden. Im Verlauf entwickelten sich eine sekundäre Linksherzinsuffizienz (LVEF 30-35 %) auf Basis der septischen Kardiomyopathie und eine Critical-Illness-Polyneuropathie (ICU Aquired Weakness) mit Betonung der unteren Extremitäten.

Diagnostik

Mikroskopie

Im Blutausstrich zeigte sich eine Parasitenlast (P. falciparum) von initial 19 %, im Verlauf auf max. 25 % ansteigend (in GAO, siehe Abbildung 3). Eine intravenöse antiparasitäre Therapie mit Artesunat wurde umgehend eingeleitet und antibiotisch zunächst im Einsatzland mit Doxycyclin, im Verlauf um Ceftriaxon ergänzt.

Eine erneute Messung im BwKrhs Berlin ergab eine Parasitämie in Höhe von 16,5 % (siehe Abbildung 4) 1 .

Abb. 4: Blutausstrich aus dem BwKrhs Berlin: Giemsa-Färbung; Plasmodium falciparum (Parasitämie 16,5 %), Mehrfachbefall (aus [20])

Laborchemie

Im Standardaufnahmelabor imponierten eine Koagulopathie, erhöhte Transaminasen, ein erhöhter Ammoniakspiegel und D-Dimere oberhalb der Nachweisgrenze. Weiterhin bestanden eine moderate Hyperkaliämie, erhöhte Retentionsparameter und eine Hyperbilirubinämie. In Zusammenschau mit den Untersuchungsbefunden bestätigte sich eine akute Nieren- und Leberinsuffizienz. Durch die Thrombelastometrie konnte der klinische Eindruck einer Gerinnungsstörung durch Faktorenmangel gesichert werden. Stark erhöhte Infektionsparameter deuteten auf einen weiteren Infektionsfokus.

Intensivmedizinische Betreuung

Im Mittelpunkt der intensivmedizinischen Betreuung stand sowohl die Behandlung der Grunderkrankung als auch die supportive Therapie. Im Wesentlichen weichen die Behandlungsprinzipien bei einer schweren Malariainfektion nicht von denen anderer septischer Erkrankungen ab. Bereits beim Erstkontakt in Mali erfüllte der Betroffene mindestens drei Kriterien, die die Diagnose einer schweren und komplizierten Malaria gestatteten. Erhöhte LDH- und PCT-Parameter als Ausdruck der Hämolyse und Prognoseprädiktor sowie die derangierte Gerinnung unterstrichen die Schwere der Erkrankung [8]. Vorangegangene Untersuchungen von fulminanten Malariaverläufen in Indien zeigten, dass erhöhte Transaminasen und ausgeprägte Hypoglykämien mit einer signifikant höheren Mortalität einhergehen [6]. Das bestehende ­Leberversagen bei unserem Patienten konnte unter supportiver Therapie stabilisiert werden. Unter anderem wurde über 72 h hochdosiertes Acetylcystein appliziert.

Nierenersatztherapie und Volumenmanagement

Wir fokussierten zunächst kreislaufstabilisierende Maßnahmen, die Nierenersatztherapie und antiparasitäre Behandlung. Bei Patienten mit einer hohen Parasitenlast ist in bis zu 35 % der Fälle eine Dialyse notwendig [6]. Ein hämodynamisches Monitoring sollte daher etabliert werden, um eine mögliche Volumenüberladung zu ­detektieren und Lungenödeme zu verhindern. Ein solches Ödem zeigt sich in der Regel erst als Spätmanifestation Tage nach Beginn der Antimalariamedikation. Eine Lungenbeteiligung, einschließlich des Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS), sind bei der P. falciparum-Malaria und in geringerem Maße bei anderen Malariaspezies gut beschrieben [10]. Als mögliche Ursachen werden Interaktionen mit den Parasiten, Erythrozyten und Kapillaren diskutiert, aber auch Zytokinreaktionen und mögliche bakterielle Co-Infektionen. Eine hohe Parasitenlast ist dabei nicht hinweisgebend auf eine pulmonale Mitbeteiligung. Ein ARDS kann sich auch nach einer erfolgreichen Behandlung entwickeln. Patienten mit schweren Malariaverläufen haben eine erhöhte Gefäßpermeabilität, sodass bei dem malariaassoziierten ARDS die gleichen Behandlungsstrategien empfohlen werden, wie sie bei anderen ARDS-Ursachen auch zur Anwendung kommen. So bleibt vor allem ein Ausbalancieren zwischen notwendiger Volumengabe zur Kreislaufunterstützung und einem restriktiven Therapieregime zur Lungenprotektion.

Unter fallenden Retentionsparametern und steigender Diurese beendeten wir 38 Tage nach Aufnahme die kontinuierliche Nierenersatztherapie.

Antimalariamedikation

Die WHO empfiehlt bei einer P. falciparum-Infektion die auf Artemisinin basierte Kombinationstherapie (ACT), die bei komplizierten Verläufen unter intensivmedizinischer Überwachung begonnen werden soll. Artemisinin und dessen Derivate (Artesunat, Artemether und Dihydroartemisinin) wirken über Peroxidgruppen auf nahezu alle Blutstadien des P. falciparum-Parasiten [11]. Da die Plasmakonzentration dieser Derivate durch eine schnelle Metabolisierung zügig abnimmt, werden langwirksamere Antimalariamittel mit einem anderen Wirkmechanismus kombiniert. Mögliche ACT-Optionen für eine unkomplizierte Malaria tropica sind laut WHO die Einnahme von Artemether/Lumefantrine, Artesunate/Amodiaquine oder Dihydroartemisinin/Piperaquin [24]. Diese Kombinationen sollen Resistenzen verhindern und daher über ­mindestens drei Tage eingenommen werden. Dennoch breiten sich in Südost-Asien seit einigen Jahren Artemisinin-Resistenzen aus [3].

Auf der ITS setzten wir die intravenöse Therapie mit ­Artesunat gewichtsadaptiert mit 200 mg über einen ­Gesamtzeitraum von sechs Tagen fort. Fünf Tage nach Behandlungsbeginn lag die Parasitenlast bei 0 %. Unmittel­bar im Anschluss erfolgte die enterale Kombina­tionstherapie mittels Artemether-Lumefantrin 80/480 mg über sechs Dosen, um etwaigen Rekrudeszenzen und Resistenzen entgegenzuwirken.

Chloroquin war bis 2005 Mittel der ersten Wahl zur Therapie der schweren Malaria. In einer randomisiert kontrollierten Studie (SEAQUAMAT-Studie) konnte gezeigt werden, dass in der Artesunat-Gruppe die Mortalität ­signifikant niedriger war (14,7 %) als in der Chloroquin-Gruppe (22,4 %) [9]. Daher ist derzeit die intravenöse Gabe von Artesunat die empfohlene Medikation bei einer schweren Malariainfektion. Erwachsene werden dabei mit 2,4 mg/kg/KG behandelt.

Ausgehend von einer Parasitämie von 25 %, die sich noch vor dem Abflug nach Deutschland halbierte, wiesen wir bei Ankunft des Patienten in Berlin (36 h nach Erstdiagnose und nach drei Dosierungen von Artesunat i.v.) eine Parasitämie von 16,5 % nach (siehe Abbildung 5). Das ließ die Interpretation einer verzögerten Parasiten-Clearance zu.

Abb. 5: Zeitlicher Verlauf des Ausmaßes der Parasitämie

Schließt man die in Mali gemessenen Werte aus der Analyse aus, zeigt sich ein durchaus ähnlicher Clearance­verlauf, wie in der Literatur beschrieben [17][26]. Auffallend ist die deutliche Verzögerung bis hin zur Parasitenfreiheit erst nach fünf Tagen intensiver Therapie. Unter einer ACT ist bei 95 % der Malariapatienten mit einem herkömmlichen Behandlungsverlauf 48 h nach Behandlungsbeginn der Bluttest negativ [1]. Die Resistenz der Plasmodien gegenüber Artesunat ist daher anhand des zeitlichen Verlaufs in unserem Fallbericht als grenzwertig einzustufen. Bislang sind nur in Südost-Asien ­Artesunat-Resistenzen beschrieben [21].

Gerinnung und hämatologische Manifestation

Aufgrund der ausgeprägten disseminierten intravasalen Gerinnung substituierten wir adaptiert an laborchemische und thrombelastometrische Ergebnisse Gerinnungsprodukte. Eine Thrombozytopenie liegt nahezu bei allen Patienten mit schweren Malariaverläufen vor. Eine indische Studie untersuchte die Intensivstationsverläufe von 301 Patienten. Eine schwere Thrombozytopenie trat bei 114 Patienten auf. Weitere 19 Patienten litten zusätzlich unter einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) [16]. Eine DIC tritt in <10 % der Fälle auf und dann auch erst im späteren Verlauf. Sie ist meistens mit einem schlechten Outcome vergesellschaftet.

Als Komplikation der Behandlung mit Artesunat trat bei unserem Patienten eine prolongierte hämolytische Anämie auf, die rezidivierende Transfusionen erforderte. Obwohl Artesunat im Allgemeinen sicher und gut verträglich ist, werden transfusionspflichtige Hämolysen bis vier Wochen nach Therapie beobachtet. Bei 20-30 % der Patienten mit schwerem Malariaverlauf und intravenöser Artesunat-Therapie sind hämolytische Reaktionen 2-6 Wochen nach der Therapie beschrieben [17][18]. Unser Patient benötigte während seines Aufenthaltes insgesamt 24 Transfusionseinheiten Erythrozytenkonzentrat. Die WHO empfiehlt Transfusionen entsprechend den geläufigen Transfusionstriggern bzw. ab einem Hb von 7 g/dl.

Bakterielle Co-Infektionen

Verschiedenste Publikationen beleuchteten bereits die bakterielle Co-Infektion bei Patienten mit schweren Malariaverläufen [5][15]. Blutkulturen sollten daher frühzeitig abgenommen werden. Die meisten Malariapatienten zeigen Leukozytenwerte im Normbereich, was wiederum hilfreich ist, um eine bakterielle Co-Infektion zu detektieren [14].

Zusätzlich zur Malariainfektion erschwerten bei unserem Patienten infektiologische Nebendiagnosen den Krankheitsverlauf. Eine Besiedlung mit Staph. aureus mit verändertem Virulenzfaktor kann auf den Aufenthalt des Patienten in Mali zurückgeführt werden. Panton-Valentine-Leukozidin bildende Keime (PVL-Bildner) sind in den Tropen häufig, weswegen ein Zusammenhang naheliegt. Leukozidine verursachen eine Lyse von Leukozyten und kompromittieren damit die Immunabwehr [19]. PVL-Bildner sind mit nekrotisierenden Pneumonien und Weichteilinfektionen assoziiert, die der beschriebene Patient nicht darbot. Dennoch werden bei Vorliegen einer Besiedlung die Dekolonialisierung mit Maßnahmen entsprechend der MRSA-Behandlung empfohlen.

Die medikamentöse Prophylaxe der Malaria mit Doxycyclin wird als eine mögliche Ursache diskutiert, warum PVL-Bildner zunehmend bei Reisenden beobachtet werden [13].

Behandlungsoptionen

Besonders eindrücklich waren bei unserem Patienten die Mikrozirkulationsstörungen mit ausgeprägter Akrozyanose. In der Literatur ist das kein typisch beschriebenes Symptom bei komplizierter Malaria tropica. Mit hoher klinischer Wahrscheinlichkeit ist neben der sepsisinduzierten disseminierten Mikrothrombosierung die hochdosierte Katecholamintherapie hier additiv an der Genese beteiligt. Die Therapie mit Prostaglandinderivaten ist bei der Behandlung der Sklerodermie sowie anderen ulcerösen Hauterkrankungen beschrieben [4]. Auch zeigen andere kleinere Studien eine verbesserte Mikrozirkulation unter der Therapie von Prostaglandin E1 [12][23]. Zur Verbesserung der peripheren Durchblutung erfolgte daher über 21 Tage eine intravenöse Behandlung mit Alprostadil. Hierunter waren im Verlauf die Mikrozirkulationsstörungen nicht mehr evident und die Nekrosen heilten ab (Abbildung 6).

Abb. 6: Linke Hand am Entlassungstag (aus [26])

Dennoch empfiehlt die WHO die Behandlung mit Prostazyklinen aufgrund fehlender Evidenz nicht [24]. In unserem Fall entschieden wir uns aufgrund des ausgeprägten Befundes im Sinne eines individuellen Heilversuchs für den Einsatz von Alprostadil.

Durch die hohe Mortalität bei schweren Malariaverläufen wurden in der Vergangenheit unterschiedlichste adjuvante Therapieansätze verfolgt. Dennoch zeigten keine der folgenden Ansätze eine signifikante Verbesserung im Therapieverlauf oder waren sogar mit einer höheren Mortalität assoziiert. So wird unter anderem auch keine Dexamethasontherapie bei cerebraler Beteiligung empfohlen [24].

Abschließender Verlauf

Nach klinischer Besserung des Patienten begannen wir mit der Entwöhnung vom Respirator. Da sich eine prolongierte Weaningphase (Internationale Weaningkategorie III) abzeichnete, erfolgte die notwendige Beatmungsbehandlung nach einer dilatativen Tracheotomie. Eine schwere ICU aquired Weakness verzögerte das protokollbasierte Weaning auf eine insgesamt 44-tägige invasive Beatmungsphase.

Bei weiterhin deutlich erhöhtem proBNP, persistierender Sinustachykardie sowie Belastungsdyspnoe führten wir eine transthorakale Echokardiographie durch. In der zeigte sich eine hochgradig reduzierte linksventrikuläre Funktion (LVEF: 30-35 %), die wir im Rahmen der septischen Kardiomyopathie oder einer periinfektiösen Mikroangiopathie werteten.

Insgesamt erforderte der Krankheitsverlauf eine 49-tägige intensivmedizinische Betreuung. Zum Verlegungstermin war der Patient dreifach orientiert und mit geringer Hilfe in den Stand mobilisiert. Die Polyneuropathiesymptomatik zeigte sich regredient. Der orale Kostaufbau war bereits abgeschlossen. Die Weiterbehandlung des Patienten übernahm die Neurologische Klinik des BwKrhs Berlin. Eine Woche nach Verlegung konnte der Patient entlassen werden.

Schlussbemerkung

Das gegenwärtige und wahrscheinlich auch zukünftige Einsatzspektrum der Bundeswehr macht das Auftreten von Malaria-Infektionen bei Soldatinnen und Soldaten bzw. bei Zivilpersonal wahrscheinlich. Neben frühzeitiger Diagnostik vor Ort ist bei erwartbarem schwerem Verlauf und damit häufig verbundener langer intensivmedizinischer Behandlungsdauer die rechtzeitige Repatriierung von erheblicher Bedeutung. Profunde Kenntnisse auf dem Gebiet der intensivmedizinischen Behandlung schwerer Malariaverläufe sind aus wehrmedizinischer Sicht essenziell.

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Manuskriptdaten

Zitierweise

Wilk-Vollmann S, Markoff S: Intensivmedizinische Therapie bei komplizierter Malaria tropica-Infektion- ein Fallbericht. WMM 2020; 64(10-11): 382-388.

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Dr. Sophia Wilk-Vollmann

Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik X – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin

Scharnhorststraße 13, 10115 Berlin

E-Mail: sophiawilk@bundeswehr.org


1 Zum Zeitpunkt der Aufnahme war es leider nicht möglich, auf die Ausstriche, die in Mali angefertigt wurden, zurückzugreifen und sie erneut unter klinischen Bedingungen zu bewerten.