NICHT NUR MIT DEM SKALPELL
Interventionelle Verfahren im Kopf-Hals-Bereich –
eine interdisziplinäre Herausforderung
Interventional Procedures at the Head- and Neck-Area – an Interdisciplinary Challenge
Daniel A. Veita,b, Klaus Peter Kaiserb, Sandra Schmidtc, Andreas Pabstd, Benjamin V. Beckera, Martin Haasef, Ramin Naraghie, Stephan Waldecka
a BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik VIII – Radiologie und Neuroradiologie
b BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Abteilung XV – Nuklearmedizin
c BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik V – Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde
d BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik VII – Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie
e BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik XII – Neurochirurgie
f BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik XII – Neurologie
Zusammenfassung
Das seit April 2020 im BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz etablierte Kopf-Hals-Zentrum bietet Patienten überregional eine umfassende interdisziplinäre Versorgung von verschiedensten Krankheitsbildern. Mit den Chancen dieses interdisziplinären Zentrums kommen aber auch neue Herausforderungen auf die einzelnen Fachrichtungen zu. Dies gilt nicht nur für das bereits routinemäßig breite diagnostische Spektrum der Abteilungen für Radiologie/Neuroradiologie und Nuklearmedizin, sondern im Besonderen für spezielle diagnostische und interventionelle Fähigkeiten. Hierzu gehören neben der erweiterten invasiven präoperativen Tumordiagnostik und der präoperativen Tumorembolisation, insbesondere auch die Beherrschung von Notfallembolisationstechniken bei Blutungen aus Ästen der A. carotis externa.
Anhand von exemplarischen klinischen Fallbeispielen wird in diesem Beitrag über das interventionelle Spektrum der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie im Kopf-Hals-Bereich sowie über die Herausforderungen und Chancen bei der Zusammenarbeit in einer Klinik mit Kopf-Hals-Zentrum berichtet.
Schlüsselwörter: Embolisation A. carotis externa, Mittelgesichtsfraktur, Tumorembolisation, Interventionelle Radiologie
Summary
The implementation of the Head and Neck Center at the Bundeswehr Central Hospital in April 2020 led to an improvement of cross-regional treatment options for a variety of disease patterns. This center offers opportunities for better and higher specialized medical care but also poses a challenge to participating departments regarding advanced diagnostics as well as interventional procedures in radiology/neuroradiology and nuclear medicine. This includes expanded invasive diagnostics and tumor embolization techniques prior to a scheduled surgery but also the ability to deal with emergency embolization procedures in the treatment of active bleeding complications of the external carotid artery or associated branches. By presentation of selected clinical cases opportunities and challenges in clinical routine and interventional procedures in the Head and Neck Center will be demonstrated in this article.
Keywords: embolization of a. carotis externa, midface fracture, tumor embolization, interventional radiology
Einleitung und Anatomie
Die A. carotis externa (ACE) ist paarig angelegt und entspringt aus der A. carotis communis (ACC). Die Seitenäste der ACE lassen sich aus einem mit am häufigsten zitierten Anatomiemerksatz herleiten:
Theo (A. thyroidea superior) Lingen (A. lingualis) fabriziert (A. facialis) phantastisch (A. pharyngea ascendens) schmeckende Ochsenschwanzsuppe (A. occipitalis) aus (A. auricularis posterior) toten (A. temporalis) Mäusen (A. maxillaris).
Aus den beiden Endästen A. temporalis und A. maxillaris gehen die wichtigen Gefäßäste A. meningea media und A. sphenopalatina hervor. Die A. meningea media spielt in der Traumatologie bei akuten epiduralen Hämatomen (EDH) eine entscheidende Rolle [5], zudem übernimmt sie mit ihren Rami die Versorgung der Meningen und ist damit bei der operativen Resektion von Meningeomen von besonderer Bedeutung [3]. Grundsätzlich gilt, dass bei Interventionen und Operationen im Kopf-Hals-Bereich selbst proximale Embolisationen oder Gefäßverschlüsse der ACE und ihrer abgehenden Äste ohne größere Probleme toleriert werden, da eine ausgesprochen gute Kollateralisation, u. a. über die Gegenseite, besteht [4].
Das Ziel der interventionellen Versorgung sowohl bei Tumorembolisationen als auch beispielsweise bei nicht beherrschbarer Epistaxis ist stets eine Embolisation auf Kapillarebene. Hierfür gibt es verschiedene Techniken. In den nachfolgend vorgestellten Fällen wurde die Embolisation mittels Contour Polyvenylalkohol Mikropartikeln (PVA) gemischt mit Kontrastmittel/NaCl als Trägerlösung vorgenommen. Diese Partikel sind sehr gut steuerbar und in unterschiedlichen Größen verfügbar, sodass sie auf das jeweilige Einsatzgebiet angepasst werden können.
Liegt die Verletzung eines größeren Gefäßastes der A. carotis externa vor, so ist die Embolisation mit Mikropartikeln keine sinnvolle Option. Hier ist die Coilembolisation (i. d. R. primär Fasercoils) oder bei großen Gefäßästen der Einsatz von Embolisations-Devices, wie z. B. Vascular Plug Systemen (AMplatzer®), die Methode der Wahl (Abbildung 1).
Abb. 1: Exemplarische Darstellung verschiedener Embolisationsmittel
Fallbeispiele
Fall 1
Hämodynamisch relevante Massenblutung nach traumatischer Gefäßlazeration der A. maxillaris durch eine dislozierte Fraktur der Kieferhöhlenhinterwand
Wir berichten über einen 84-jährigen Patienten, der nach stattgehabtem Treppensturz mit anschließender Reanimation durch den Notarzt intubiert und beatmet über den Rettungsdienst in die interdisziplinäre Notaufnahme des BundeswehrZentralkrankenhauses (BwZKrhs) Koblenz eingeliefert wurde. Nach Stabilisation der Vitalparameter in der Notaufnahme und erster klinischer Sichtung im Schockraum durch die beteiligten Fachdisziplinen des Schockraumteams (Unfallchirurgie, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (HNO), Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie (MKG), Neurochirurgie, Anästhesie, Viszeralchirurgie und Innere Medizin) wurde bei dem Patienten eine umfassende Traumadiagnostik mittels CT-Polytraumaspirale durchgeführt. Die Traumaspirale setzt sich nach den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) aus einem nativen cranialen Computertomogram (cCT), gefolgt von einer computertomografischen Angiografie (CTA) der Hals-Hirn-Gefäße sowie eines CT Thorax und Abdomen in Doppelbolustechnik zusammen. Mit diesem etablierten Schockraumalgorithmus kann mit hoher diagnostischer Sicherheit innerhalb kürzester Zeit eine komplette Erfassung aller direkten und indirekten Traumafolgen von Kopf bis Fuß erfolgen [2].
In der im Schockraum durchgeführten Traumaspirale zeigte sich eine im Rahmen des Treppensturzes erlittene komplexe nasoethmoidale, maxilläre rechts zentrale Mittelgesichtsfraktur mit Fraktur der Kieferhöhlenhinterwand und hier unmittelbarer anatomischer Lagebeziehung der A. sphenopalatina (aus der A. maxillaris) zur disloziert-frakturierten Kieferhöhlenhinterwand (Abbildung 2). Zum Zeitpunkt der Traumaspirale lag keine aktive arterielle Blutung vor.
Zudem zeigte sich neben den typischen EKG-Veränderungen auch eine deutliche Minderperfusion der Herzvorderwand und des Septums – vereinbar mit einem proximalen Verschluss der linken A. coronaria descendens (LAD). Weitere Traumafolgen konnten in der Traumaspirale ausgeschlossen werden. Konsequenterweise wurde der Patient unmittelbar nach abgeschlossener Diagnostik in das Herzkatheterlabor verbracht, wo sich der Verdacht eines LAD-Verschlusses bestätigte, welcher schnell und sicher mittels perkutaner transluminaler Angioplastie (PTA) und Einsetzen eines Stents rekanalisiert werden konnte (Abbildung 2).
Abb. 2: CT-Angiographie des Herzens in der Traumaspirale mit Darstellung eines hypodensen Defektes der LV-Vorderwand ((A) und (B)); korrespondierend zeigt die Koronarangiographie desselben Patienten den LAD-Verschluss vor (C) und nach Rekanalisation (D).
In (E) zeigt sich die Fraktur der rechten Kieferhöhlenwand mit Beteiligung der A. sphenopalatina (gelber Pfeil) und sekundärer Blutung.
Noch während der laufenden Intervention im Herzkatheterlabor kam es zu einer zunehmend hämodynamisch relevanten Blutung im Bereich des Mittelgesichts.
HNO-seitig erfolgte die umgehende Endoskopie der Nasenhaupthöhle. Hier zeigte sich eine pulsierende Blutung im mittleren Nasengang. Um eine Kontrolle der Blutung zu erreichen, erfolgte die Tamponade der Nasenhaupthöhle mit Fingerlingstamponaden im mittleren und unteren Nasengang. Zusätzlich wurde ein Ballon-Epistaxis-Katheter zur Tamponade des Epipharynx eingesetzt. Durch diese Maßnahmen ließ sich die Blutung nicht sicher beherrschen.
Epistaxis
Die Epistaxis ist ein akut bedrohliches Ereignis; sie ist ein häufiger Konsultationsgrund in der Akutmedizin verschiedener Fachrichtungen. Zwischen 10 und 60 % der Bevölkerung leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter Epistaxis und ca. 6–10 % suchen deswegen einen Arzt auf. Nach Literaturangaben benötigen ca. 0,2–1 % der Patienten eine stationäre Therapie. Im anterioren Bereich treten diese Blutungen in der Regel am Locus Kieselbachii, einem Endstromgebiet der A. sphenopalatina, der A. ethmoidalis anterior, der A. labialis superior und der A. palatina major auf.
Die HNO-ärztliche Therapie der Epistaxis folgt einem Stufenschema. Nach Identifikation der Blutungsquelle kann bei umschriebenen Blutungen diese mittels Koagulation gestoppt werden. Gelingt dies nicht oder liegen diffuse Blutungen, insbesondere bei antikoagulierten Patienten, vor, bieten diverse Tamponadesysteme und blockbare Epistaxis-Katheter die Möglichkeit einer schnellen Blutstillung. Zu beachten ist bei den blockbaren Kathetern jedoch die begrenzte Anwendungsdauer, da der hohe Blockungsdruck die Mikroperfusion der Schleimhaut kompromittiert und zu Nekrosen und erneuten Blutungen führen kann.
Bei Blutungen aus der A. sphenopalatina kann endoskopisch das Gefäß im Bereich der lateralen Nasenwand (im Bereich der Crista ethmoidalis) freigelegt werden und geklippt bzw. koaguliert werden. Ist dies nicht möglich, besteht die Möglichkeit über einen osteoplastischen Kieferhöhlenzugang die A. maxillaris in der Fossa pterygopalatina aufzusuchen und zu clippen. Blutungen aus dem A. ethmoidalis Bereich können über eine mediane Kraniotomie chirurgisch versorgt werden. Als ultima ratio oder im Rahmen einer damage-surgery unter Einsatzbedingungen ist die Ligatur der A. carotis externa über einen cervicalen Zugang möglich [1].
Nach Reevaluation der Traumaspirale stellten wir die Arbeitsdiagnose einer arteriellen Blutung (Re-Blutung) durch eine traumatische Lazeration der A. sphenoidalis bei der vordiagnostizierten Kieferhöhlenhinterwandfraktur, analog auch zu in der Literatur beschriebenen Fällen [7]. Die Blutung in diesem Fall war am ehesten als sekundäre Nachblutung bei initialem thrombotischem Verschluss und Re-Blutung nach erfolgter Lyse und Stent-PTA im Herzkatheterlabor zu sehen. Unter fortlaufender intensivmedizinischer Überwachung und Transfusion wurde der Patient notfallmäßig von der Intensivstation in die interventionelle Radiologie verbracht, wo über einen transfemoralen Zugang mittels Selektivkatheter (Typ 5F JB2) die Darstellung und Sondierung der A. carotis communis rechts in DSA-Technik (digitale Subtraktionsangiographie) erfolgte. Nachdem hier eine aktive Blutungsquelle aus der A. sphenopalatina rechts detektiert werden konnte, erfolgte in gleicher Sitzung in Coaxialtechnik mittels Mikrokatheter und Mikrodraht (Echelon 45° und Traxcess 14 Draht) die superselektive Sondierung der A. maxillaris und des lazerierten Endastes der A. sphenopalatina. Letzterer konnte sodann schnell und sicher mittels Fasercoils (2x Axium™, 3mm x 15cm) superselektiv embolisiert werden. Unmittelbar nach Absetzen des zweiten Coils kam es zu einem Sistieren der Blutung in der DSA (Abbildung 3), welches HNO-ärztlich nach Entblocken und Entfernen der Tamponaden auch klinisch bestätigt werden konnte.
Abb. 3: (A) DSA der rechten A. carotis externa (A) mit Darstellung der A. maxillaris und der Blutung (Pfeil) aus dem lazerierten Endast (A. sphenopalatina); (B) Sistieren der Blutung nach Coilembolisation (Pfeil)
Fall 2
Lazeration der A. thyroidea superior mit raumfordernder parapharyngealer Blutung und notfallmäßiger Embolisation.
Ein weiterer Fall eines verletzten Seitenastes der A. carotis externa trat nach einer Herzkatheteruntersuchung bei einer 56-jährigen Patientin auf, die kurze Zeit nach der Untersuchung über ein zunehmendes Druckgefühl mit Schwellung und Dysphagie im Kopfhalsbereich klagte. Das notfallmäßig durchgeführte CT der Halsweichteile zeigte eine aktive arterielle Blutung aus der A. thyroidea superior mit erheblich raumforderndem Effekt und beginnender Verlegung der oberen Atemwege.
Nach Transport in die Angiosuite der interventionellen Radiologie konnte auch hier über einen transfemoralen Zugang in Coaxialtechnik mittels Selektivkatheter (Vertebralis 5F) und Mikrokatheter (Echelon 45° mit Traxcess-Draht) die Blutungsquelle zunächst identifiziert werden. Anschließend erfolgte die superselektive sichere Blutungskontrolle mittels Coilembolisation der A. thryroidea superior (Abbildung 4).
Abb. 4: (A) Der Pfeil zeigt in der präinterventionellen CTA auf eine Blutung aus der A. thyroidea superior. (B) In der Röntgendurchleuchtung nach Coil-Embolisation des Gefäßes ist die Blutungsquelle verschlossen (Pfeil).
Fall 3
Präoperative Diagnostik und Therapie vor radikaler Neck dissektion.
Wir berichten über einen Patienten (68 Jahre) mit einem ausgedehnten, lokal tief infiltrierenden Plattenepithelkarzinom rechts peritonsillär. Der Tumor imponierte zentral nekrotisch, reichte bis an die A. carotis communis (ACC) und die A. carotis interna (ACI) heran und ummauerte die Gefäßstrukturen zusätzlich teilweise (Abbildung 5).
Abb. 5: FDG-PET-CT 1 mit Kontrastmittel (Kopf-Hals) als fusionierter Datensatz in coronaler (A) und axialer (B) Rekonstruktion: Rechts kommt ein zervikaler Herdbefund mit Kontakt zur A. carotis und randständig erhöhtem Glucosestoffwechsel (Pfeile) zur Darstellung.
1 FDG-PET-CT = Positronen-Emissionstomografie (PET) mit CT, bei der18 F-Fluordesoxyglucose als radioaktiver Marker benutzt wird.
Nach Evaluation des komplexen Falles und Besprechung in der Kopf-Hals-Tumorkonferenz mit den Angehörigen der MKG, HNO, Pathologie, Gefäßchirurgie, Neurologie und Strahlentherapie wurde als Einzelfallentscheidung der Kurationsversuch einer ausgedehnten radikalen Tumorentfernung unter Absetzung und Mitnahme der ACI beschlossen.
Um diesen kurativen Ansatz verfolgen zu können, musste präoperativ zwingend abgeklärt werden, ob die Kollateralisation der cerebralen Versorgung über den Circulus arteriosus willisii (ACI kontralateral und hinterer Kreislauf) ausreichend war, um den Verlust der Versorgung aus der ACI zu kompensieren.
Nach Abschluss der nicht invasiven Diagnostik (Duplex, Magnet-Resonanz-Angiografie (MRA) und CT-Perfusion) erfolgte in der interventionellen Radiologie eine selektive Ballonokklusion der ACI (Eclipse Ballon) unter gleichzeitiger Darstellung der kontralateralen ACI bei wachem Patienten. Nachdem die Okklusion der ACI rechts über einen Zeitraum von > 5 min – unter neurologischer Kontrolle des wachen Patienten – problemlos toleriert wurde, wurde mittels DSA (digitale Subtraktionsangiographie) und selektiver Kontrastmittelapplikation von kontralateral die Versorgung der okkludierten Hirnhälfte zusätzlich dargestellt (Abbildung 6).
Abb. 6: Ballonokklusion der ACI rechts (A) und DSA der ACI links mit Kollateralisation der A. cerebri media der Gegenseite (Pfeil) über die A. communicans anterior
Auf der Basis dieser Diagnostik konnte der Patient anschließend einer radikalen Tumorenukleation unter Mitnahme der ACC und ACI und unter Beibehaltung eines kurativen Ansatzes operiert werden.
Fall 4
Präoperative Embolisation eines großen Meningeoms frontobasal
Vorgestellt wird der Fall einer 54-jährigen Patientin mit einem großen, rechts frontobasal lokalisierten Meningeom mit erheblichem perifokalen Marklagerödem (Abbildung 7). Aufgrund der Ausdehnung des Tumors und seiner Nähe zur Schädelbasis erfolgte eine präoperative DSA der hirnversorgenden Gefäße, um die arterielle Versorgung des Meningeoms zu klären und wenn möglich eine präoperative Embolisation der versorgenden Gefäße durchzuführen.
Abb. 7: (A) Axiale MRT (A) mit Darstellung des großen frontobasalen Meningeoms und perifokalem Ödem (Pfeil); (B) partielle Versorgung des basalen Anteils des Meningeoms über die A. ethmoidalis aus der A. ophthalmica; (C) Tumor-blush aus tiefen Ästen der A. meningea media
(D) Nach der erfolgreichen Embolisation konnte diese Versorgung des Tumors nicht mehr dargestellt werden.
Die Intervention wurde über einen transfemoralen Zugangsweg bei wacher Patientin durchgeführt. Dieses Vorgehen ist der Behandlung in Intubationsnarkose wann immer möglich vorzuziehen, da so ein kontinuierliches neurologisches und klinisches Monitoring erfolgen kann. Kontraindikation hierfür ist jedoch eine mangelnde Compliance des Patienten.
Nach Ausschluss einer Tumorversorgung von kontralateral, zeigte sich in der selektiven Angiographie (5F Vertebralis Katheter) der ACI rechts eine partielle Versorgung des basalen Anteils des Meningeoms über die A. ethmoidalis aus der A. ophthalmica (Abbildung 7). Hier war technisch bedingt keine Intervention möglich, jedoch war auch diese präoperative Kenntnis der genauen Versorgung für den Operateur zwingend zur Planung seines Zugangsweges erforderlich.
In der anschließenden selektiven Angiographie der ACE rechts konnte ein kräftiger arterieller Tumor-Blush aus tiefen Ästen der A. meningea media dargestellt werden. Anschließend erfolgte bei guter Compliance der Patientin die superselektive Sondierung der peripheren A. meningea media mittels Mikrokatheter und Mikrodraht. Nach Darstellung der korrekten Embolisationsposition des Mikrokatheters erfolgte die konsequente Partikelembolisation des Hauptanteils des Meningeoms (Contourä 400–350, Boston Scientific, Natwick, MA, USA) unter kontinuierlicher Durchleuchtungskontrolle (road map). Nach Eintreten der KM Stase wurde der Mikrokatheter unter sanfter Aspiration – zur Verhinderung thrombembolischer Fehlembolisationen – zurückgezogen. Die Abschlusskontrolle zeigte eine gute Verteilung der Partikel im Meningeom mit vollständiger Embolisation der hauptzuführenden Äste.
Nach interdisziplinärer Besprechung des Embolisationsergebnisses und der Angiographie mit dem Operateur der Neurochirurgie konnte das Meningeom anschließend ohne Blutungskomplikationen vollständig reseziert werden. Hierfür hat sich in der Praxis eine Operation 2–3 Tage nach erfolgter Embolisation bewährt, da dann eine maximale Thrombosierung des Meningeoms erreicht wird.
Fall 5
Partikelembolisation bei einem Patienten mit M. Osler und rezidivierendem Nasenbluten
Bei einem 67-jährigen Patienten mit bekannter hereditärer hämorrhagischer Teleangiektasie (HHT, M. Osler) war es in der Vorgeschichte bereits zu zahlreichen Episoden von starker Epistaxis gekommen, die mit Tamponaden und Verödungen behandelt wurden. Jetzt stellte er sich erneut mit starken Nasenbluten über die interdisziplinäre Notaufnahme in der Klinik und Poliklinik für HNO vor. Nachdem mit lokal ablativen Verfahren und Tamponaden keine ausreichende und dauerhafte Blutungskontrolle erreicht werden konnte, wurde der Patient zur erweiterten diagnostischen Angiografie mit der Möglichkeit einer selektiven Embolisation in der interventionellen Radiologie vorgestellt.
Morbus Osler
Die dem M. Osler zu Grunde liegende Pathophysiologie basiert auf Kurzschlussverbindungen zwischen arteriellen und venösen Blutgefäßen auf Kapillarebene mit Ausbildung von Teleangiektasien und AV-Malformationen. Daher zielt jeder interventionelle Ansatz zur Blutungskontrolle primär darauf ab, eine Embolisation und Thrombosierung der pathologisch erweiterten Gefäße auf Kapillarebene zu erreichen (6).
Über einen transfemoralen Zugangsweg wurden zunächst in Coaxialtechnik mittels Selektivkatheter (Vertebralis 5F) die A. carotis communis und anschließend die A. carotis interna und externa beidseits sondiert. Nach Identifikation der A. sphenopalatina aus der A. maxillaris wurde diese weit peripher mittels Mikrokatheter und Mikrodraht (Echelon 45° mit Traxcess Draht) sondiert. Hier zeigten sich in der superselektiven Darstellung bereits pathologische Gefäßkonvolute und Gefäßshunts auf Kapillarebene (siehe Abbildung 8). Daraufhin erfolgte die superselektive Partikelembolisation der Endäste der A. sphenopalatina mittels PVA-Mikropartikeln (250–355 µm). Die Embolisation erfolgt dabei grundsätzlich maximal bis zur KM-Stase, die Partikelgröße variiert nach Einsatzgebiet. Nach Erreichen eines guten Embolisationsergebnisses wurden bei noch einliegendem Katheter die Tamponaden entfernt, um auch klinisch die suffiziente Embolisation und Blutungskontrolle zu verifizieren.
Abb. 8: DSA der rechten ACE als Ausgangserie (A) sowie superselektive Darstellung der A. sphenopalatina (B) mit Hyperämie (Pfeil)
Diskussion und Fazit
Die Anforderungen an eine interventionelle Radiologie und Neuroradiologie an Kliniken mit etablierten Kopf-Hals-Zentren sind vielseitig und herausfordernd. Neben dem Grundverständnis der Pathophysiologie und Tumordynamik spielen, insbesondere auch bei der Bundeswehr, das erweiterte traumatologische Spektrum und die hiermit verbundenen Blutungen und Blutungskomplikationen eine entscheidende Rolle. Diese bilden auch eine einsatzrelevante Kernkompetenz der interventionellen Radiologie und Neuroradiologie im Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Zur Beherrschung der teilweise massiven, hämodynamisch relevanten und lebensbedrohlichen Blutungen muss der interventionell tätige Radiologe neben der sicheren Kenntnis der speziellen Anatomie im Kopf-Hals-Bereich Techniken aus der Neuroradiologie wie Coil- und Partikel-Embolisation anwenden und sicher beherrschen können. Insbesondere an dem Fallbeispiel der Lazeration der A. sphenopalatina (Fall 2) wird deutlich, dass manche Verletzungsmuster und Blutungen – wenn überhaupt – operativ nur sehr aufwendig zu beherrschen sind.
Diese spezialisierten Therapieverfahren sind dabei von erfahrenen interventionellen Radiologen am BwZKrhs Koblenz schnell und sicher durchzuführen und bieten neue therapeutische Chancen auch für komplexe interdisziplinäre Fälle an einem Kopf-Hals-Zentrum.
Zusammenfassend ist die angiografische interventionelle Versorgung neben den konventionell-chirurgischen Verfahren oft die Methode der Wahl bei der spezialisierten Diagnostik und Therapie im Kopf-Hals-Bereich und daher ein integraler Bestandteil in der vorgestellten Zentrumsmedizin.
Literatur
- Beck R, Sorge M, Schneider A, Dietz A: Current Approaches to Epistaxis Treatment in Primary and Secondary Care. Dtsch Arztebl Int 2018; 115(1–2): 12–22. mehr lesen
- Ernstberger A, Schreyer A, Schleder S et al.: Computertomographie bei Polytrauma: Gibt es einen Goldstandard? Trauma und Berufskrankheit 2017; 19(1): 57-63. mehr lesen
- Raper D, Starke R, Henderson Fet al.: Preoperative embolization of intracranial meningiomas: efficacy, technical considerations, and complications. American Journal of Neuroradiology 2014; 35(9): 1798-1804. mehr lesen
- Smith TP: Embolization in the external carotid artery. Journal of Vascular and Interventional Radiology 2006; 17(12): 1897-1913. mehr lesen
- Suzuki S, Endo M, Kurata A et al.: Efficacy of endovascular surgery for the treatment of acute epidural hematomas. American journal of neuroradiology 2004; 25(7): 1177-1180. mehr lesen
- Trojanowski P, Jargiełło T, Trojanowska A, Klatka J: Epistaxis in patients with hereditary hemorrhagic telangiectasia treated with selective arterial embolization. Acta Radiologica 2011; 52(8): 846-849. mehr lesen
- Watzinger F, Undt G, Kaltenecker G, Winkelbauer F, Wanschitz F: Massive Blutung aus der A. maxillaris 11 Tage nach einer Mittelgesichtsfraktur — ein Fallbericht. Acta Chirurgica Austriaca 1997; 29(4): 238-240. mehr lesen
Manuskriptdaten
Zitierweise
Veit DA, Kaiser KP, Schmidt S, Pabst A, Becker BV, Haase M, Naraghi R, Waldeck S: Interventionelle Verfahren im Kopf-Hals-Bereich – eine interdisziplinäre Herausforderung. WMM 2021; 65(5): 177-183.
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Daniel A. Veit
BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz
Klinik VIII – Radiologie und Neuroradiologie
Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz
E-Mail: danielantonveit@bundeswehr.org
Manuscript data
Citation
Veit DA, Kaiser KP, Schmidt S, Pabst A, Becker BV, Haase M, Naraghi R, Waldeck S: Interventional Procedures at the Head- and Neck-Area – an Interdisciplinary Challenge. WMM 2021; 65(5): 177-183.
For the authors
Lieutenant Colonel (MC) Dr. Daniel A. Veit
Bundeswehr Central Hospital Koblenz
Department VIII – Radiology and Neuroradilogy
Ruebenacher Str. 170, D-56072 Koblenz
E-Mail: danielantonveit@bundeswehr.org