Die Kopfzentren am Bundeswehrkrankenhaus Ulm
und am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Verletzungen von Soldaten in den aktuellen Krisengebieten resultieren in erster Linie durch Bodenkämpfe, Minen, IED´s und Selbstmordanschläge.
Verbesserte Schutzausrüstungen, vor allem Splitterschutzwesten, haben zu erheblichen Veränderungen des Verletzungsmusters geführt. Traumen im Bereich der ungeschützten Körperregionen, nämlich Gesichtsschädel, Hals und Extremitäten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Verletzungen im Bereich der Extremitäten führen in den meisten Fällen nicht zu einer vitalen Gefährdung. Anders verhält es sich mit Verletzungen im Kopf- und Halsbereich. Eine Analyse am Patientengut des Landstuhl Regional Medical Center der US-Streitkräfte ergab, dass einer von fünf unter Gefechtsbedingungen im Irak oder in Afghanistan verletzten Soldaten lebensbedrohliche Verletzungen im Kopf-Halsbereich erlitt. Nicht berücksichtigt sind hierbei Verletzungen des Auges, die vor allem bei Explosionstraumen sehr häufig hinzukommen.
Diese Erfahrungen haben mittlerweile international zu einer neuen Bewertung der wehrmedizinischen Relevanz der Fachgebiete Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Ophthalmologie, Neurochirurgie und HNO-Heilkunde/Kopf- und Halschirurgie – also der „Kopffächer“geführt. Entsprechend hat auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr auf diese aktuellen Erkenntnisse reagiert und begonnen, die Ausbildung von chirurgisch tätigen Sanitätsoffizieren dieser Situation anzupassen.
Schon bei der Einlieferung und Erstsichtung sind die Kopffächer elementarer Teil des Traumateams in der Interdisziplinären Notaufnahme und wirken bei der Koordinierung der weiteren Maßnahmen mit. In der Regel folgt nach der radiologischen Diagnostik die Festlegung des weiteren Behandlungsablaufes. Unter Berücksichtigung von Notfallmaßnahmen und absolut dringlichen Prozeduren wird dann die schrittweise Behandlung unter Berücksichtigung der Rehabilitation festgelegt. Nicht selten dauern diese zum Teil hochkomplexen Behandlungsabläufe viele Monate und müssen unter den Kopffächern genau abgestimmt und auch immer wieder neu evaluiert werden. In der Wehrtraumatologie gilt es, hierbei auch die Besonderheiten von thermobarischen Verletzungen und von bakteriell besiedelten Wunden zu berücksichtigen.
Um die schon bestehende Zusammenarbeit zwischen den Kopffächern weiter zu verstärken und um Arbeitsabläufe im Krankenhaus weiter auszubauen, wurden am Bundeswehrkrankenhaus Ulm und am Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz Kopfzentren gegründet. Die Kliniken für Neurochirurgie, Augenheilkunde, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, Zahnmedizin und Radiologie als Kernfächer der Kopfzentren werden durch die Kliniken für Neurologie, Onkologie und Pathologie ergänzt.
Wöchentliche „Kopfkonferenzen“, spezielle interdisziplinäre Tumorkonferenzen und interdisziplinäre Röntgenbesprechungen dienen der Optimierung diagnostischer Maßnahmen und der Festlegung gemeinsamer Behandlungsabläufe. Dies gilt für die komplexe Traumatologie mit den kraniofazialen und panfazialen Läsionen und auch in besonderer Weise bei Tumoren im Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich. Hier ist die Mitwirkung verschiedener Kopffächer, aber auch der Radiologen, Nuklearmediziner und Onkologen unbedingt notwendig, um leitliniengerecht die Diagnostik und Therapie durchzuführen. Nur diese interdisziplinäre Arbeitsweise ermöglicht die Erfüllung der Anforderungen, die an ein interdisziplinäres Kopf-Hals-Tumorzentrum gestellt werden.
Eine qualitativ anspruchsvolle Diagnostik und Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen im Kopf-, Hals- und Gesichtsbereich erfordert eine kontinuierliche und hochspezialisierte Ausbildung und Inübunghaltung von Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten.
In dieser Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift wird in insgesamt 8 Fachbeiträgen aus den Bundeswehrkrankenhäusern Ulm und Koblenz ein Einblick in die klinischen Fragestellungen und Herausforderungen eines Kopfzentrums geboten.