Wehrmedizinische Monatsschrift

IODBLOCKADE

Szenarienabhängige Bedrohungen durch radioaktives Iod:
Ein neues Softwaretool zur Optimierung medizinischer Gegenmaßnahmen

Scenary depending threats from radioactive iodine:
New software tool to optimize medical countermeasures

放射性ヨウ素によるシナリオ依存の脅威
医療対策を最適化するための新しいソフトウェアツール

Alexis Rumpa, Stefan Edera, Cornelius Hermanna, Andreas Lamkowskia, Manabu Kinoshitab, Tetsuo Yamamotoc, Junya Taked, Michael Abenda, Nariyoshi Shinomiyae, Matthias Porta

a Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München

b Department of Immunology and Microbiology, National Defense Medical College, Tokorozawa, Japan

c NBC Countermeasure Medical Unit, Japan Ground Self Defense Force, Tokyo, Japan

d Department of Pediatrics, National Defense Medical College, Tokorozawa, Japan

e President, National Defense Medical College, Tokorozawa, Japan

Zusammenfassung

Bei einem nuklearen Unfall freigesetztes radioaktives Iod reichert sich in der Schilddrüse an und erhöht durch innere Bestrahlung das Risiko für Schilddrüsenfunktionsstörungen und die Entwicklung von Karzinomen. Stabiles (nicht radioaktives) Iod in hoher Dosierung hemmt die Anreicherung von Radioiod in der Schilddrüse und wirkt damit protektiv (sog. „Schilddrüsenblockade“), zum einen durch Kompetition am Iodid-Carrier in der Zellmembran und durch einen Iod-Sättigungseffekt der Drüse mit konsekutivem zeitlich befristeten Iod-Netto-Aufnahmeblock (Wolff-Chaikoff-Effekt). Alternativ kann z. B. Perchlorat durch Konkurrenz mit Iodid um die Aufnahme in die Thyreozyten die Schilddrüse vor radioaktivem Iod schützen.

Biokinetische Modelle für (Radio)iod, die Transportprozesse mit für passive Diffusion typische Kinetiken erster Ordnung beschreiben, simulieren eine Schilddrüsenblockade nicht hinreichend. In Zusammenarbeit des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr mit dem National Defense Medical College der Japanischen Selbstverteidigungskräfte wurde ein neues Schilddrüsenblockade-Modell mit separater Modellierung der Kompetition am Carrier in der Thyreozytenmembran und des Wolff-Chaikoff-Effekts entwickelt, welches wir in dieser Arbeit vorstellen. Das Tool ermöglicht die Simulation nicht nur akuter, sondern auch komplexer prolongierter Radioiod-Expositionsszenarien und die Identifizierung der besten Schutzstrategie zur Reduzierung der Strahlenbelastung der Schilddrüse.

Simulationen zeigen, dass bei akuter Radioiod-Exposition 100 mg stabiles Iod oder alternativ 1000 mg Perchlorat die Radioiod-Akkumulation in der Schilddrüse um über 98 % reduzieren, eine Einzeldosis Iod oder Perchlorat bei längerer Radioiod-Exposition (wie z. B. nach Kernkraftwerksunfällen) aber eindeutig unzureichend ist. Wiederholte tägliche Gaben sind erforderlich und Perchlorat hat im Vergleich zu stabilem Iod bei länger andauernder Radioiod-Exposition eine höhere protektive Wirksamkeit. Bei der Wahl der geeigneten Prävention sind sowohl ethnische Besonderheiten als auch die Menge des mit der jeweiligen Nahrung aufgenommenen Iods zu berücksichtigen.

Unser neues Schilddrüsenblockade-Modell kann auch sehr komplexe Radioiod-Expositionsszenarien sowie die protektive Wirkung verschiedener Dosierungs­schemata von stabilem Iod simulieren. Physiologische ­Unterschiede in der Schilddrüsenfunktion aufgrund intrinsischer oder extrinsischer Faktoren können berücksichtigt werden. Darüber hinaus ermöglicht das neue Modell die Untersuchung der protektiven Wirkung anderer pharmakologischer Wirkstoffe, wie z. B. Perchlorat, und damit kann in Abhängigkeit des Expositionsszenarios die beste Schutzstrategie einschließlich der Dosierungsschemata ermittelt werden.

Schlüsselwörter: Medizinischer A-Schutz, nuklearer oder radiologischer Unglücksfall, Simulation, Radioiod, Iodblockade, Perchlorat

Summary

Radioactive iodine may be released in the case of a nuclear incident and increases the risk of thyroidal dysfunctions and cancer. Stable (non-radioactive) iodine at high doses inhibits the accumulation of radioiodine in the thyroid and thus has a protective effect (“thyroid blocking”). Protection is mediated by a competition at the iodide-carrier site in the membrane of the thyrocytes and an additional saturation effect (Wolff-Chaikoff effect) leading to a temporary total net iodide uptake block. Alternatively, other agents like e.g., perchlorate, that compete with iodide for uptake may also confer thyroidal protection.

Biokinetic models for (radio)iodine using first order kinetics that are typical for passive diffusion phenomena are not suited to simulate thyroid blocking. In cooperation between the Institute for Radiobiology of the German Armed Forces and the National Defense Medical College of the Japanese Self-Defense Forces, a new thyroid blocking model with separate modeling of the competition at the iodide carrier in the membrane and the Wolff-Chaikoff effect was developed. The tool enables the simulation not only of acute but also of complex prolonged radioiodine exposure scenarios and the identification of the best protection strategy for reducing the radiation exposure of the thyroid.

Simulations show that in the case of acute radioiodine exposure, 100 mg stable iodine or alternatively 1000 mg perchlorate reduce the radioiodine accumulation in the thyroid gland by over 98 %. A single dose of iodine or perchlorate is however clearly insufficient in the case of prolonged radioiodine exposure (e.g., after nuclear power plant accidents). In these cases, repeated daily doses are required and perchlorate was shown to have a higher protective efficacy compared to stable iodine. When selecting the appropriate prevention measure, both ethnic characteristics and in particular the daily nutritional iodine intake must be considered.

Our new thyroid blocking model can simulate very complex radioiodine exposure scenarios as well as the protective effect of various dosage schemes of stable iodine. Physiological differences in thyroid function due to intrinsic or extrinsic factors can be taken into account. In addition, the new model enables the investigation of the protective efficacy of other pharmacological agents, such as perchlorate, and thus the best protection strategy including the dosage scheme can be determined depending on the exposure scenario.

Key words: medical NR-protection, nuclear and radiological emergency, simulations, radioiodine, thyroid blocking, perchlorate

概要

原子力事故で放出された放射性ヨウ素は甲状腺に蓄積し、内部照射による甲状腺機能障害と癌腫の発症のリスクを高める。高用量の安定(非放射性)ヨウ素は、甲状腺における放射性ヨウ素の蓄積を抑制し、それにより保護効果(いわゆる「甲状腺遮断」)をもたらす。

ひとつには細胞膜のヨウ素担体との競争を通じて、ひとつには、連続効果を伴う、時間制限された正味のヨウ素摂取ブロック(ウォルフ・チャイコフ効果)を持つ、甲状腺のヨウ素飽和効果によって。一方、例えば過塩素酸塩等は、甲状腺細胞への取り込みについてヨウ化物と競争することにより、放射性ヨウ素から甲状腺を保護することができる。

受動拡散に典型的な一次動力学による輸送プロセスを説明している(放射性)ヨウ素の生体動力学モデルは、甲状腺の遮断を適切にシミュレートしていない。ドイツ連邦軍の放射線生物学研究所と日本の防衛医科大学校との協力により開発されました甲状腺細胞膜のキャリアでの競争とウォルフ・チャイコフ効果を別々にモデル化した新しい甲状腺遮断モデルがこの研究報告で紹介される。このツールは、急性だけでなく複雑な長期の放射性ヨウ素曝露シナリオのシミュレーションと、甲状腺の放射線曝露を減らすための最良の保護戦略の識別を可能にする。

シミュレーションによると、急性放射性ヨウ素曝露では、100 mgの安定ヨウ素、あるいは1000 mgの過塩素酸塩が、甲状腺への放射性ヨウ素の蓄積を98 %以上減少させるが、放射性ヨウ素への長期曝露(例:原子力発電所事故後)によるヨウ素または過塩素酸塩の単回投与は明らかに不足である。毎日の反復投与が必要であり、過塩素酸塩は、放射性ヨウ素への長期暴露後の安定ヨウ素と比較して、より高い保護効果がある。適切な予防策を選択する際には、民族的特徴とそれぞれの食品とともに摂取されるヨウ素の量の両方を考慮しなければならない。

私たちの新しい甲状腺遮断モデルは、非常に複雑な放射性ヨウ素曝露シナリオと、安定ヨウ素のさまざまな投与計画の保護効果をシミュレートすることもできる。内因性または外因性の要因による甲状腺機能の生理学的差異を考慮に入れることもできる。さらに、新しいモデルでは、過塩素酸塩などの他の薬剤の保護効果を調査できるが、曝露シナリオに応じて、投与計画を含む最適な保護戦略を決定できる。

キーワード:医療核保護、核や放射性物質事故、シミュレーション、放射性ヨウ素、ヨウ素遮断、過塩素酸塩

Bedrohungen durch radioaktives Iod

Kernspaltungsreaktionen erzeugen mehrere hundert ­Radionuklide, die meisten davon mit sehr kurzen Zerfallshalbwertszeiten [5]. Diese sind verantwortlich für die extrem hohen Aktivitäten und Dosisleistungen im frühen Fallout nach der Detonation von Atomwaffen. Eine Gefährdung durch äußere Bestrahlung steht daher im lokalen Falloutgebiet in der Frühphase nach einem Nuklearwaffeneinsatz im Vordergrund. Im weiteren Verlauf verbleiben Radionuklide mit mittlerer oder längerer Zerfallshalbwertszeit, die im regionalen und/oder globalen Fallout überwiegen. Die Spaltungsreaktionen in einem Kernreaktor sind im Wesentlichen vergleichbar zu denen in einer Fissionswaffe. Der Verlauf ist allerdings protrahierter und die Ursachen, die zu einem Kernkraftwerksunfall führen können, variieren [15]. Daher können sich die freigesetzten radioaktiven Gemische quantitativ unterscheiden [15][45].

Radioaktives Cäsium, Strontium und Iod gehören zu den Nukliden, die bei einer Kernfission in einer Nuklearwaffe oder einem Kernkraftwerk mit höherer Ausbeute erzeugt werden [1][4]. Radioaktives Cäsium und Strontium besitzen beide eine relativ lange physikalische Halbwertszeit (Cs-137: 30 Jahre; Sr-90: 28 Jahre) [2]. Unter den radioaktiven Iod-Isotopen ist Iod-131 von besonderer Bedeutung. Da es eine relativ kurze physikalische Zerfallshalbwertszeit von 8 Tagen besitzt [5], verursacht es keine langfristigen Umweltprobleme. Es besitzt aber eine sehr hohe Flüchtigkeit und kann sich in Abhängigkeit der meteorologischen Verhältnisse weit ab von der Quelle über große Gebiete ausbreiten. Nach nuklearen Zwischenfällen ist es ein bedeutendes Gesundheitsrisiko, da es durch Inhalation oder Ingestion rasch und vollständig absorbiert wird und sich im Anschluss in der Schilddrüse stark anreichert [12][37].

Die Konzentration von Radioiod in der Schilddrüse führt zu einer inneren Bestrahlung und erhöht das Risiko für das Auftreten von Malignomen (stochastische Strahlenschäden) [12][37]. In der Ukraine, Weißrussland und Russland wurde nach dem Kernkraftwerksunglück in Tchernobyl eine Zunahme von Schilddrüsenkarzinomen in der Bevölkerung beobachtet, die im Kindesalter gegenüber Radioiod exponiert worden war [6][14][25]. Darüber hinaus können nach Radioiod-Exposition auch Hypothyreosen beobachtet werden [32], wie z. B. bei den Einwohnern der Marschall-Inseln (insbesondere im Rongelap Atoll), die als Folge eines Unfalls bei der Testung eines thermonuklearen Sprengkopfs massiv frühem Fallout ausgesetzt waren (Castle Bravo Test, 1954) [40].

Die Iodblockade: Wirkmechanismus und offene Fragen

Die Iodblockade ist eine Möglichkeit die Schilddrüse bei Radioiod-Exposition bis zu einem gewissen Grad zu schützen [44][33][38][44]. Derzeit gibt es noch keine praktisch klinische Möglichkeit, die Elimination von in der Schilddrüse gespeichertem Radioiod zur Entlastung der Drüse effektiv zu beschleunigen. Die einzige wirksame Möglichkeit, die Schilddrüse vor Radioiod zu schützen, besteht darin, dessen Aufnahme aus dem Serum in die Thyreozyten zu blockieren. Dies kann durch die Aufnahme einer großen, aber nicht toxischen Menge an stabilem (nicht radioaktivem) Iod erreicht werden (je nach Land werden 76 mg oder 100 mg empfohlen) [11][41][47][48]. Bedeutsam ist die rasche Gabe von stabilem Iod innerhalb weniger Stunden nach Radioiod-Exposition, da nach 24 h keine protektive Wirkung mehr zu erwarten ist [38][47]. Dabei sind zwei Schutzmechanismen beteiligt [10][12][37]:

  1. Iodid wird durch einen aktiven sättigbaren Carrier (Natrium-Iodid-Symporter, NI-Symporter) aus dem Serum durch die Zellmembran in die Thyreozyten transportiert [9]. Aufgrund des großen Überschusses an stabilem Iodid wird radioaktives Iodid von diesem Carrier verdrängt und dadurch die Aufnahme in die Schilddrüse reduziert, während es gleichzeitig weiterhin renal eliminiert wird.
  2. Darüber hinaus wird bei Sättigung der Drüse mit Iod – d. h. wenn die Gesamtmenge an Iod im Organ einen Grenzwert überschritten hat – die weitere Nettoaufnahme von Iodid aus dem Serum geblockt (sog. Wolff-Chaikoff-Effekt) [46]. Dieser Sättigungsmechanismus, der mit Veränderungen der Organifizierung von Iodid in den Thyreozyten einhergeht, ist mechanistisch im Detail noch ungeklärt. Anders als die Kompetition am Membran Carrier, der ausschließlich von den relativen Konzentrationen an Iodid und Radioiodid bestimmt wird, ist der Wolff-Chaikoff-Effekt zeitlich aber nur befristet für ca. 24 bis 48 h wirksam [12].

Bei Radioiod-Exposition wird eine Iodblockade zum Schutz der Schilddrüse von der Weltgesundheitsorganisation [47] und den meisten nationalen Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit empfohlen [2][41]. In der Regel soll nur eine Einzeldosis von stabilem Iod verabreicht werden, obwohl bekannt ist, dass bei längerer Radioiod-Exposition wiederholte Dosierungen erforderlich werden können. So kam es bei den Kernkraftwerksunfällen in Tschernobyl und Fukushima zu Radioaktivitätsfreisetzungen über ca. 10 Tage, wenngleich sowohl die Mengen als auch der zeitliche Verlauf in beiden Fällen sehr unterschiedlich waren [15]. Konkrete Empfehlungen zu wiederholten Gaben von stabilem Iod fehlen jedoch in vielen offiziellen Leitlinien.

Alternative zu Iod: Perchlorat

Neben stabilem Iod hemmt auch das ThyreostatikumPerchlorat durch Kompetition am Membran Carrier die Aufnahme von Radioiodid in die Thyreozyten. Offizielle Empfehlungen zum Schutz der Schilddrüse gegen Radioiod beziehen sich in aller Regel auf stabiles Iod und, falls überhaupt erwähnt, wird Perchlorat als Mittel der zweiten Wahl angesehen [19]. Perchlorat war wegen des Auftretens von einigen Fällen aplastischer Anämie mit Todesfolge in den 1960er Jahren in Verruf geraten, wird derzeit als Thyreostatikum ohne Komplikationen aber wieder eingesetzt (z. B. in Deutschland als Irenat®-Tropfen) [42]. Allerdings sind Perchlorat-Präparate nicht in allen Ländern zugelassen oder verfügbar [31]. Empirische Daten, die an Probanden gewonnen wurden, sprechen aber dafür, dass Perchlorat in äquieffektiver Dosierung auch zur Schilddrüsenprotektion gegen Radioiod gut wirksam ist [13]. Der einfache Wirkmechanismus ausschließlich durch Kompetition am Membran Carrier, ohne zweite zeitlich unscharf begrenzte Wirkung wie dem Wolff-Chaikoff-Effekt, könnte sich als vorteilhaft erweisen.

Optimierung durch Simulation

Empirische Erfahrungen zur Iodblockade bei nuklearen Unfällen sind spärlich und die Daten mit Unsicherheiten behaftet, auch wenn die Erfahrungen nach dem Unglück in Tchernobyl dafür sprechen, dass die Gabe einer hohen Dosis Iod gut verträglich ist [29][49]. Bei der Entscheidungsfindung zu den erforderlichen und besten medizinischen Gegenmaßnahmen bei Radioiod-Expositionen (bei welchem Szenario welcher Wirkstoff in welcher Dosierung?) kann daher die Anwendung von Modellen zur Simulation sehr hilfreich sein.

Software-gestützte Tools zur Entscheidungsfindung

Modelle zur Iod-Biokinetik und Schilddrüsen-Protektion

Zur Beschreibung der systemischen Disposition von Iod wurden verschiedene kinetische Modelle unterschiedlicher Komplexität entwickelt [16][17][24][34]. Das Integrated Module for Bioassay Analysis (IMBA) ist eine kommerzielle Software, in der für zahlreiche Radionuklide, u. a. auch für unterschiedliche Iod-Isotope, biokinetische Modelle der International Commission for Radioprotection (ICRP) hinterlegt sind [3]. Das Programm ermöglicht bei Kenntnis des Expositionsszenarios die absorbierte radiologische Dosis (Effektivdosis und Äquivalentdosen für einzelne Organe) zu berechnen und damit die Gefährdungslage zu beurteilen (Abbildung 1). Das von der ICRP entwickelte und in IMBA hinterlegte Modell für Iod beschreibt allerdings Austauschvorgänge zwischen Kompartimenten mit Kinetiken 1. Ordnung. Bei sehr geringen (Radio)iodid-Konzentrationen im Serum (im Verhältnis zur Michaelis-Menten Affinitätskonstante von Iodid für den Carrier), wie sie i.d. R. zu erwarten sind, handelt es sich um eine legitime Approximation, die den Berechnungsaufwand reduziert. Allerdings können Sättigungsphänomene, die bei der Iodblockade ausschlaggebend sind, nicht abgebildet werden.

Abb. 1 (A): Interne Dosimetrie-Berechnungen mit IMBA-Software:
Radionuklidselektion und Auswahl eines oder mehrerer gleichzeitiger Expositionspfade (z. B. Injektion, Inhalation, Ingestion oder über eine Wunde; akut oder chronisch über einen vorgegebenen Zeitraum; „F“, „M“ oder „S“-Typ in Abhängigkeit der physikochemischen Eigenschaften der Verbindung, bei Inhalation von Partikeln: Partikelgröße)

Abb. 1 (B): Interne Dosimetrie-Berechnungen mit IMBA-Software: Darstellung des zeitlichen Aktivitätsverlaufs im Körper oder einem Organ

Abb. 1 (C): Interne Dosimetrie-Berechnungen mit IMBA-Software:
Berechnung der Effektivdosis (gesamte Effektive Strahlenfolgedosis über 50 Jahre als Indikator für stochastische Strahlenschäden) und Darstellung der von einzelnen Organen absorbierten Äquivalentdosen (Energiedosis gewichtet mit von der Strahlenartabhängigem Faktor, z. B. 1 für ß- und γ-Strahlen, 20 für α-Strahlen) aus der Aktivitätsaufnahme

Zur Beschreibung der Iodblockade und seiner Wirksamkeit wurden spezielle, höchst unterschiedliche Modelle entwickelt. Ein sehr einfacher und von Kompartimentvorstellungen unabhängiger Ansatz besteht darin, den Iodanteil, der in die Schilddrüse aufgenommen wird, als Funktion der Iodid-Konzentration im Serum auszudrücken (Formel-basiertes Modell)[4]. Der Zusammenhang zwischen der Iodid-Konzentration im Serum und der Hemmung der Iod-Akkumulation in der Schilddrüse (Schutzeffekt) wird durch folgende Formel wiedergegeben:

Dieser Ansatz, der auf der Grundlage von empirischen Probandendaten entwickelt wurde, ist rein deskriptiv, von Kompartiment-Modellen unabhängig und erlaubt keine Einblicke in die zugrundeliegenden pharmakologischen Mechanismen.

Ein weiteres oft zitiertes Modell beruht auf einem einfachen Drei-Kompartiment-Modell und beschreibt die Aufnahmegeschwindigkeitskonstante von Iodid aus dem Serum in die Schilddrüse als Funktion des Gesamtiodgehalts der Drüse [30]:

Hier ist kthyr die Geschwindigkeitskonstante des Iodid-Transports aus dem Serum in die Schilddrüse; Qt steht für den Iodgehalt der Schilddrüse vor Beginn des Uptake, Qs für den Iodgehalt bei Sättigung (Aufnahmeblockade). Bei Aufnahmeblockade für Iodid beträgt die Aufnahmegeschwindigkeit kthyr = 0 d-1; f ist in der Formel eine Geschwindigkeitskonstante für den theoretischen Fall, dass das Qt = 0.

Die nicht-lineare Kinetik der Iodid-Aufnahme in die Schilddrüse kommt dabei durch die variable Geschwindigkeitskonstante zum Ausdruck. Dieses Modell veranschaulicht wahrscheinlich am besten die Vorstellung, dass die Iodid-Aufnahme bei Sättigung der Drüse zum Erliegen kommt. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass sowohl die Kompetition am Carrier als auch der Wolff-Chaikoff-Effekt als eigentlicher Sättigungsmechanismus in die dem Modell zugrundeliegende Gleichung Eingang finden.

Prologierte Exposition unzureichend abgebildet

Auch wenn zahlreiche weitere z.T. neue und sehr komplexe Modelle zur Iodblockade mit Darstellung der Schilddrüse durch mehrere Subkompartimente existieren [23], können die beiden vorgestellten älteren Ansätze als grundlegend angesehen werden, da die Geschwindigkeit der Iodid-Aufnahme vom Serum in die Schilddrüse entweder von der Iodid-Konzentration im Serum oder vom Sättigungsgrad der Drüse abhängig gemacht wird. Den Modellen ist gemeinsam, dass die Beiträge der zwei Mechanismen, auf denen die Blockade beruht (Kompetition am Membran-Carrier und Wolff-Chaikoff-Effekt) quantitativ nicht auseinandergehalten werden können, da der Gesamteffekt in den aufgestellten Gleichungen zum Ausdruck kommt. Da der Sättigungsmechanismus (Wolff-Chaikoff-Effekt) aber nur zeitlich begrenzt wirksam ist, können prolongierte Expositionsszenarien allein aufgrund dieser Gleichungen nicht untersucht werden. Hierzu müssen zusätzliche zeitabhängige Funktionen ­berücksichtigt werden, die die Berechnungen außerordentlich kompliziert werden lassen. Auch erlauben diese Modelle nur die protektive Wirksamkeit von Iod zu beschreiben, nicht aber weiterer Thyreostatika, die möglicherweise ebenfalls protektiv eingesetzt werden könnten.

Das neue Simulationsmodell des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr

Ein neues Modell der Iodblockade wurde am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw) in ­Zusammenarbeit mit dem National Defense Medical ­College der Japanischen Selbstverteidigungskräfte entwickelt [37]. Der neue Ansatz besteht darin, die Kompetition am Membran Carrier und den Sättigungsmechanismus (Wolff-Chaikoff-Effekt) getrennt zu modellieren (Abbildung 2).

Abb. 2: Kompartimentmodell für Iod und Radioiod mit integriertem Membran Carrier und Michaelis-Menten-Kinetik für die Schilddrüseniodidaufnahme:
Die Kompetition von stabilem und radioaktivem Iodid am Carrier wird durch das Geschwindigkeitsgesetz für monomolekulare irreversible Enzymreaktionen mit konkurrierenden Substraten beschrieben. Der Wolff-Chaikoff-Effekt wird durch eine totale aber zeitlich begrenzte (24–48 h) thyreoidale Aufnahmeblockade für Iodid modelliert, beginnend zum Zeitpunkt der Sättigung der Drüse (+ 350 µg Iod). EZR: Extrazellulärraum; Km: Michaelis-Menten-Affinitätskonstante von Iodid für den Carrier; V: Transportgeschwindigkeit vom Serum in den Thyreozyten; Vmax: maximale Transportgeschwindigkeit. (Abbildung modifiziert aus [37])

Das neue Modell ist aus einem älteren sehr einfachen Modell abgeleitet [34] und besteht aus nur zwei Kompartimenten: dem zentralen Kompartiment (entsprechend dem Extrazellulärraum und den Erythrozyten als Verteilungsvolumen für Iodid) und als zweitem Kompartiment die Schilddrüse als Senke. Die renale Elimination aus dem zentralen Kompartiment wird durch eine nicht sättigbare Kinetik erster Ordnung unter Verwendung der Geschwindigkeitskonstante des ursprünglichen Models beschrieben. Das besondere Merkmal des neuen Modells ist, dass der Transport vom zentralen Kompartiment in die Schilddrüse durch eine Michaelis-Menten-Kinetik, wie sie aus der Enzymkinetik bekannt ist, modelliert ist. Die Parameter des Modells wurden aus der Michaelis-Menten Konstante des Carriers (für Iodid beim Menschen 9 µmol l-1) [9], der Geschwindigkeitskonstanten der Iodid-Aufnahme in die Schilddrüse bei sehr niedrigen Konzentrationen (kthyr = 0,8316 d-1) und dem Verteilungsvolumen von Iodid (16 l) abgeleitet. Die Kompetition zwischen stabilem und Radioiodid am Carrier wurde nach dem Geschwindigkeitsgesetz für monomolekulare irreversible Enzymreaktionen mit beliebig vielen (i) konkurrierenden Substraten modelliert (Abbildung 2) [8][39].

Der Wolff-Chaikoff-Effekt als zweiter Schutzmechanismus wird modelliert, indem eine totale Iodid-Nettoaufnahmeblockade wirksam wird, wenn der zusätzliche Iodgehalt in der Drüse die in der Literatur angegebene Sättigungsschwelle erreicht hat (+ 350 µg) [30]. Dieser Wert erscheint zunächst im Verhältnis zur täglichen Iod-Aufnahme mit der Nahrung niedrig (100–150 µg d-1) [12]. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass es sich hier eigentlich um einen physiologischen Regulierungsmechanismus handelt. Auch besteht eine Abhängigkeit der Sättigungsschwelle von der täglichen Iodaufnahme [27]. Bei Simulationen zur Iodblockade wird der Iodid-Aufnahmeblock für eine definierte Zeit beibehalten und kann zu Zwecken der Sensitivitätsanalyse in einem Zeitfenster von 24 bis 48 h variiert werden [6]. Das Modell wurde mit Berkeley Madonna Software unter Verwendung der Flow Chart-Funktion programmiert (Abbildung 3) [26].

Abb. 3: Das Modell von Abbildung 1, dargestellt als Flow Chart mit Berkeley Madonna-Software:
Die Software stellt auf der Grundlage des Diagramms die Differenzialgleichungen bzw. berechnet die Flüsse zwischen den Kompartimenten anhand der Michaelis-Menten-Gleichung. Zur Modellierung des Wolff-Chaikoff-Effekts muss die Berechnung zum Zeitpunkt des Erreichens der Sättigung der Drüse unterbrochen werden und die Transportkapazität für Iodid aus dem Serum in die Schilddrüse zeitweilig (24–48 h) auf 0 µmol d-1 gesetzt werden.

Durch Trennung der zwei Schutzmechanismen können ihre jeweiligen protektiven Beiträge in dem neuen Modell quantitativ erfasst werden. Auch kann die zeitlich befristete Wirksamkeit des Wolff-Chaikoff-Effekts in einfacher Weise berücksichtigt werden, so dass auch prolongierte komplexe Expositionsszenarien mit unterschiedlichen Dosierungsschemata von stabilem Iod simuliert werden können. Bei Kenntnis von physiologischen Unterschieden (z. B. unterschiedliche Sättigungsschwellen bei unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten und täglicher Iodzufuhr) können Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber Radioiod und der Wirksamkeit von stabilem Iod zwischen verschiedenen Populationen dargestellt werden [36]. Letztlich ist es auch möglich, die protektive Wirksamkeit weiterer Thyreostatika, insbesondere von Perchlorat, zu simulieren und mit derjenigen von stabilem Iod zu vergleichen.

Anwendungen des neuen Simulationstools

Expositionsabhängige Optimierung des ­Iod-Dosierungsschemas

Mit dem neu entwickelten Modell wurden zu verschiedenen Fragestellungen Simulationen durchgeführt; einige Ergebnisse und daraus abgeleitete Erkenntnisse sollen hier beispielhaft dargestellt werden. Die Gabe von 100 mg stabilem Iod zeitgleich mit einer akuten Radioiod-­Exposition reduziert nach unseren Berechnungen die Strahlenbelastung der Schilddrüse um über 98 % (Abbildung 4) [37]. Dies entspricht den empirisch ermittelten Werten aus Probandenstudien [33]. Den größten Anteil an der protektiven Wirkung hat dabei die Kompetition am Membran Carrier (66 %)[7]. Die mittlere effektive Dosis (ED50) für die Protektion unter Berücksichtigung des Wolff-Chaikoff-Effekts liegt bei 2,70 mg mit einem steil ansteigenden linearen Segment der Dosis-Wirkungs-Kurve (Hill-Koeffizient 2,25) [10][37]. Somit liegen die für die Iodblockade empfohlenen Dosierungen (76 mg bzw. 100 mg) eindeutig im oberen abgeflachten Bereich der sigmoid-förmigen Kurve. Das zeitliche Wirksamwerden des Wolff-Chaikoff-Effekts ist dosisabhängig und setzt nach Gabe von 100 mg stabilen Iods bereits nach 40 min ein. Bei akuter Radioiod-Exposition sollte zeitgleich bzw. möglichst früh (innerhalb weniger Stunden) die gesamte Dosis an stabilem Iod verabreicht werden. Es ist nicht sinnvoll, die 100 mg Dosis auf mehrere Teildosen, die zeitversetzt appliziert werden, zu verteilen, da die Radioiodid-Konzentration im Serum – und damit auch die Aufnahme in die Schilddrüse – anfangs besonders hoch ist, [37].

Bei einer prolongierten Radioiod-Exposition, wie sie bei den Kernkraftwerksunglücken in Tchernobyl und Fukushima beobachtet wurde (Anmerkung: in Fukushima bestand aufgrund der niedrigen Exposition aber keine Indikation für eine Iodblockade) ist die Gabe einer Einzeldosis an stabilem Iod eindeutig unzureichend: 100 mg Iod zu Beginn einer 7-tägigen Radioiod-Exposition reduziert die Strahlenbelastung der Schilddrüse nur um 11–23 %, in Abhängigkeit der Dauer des Wolff-Chaikoff-­Effekts (24–48 h). Aber auch bei repetitiver täglicher Gabe von 100 mg stabilem Iod wird nur ein Schutz von 60–66 % erreicht, d. h. weit weniger, als bei einer nur kurzzeitigen akuten Radioiod-Exposition (über 98 %) (Abbildung 4) [36]. Somit stellt sich die Frage, inwieweit für prolongierte Expositionsszenarien nicht wirksamere Schutzmöglichkeiten bestehen.

Abb. 4: Protektive Wirkung von stabilem Iod oder Perchlorat bei akuter oder prolongierter (7 Tage) Radioiod-Exposition:
Die erste Iod- oder Perchlorat-Dosis wird zu Beginn der Exposition verabreicht und im Fall repetitiver Gaben alle 24 h wiederholt. Die angenommene Dauer des Wolff-Chaikoff-Effekts ist 36h; die Dauer wirkt sich nur auf die Ergebnisse bei prolongierter Radioiod-Exposition aus. Wirksamkeit = 1 – (Schilddrüsen-Äquivalentdosis mit Blockade / Schilddrüsendosis ohne Blockade). Daten aus [10].

Wahl des optimalen Wirkstoffs

Anders als ältere Modellierungsansätze erlaubt es unser Modell, auch die protektive Wirkung von Perchlorat bei verschiedenen Expositionsszenarien zu simulieren. Auf Grund seiner höheren Affinität zum Membran-Carrier besitzt Perchlorat (Michaelis-Menten Konstante 1,50 µmol l-1 vs. 9 µmol l-1 für Iodid) [10][21] eine höhere Potenz als stabiles Iod unter Berücksichtigung nur des Kompeti­tionsmechanismus (ED50: 9,60 mg vs. 50 mg), nicht aber wenn der Wolff-Chaikoff-Effekt mit berücksichtigt wird (ED50: 9,60 mg vs. 2,70 mg); die ED50-Werte wurden für eine akute Radioiod-Exposition ermittelt [10]. Um bei akuter Radioiod-Exposition die gleiche Wirksamkeit wie bei Gabe von 100 mg stabilem Iod zu erreichen, sind 1000 mg Perchlorat erforderlich (Abbildung 4). Diese ­Dosis liegt in einem Bereich, der auch zur Behandlung von Hyperthyreosen Verwendung findet und ist toxikologisch unproblematisch. Perchlorat ist damit bei akuter Radioiod-Exposition durchaus eine Alternative zu stabilem Iod [10].

Bei kontinuierlicher Radioiod-Exposition ist Perchlorat zum Schutz der Schilddrüse dem stabilen Iod eindeutig überlegen (Abbildung 4). Eine Einzelgabe von 1000 mg ist zwar auch unzureichend (Strahlendosis­reduktion 28 %), eine wiederholte tägliche Gabe führt aber zu einem Schutz der Drüse von 97–98 % [10]. In diesem Szenario kommt die höhere Affinität des Perchlorats zum Membran-Carrier zum Tragen, während der Wolff-­Chaikoff-Effekt, der bei akuter Radioiod-Exposition eine bedeutende Rolle für die Protektion spielt, nach 24 bis 48 h keine Wirkung mehr entfaltet.

Unterschiede der Schilddrüsen-Protektion zwischen hellhäutigen Menschen 1 und Japanern

Die meisten empirischen Ergebnisse und Probandenstudien zur Wirksamkeit der Iodblockade wurden in den USA und Europa durchgeführt. Die Iodversorgung ist in Abhängigkeit der Regionen ausreichend, teilweise aber auch defizitär [18], was sich z. B. in den sehr unterschiedlichen Gewichten von Schilddrüsen und deren Iodgehalt widerspiegelt [1][28]. In Japan ist dagegen die tägliche Iodzufuhr über die Nahrung sehr hoch (teilweise bis zu mehreren 100 µg pro Tag) [19][20][43], sodass Unterschiede in der Aufnahme und Disposition von Iod in der Schilddrüse erwartet werden müssen [48]. In Zusammenarbeit mit unseren japanischen Kooperationspartnern wurden aus der japanischen Literatur Schilddrüsen-Funktionsparameter ermittelt, die es erlaubten, die Parameter unseres Modells für einen „Standard Japaner“ anzupassen [27][36]. Aus der Anwendung dieses Modells ergab sich, dass bei vergleichbarer Radioiod-Exposition ohne Iodblockade die Strahlenbelastung der Schilddrüse beim Japaner geringer ausfällt als bei Hellhäutigen, da die maximale Transportkapazität für Iodid durch die Membran der Thyreozyten herunter reguliert ist (Abbildung 5) [36]. Dennoch liegt die Strahlenbelastung in einer Größenordnung, die im Regelfall bei einem nuklearen Zwischenfall eine Iodblockade indiziert erscheinen lässt. Hierbei zeigt sich, dass die Schilddrüse des „Standard-Japaners“ aber weniger empfindlich auf den Wolff-Chaikoff-Effekt reagiert, der im Vergleich zu Hellhäutigen erst verspätet zu einem Nettoaufnahmeblock für Iodid führt.

Die in der Literatur z.T. geäußerte Vermutung, dass eine hoch wirksame Iodblockade bei Japanern mit deutlich geringeren Dosen an stabilem Iod erreicht werden kann [22], wird durch unsere Simulationen nicht gestützt. Eine deutlich bessere Schutzwirkung als mit stabilem Iod wird dagegen durch Perchlorat erreicht. Unsere Simulationen konnten zeigen, dass bei Hellhäutigen sowohl Iod als auch Perchlorat in den empfohlenen äquieffektiven Dosierungen bei akuter Radioiod-Exposition gut wirksam sind, während Perchlorat eine höhere Schutzwirkung bei prolongierter Radioiod-Exposition aufweist. Bei Japanern allerdings sollte nach unseren Ergebnissen Perchlorat sowohl bei akuter als auch bei länger andauernder Radioiod-Exposition der Vorzug gegeben werden [36].

Abb. 5: Schilddrüsen- Äquivalentdosenbei Hellhäutigenund Japanern, verursachtdurch akuteoder prolongierteRadioiod -Exposition :
Diegeringere Schilddrüsenbelastungbei Japanernist durcheine geringeremaximale Transportkapazitätfür Iodidvom Serumin dieThyreozyten bedingt. ( Datenaus [ 36 ]).

Fazit

Die Fragen nach dem besten Wirkstoff und dem optimalen Dosierungsschema sind im Zusammenhang mit dem Schutz der Schilddrüse bei Radioiod-Exposition von erheblicher Bedeutung. Die Verfügbarkeit von empirischen Daten beim Menschen ist beschränkt und Probandenstudien beruhen in der Regel auf einfachen Studiendesigns mit der Gabe einer oder weniger Radioioddosen. Daher können validierte Modelle zu Planungszwecken sehr hilfreich sein.

Der große Vorteil unseres Modells mit Trennung der beiden Mechanismen, die zum Schutz der Schilddrüse beitragen (Kompetition am Membran Carrier und Wolff-Chaikoff-Effekt), besteht darin, dass die zeitliche Begrenzung des Wolff-Chaikoff-Effekts leicht berücksichtigt werden kann. Dadurch können insbesondere auch sehr komplexe prolongierte Radioiod-Expositionsszenarien und die Wirksamkeit unterschiedlicher Dosierungsschemata von stabilem Iod oder anderen protektiven Wirkstoffen untersucht werden. Insbesondere im Hinblick auf eine längere Radioiod-Exposition, die bei Kernkraftwerksunfällen zu erwarten ist, fehlen empirische Humandaten, sodass hierfür Simulationsergebnisse von großem Nutzen sein können.

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Erklärung zum Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Anforderungen des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Rump A, Eder S, Hermann C, Lamkowski A, Kinoshita M, Yamamoto T, Take J, Abend M, Shinomiya N, Port M: Szenarienabhängige Bedrohungen durch radioaktives Iod: Ein neues Softwaretool zur Optimierung medizinischer Gegenmaßnahmen. WMM 2021; 65(9): 356-365.

Für die Verfasser

Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Alexis Rump, MHBA

Institut für Radiobiologie der Bundeswehr

Neuherberg Str. 11, 80937 München

E-Mail: alexisrump@bundeswehr.org

Manuscript Data

Citation

Rump A, Eder S, Hermann C, Lamkowski A, Kinoshita M, Yamamoto T, Take J, Abend M, Shinomiya N, Port M: Scenary depending threats from radioactive iodine:New software tool to optimize medical countermeasures. WMM 2021; 65(9): 356-365.

For the Authors

Commander (Navy MC) Assistant Professor Dr. Alexis Rump, MHBA

Bundeswehr Institute of Radiobiology

Neuherberg Str. 11, D-80937 München

E-Mail: alexisrump@bundeswehr.org


1 In der angloamerikanischen Literatur ist der Begriff „Caucasian“ für hellhäutige Menschen – mit ursprünglicher Abstammung aus dem europäischen Raum – etabliert. In dieser Arbeit wird hierfür der Begriff „hellhäutiger Mensch“ (Kurzform „Hellhäutiger“) benutzt.