Wehrmedizinische Monatsschrift

ÜBERSICHTSARBEIT

Die Wirksamkeit von Assistenzhunden als komplementäre ­Behandlung für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
bei Einsatzveteranen 1 : Ein systematisches Review

The efficacy of psychiatric service dogs as complementary treatment for posttraumatic stress disorder (PTSD) in veterans: a systematic review

Jonathan Schmidta, Laura Obexera, Wolfgang Schäberlea

a IB-Hochschule für Soziales und Gesundheit, Stuttgart

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Trotz zahlreicher empirisch fundierter Psycho- und Pharmakotherapien weisen Einsatzveteranen bei der Behandlung ihrer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) hohe Non-Response- und Drop-Out-Raten auf. Zusätzlich scheinen sie insgesamt weniger von psychotherapeutischen Behandlungen zu profitieren als Zivilpersonen mit PTBS. Diese Umstände erfordern die Evaluation alternativer und komplementärer Behandlungsmethoden wie den Einsatz von PTBS-Assistenzhunden.

Fragestellung: Es wurde untersucht, ob durch den komplementären Einsatz von PTBS-Assistenzhunden bei Einsatzveteranen mit PTBS eine Veränderung der PTBS-Symptomschwere herbeigeführt werden kann. Ergänzend wurden Veränderungen zur Lebensqualität, zur Depression und zur sozialen Isolation betrachtet.

Methodik: Die Datenbanken und Netzwerke PubMed (NCIB), PTSDpubs (ProQuest), Base, Heidi und Re­searchgate wurden systematisch nach relevanter Literatur durchsucht. Dabei konnten nach vorher definierten Kriterien Pilotstudien und kontrollierte Studien, die im Zeitraum zwischen 2010–2020 in deutscher oder englischer Sprache veröffentlicht wurden, extrahiert werden.

Ergebnisse: Die PTBS-Symptomschwere wurde in den sieben eingeschlossenen Studien mit der PCL und dem TSI-2 erfasst. Dabei konnte eine signifikante Linderung der PTBS-Symptomschwere (0.001 ≤ p ≤ 0.05) nach Erhalt eines PTBS-Assistenzhundes festgestellt werden. Zudem waren die Depressionssymptome der Einsatzveteranen reduziert, sie litten weniger an sozialer Isolation und empfanden eine gesteigerte Lebenszufriedenheit und Lebensqualität.

Fazit: Obwohl die Aussagekraft dieser Ergebnisse aufgrund der großen methodischen Unterschiede der ­Studien, einer nicht-randomisierten Zuordnung der ­Patienten, fehlenden Kontrollinterventionen und der Verwendung von Selbstberichtsverfahren möglicherweise eingeschränkt ist, zeigt sich, dass der komplementäre Einsatz von PTBS-Assistenzhunden bei Einsatzveteranen mit PTBS positive Auswirkungen auf die PTBS-Symptomschwere, die Lebensqualität, die Depression und die sozialen Isolation herbeiführen kann.

Schlüsselwörter: PTBS, Veteranen, Assistenzhunde, Tiergestützte Intervention

Summary

Background: Veterans with PTSD benefit less from established empirical psychotherapeutic treatments compared to civilians and show higher non-response and drop-out rates. These circumstances require the evaluation of alternative and complementary methods of treatment such as the use of psychiatric service dogs (PSDs).

Research question: The focus of this article is to evaluate if the use of PSDs as complementary treatment can significantly influence the symptom severity in veterans with PTSD. Additional assessments include changes in quality of life, depression, and social isolation.

Methods: To identify relevant literature, a systematic search was performed in the following networks and databases: PubMed (NCIB), PTSDpubs (ProQuest), Base, and Heidi and Researchgate. Suitable pilot studies and controlled studies published between the years 2010 and 2020 were extracted according to predetermined criteria.

Results: To assess PTSD symptom severity, the 7 included studies used the PTSD-Checklist (PCL) and the trauma symptom inventory-2 (TSI-2). After receiving a PSD, the PTSD symptom severity decreased significantly across all studies (0.001 ≤ p ≤ 0.05). Additionally, depressive symptoms decreased, the veterans felt less socially isolated and reported an increase in quality of life.

Conclusions: Even though the accuracy may be limited by the methodical differences between the included studies, the non-randomized allocation of patients, lack of control interventions and the use of self-reporting questionnaires, the results show that complementary treatment of PTSD in veterans using PSDs has a positive effect on symptom severity, quality of life, depression, and social isolation.

Keywords: PTSD, veterans, psychiatric service dogs, animal-assisted intervention

Einleitung

PTBS bei Einsatzveteranen

Soldaten haben gegenüber der Zivilbevölkerung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, traumatischen Ereignissen ausgesetzt zu werden [37]. Zwischen 3% und 17% der Soldaten entwickeln in den Folgejahren nach ihrem ersten Einsatz Symptome einer PTBS [23]. Nach dem ICD-10 umfassen die Symptome einer PTBS (F43.1) das wiederholte Erleben des Traumas in Erinnerungen (Flashbacks) und Träumen, ein andauerndes Gefühl von Betäubtsein, emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit, Freudlosigkeit sowie eine vegetative Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung und einer übermäßigen Schreckhaftigkeit. Zudem treten Ein- und Durchschlafstörungen auf und es kommt zur Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten [36]. In der Bundeswehr liegt die 12 – Monatsprävalenz der PTBS nach einem Auslandseinsatz bei ca. 2,9% und die Lebenszeitprävalenz bei ca. 4,6% [37].

In der englischen Sprache konnte sich für eine durch militärische Kampfeinsätze ausgelöste PTBS der Begriff der „combat-related post traumatic stress disorder“ durchsetzen, während in der deutschen Sprache noch kein einheitlicher Fachbegriff zur weiteren Differenzierung der PTBS existiert. Der Veteranenbegriff wurde in Deutschland offiziell erst in dem im Jahre 2018 veröffentlichten „Tagesbefehl zum Veteranenbegriff“ des Bundesministeriums der Verteidigung [31] definiert und setzt keine Kampf- oder Auslandseinsätze, sondern nur den aktiven Dienst als Soldat voraus. Für eine präzisere Bezeichnung wurde in diesem Review daher die Bezeichnung „Einsatzveteran“ gewählt, um zu verdeutlichen, dass es sich um Betroffene handelt, die an Auslandseinsätzen beteiligt waren.

Trotz der Wirksamkeit vieler Behandlungsansätze liegen die Drop-Out-Rate und Non-Response-Rate unter Einsatzveteranen bei bis zu 50% [26]. Erklärungsansätze hierfür untersuchen hauptsächlich die Stigmatisierung der therapeutischen Hilfe im Militär sowie die Konflikte mit der Arbeit und mit familiären Verpflichtungen der Einsatzveteranen [22]. Einsatzveteranen mit PTBS scheinen zudem weniger von einer psychotherapeutischen Behandlung zu profitieren als andere mit PTBS belastete Menschen [11][32]. Aufgrund der unzulänglichen Inanspruchnahme und nicht optimalen Nutzen konventioneller psychotherapeutischer Behandlungsmethoden ­könnte es zielführend sein, komplementäre Behandlungsmethoden wie z. B. tiergestützte Interventionen in das Behandlungskonzept miteinzubeziehen [4].

PTBS-Assistenzhunde

Bereits vor Jahrzehnten wurde festgestellt, dass der Kontakt zu Tieren und das Halten von Haustieren einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben kann [10]. So kann beispielsweise durch die Beziehung zwischen einem Menschen und einem Hund der Oxytocinspiegel von beiden gehoben werden [19]. Daraus können eine positivere Stimmung, verringerte negative Emotionen und ein erhöhtes Wohlbefinden resultieren [2]. Die Verantwortung für einen Hund zu übernehmen, konnte darüber hinaus mit einem erhöhten Selbstwirksamkeitsempfinden und einer erhöhten sozialen Aktivität in Verbindung gebracht werden [28].Weitere positive Effekte von Haustieren auf die psychische Gesundheit und soziale Aktivität konnten in zahlreichen Studien nachgewiesen werden [16][21]. Dies führte zur Entwicklung einer Vielzahl von tiergestützten Interventionen, die versuchen, die positiven Effekte der Mensch-Tier-Beziehung für das Erreichen therapeutischer Ziele einzusetzen.

PTBS-Assistenzhunde unterscheiden sich von anderen tiergestützten Interventionen wie z. B. dem Einsatz von Therapiehunden dadurch, dass sie ihren Besitzern im Alltag und an allen Orten des öffentlichen Lebens beiseitestehen [8]. Sie werden speziell darauf trainiert, ihren Besitzern dabei zu helfen, mit Symptomen der PTBS, wie z. B. Intrusionen umzugehen. Dabei können die Assistenzhunde auch die Compliance gegenüber einer Pharmakotherapie erhöhen und sozialer Isolation entgegenwirken [9][17]. Im gemeinsamen Training lernen die Hunde gewöhnliche Befehle wie „Sitz“ und „Bei Fuß“ auch außerhalb der Sichtweite ihres Besitzers auszuführen, Handsignalen zu folgen, mit Fremden umzugehen, individuelle Aufgaben abhängig von den Anforderungen PTBS-Betroffener auszuführen und im Notfall Maßnahmen zur Herz-Lungen-Wiederbelebung zu ergreifen [35].

Diese individuellen Aufgaben eines PTBS-Assistenzhundes können in äußerlich sichtbare Aufgaben und verarbeitende Aufgaben unterteilt werden. Letztere werden durch das natürliche, aber auch regulierende Verhalten des Hundes erfüllt. Das natürliche Verhalten des Hundes, auf Menschen im Raum neugierig zu reagieren und sie zu begrüßen, kann für Betroffene als Realitätsüberprüfung genutzt werden. So kann mit einem Blick auf den Hund jederzeit überprüft werden, ob sich in unmittelbarer Nähe tatsächlich andere Personen aufhalten oder ob es sich um Einbildungen handelt. Äußerlich sichtbare Aufgaben eines PTBS-Assistenzhundes beinhalten, ihren Besitzer beim Öffnen von Türen nach hinten abzusichern, fremde Personen auf einem gewissen Abstand zu halten, in dunklen Räumen das Licht einzuschalten und an die Einnahme von Medikamenten zu erinnern. Bei Flashbacks, Panikattacken oder Dissoziationen in der Öffentlichkeit kann ein PTBS-Assistenzhund den Betroffenen nach Hause, an einen sicheren Ort oder zu einer Sitzgelegenheit bringen und ihn durch Hindernisse wie Menschenmengen führen [8].

Assistenzhunde wurden in Deutschland mit der Ausnahme von Blindenführhunden bislang nicht ins Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen. Die Krankenkassen bevorzugen wirtschaftlichere und meist technische Alternativen [7]. Vor diesem Hintergrund wird folgend der Forschungsstand zur Wirksamkeit von PTBS-Assistenzhunden bei Einsatzveteranen mit PTBS anhand von aktueller und systematisch ausgewählter Literatur evaluiert. Der zentrale Fokus richtet sich dabei auf eine Veränderung der PTBS-Symptomschwere, während Ergebnisse zur Lebensqualität, zur Depression und zur sozialen Isolation ergänzend untersucht werden.

Fragestellung

Kann durch den komplementären Einsatz von PTBS-Assistenzhunden bei Einsatzveteranen mit PTBS eine signifikante Veränderung der PTBS-Symptomschwere, der Lebensqualität, der Depression und der sozialen Isolation herbeigeführt werden?

Methodik

Zwischen Oktober und November 2020 wurden die Datenbanken und Netzwerke PubMed (NCIB), PTSDpubs (ProQuest), Base, Heidi und Researchgate nach deutsch- und englischsprachiger Literatur im Veröffentlichungszeitraum von 2010 bis 2020 durchsucht. Die Suchwörter umfassten verschiedene Schreibweisen und Abkürzungen von „post-traumatic stress disorder“, „veterans“, „combat“, „psychiatric service dog“ und „animal assisted intervention“.

Eine Suchsyntax, wie z. B. für die Datenbank PubMed setzte sich dementsprechend wie folgt zusammen: (PTSD OR post traumatic stress disorder OR posttraumatic stress disorder OR post-traumatic stress disorder) AND (veterans OR soldiers OR combat OR military) AND (PSD OR psychiatric service dog OR service dog OR dog assisted intervention OR canine assisted OR animal assisted intervention OR animal assisted therapy).

Die Outcome-Messungen wurden nicht durch Schlagwörter wie „efficacy“, „quality of life“ oder „symptom severity“ in die Suchsyntax aufgenommen, da der Ausschluss über das Outcome nicht bereits in der Identifikationsphase der Literaturrecherche erfolgen sollte, sondern erst nachdem in der Vorauswahl oder der Eignungsphase überprüft werden konnte, ob die Studien nachweislich keine Outcome-Messungen vornehmen, die für dieses Review von Interesse sind. Aus diesem Grund wurden auch Suchwörter zur Kontrollgruppe und Kontrollintervention in der Suchsyntax exkludiert, um zu verhindern, dass Pilotstudien z. B. im Pretest-Posttest-Design in der Identifikationsphase ausgeschlossen werden.

Im Verlauf der Vorauswahl und der Eignungsphase wurden die in den Titeln, Abstracts und Volltexten der Studien angegebenen Informationen mit den folgenden vorher definierten Ein- und Ausschlusskriterien verglichen.

Einschlusskriterien

1.Die Patienten müssen Dienstzeit im Militär geleistet haben und mit der PTBS diagnostiziert sein oder zumindest in einem validen Test den Schwellenwert für eine Diagnose überschreiten.

2.Die Hauptintervention muss sich aus dem Erhalt eines PTBS-Assistenzhundes und der Teilnahme an gemeinsamen Trainingseinheiten zusammensetzen.

3.Die PTBS-Symptomschwere muss durch mindestens ein Assessment nach der Durchführung der Intervention gemessen werden.

4.Die Patienten müssen freien Zugang zu anderen psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlungen erhalten.

Ausschlusskriterien

5.Die Patienten dürfen keine Angst vor Hunden oder Allergien gegen diese haben und die Bereitschaft zeigen, mit einem Hund zusammenzuarbeiten und diesen auch zu adoptieren.

Die ersten zwei Kriterien stellen sicher, dass für die Stichproben der Studien die passenden Patienten rekrutiert wurden. Das dritte Kriterium garantiert, dass die PTBS-Symptomschwere als zentrale zu untersuchende Einheit dieses Reviews in allen eingeschlossenen Studien gemessen wurde. Das vierte Kriterium stellt sicher, dass PTBS-Assistenzhunde nicht als Ersatz für etablierte Psychotherapieverfahren, sondern als komplementäre Behandlungsmethode eingesetzt wurden, während das einzige Ausschlusskriterium Studien ausschließt, die nicht ausdrücklich Assistenzhunde als Intervention einsetzten. Bezüglich der Kontrollgruppe und Kontrollintervention wurden keine Kriterien aufgestellt, um Pilotstudien wie vollwertige Studien betrachten und prüfen zu können.

Abb. 1: Phasen und Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche in der Form eines PRISMA-Flow-Charts (vgl. [18]):
In der Identifikationsphase konnten auf den fünf Suchplattformen über 237 Artikel identifiziert werden. Nach dem Ausschluss von 76 Duplikaten blieben 161 Artikel übrig, deren Titel und Abstracts im Hinblick auf die Ein- und Ausschlusskriterien zu den Patienten, Interventionen und Assessments untersucht wurden. Anschließend wurden 34 Artikel extrahiert, deren Volltexte im nächsten Schritt auf ihre Eignung geprüft wurden. Letztlich konnten neun Studienberichte zu insgesamt sieben Studien für dieses systematische Review eingeschlossen werden.

In den beiden Fällen, in denen Artikel dieselbe Studie beschrieben, wurde jeweils ein Artikel als primäre Informationsquelle genutzt, während der andere nur für ergänzende Informationen herangezogen wurde. Diese ergänzenden Artikel sind eine Veröffentlichung vorläufiger Ergebnisse von Vincent et al. [30] und ein Artikel von Rodriguez, Bryce, Granger, und O‘Haire [24], der sich innerhalb derselben Studie wie O‘Haire und Rodriguez [20] auf einen Teil derselben Stichprobe sowie einen kürzeren Zeitraum konzentriert. Da in diesem Zeitraum Assessments durchgeführt wurden, die in dem Bericht von O‘Haire und Rodriguez [20] fehlen, wurde er im Ergebnisteil (Tabelle 1) separat abgebildet. Bei der Zusammenfassung der Ergebnisse wurde jedoch berücksichtigt, dass es sich hier nicht um eine eigenständige Studie handelt. Dementsprechend wurden Ergebnisse von ­Assessments, die in beiden Berichten auftauchen, nur aus der primären Informationsquelle von O‘Haire und Rodriguez 2018 entnommen [20].

Ergebnisse 2

Zur Messung des Schweregrads der PTBS-Symptome wurde die PTSD-Checkliste (PCL) für das DSM-IV [33] und DSM-5 (PCL-5) [34] sowie das Trauma Symptom Inventory-2 (TSI-2) [5] verwendet. Die am häufigsten verwendete Version war die PCL für das DSM-IV. Diese Version ist ein Selbstbericht mit 17 Items, in dem die Patienten auf einer Likert Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr stark) angeben, wie stark sie sich von PTBS-Symptomen eingeschränkt fühlen. Die PCL hat eine hohe interne Konsistenz mit einem Cronbachschen Alpha von α = 0.97 [33] und eine hohe Retest-Reliabilität mit einem Korrelationskoeffizienten von r = 0.88 in einem Intervall von einer Woche [25]. Das TSI-2 ist ein Test zur Bewertung der PTBS-Symptomatik mit 136 Items in 4 Kategorien. Die interne Konsistenz für die Anwendung bei Einsatzveteranen ist mit einem Cronbachschen Alpha zwischen 0.74 und 0.90 akzeptabel [27].

Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der eingeschlossenen Studien und deren relevante Charakteristika. Insgesamt wurden 526 Einsatzveteranen mit PTBS, mehrheitlich aus den USA, im Alter von durchschnittlich ca. 41 Jahren untersucht. Der komplementäre Einsatz von PTBS-Assistenzhunden und das gemeinsame Training mit den Einsatzveteranen führte dabei in allen untersuchten Studien zu einer signifikanten Linderung der PTBS-Symptomschwere (0.001 ≤ p ≤ 0.05) der Einsatzveteranen im Pre-post-Vergleich mit der Pretest Messung [3][14][29] und im Between-Group-Vergleich zur Kontrollgruppe mit unterschiedlich großem Effekt (d = 0.28; d = 0.66; d = 0.98) ,[3][12][20][35][38]. Es ist anzumerken, dass die Einsatzveteranen bei keiner der untersuchten Studien, die die PTSD-Checkliste zur Messung der PTBS-Symptome verwendeten, unter den diagnostischen Schwellenwert fielen. Die komplementäre Behandlung durch PTBS-Assistenzhunde bei Einsatzveteranen mit PTBS führte dementsprechend zwar zu einer signifikanten Linderung der wahrgenommenen Symptomschwere, jedoch nicht zu einer Remission der PTBS-Symptome.

In drei der Studien konnte beim Einsatz von PTBS-Assistenzhunden eine Reduktion leichter bis moderater Depressionssymptome der Einsatzveteranen gemessen werden [14][20][29]. Sie litten weniger an sozialer Isolation, zeigten einen besseren Umgang mit anderen Menschen und nahmen mehr am Gesellschaftsleben teil [3][14][35]. Überdies empfanden die Patienten eine gesteigerte Lebenszufriedenheit [14][29], erfuhren ein erhöhtes psychisches Wohlbefinden [29][38] und nahmen ihre Lebensqualität insgesamt positiver wahr [29].

Tab. 1: Charakteristika der eingeschlossenen Studien

Diskussion

Zu den wichtigsten möglicher Einflussfaktoren der Studienergebnisse zählen die Unterschiede in der Ausbildung der PTBS-Assistenzhunde und im gemeinsamen Training mit den zukünftigen Besitzern. Die Trainings­dauer variierte dabei zwischen 2 Wochen [38] und 18 Monaten [3]. Da trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen der Hilfsorganisationen in allen Studien eine signifikante Linderung der PTBS-Symptomschwere und eine verringerte soziale Isolation gemessen wurde, kann vorläufig keine Herangehensweise empfohlen oder disqualifiziert werden.

Limitationen

Obwohl der freie Zugang zu medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung in allen ausgewerteten Studien gewährt wurde, erhoben nur vier Studien die tatsächliche Teilnahme der Patienten an anderen Behandlungsmethoden [14][29][35][38]. Die verschiedenen Arten von Behandlungsmethoden, die Therapiefortschritte und die Compliance der Einsatzveteranen wurden in die Ergebnisse dieser Studien jedoch nicht einbezogen. Dementsprechend sind Vergleiche zwischen Patienten mit und ohne zusätzliche psychotherapeutische oder medikamentöse Behandlungen sowie Aussagen darüber, welche Behandlungsmethoden von dem komplementären Einsatz von PTBS-Assistenzhunden besonders profitieren könnten, anhand der Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit nicht möglich.

Mehrere der in dieser Arbeit ausgewerteten Studien wiesen eine geringe Stichprobengröße auf [3][14][29][35][38]. Neben der Anzahl der Patienten ist als weitere Limitation die Repräsentativität der Studienergebnisse ­aufgrund der Zusammensetzung der Stichproben zu nennen. Da die Patienten von den Wartelisten der Hilfsorganisationen rekrutiert wurden, handelte es sich um eine Selbstselektion derjenigen Einsatzveteranen, die sich aktiv für den Erhalt eines PTBS-Assistenzhundes entschieden hatten. Die Zusammensetzung der Stichproben der ausgewerteten Studien bezogen auf das Geschlecht und die ethnische Zugehörigkeit können als repräsentativ für die Gesamtheit der Einsatzveteranen in den USA betrachtet werden. Im Gegensatz dazu waren die Patienten mit ca. 41 Jahren jedoch deutlich jünger als das Durchschnittsalter der gesamten US-amerikanischen Einsatzveteranen mit 58 Jahren [6].

Ebenfalls limitiert werden die Ergebnisse durch die parallele Untersuchung der Auswirkungen der unterschiedlichen Faktoren, die gemeinsam die Hauptinterventionen bildeten [3][12][14][20][29][35]. Zu diesen Faktoren zählen die von PTBS-Assistenzhunden erlernten Aufgaben, die Trainingseinheiten, die Mensch-Hund-Beziehung und die gleichzeitig ablaufenden psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlungsmethoden. Die Kontrollgruppen wurden aus den Wartelisten für die Intervention gebildet und enthielten bis auf den freien Zugang zu anderen Behandlungsmethoden keine gezielten Kontroll- oder Scheininterventionen [3][12][20][35][38].

Als standardisiertes Selbstberichtsverfahren kann der Einsatz der PCL die Aussagekraft der Ergebnisse einschränken, da sie mit den typischen Teilnehmerbias eines Selbstberichtsverfahrens einhergeht [3][12][14][20][35]. Ein gewisser Placeboeffekt ist nicht auszuschließen, da die langen Wartezeiten der Einsatzveteranen die Erwartungen an den Erfolg der Intervention erhöhen könnten [15]. Das intensive Training auf einem entlegenen Campus als eine Form von Heilungsritual bzw. als eindeutiger Wendepunkt könnte den Placeboeffekt noch verstärken [13]. Möglicherweise fühlten sich die Einsatzveteranen gegenüber den Versuchsleitern auch dazu verpflichtet, trotz ausbleibender Verbesserungen positive Ergebnisse zurückzumelden, selbst wenn sie darüber aufgeklärt wurden, dass der Erhalt eines PTBS-Assistenzhundes nicht an die Beteiligung an einer Studie gekoppelt war [14].

Abb. 2: Auch in der Bundeswehr werden Therapiehunde Im Rahmen der PTBS-Therapie eingesetzt. Das Bild zeigt den Patienten Marco L. mit Therapiehund Tina und Hundeführerin Tatjana Mondis beim Training an der Schule der Bundeswehr für das Diensthundewesen in Ulmen.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Einsatz eines PTBS-Assistenzhundes bei Einsatzveteranen mit PTBS zu einer signifikanten Linderung der PTBS-Symptomschwere führt. Zusätzlich können eine erhöhte Lebensqualität, geringere Depressionssymptome und eine geringere soziale Isolation festgestellt werden.

Trotz der eindeutig positiven Tendenz der Ergebnisse bleiben diese vor dem Hintergrund der limitierenden Faktoren kritisch zu interpretieren. Die aufgezeigten Limitationen stellen das junge Forschungsfeld zum Einsatz von Assistenzhunden für Einsatzveteranen mit PTBS vor diverse Herausforderungen und zeigen eine methodische Heterogenität, die den Ansprüchen einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen oder der Beihilfe derzeit noch nicht in allen Punkten gerecht werden kann. Es fehlen eine Standardisierung der Ausbildung und Aufgaben der verschiedenen Assistenzhunde sowie signifikante Ergebnisse von großangelegten, kontrollierten und multizentrischen Studien.

Die Durchführung solcher Studien bleibt problematisch, da die Ausbildung und die Verteilung von Assistenzhunden durch private Organisationen mit unterschiedlichen Herangehensweisen die Vergleichbarkeit weiterer Studienergebnisse einschränken und das Voranschreiten einer Standardisierung verlangsamen. Es ist daher wahrscheinlich, dass eine Krankenkassen- und Beihilfeanerkennung von Assistenzhunden in Deutschland nur durch die Ergebnisse klinischer Studien aus anderen Nationen bewirkt werden kann. Studien aus den USA könnten dabei eine bedeutende Rolle spielen, da die hohe Anzahl an US-amerikanischen Einsatzveteranen mit PTBS, die dort vorhandene Infrastruktur für eine einheitliche multizentrische Versorgung und die Finanzierung durch das Department of Veteran Affairs (VA) die Durchführung von großangelegten randomisierten klinischen Studien ermöglichen.

Kernaussagen

Glossar

Between-Group-Vergleich

Vergleich von zwei Gruppen, der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe

Cronbachsches Alpha

Maß für die interne Konsistenz einer Skala, errechnet über die durchschnittliche Korrelation zwischen den Items. Werte reichen von 1 bis minus unendlich, wobei nur positive Werte interpretierbar sind. Bei einem Alpha-Wert über 0.7 ist die interne Konsistenz akzeptabel.

DSM-5

5. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

ICD-10

10. Auflage der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

PCL

Selbstbericht mit 17 Items, in dem Punktwerte von 17 bis 85 erreichbar sind. Dabei weisen höhere Werte auf eine größere Belastung durch die PTBS-Symptome hin. Der Schwellenwert für eine wahrscheinliche PTBS liegt bei über 50 Punkten.

Pre-post-Vergleich

Vergleich der Veränderung innerhalb einer Gruppe vor und nach der Behandlung

Retest-Reliabilität

Die Korrelation zwischen zwei Ergebnissen eines Tests an derselben Stichprobe zu unterschiedlichen Zeitpunkten

TSI-2

Test zur Bewertung der PTBS-Symptomatik mit 136 Items, die den 4 Kategorien „self-disturbance“, „posttraumatic stress“, „externalization“, und „somatization“ zuordenbar sind.

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Manuskriptdaten

Eingereicht: 23. August 2021

Nach Überarbeitung angenommen: 7. Oktober 2021

Zitierweise

Schmidt J, Obexer L, Schäberle W: Die Wirksamkeit von Assistenzhunden als komplementäre Behandlung für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bei Einsatzveteranen : Ein systematisches Review. WMM 2021; 65(12): 442-448.

Für die Verfasser

Jonathan Schmidt, B. A.

IB-Hochschule für Soziales und Gesundheit, Stuttgart

Studiengang Angewandte Psychologie

Paulinenstraße 45, 70178 Stuttgart

E-Mail: jonathan.schmidt130@gmail.com

Manuscript data

Submitted: August 23, 2021

Nach Überarbeitung angenommen: October 7, 2021

Citation

Schmidt J, Obexer L, Schäberle W: The efficacy of psychiatric service dogs as complementary treatment for posttraumatic stress disorder (PTSD) in veterans: a systematic review. WMM 2021; 65(12): 442-448.

For the authors

Jonathan Schmidt, B. A.

IB-Academy for Social Sciences and Health, Stuttgart Germany

Applied Psychology

Paulinenstraße 45, D-70178 Stuttgart

E-Mail: jonathan.schmidt130@gmail.com


1 Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag überwiegend die maskuline Form (Veteran, Soldat usw.) verwendet; gemeint sind aber stets alle Geschlechter, sofern nicht anders vermerkt.

2 Diesem Beitrag ist ein Glossar angehängt, in dem die wesentlichen Testverfahren kurz vorgestellt und die Abkürzungen erläutert werden.