Wehrmedizinische Monatsschrift

Problem: Kinder psychisch erkrankter Eltern (Vortrags-Abstract)

Julia Glauba, Felix Bleckmannb

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik VI – Psychiatrie

b Johanniter-Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Koblenz

 

Hintergrund

Kinder psychisch erkrankter Eltern sind diversen und oftmals chronischen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Diese gehen mit einer Vielzahl von Entwicklungsrisiken einher und zeigen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein bis zu achtfach erhöhtes Risiko, im Verlaufe ihres Lebens ebenfalls eine psychische Störung zu entwickeln [3]. So zeigen Längsschnittstudien, wie z.B. die Mannheimer Risikokinderstudie [2], dass die Beziehung zwischen elterlichen Belastungen durch eine psychische Erkrankung eines Elternteiles und die hieraus resultierenden kindlichen Belastungen keine einseitige Wirkrichtung hat.

Prävalenz

In der frühen Kindheit zeigt sich, dass zunächst mehr Jungen als Mädchen (Geschlechterverhältnis 2:1 Jungen vs. Mädchen) mit psychischen Auffälligkeiten in Erscheinung treten und somit empfänglicher für familiäre Spannungen bei psychischen Belastungen von Elternteilen sind. In der Adoleszenz verschiebt sich dann allerdings das Geschlechterverhältnis, Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. Auch im Erwachsenenalter zeigen sich emotionale Störungen beim weiblichen Geschlecht häufiger, wohingegen aggressiv ausagierende Syndrome und andere Verhaltensstörungen bei Männern dominieren. Sowohl bei Mädchen als auch bei Frauen zeigen sich tendenziell eher ängstlich gehemmte Syndrome [6].

Abb. 1: Zitate aus semistrukturierten Interviews betroffener Familien mit einsatzgeschädigten amerikanischen Soldaten [4]

Situation bei Kindern von Veteranen

Auch aus bisherigen Studien an Vietnamveteranen und deren Kindern [1] weiß man u.a. um ein deutlich erhöhtes Risiko für das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten sowie internalisierende bzw. externalisierende Verhaltensprobleme bei den Kindern der Betroffenen, wenn diese dazu neigten, den eigenen Nachwuchs im Vergleich zu anderen Kindern von Nicht-Einsatzveteranen als depressiver, ängstlicher, aggressiver, hyperaktiver und delinquenter wahrzunehmen. Eine Studie aus Israel [5] zeigte auf, dass die elterliche Funktionsfähigkeit umso niedriger war, je mehr Symptome (einer psychischen Einsatzfolgestörung) vorlagen. Es zeigte sich allerdings auch, dass „emotional sharing“ als einer der wichtigsten Faktoren identifiziert werden konnte, welches die Schwere der Auswirkung einer PTBS bei einem oder beiden Elternteilen auf deren elterliche Funktionsfähigkeit abzumildern vermag.

Abb. 2: Es gibt in der Bundeswehr zahlreiche Möglichkeiten der Unterstützung mit Eltern-Kind-Angeboten, die aber in Bezug auf die Prävention psychischer Erkrankungen bei Kindern Betroffener bisher nicht weitreichend und spezifisch genug sind.

Folgerungen für die Bundeswehr

Aus bisherigen internationalen Interventions- und Präventionsprogrammen lassen sich folgende relevante präventive Ansätze ableiten:

Obgleich die Bundeswehr bereits zahlreiche Möglichkeiten der Unterstützung (z. B. Vater-Kind- und Mutter-Kind-Auszeitangebote, Art Digital Media Workshop, Fachberatungsseminar) anbietet, zeigen sich diese in Bezug auf das Thema „Prävention psychischer Erkrankungen bei Kindern Betroffener“ jedoch bisher als nicht weitreichend und teilweise als nicht spezifisch genug.

Nachdem bereits am 18. Dezember 2019 im Auftrag des Deutschen Bundestages ein „Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Kinder psychisch- und suchtkranker Eltern“ mit Empfehlungen zur Verankerung von verpflichtenden Kooperationsangeboten in den SGB II, III, V, VIII, IX und XII veröffentlicht wurde, muss die Frage gestellt werden, ob und inwiefern auch die Bundeswehr das Thema der Betroffenheit von Kindern psychisch kranker Soldatinnen und Soldaten aufgreifen und mehr in den Fokus rücken sollte.

Literatur

  1. Cosgrove L, Brady MA, Peck P: PTSD and the family: Secondary traumatization. In: Rhoades DK, Leaveck MR, Hudson JC (EDS): The legacy of vietnam veterans and their families. Papers from the 1994 National Symposium: 38-49. , letzter Aufruf 27. Dezember 2021. mehr lesen
  2. Esser G, Schmitt MH: Die Mannheimer Risikokinderstudie - Idee, Ziele und Design. Kindheit und Entwicklung 2017; 26: 198–202. mehr lesen
  3. Mattejat F, Remschmidt H: (2008). Kinder psychisch kranker Eltern. Dtsch Arztebl 2008; 105(23): 413-418. mehr lesen
  4. Shermann MD, Gress-Smith JL, Straits-Troster K, Larsen JL, Gewirtz A: Veterans’ perceptions of the impact of PTSD on their parenting and children. Psychological Services 2016; 13(4): 401-410. mehr lesen
  5. Solomon Z, Debby-Aharon S, Zerach G et al.: Maritial Adjustment, Parental Functioning and Emotional Sharing in War Veterans. Journal of Family Issues 2011; 32(1): 127-147. mehr lesen
  6. Wiegand-Gräfe S, Geers P, Plaß A, Petermann F, Riedesser P: Kinder psychisch kranker Eltern: Zusammenhänge zwischen subjektiver elterlicher Beeinträchtigung und psychischer Auffälligkeit der Kinder aus Elternsicht. Hogrefe eContent 2009; 18(2). , letzter Aufruf 27. Dezember 2021. mehr lesen

 

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Julia Glaub

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik VI – Psychiatrie

E-Mail: juliaglaub@bundeswehr.org

Vortrag beim Workshop Militärpsychiatrie/Psychotraumatologie im Rahmen des 52. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 15. Oktober 2021 in Koblenz