DGWMP E. V.: ARBEITSKREIS ZAHNMEDIZIN
Gemeinsame Fortbildung der DGWMP e. V. und der Bezirkszahnärztekammer Koblenz am 16. Oktober 2021
Einleitung
Die Sitzung des Arbeitskreises (AK) Zahnmedizin beim 52. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. fand am Vormittag des 16.Oktober 2021 als gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der Bezirkszahnärztekammer (BZK) Koblenz und der DGWMP e. V. statt. Die Vorstandsvorsitzende der BZK Koblenz, Sanitätsrätin Dr. Margrit Brecht-Hemeyer, und der Vorsitzende des AK Zahnmedizin, Oberstarzt d. R. Dr. Christoph Kathke, konnten rund 70 Teilnehmende begrüßen, darunter rund 20 aus dem militärischen Bereich. Unter diesen befanden sich auch der Leitende Zahnarzt der französischen Streitkräfte, CDCSCN 1 Dr. Thierry Vuillemin, und der Leitende Zahnarzt der Bundeswehr, Flottenarzt Dr. Helfried Bieber, der sich zu Beginn der Veranstaltung mit einem Grußwort an die Teilnehmenden wandte.
Wissenschaftliches Programm
Traumatologie und Parodontologie waren die fachlichen Schwerpunktthemen der Fortbildungsveranstaltung. Oberstarzt d. R. Dr. Kathke führte in die Vorträge ein.
Neues PAR-Behandlungskonzept
Oberstarzt Dr. Thomas Eger, Leiter der Abteilung Zahnmedizin am Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz, stellte die im Januar 2021 implementierte S3-Leitlinie „Parodontitis“ und deren Umsetzung in die tägliche Praxis vor. Der Vortrag ist als Kurzbeitrag in dieser Ausgabe (2–2022) der Wehrmedizinischen Monatsschrift enthalten.
Implantologie bei Traumapatienten 2
Der Vortrag des Direktors der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) am BwZKrhs Koblenz, Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Richard Werkmeister, befasste sich mit dem der „Rolle der Implantologie bei der Versorgung von Trauma-Patienten“. Er zeigte die medizinhistorische Entwicklung der Verletzungsmuster auf und stellte heraus, dass in bewaffneten Konflikten und bei Terroranschlägen in bis zu 30 % der Fälle Mund-, Kiefer-, Gesichtsverletzungen auftreten. Druck- und Hitzeeinwirkungen dieser thermobarischen Traumata stellen besondere Anforderungen an die Behandlung.
Abb. 1: Interdisziplinäre Versorgung und Rehabilitation einer schweren kraniomaxillofazialen Explosionsverletzung im BwZKrhs Koblenz: (A) Rekonstruktion aus der CT in Volumen-Rendering-Technik, (B) 3-D-Implantatplanung nach kieferchirurgischer Versorgung und (C) Ergebnis nach Implantat- und Prothesenversorgung
(Abbildungen aus WMM 2021; 65(5): 166-171)
Im Traumateam, welches sich um die Versorgung dieser Patienten kümmert, spielt deshalb das frühzeitige Einbringen zahnärztlicher Expertise eine wesentliche Rolle, da eine Rekonstruktion von Beginn an geplant und eingeleitet werden muss. Es gilt immer zu bedenken:
„Bones heal, teeth don´t!“
Die Notfallbehandlung von Verletzungen im MKG-Bereich bedeutet Blutstillung, Sicherung der Atemwege (Cave: Disloziertes Mittelgesicht, Dorsalverlagerung von Mandibula und Zunge, Fremdkörper), temporäre Reposition und Fixation von Knochenfragmenten sowie sicherer Transport in ein auf die Behandlung dieser Verletzung spezialisiertes Krankenhaus.
Die Behandlung und spätere Rehabilitation erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen aller „Kopffächer“. Bei der Implantatversorgung müssen Kieferchirurg und Zahnarzt Hand in Hand arbeiten, moderne 3D-Planungssoftware ist unverzichtbar.
Spagat zwischen Zahnerhalt und Implantat beim PA-Patienten
Im dritten und letzten Vortrag der Veranstaltung referierte Prof. Dr. Stefan Fickl aus der Poliklinik für Zahnerhaltung und Implantologie des Universitätsklinikums Würzburg zum Thema „Der Spagat zwischen Zahnerhalt und Implantat beim PA-Patienten“. Der Beitrag stand im Kontext zum ersten Vortrag von Oberstarzt Dr. Eger. Kernaussagen seines Vortags waren:
Generell steigt mit zunehmender Implantatanzahl das Periimplantitisrisiko. Die nichtchirurgische PAR-Therapie ist wenig kostenintensiv, zeigt aber einen großen Effekt. Im Rahmen der Therapie gilt dabei:
- Geschlossene Zahnreihen sind zu erhalten! Diese erfordert ggf. Wurzelamputationen, Schienungen durch Klebebrücken oder ähnliches.
- Definitive Lösungen sind zu vermeiden, eine Zweitimplantation ist oft schwierig.
- Bei Risikopatienten (“downhill cases”) sollten keine „Lifelong“-Restaurationen erfolgen.
- Es ist anzustreben, durch den Einsatz von Probiotika eine Veränderung des oralen Mikrobioms zu erreichen.
- Eine Ernährungsumstellung (wenig Kohlenhydrate, viel Omega-3-Fettsäuren, viel Vitamin C und D, Antioxidantien, faserreiche Kost) ist zu empfehlen.
- Eine unterstützende PAR-Therapie ist durchzuführen.
Beim PA-Patienten sollte nach einer Extraktion in der Regel augmentiert werden (Membranen müssen geschlossen einheilen), ggf. ist ein protektiver Aufbau von Weichgewebe (Novomatrix o. ä.) durchzuführen.
Implantate sind vor allem sinnvoll als Ersatz endständiger oder furkationsbefallener Zähne sowie bei , Paroendoläsionen. Prof. Fickl empfiehlt bei PA-Patienten Tissue-level- oder Hybridimplantate mit poliertem Rand (Zitat: „Knochen liebt rau, Weichgewebe liebt glatt“, daher: Abutment ohne Glanzbrand, kein verblendetes Zirkon, jedoch Implantatkrone basal stets nachpolieren!).
Abb. 2: Vor einem großen Auditorium stellt Oberstarzt Dr. Eger das neue Parodontitis-Behandlungskonzept und dessen Umsetzung im Bereich der Bundeswehr vor.
Fazit
Die Resonanz auf die fachlich hochwertigen und praxisrelevanten Vorträge war bei allen Teilnehmenden sehr gut. Die gemeinsame Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen des AK Zahnmedizin der DGWMP e. V. mit der jeweiligen regional zuständigen Zahnärztekammer im Rahmen des Jahreskongresses hat sich erneut als „Erfolgsmodell“ erweisen und sollte im Sinne der Förderung des zivil-militärischen fachlichen Austausches auch 2022 Fortsetzung finden.
Verfasser
Oberstart d. R. Christoph Kathke
Vorsitzender des AK Zahnmedizin der DGWMP e. V.
E-Mail: christoph-kathke@web.de
1 CDCSCN = chirurgien-dentiste chef des services de classe normale (entspricht dem Rang eines Generalarztes)
2 Siehe auch den in der WMM erschienenen Beitrag „Mund A, Mayer A, Schmidt S et al.: Interdisziplinäre Versorgung und Rehabilitation einer kraniomaxillofazialen Explosionsverletzung. WMM 2021; 65(5): 166–171“.