COVID-19 CRITICAL CARE
Gewährleistung intensivmedizinischer Versorgungs-
qualität und -quantität durch nicht intensivmedizinisch
spezialisiertes Personal
Maja Florentine Iversena, Carsten Veit
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik X – Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie
Einleitung
Die Entwicklung der COVID-19-Pandemie in Europa hat insbesondere in Italien, Spanien und Frankreich zu einer massiven Überlastung des intensivmedizinisch spezialisierten Fachpersonals geführt. Vor diesem Hintergrund haben wir am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Hamburg ein Ausbildungscurriculum, das zur Befähigung von Nicht-Intensivmedizinern zur vorübergehenden Wahrnehmung intensivmedizinischer Aufgaben im Einsatz vorgesehen war, in modifizierter Form zur Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten genutzt, um für ein Worst-Case-Szenario eine Rückfallposition zu schaffen. Hierüber wird im Folgenden ein erster Zwischenbericht abgegeben.
Handlungssicherheit im Fokus
In der Ausgabe 8/2019 der Wehrmedizinischen Monatsschrift1 (hier geht es zu dem Artikel) berichteten wir über den Ausbildungsansatz, kurz bis mittelfristig ärztliche Nicht-Intensivmediziner auch zur Durchführung einer vorübergehend notwendigen Intensivtherapie zu befähigen. Hierzu stellten wir ein mögliches Ausbildungscurriculum vor, bestehend aus einem eLearning-Anteil, der über die Internetplattform San-Netz zur Verfügung gestellt wurde (Abbildung 1), und einem 2-tägigen Pilotmodul mit Theorie- und Praxisanteil (Skill-Training). Dieses Training wurde als Pilot-Kurs am 24./25.02. mit äußerst positiver Teilnehmerresonanz am BwKrhs Hamburg durchgeführt. Eine Aufnahme in den Ausbildungskatalog Bw wird von unserer Seite angestrebt.
Abb. 1: Beispiele von Screenshots der eLearning Plattform im E-Campus des San-Netzes: Einstiegsbildschirm zum Modul „Lunge“ (oben) und Anleitung zum Passive Leg Raise Test im Modul „Herz-Kreislauf/Schock“ (unten)
Vor dem Hintergrund eines möglicherweise nicht nur im Auslandseinsatz oder in Szenarien der Landes- und Bündnisverteidigung, sondern auch im Rahmen der aktuellen COVID-19-Pandemie erhöhten Bedarfs an intensivmedizinisch erfahrenem Personal wurde das Pilotmodul hausintern im BwKrhs Hamburg deshalb erneut in modifizierter Form dazu genutzt, in kurzer Zeit ärztliches Personal ohne intensivmedizinischen Kontext mit den Schwerpunkt-Themen der Intensivmedizin vertraut zu machen.
Begleitend erfolgten ebenfalls Geräteeinweisungen (Schwerpunkt: Beatmung, Monitoring, Umgang mit Spritzenpumpen) und die Vermittlung pragmatischer und gleichzeitig evidenzbasierter Maßnahmenbündel (Abbildung 2). Insgesamt wurden so über 60 Ärztinnen und Ärzte in kurzer Zeit mit ausschließlich hausinternen Personalressourcen während des regulären Dienstbetriebs geschult und mit den Schwerpunktkenntnissen der intensivmedizinischen Behandlung vertraut gemacht. Ziel war es, die fokussierte Handlungssicherheit in einer potenziell „fachfremden“ Verwendung bei Ressourcenknappheit zu stärken.
Abb. 2: Skill-Training (hier zur Beatmung), verbunden mit der Geräteeinweisung gem. Medizinproduktebetreiberverordnung, war ein wesentlicher Teil des zweitägigen Trainings.
Schwerpunktthemen („Hot Topics“) waren:
- ARDS,
- Sepsis,
- Umgang mit Katecholaminen,
- Schockbekämpfung,
- „Die Blutgasanalyse (BGA) und ich…“ – Interpretation und ableitbare Konsequenzen – sowie
- grundsätzliche Behandlungsstrategien von COVID-19.
In jedem dieser Themenkomplexe wurde kurz auf Basisphysiologie und zu erwartende Pathophysiologie eingegangen sowie ein sogenanntes „Hot Topic“-Thema umfassender bearbeitet. Im Anschluss wurden Maßnahmen zur einfachen Diagnostik vorgestellt, durch standardisierte Behandlungsalgorithmen ergänzt und eingeübt. Außerdem befasste sich ein weiterer Abschnitt mit sogenannten „Mythen und Fakten“, um möglicherweise vorexistierende fachliche Fehlannahmen oder gängige intensivmedizinische „Fettnäpfchen“ zu beseitigen. Dabei lagen die Schwerpunkte auf Evidenz und größtmöglicher Praxisnähe, wodurch ein fundierter Behandlungskorridor geschaffen werden sollte.
Fazit
Interesse und Engagement der Teilnehmenden waren groß. Natürlich können in einem zweitägigen Kurs keine Intensivmediziner ausgebildet werden. Aber es konnten und können Grundfähigkeiten vermittelt werden, die es dem Nicht-Intensivmediziner ermöglichen, unter schwierigen Bedingungen – sei es im Einsatz oder im Falle einer Überlastung der Gesundheitssysteme wie bei einer Pandemie – auch auf dem Gebiet der Intensivmedizin mit hinreichender Sicherheit handlungsfähig zu sein.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Iversen MF, Veit C: COVID-19 Critcal Care: Gewährleistung intensivmedizinischer Versorgungsqualität und -quantität durch nicht intensivmedizinisch spezialisiertes Personal. WMM 2020; S1: e8.
Für die Verfasser
Flottillenarzt Dr. Maja Florentine Iversen
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg –
Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie
Lesserstrasse 180, 22049 Hamburg
E-Mail: majaiversen@bundeswehr.org
1Iversen MF, Veit C: Gewährleistung intensivmedizinischer Versorgungsqualität und -quantität in künftigen Einsatzszenarien durch nicht intensivmedizinisch spezialisiertes Personal. WMM 2019; 63(8): 275-279.