
COVID-19 – CAVE ERSCHÖPFUNG !!!!
Ausreichender Schlaf
regeneriert Ihr Immunsystem
Reinhard Stark a
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg – Klinik für Neurologie
Einleitung
Die COVID-19-Pandemie stellt in mehrfacher Hinsicht höchste Anforderungen an das medizinische Personal. Die Ungewissheit, welche Folgen diese neue Krankheit haben wird, welche Anforderungen auf den Einzelnen zukommen, eine zeitlich, physisch und psychisch hohe Arbeitsbelastung, der Umgang mit dem persönlichen Gesundheitsrisiko und die Sorge, vielleicht nicht helfen zu können, kosten Kraft und führen zur Erschöpfung. Deshalb gilt die Aufforderung:
Vernachlässigen Sie in den stressigen „Covid-19-Wochen“ nicht sich selbst.
Sie wissen zwar, dass Desinfektion, Mundschutz und mindestens 1,5m Abstand zu Ihren Mitmenschen das Infektionsrisiko minimieren. Sie sollten aber bedenken, dass im Falle einer Ansteckung ein funktionsfähiges, u. a. auch durch erholsamen Schlaf regeneriertes, Immunsystem Ihre beste Waffe gegen eine gefährlich verlaufende Infektion mit SARS-CoV-2 ist. Auch zum Erreichen eines ausreichenden Schlafes gibt es ein paar einfache und unproblematisch umsetzbare „Handlungsanweisungen“, die im Folgenden beispielhaft beschrieben werden. Und analog zu den Hygienemaßnahmen gilt:
Man muss nur daran denken!

Abb. 1: Einmal tief Luft holen – Müdigkeit und (erkennbare) Erschöpfung greifen auch das Immunsystem an
Belastungsfaktoren – nicht nur im Beruf
Ihr Berufsethos lässt sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch das Pflegepersonal sich teilweise bis an die Grenzen ihrer eigenen Kraft für Erkrankte einsetzen. Bei zu erwartender Maximalbelegung der Stationen einer Klinik mit infektiösen, daher pfegeaufwändigen und zudem teilweise intensivpflichtigen Patienten können oft nicht alle ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten in der regulären Arbeitszeit erledigt werden. Das Personal verbleibt entsprechend länger auf den Stationen, um nicht der nachfolgenden Schicht einen Aufstau an Arbeit zu hinterlassen. Diese Situation verschärft sich durch krankheits- oder quarantänebedingten Personalausfall.
Unsere Regeneration wird nicht nur aufgrund der beruflichen Belastung erschwert. Durch die „Corona-Krise“ müssen wir unser Leben in weiten Bereichen ändern:
- Unsere Freizeitaktivitäten sind durch die temporäre Schließung von uns liebgewonnenen Einrichtungen (z. B. Fitnessstudios, Diskotheken, Kinos oder Restaurants) deutlich eingeschränkt.
- Anstatt ausgewogen, entspannt und regelmäßig zu essen und zu trinken wird die Nahrungsaufnahme zur Nebensache: Frisch zubereitetes Essen muss der Tiefkühlkost, der „schnellen Schnitte“ am Arbeitsplatz und dem Stück Schokolade weichen.
- Das Einkaufen wird zum Strategiespiel: Bei welchem Geschäft und zu welcher Tageszeit stehen die Chancen am Besten, dass ich die Grundnahrungsmittel (in ausreichender Anzahl) bei nur kurzen Warteschlangen einkaufen kann?
- Sind noch minderjährige Kinder im Haushalt, stellen sich schnell die Fragen: Wie sollen die Kinder betreut werden? Wer organisiert den häuslichen Schulunterricht und überwacht die Hausaufgaben?
Auch wenn Sie sich nur bei einem Teil der oben beschriebenen Probleme wiederfinden: Sie werden dennoch einen weniger erholsamen Schlaf aufweisen, wenn Sorgen die Einschlafzeit verlängern und zu häufigerem nächtlichen Erwachen führen. Zudem rauben Ihnen auch die täglichen Zusatzaufgaben Ihre Schlafzeit.
Schlafdefizit und Immunabwehr
Schlafmangel bzw. Mangel an erholsamem Schlaf können unser Immunsystem schwächen und uns empfänglicher für ernsthaftere Verläufe von Infektionserkrankungen wie Covid-19 machen. Ob ein durch Schlafentzug angegriffenes Immunsystem der Grund für den Tod der jungen ärztlichen „Coronahelden“ Li Wenliang (33 Jahre) und Peng Yinhua (29 Jahre) ist, kann nur gemutmaßt werden. Zumindest von dem Augenarzt Li Wenliang ist bekannt, dass er keine Vorerkrankungen aufwies.

Abb. 2: Der Augenarzt Li Wenliang starb am 7. Februar 2020 im Alter von 33 Jahren in Wuhan. Er hatte schon frühzeitig vor den Gefahren durch das neue Corona-Virus gewarnt und erkrankte Ende Januar 2020 selbst an einer COVID-19-Pneumonie, nachdem er über Wochen bis zur Erschöpfung in der Klinik gearbeitet hatte und zudem Repressionen durch die chinesische Regierung ausgesetzt war, die ihm die Verbreitung von Gerüchten unterstellte.
Vorschläge zur Verbesserung der Regeneration
Wie können Sie als in der Regel gesunden Mitarbeiter trotz der Ausnahmezeiten, die uns voraussichtlich viele Wochen begleiten werden, Ihre eigene Regeneration sicherstellen? Hierbei können Ihnen die folgenden Vorschläge Hilfestellung geben.
Power Nap
Versuchen Sie es doch einmal mit einem 20-minütigen „Power Nap“. Durch das kurzzeitige mentale und körperliche „Herunterfahren“ des Körpers kommt es zu einer Steigerung Ihrer Immunabwehr und Ihres allgemeinen Wohlbefindens. Abbildung 3 stellt Ihnen eine Anleitung dazu vor.

Abb. 3: Anleitung zur Durchführung eines Power Nap
Aber Vorsicht: Ein Power Nap kann nicht als Schlafersatz bei zu kurzem Nachtschlaf dienen. Tiefschlaf- oder gar Traumschlafstadien werden üblicherweise nicht erreicht.
„Smart Support“ zur Regeneration
Nicht nur für Menschen mit ausgeprägter Technik-Affinität bietet sich die Nutzung von Apps zur Verbesserung des eigenen „Regenerationsverhaltens“ an. Hier hat sich insbesondere die „2B-Alert-App“ bewährt, die unter https://2b-alert-web.bhsai.org/2b-alert-web/login.xhtml kostenfrei zur Verfügung steht. Nach nur einer Minute sind Sie freigeschaltet und haben Zugriff darauf. Durch erstens Eingabe Ihres täglichen Koffeinkonsums, diversifiziert in Uhrzeit, Menge und Sorte (Instantkaffee, gebrühter Kaffee, Espresso, Tee, Softdrink oder Energiedrink) und zweitens Ihrer Schlafdauer erhalten Sie eine „Wachheitsprognose“ für die nächsten Tage. Sehen Sie in den nächsten Tagen Ihren „Alertness-“ (Wachheits-) Pegel sinken, sollten Sie ernsthaft eine Anpassung der Schlafdauer erwägen.

Abb. 4: Screenshot der 2B-Alert-App
Risikofaktoren Smartphone und Fernsehen
Auch Smartphone- und TV-Nutzung raubt uns den Schlaf: 88-mal aktivieren wir im Schnitt pro Tag das Handy. Die durchschnittliche tägliche Smartphone-Nutzung bei 18- bis 49-Jährigen beträgt 2,1 Stunden und die tägliche TV-Verweildauer bei Deutschen ab 14 Jahren liegt bei 332 Minuten. Der allabendliche Medienkonsum wird als Grund benannt, der uns vom frühzeitigeren Schlafen-Gehen abhält. Bereits eine Reduktion dieser digitalen Mediennutzung um 25 % bringt uns einen täglichen Zeitgewinn von zumindest einer Stunde, der u. a. für andersartige Entspannung zur Verfügung steht.
Regenerationsplanung
Auch die eigene Regeneration will geplant sein. Schreiben Sie sich deshalb doch einen „Regenerationswochenplan“, für den Sie die nachfolgenden Tipps nutzen können:
- Überlegen Sie sich, welche Stunde(n) Sie am Tag für Entspannungspausen zur Verfügung haben und organisieren Sie diese bewusst: Welche sportlichen Alternativaktivitäten gibt es zum derzeit geschlossenen Fitnessstudio? Suchen Sie sich beispielsweise etwas abgelegene naturbelassene Jogging-Strecken aus.
- Stellen Sie die Frage, wie Sie sich und Ihre Lieben verwöhnen können? Bereichern Sie ein gemeinsames häusliches Essen mit etwas „Besonderem“ und essen Sie dieses mit der Familie gemeinsam, bewusst und mit Genuss.
- Nehmen Sie sich Zeit für ein Telefonat mit Ihrer besten Freundin oder Ihrem besten Freund. Suchen Sie das Gespräch mit dem Partner und integrieren Sie es als festen Bestandteil in Ihren Tagesplan. Auch dieser hat Sorgen und möchte sie teilen. Leider kommt dieser Austausch in Zeiten der „Ressourcenverknappung“ häufig zu kurz. Probleme bleiben unausgesprochen und führen zu zunehmenden (familiären) Spannungen.
Die tägliche Aussprache, die keineswegs regelhaft problemorientiert sein muss, entlastet. Dadurch verbessern Sie Ihre Partnerschaft und letztendlich Ihren Schlaf: Durch das gereinigte Gedankenkino nehmen Sie den täglichen „Ballast“ nicht mit in Ihr Schlafzimmer, minimieren die Grübelzeit vor dem Einschlafen und erhöhen Ihre Schlafeffizienz. Keineswegs sollte dieses Gespräch aber kurz vor dem Zubettgehen erfolgen. Ihr passager gesteigertes Erregungsniveau hindert Sie nämlich am Einschlafen. - Achten Sie auf Ihren Genussmittelgebrauch. Versuchen Sie möglichst, den Nikotin- oder Alkoholkonsum nicht zu steigern. Apropos Alkohol als Schlafhilfe: Durch Zerstörung Ihres physiologischen Schlafzyklus (u. a. reduzierter Tiefschlaf) raubt er Ihnen den Erholungsschlaf.
Schlussbemerkung
Regeneration leitet sich vom lateinischen Wort „regeneratio“ ab, was Wiedergeburt oder Neuentstehung bedeutet. Regeneration ist hochindividuell und situationsspezifisch, das „perfekte und universelle Regenerationskonzept“ gibt es leider nicht.
Aber besonders in einer Zeit, die gerade für Angehörige der Heilberufe mit einer hohen physischen und psychischen Belastung verbunden ist, sollte man der eigenen Regeneration genügend Aufmerksamkeit schenken. Das ist sowohl für Sie selbst von Bedeutung als auch lebensnotwendig für die Patienten, die auf unsere Hilfe jetzt und in den nächsten Wochen angewiesen sind.
Literatur beim Verfasser
Manuskriptdaten
Zitierweise
Stark R: Ausreichender Schlaf regeneriert Ihr Immunsystem. WMM 2020; 64(S1): e4.
Verfasser
Oberfeldarzt Dr. Reinhard Stark
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Klinik für Neurologie
Lesserstraße 180, 22049 Hamburg
E-Mail: reinhardstark@bundeswehr.org