Wehrmedizinische Monatsschrift

Pfalz DR I (Jagd-Dreidecker, ca. 1917) (© SanDiego Air & Space Museum, USA)


GESCHICHTE DER WEHRMEDIZIN

Die Luftfahrtmedizin im Ersten Weltkrieg

Aviation Medicine during World War I

Carla Ledderhosa, Harald Potempab und Ralf Vollmuthb

a Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (Leiter: Generalarzt Prof. Dr. Rafael Schick)
b Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (Kommandeur: Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann)


Zusammenfassung

Von wenigen Vorarbeiten abgesehen, fiel die Geburtsstunde der Flugmedizin in den meisten Ländern Europas mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges zusammen. Der Krieg hat ihre Entstehung befördert und behindert zugleich. Die durch ihn bedingte rasante technische Entwicklung der Flugzeuge mit erstmals industriell aufgelegten Serien und für diese Zeit beachtlichen Produktionszahlen sowie die jähe Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit machten eine Luftfahrtmedizin, insbesondere in ihrer klinischen Ausrichtung, zu einer conditio sine qua non. In ihren Anfängen war dieser Zweig der Medizin daher zunächst vor allem militärisch geprägt.

Die Luftfahrtmedizin konnte dabei auf die zuvor in der Höhenmedizin und Aeronautik erarbeiteten Grundlagen und Erfahrungen zurückgreifen, ihre klinische Orientierung bekam sie jedoch erst durch die kriegsbedingt aufgeworfenen Fragestellungen.

Wesentlich für die Entwicklungen dieser Zeit war die Erkenntnis, Anwärter, aber auch Piloten, einer Auswahl und Tauglichkeitsuntersuchung zu unterziehen, um Ablöseraten und Unfallzahlen zu minimieren. In diesem Prozess kristallisierte sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit heraus, die Untersuchungen durch speziell in der Flugmedizin ausgebildete Ärzte durchführen zu lassen. Die luftfahrtmedizinische Forschung widmete sich im Wesentlichen den Fragestellungen, die das erhöhte Leistungsvermögen der Luftfahrzeuge generierte, das heißt der Entwicklung von Sauerstoffgeräten und -masken, Fliegerbrillen, Sicherheitsgurten und Fliegerschutzbekleidung, aber auch beginnenden beschleunigungsrelevanten Problemkreisen. Dieses Spektrum wurde durch sinnesphysiologische Themen sowie solche zur Mehrfachbelastung und psychischen Überlastung ergänzt. Einen Innovationsschub hin zu konkreten ausbildungs- und berufsbezogenen Anwendungen bekam dabei auch die Psychologie. Hier erschienen wegweisende Arbeiten zur Entwicklung von Erhebungsinstrumenten für eignungsdiagnostische Auswahlverfahren, psychologische Anforderungsanalysen und zur Ermittlung der Fähigkeiten, die Piloten sowie weitere Besatzungsmitglieder für ihre Tätigkeitsausübung brauchen.

Im Ergebnis des Ersten Weltkrieges entstanden in den meisten Ländern der kriegführenden Parteien Untersuchungszentren, in denen Anwärter und Piloten nach klar formu­lierten, wenn auch häufig empirisch generierten Richtlinien auf Flugtauglichkeit untersucht wurden, zum Teil standen diesen Einrichtungen flugmedizinische Ausschüsse beratend zur Seite. In einigen Ländern entwickelten sich daneben noch luftfahrtmedizinische Laboratorien, die sich der aufkeimenden psychophysiologischen Fragestellungen annahmen und in ihrer Arbeit häufig von Forschungsausschüssen fachliche Steuerung und Koordination erfuhren. In den USA wurde bereits 1919 eine Ausbildung von Fliegerärzten etabliert.

Im Nachkriegsdeutschland entzogen der Versailler Vertrag und die allgemeinen Verhältnisse der Flugmedizin ihren Forschungs- und Arbeitsgegenstand. Sie verlor damit ihren Hauptinhalt. Dies führte zu einer Stagnation, aus der sie sich erst Ende der 20er Jahre und in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder befreien konnte.

Summary

Although some preliminary work had already been carried out previously, the birth of aviation medicine coincided with the beginning of World War I in most European countries. The war promoted and at the same time hindered its development. The rapid technical progress in the area of aircraft construction caused by the war – leading to the first indus­trial series and remarkable production figures for this time – as well as a sudden increase in performance made aviation medicine, especially in its clinical orientation, a conditio sine qua non. Thus, it mainly focused on military needs in its early stages.

Aviation medicine could initially draw on the foundations and experiences from high-altitude medicine and aeronautics; its clinical orientation was only triggered by the issues generated/raised during the war.

One important factor for the developments of this time was the decision to subject candidates, and also pilots, to a selection procedure and physical fitness examination to minimize withdrawal rates and accident figures. This also led to a growing awareness of the necessity to have these examinations conducted by physicians specially trained in aviation medicine. Aeromedical research essentially dealt with the issues created by the increased aircraft performance, i.e. the development of oxygen equipment and masks, aviator goggles, safety belts and flying clothing, but started to look into acceleration-relevant issues as well. This spectrum was supplemented by sensory physiological topics and subjects of multiple load and mental overload. An innovation boost towards concrete training and vocation-related applications also occurred in the field of psychology. Groundbreaking papers were published on the development of survey tools for aptitude diagnostic selection procedures and psychological requirements analyses, for the determination of capabilities that pilots need to execute their tasks.

As a result of World War I, most nations of the belligerent parties established examination centers where pilot candidates and pilots were tested for their fitness for flying in accordance with clearly formulated – although often empirically generated – examination guidelines. Sometimes, these centers were supported by aeromedical committees. In some countries, aeromedical laboratories were established which addressed the growing number of psychophysiological issues and often were steered and coordinated by aviation medical research boards. In the United States, flight surgeon training was established as early as 1919.

In post-war Germany, the Treaty of Versailles and the general conditions deprived aviation medicine of its research and work object. Thus, it lost its main content. This led to its stagnation from which it could free itself only in the late 1920s and 1930s.

Schlüsselworte

Luftfahrtmedizin, Erster Weltkrieg, Flugdiensttauglichkeit, Tauglichkeitsrichtlinien

Keywords

aviation medicine, WWI, flight surgeon, fitness for flying

„Up to the time of the world war, efforts were directed solely toward developing the mechanical efficiency of the plane. Little thought was given to the pilot. Flying was considered to be purely a case of courage; in other words if a man had the nerve to fly there was no reason why he should not fly. Bitter experience has taught us otherwise.”
Louis Hopewell Bauer (1888–1964)1 [3], S. xiii

Die deutschen Luftstreitkräfte im Ersten Weltkrieg

Als Deutschlands Streitkräfte im August 1914 mobilmachten, taten sie das zu Wasser, zu Lande und zum ersten Mal auch in der Luft [37].

Zu diesem Zeitpunkt gab es Ballontruppen, zeitgenössisch Luftschiffer genannt, erst seit 30 Jahren. Es war gerade einmal 14 Jahre her, dass sich das erste Luftschiff des Grafen Zeppelin in die Lüfte erhoben hatte, und der legendäre Flug in einem Motorflugzeug durch die Brüder Wright im Dezember 1903 (ob es wirklich der erste gewesen ist, wird kontrovers diskutiert) lag knapp 11 Jahre zurück. Den ersten deutschen Motorflug durch Hans Grade hatte es 1908, also sechs Jahre vor dem Krieg gegeben, 1909 war der Ärmelkanal durch Louis Bleriot zum ersten Mal überflogen worden und die Erstüberfliegung des Alpenhauptkammes 1911 lag ganze drei Jahre zurück. Die Anfänge der (militärischen) Fliegertruppe selbst hatten bei den deutschen Kontingentsarmeen und der kaiserlichen Marine 1910 begonnen. Im Jahre 1912, also gerade einmal zwei Jahre vor Kriegsbeginn, war sie fest etabliert worden. Nun schickte sie sich an, den nur begrenzt erforschten Luftraum zu erobern, den eigenen Luftraum zu sichern und im gegnerischen zu operieren [36].

Insgesamt waren deutsche Luftstreitkräfte – der Name stammt erst aus dem Jahre 1916 – also relativ neu, eine ausformulierte Doktrin gab es nicht und vieles wirkte bei der Mobilmachung der 33 Feldfliegerabteilungen und zehn Festungsfliegerabteilungen mit ihren 232 Maschinen der preußischen und bayerischen Fliegertruppe ­improvisiert. Technische Probleme und ungenügende Logistik sorgten dafür, dass nach etwa sechs Wochen Krieg etwa 40 % der Maschinen nicht mehr startklar waren [36].

Die Feldfliegerabteilungen der Anfangszeit verfügten über je sechs unbewaffnete Doppelsitzer. Die Besatzung bestand jeweils aus einem Flugzeugführer und einem Beobachter. Sie waren mit Pistole beziehungsweise ­Karabiner, Fernglas, Signalpistole, Kamera und Meldeblock ausgerüstet. Die etwa 500 Mann fliegendes Personal hatten im Wesentlichen drei Hauptaufträge, die bereits im Frieden bei Manövern eingeübt worden waren: Aufklärung, Einschießen der Artillerie sowie Bombenabwurf. Hierbei galt als kriegsmäßig anzunehmende Flughöhe 800 m über Grund. Ihre Missionen führten sie mit Schwerpunkt über der Westfront, aber auch über den viel weiteren Strecken der Ostfront aus. Die Maschinen der Anfangszeit waren etwa 100 km/h schnell, die Motoren leisteten ungefähr 80 bis 100 PS und der Treibstoffvorrat reichte für etwa eineinhalb Flugstunden [36].

Abb. 1: Otto-Doppeldecker der k.b. Fliegertruppe in Schleißheim 1913. Motor und Luftschraube hinter der Besatzung: Rittmeister Graf Wolffskeel und S.K.H. Prinz Leopold von Bayern (Quelle: Deutsches Museum Flugwerft Schleißheim).

Die Realität des Krieges zeigte aber, dass die Flugzeuge durch Abwehrfeuer vom Boden aus verwundbar waren, weswegen die kriegsmäßige Flughöhe auf 1800 m über Grund erhöht wurde. Im heißen August 1914 führte das zu massiven Problemen bei den Motoren. Hinzu kam, dass nun für die Besatzungen in den offenen ungeheizten und ungeschützten Cockpits die Temperaturdifferenzen zwischen Start und gefechtsmäßiger Flughöhe deutlich anstiegen. Somit stellten sich neue Anforderungen an die Schutzkleidung, zeitgenössisch Fliegersonderbekleidung genannt [36]. Diese Tendenz nahm bei den Herbststürmen des Jahres 1914 sowie in den darauffolgenden Wintern sogar noch zu. Sie steigerte sich im Verlaufe des Krieges: Fliegerformationen wurden 1915 und 1917/18 in das Hochgebirge der Alpen mit seinen Turbulenzen verlegt. Sie erfüllten ihre Missionen ab 1915/16 in den blanken und die Sonne reflektierenden Felsformationen der Mittelgebirge Südosteuropas sowie ab 1916/17 in den Wüsten und Bergen Palästinas sowie Mesopotamiens [38].

Der Wechsel vom Bewegungs- zum Stellungskrieg Ende 1914 beziehungsweise Anfang 1915 hob die Bedeutung der Flugzeuge, Ballone und Luftschiffe. Nun waren es nur noch sie, denen der Blick nach drüben, sprich über die eigenen Linien hinaus, möglich war. Nur sie konnten jetzt den Gegner unmittelbar an der Front sowie im Hinterland per Kamera und Auge aufklären. Alleine sie schossen die eigene Artillerie mittels Signalpistole, später mit Morsefunk ein, das heißt sie gaben den Richtschützen der Artillerie eine direkte Rückmeldung über das Trefferbild. Zudem störten, lähmten, bekämpften und unterbanden sie die gegnerischen Aktivitäten an der Front, im Hinterland beziehungsweise in der Heimat durch Maschinengewehr und Bomben. Beiden Seiten war klar, dass der eigene Luftraum geschützt werden musste, um dies wiederum zu unterbinden. Daher wurden die Flugzeuge mit MG bewaffnet. Es entstanden die ersten Jagdflugzeuge, die nur noch ein Besatzungsmitglied hatten: den Piloten. Den Anfang machte hier die Entente, namentlich Frankreich. Deutschland zog 1915 nach, bewaffnete seine Doppelsitzer mit einem beweglichen MG, das durch den Beobachter zu bedienen war. Jagdflugzeuge, damals Kampfflugzeuge genannt, wurden mit einem, später mit zwei Starr-MG ausgestattet. Zwar dominierten die Jagdflieger mit ihren Abschusszahlen die zeitgenössische Propaganda und die populäre Luftfahrtgeschichtsschreibung; tatsächlich jedoch waren bei Kriegsende in Deutschland 40 % aller Flugzeuge (Jagd-)Einsitzer, 60 % waren Doppel- und Mehrsitzer [17]; zu den Jagdfliegern siehe [7]; [46]; [42]; [48].

Aus den 500 Mann fliegendem Personal des Heeres im Jahre 1914 waren vier Jahre später 5 000 Mann mit 480 Maschinen geworden. Die preußischen und bayerischen Fliegertruppen insgesamt waren auf 61 000 Mann angewachsen. Die Zahl der fliegenden Staffeln und Abteilungen hatte sich ebenfalls stark erhöht. Allerdings gab es nun keine Abteilungen mehr, die für alle Aufträge zuständig waren, sondern es erfolgte eine Spezialisierung und Ausdifferenzierung bis 1918: 65 Jagdstaffeln für den Kampf in der Luft, 27 Bomberstaffeln und andere mehrmotorige Groß- und Riesenflugzeuge für den Bombenabwurf, 145 Fliegerabteilungen und sogenannte Fliegerabteilungen (A) für die Aufklärung und für das Einschießen der Artillerie, ferner 30 Schlachtstaffeln für das Eingreifen in den Erdkampf sowie für Infanterieflüge. Hinzu kamen die entsprechenden Formationen der Marine mit fünf Marinejagdstaffeln, zwei See- und einer Landfliegerabteilung sowie diversen See- und Landfliegerstationen in Nord- und Ostsee, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer. Insgesamt bestanden die Marinefliegerkräfte 1918 aus 16 Luftschiffen, 1478 See- und Landflugzeugen mit einer Gesamtstärke von 16 000 Mann [36]; [32].

All diese Entwicklungen führten zu höheren Belastungen, etwa durch größere G-Kräfte bei den Jagdfliegern, und stellten erhöhte Anforderungen an die Pilotenausbildung an den Fliegerschulen der Heimat. Deren Zahl wuchs ebenso wie die der Beobachter-, Funker- und Fliegerschützenschulen für die Ausbildung der Beobachter sowie Fliegerschützen [36].

Bis zum Jahre 1918 erhöhten sich die Geschwindigkeiten der Maschinen auf über 200 km/h, die Motorenleistungen stiegen auf mehr als 200 PS und die Flughöhen steigerten sich auf über 5 000 m. Diesen Geschwindigkeiten waren Menschen bis dahin noch nie ausgesetzt gewesen. Gleiches galt für die entsprechenden Temperaturunterschiede von glühend heiß bis eiskalt innerhalb von 20 bis 30 Minuten. Hinzu kam der Sauerstoffmangel mit entsprechenden Ausfallerscheinungen bei Flughöhen über 3 000 beziehungsweise 4 000 m Höhe. Die Folge waren die Entwicklung von elektrisch beheizbaren Fliegerstiefeln sowie die Auslieferung von zunächst sehr primitiven Sauerstoffgeräten. Erst im Sommer 1918 wurden die Piloten mit Fallschirmen ausgestattet [36]; siehe [26]; [38].

Abb. 2: Jagdflugzeug Fokker D VII 1918 in Schleißheim; Inschrift auf der Rückseite des Fotos: „Aus meiner Pilotenzeit. Nach glücklicher Rückkehr aus dem Felde, aufgenommen am 10.XI.18 in Schleißheim. Rückflug von Colmar bis Schleißheim rund in 2 Stunden.“ Flugzeugführer Otto Lundershausen [?] (Quelle: Deutsches Museum Flugwerft Schleißheim).

Verschiedene Faktoren bewirkten, dass die Zahl der bei Flugunfällen getöteten Piloten beziehungsweise Besatzungsmitglieder an der Front und in der Heimat, hier besonders bei der Ausbildung, mit 66 % deutlich höher lag als durch Feindeinwirkung. Neben technischen Problemen bildete auch hier der „human factor“ die Hauptursache: überhastete Ausbildung, die Notwendigkeit, die Front mit neuen Besatzungsmitgliedern als Ersatz zu bestücken, „verbrauchte Nerven“, psychische Überforderung und anderes mehr [36].

Die Luftstreitkräfte wuchsen während der vier Kriegsjahre personell und materiell gewaltig an und differenzierten in ihrem Aufgabenspektrum aus. 1918 ließ sich keine Landschlacht mehr ohne Luftüberlegenheit gewinnen [17].

Anfänge der Luftfahrtmedizin am Vorabend des Ersten Weltkrieges

Die Flugmedizin ist eine der jüngsten Disziplinen der Medizin. Ihre Entstehung und Entwicklung ist untrennbar mit der Luftfahrt als einer der wesentlichsten Innovationen des 20. Jahrhunderts verknüpft. Erst durch diese wurde sie aus der Taufe gehoben, diese prägte auch ihren Namen.

Der Nährboden für die Entstehung und Entfaltung einer luftfahrtmedizinischen Forschung und, dem nachfolgend, auch einer klinisch geprägten Luftfahrtmedizin wurde in Deutschland im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert bereitet. Ein wichtiger Meilenstein dabei war die 1881 in Berlin vollzogene Gründung des „Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschifffahrt“ (DVFL). Nachdem dieser in den 1890er Jahren durch eine großzügige Spende des deutschen Kaisers schließlich mit den für die Verwirklichung seiner Ziele notwendigen materiellen Mitteln ausgestattet war, hat er die Aeronautik, wie der Ballonsport genannt wurde, außerordentlich befördert. Mehr als 200 unter der Ägide des DVFL durchgeführte bemannte Ballonfahrten, von denen allein 40 rein wissenschaftlichen Zwecken dienten [20], verschafften Deutschland bereits im ausgehenden Jahrhundert einen reichen Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet. Dabei wurden auch erste physiologische und medizinische Fragestellungen bearbeitet, die Gefahr von Hochfahrten erkannt und zunehmend ein Bewusstsein für die Problematik luftfahrtmedizinischer Fragestellungen geschaffen. Ging die Initiative für die ersten medizinisch-physiologischen Untersuchungen bei den Ballonfahrten zunächst vor allem von Meteorologen wie Richard Assmann (1845–1918, der ursprünglich Arzt gewesen ist), Arthur Berson (1859–1942) und Reinhard Süring (1866–1950) aus, so interessierten sich alsbald auch Mediziner dafür. In dieser Zeit formierte sich der Personenkreis, der der Flugmedizin im deutschsprachigen Raum zu ihrer Geburt verhalf, sie wesentlich prägte und ihre Entwicklung auch im folgenden Weltkrieg maßgeblich mitbestimmte und vorantrieb. Hier sind vor allem Namen wie Richard Assmann, Adolf A. Friedländer, Nathan Zuntz, Hermann von Schrötter, Reinhold Halben, [] Crusius, Adolf Loewy (1862–1937), Siegfried Placzek (1866–1946) sowie die der Stabsärzte Ernst Koschel und Johannes Flemming zu nennen.

Abb. 3: Dieses Foto vom 15. September 1898 zeigt den Ballon „Excelsior“ vor einem Aufstieg auf 8320 m; an Bord waren der britische Ballonfahrer Stanley Spencer und der deutsche Meteorologe Arthur Berson (Quelle: Wikimedia Commons; aus: Richard Aßmann und Arthur Berson [Hrsg.]: Wissenschaftliche Luftfahrten, Bd. II; Braunschweig: Vieweg 1900).

Abb. 4: Freiballonfahrer mit Sauerstoffmaske inclusive festverbundener Mütze mit Nackenschutz (aus: 13, S. 231).

Mit dem neuen Jahrhundert entwickelte sich die Luftfahrt rasant und gewann zunehmend an Popularität. Neben der Aeronautik kam die Fliegerei nach dem Prinzip „schwerer als Luft“ auf, auch als Aviatik bezeichnet. In deren Folge nahm die Zahl der Unfälle mit tödlichem Ausgang dramatisch zu (siehe Abbildung 5).

Abb. 5: Entwicklung der Zahl der Unfallopfer in der Luftfahrt von 1908 bis 1912 [nach Angaben von Adolf A. Friedländer].

Im Bedürfnis, diese Situation zu verändern und alle vorhandenen Kräfte zu bündeln, wurden im Jahr 1912 die verschiedenen Vereinigungen, die sich in Deutschland auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet der Förderung der Luftfahrt widmeten, in der „Wissenschaftlichen Gesellschaft für Flugtechnik e.V.“ (WGF), später „Wissenschaftliche Gesellschaft für Luftfahrt“ (WGL), zusammengeführt. Auf Initiative von Heinrich Prinz von Preußen bekam sie auch einen Unterausschuss für medizinisch-psychologische Fragestellungen, dessen Obmann Adolf A. Friedländer (1870–1949) war und dem unter anderen Nathan Zuntz, Reinhold Halben, Johannes Flemming und Ernst Koschel angehörten [14].

Eine Analyse der Unfälle sowie erste Überlegungen zu deren Ursachen zeigten sehr schnell, dass ein großer Anteil auf den Faktor Mensch und vor allem auf eine ungenügende beziehungsweise fehlende medizinische Auswahl und Betreuung der Piloten zurückzuführen war. Dies war der Denkanstoß zur Formulierung gesundheitlicher Mindestanforderungen an die Tauglichkeit von Flugzeugführeranwärtern/Flugschülern und Piloten, die sich allerdings zunächst nur auf den Sport- und Ballonflugbereich bezogen [27]; [14].

Auch zu Beginn des Ersten Weltkrieges steckte die Aviatik noch in ihren Kinderschuhen. Gleiches galt für die Luftfahrtmedizin. Naturgemäß konnte der im Entstehen begriffene neue Zweig der Medizin noch nicht auf umfangreiche oder gar verlässliche und fundierte Quellen zurückgreifen. Harry George Armstrong (1899–1983), einer der führenden Luftfahrtmediziner Amerikas und Direktor des US Aeromedical Research Laboratory mit einer beindruckenden Liste an Publikationen im Bereich der Luft- und Raumfahrtmedizin, wusste dazu Folgendes zu berichten:

„Thus, when World War I began, which was 11 years after the Wright brothers‘ first flight, the world's literature devoted to the medical aspects of aviation consisted of 31 papers and one small book.“ [2], S. 7

Die Erkenntnisse, auf denen die Luftfahrtmedizin in ihren Anfängen aufbauen konnte, stammten vor allem aus dem alpinen Sport und den höhenphysiologischen Arbeiten von Nathan Zuntz, Hermann von Schrötter, Johannes Flemming, Arnold Durig, Paul Bert, Angelo Mosso u.a. und zunächst nur aus der Ära der Aeronautik [10]; [11]; [12]; [13]; [43]; [44]. Durch die Kontakte der Protagonisten der Höhenmedizin zu den Ballonfahrern und ihr eigenes Engagement auf diesem Gebiet wurden sie mit ihren Erfahrungen auch zu Wegbereitern der Flugmedizin. Insbesondere die Abhandlungen von Nathan Zuntz (1847–1920) „Zur Physiologie und Hygiene der Luftfahrt“ und von dem österreichischen Arzt Hermann von Schrötter (1870–1928) „Hygiene der Aeronautik und Aviatik“ formulierten erstmals die grundlegenden Fragestellungen, mit denen sich die Luftfahrtmedizin auseinandersetzen musste und rückten sie so ins Bewusstsein der Öffentlichkeit [51]; [43].

Dadurch, dass die Anfänge der Luftfahrtmedizin zeitlich mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges zusammenfielen, waren sie, jedenfalls in den kriegführenden Ländern, zunächst vor allem militärisch geprägt und die bearbeiteten Fragestellungen durch die Erfordernisse des Krieges bestimmt.

Luftfahrtmedizin im Ersten Weltkrieg

Der Krieg forcierte die Flugzeugentwicklung in außerordentlich beeindruckender Weise. Dies zeigen die erzielten Flugrekorde und die Vielzahl neu entwickelter Flugzeugmuster sehr deutlich. Ende 1913 lag der Höhenrekord für Flugzeuge noch bei 20 000 ft (= 6 096 m) und der Geschwindigkeitsrekord bei 126 Meilen/Stunde (203 km/h). Nur 5 Jahre später, 1918, war der Höhenrekord bereits auf 31 390 ft (= 9 568 m) und der Geschwindigkeitsrekord auf 162 Meilen/Stunde (260 km/h) gestiegen [2]. Erstmals wurden Flugzeuge in Serie und in großen Mengen produziert sowie die Cockpitinstrumentierung vereinheitlicht und damit deren Bedienbarkeit erleichtert [45]. Ersteres führte zu einer schlagartigen Erhöhung des Bedarfs an Piloten, letzteres vereinfachte das Erlernen des Fliegens und die Umschulung auf andere Luftfahrzeugmuster. Bedingt durch den technologischen Fortschritt und die andauernden Kriegshandlungen stieg, wie dargestellt, die Bedeutung der Luftwaffen; Gefechtsaufträge und Einsatzspektren der Piloten änderten sich stetig. Standen zu Beginn des Krieges vor allem die Nah- und Fernaufklärung sowie die Artilleriebeobachtung im Vordergrund, ging es bald auch um Luftnahunterstützung, Jagdeinsätze und Luftkampf (auch in der Nacht) zur Luftabwehr sowie um Bombereinsätze. Eine allseits erstarkende Luftabwehr machte Flüge unter immer extremeren klimatischen Bedingungen, in größeren Höhen und unter zunehmenden Beschleunigungen notwendig. Belastungen und Beanspruchungen der Flugzeugführer und Beobachter stiegen innerhalb der vier Jahre des Krieges gravierend. Dies stellte die Luftfahrtmedizin, insbesondere da gerade eben erst selbst entstanden, vor beträchtliche Herausforderungen, auf die sie zeitnah reagieren musste.

Abb. 6: Das Bild aus dem Jahre 1917 zeigt einen Soldaten an einem Zwillings-Maschinengewehr und gibt einen Eindruck von der deutschen Flugabwehr im Ersten Weltkrieg.

Entwicklung der Tauglichkeitsuntersuchungen

Die enormen Produktionszahlen generierten einen Bedarf an Piloten, der zunächst nur schwierig zu decken war. Freiwillige wurden geworben und, solange sie nur felddienstfähig waren, zu Fliegern ausgebildet. Die medizinische Untersuchung lag in der Hand von Truppenärzten [30]; [41]. Ärztliche Erfahrungen zum Einfluss des Fliegens auf die Gesundheit, aber auch Ärzte, die diese hätten machen können, standen noch nicht zur Verfügung. So mancher gesundheitliche Mangel wurde zunächst großzügig übersehen beziehungsweise gar nicht erst entdeckt:

„Eine besondere, auf Flugdiensttauglichkeit – ein damals noch nicht festgelegter Begriff – gerichtete Untersuchung fand im allgemeinen nicht statt. So kam es, daß sich unter den Fliegern z. B. erheblich kurzsichtige und farbenblinde Offiziere fanden, und unter diesen – es klingt wie ein Hohn auf die späteren Bestimmungen – fanden sich gerade die besten Militärflieger.“ [28], S. 10

In Deutschland vollzog sich der Weg hin zu etablierten Tauglichkeitsrichtlinien als ein schrittweiser und zaghafter Prozess. Obwohl die Einsicht, dass Führer von Luftfahrzeugen jeder Art auf ihre gesundheitliche Eignung für diese Tätigkeit besonders geprüft werden sollten, bereits im „Deutschen Luftfahrerverband“, aber auch in der WGF schon vor dem Krieg gewachsen war, musste diese bei der militärischen Führung erst einmal geschaffen und entwickelt werden. Die Stabsärzte Johannes Flemming und Ernst Koschel hatten als Vertrauensärzte des „Deutschen Luftfahrerverbandes“ zusammen mit [] Crusius, Reinhold Halben, Siegfried Placzek und anderen die Frage, welche Anforderungen an die Gesundheit der Führer von Luftfahrzeugen gestellt werden müssen, bereits bearbeitet und Koschel hatte zu diesem Thema in der Hauptversammlung der WGL im Juni 1913 referiert und den Entwurf einer Untersuchungsanleitung unterbreitet [27]; [28]. Ende 1914 und zu Beginn des Jahres 1915 wurden diese Vorschläge jedoch nur von wenigen Dienststellen aufgegriffen. Auch herrschte zunächst die Meinung vor, dass die Posten des Flugzeugführers oder des Beobachters „Schonungs-, sogar Erholungsposten“ sind [28]. Die vielen notwendig gewordenen Ablösungen sprachen aber bald eine andere Sprache und die Schaffung allgemeingültiger Bestimmungen über die gesundheitlichen Anforderungen wurde unumgänglich, so dass sich die Inspektion der Fliegertruppen im Oktober 1915 entschloss, „allgemeine Anhaltspunkte“ für eine Untersuchung herauszugeben [28]. Diese entsprachen jedoch tatsächlich nur absoluten Minimalforderungen:

„1. Herz, Nieren und Lungen absolut gesund.
2. Augen und Ohren gut. [...].
3. Straffe, elastische Muskulatur.
4. Gesundes Nervensystem, […].
5. Alter im allgemeinen nicht unter 19 und nicht über 35 Jahren. Ausschlaggebend aber in erster Linie Elastizität und moralische Qualität.“ [28], S. 12

Noch immer war die Angst zu groß, durch überzogene Bestimmungen den hohen Bedarf an Fliegern nicht decken zu können. Als dann 1916 die Zahl der Ablösungen jedoch immer weiter wuchs, wurde beim Chef des Feldflugwesens (Kommandierender General der Luftstreitkräfte) eine ärztliche Abteilung gegründet, deren Leitung Ernst Koschel (1875–1961) übertragen wurde. Es war inzwischen einfach nicht mehr zu übersehen, dass die mit der zunehmenden psychischen Belastung einhergehenden hohen Ablösequoten veränderte Eingangsuntersuchungen erforderten.

Ernst Koschels Abteilung beschäftigte sich zunächst mit der Ermittlung der gesundheitlichen Gründe der vielen Ablösungen. Die Sichtung der Krankenakten zeigte, dass diese für wissenschaftliche Auswertungen ungeeignet waren, jedoch schienen eine „nervöse Erschöpfung“ und möglicherweise auch rheumatische Erkrankungen bei Fliegern häufiger als bei den übrigen Soldaten vorzukommen:

„Besonders aber ergaben die Krankenblätter und Berichte, daß in allererster Linie der Zustand des Nervensystems beachtet werden muß, und daß alle diejenigen Bewerber auszumustern sind, die nach ihrer Vorgeschichte oder dem Untersuchungsbefund voraussichtlich nicht in der Lage sein würden, außergewöhnlichen Aufregungen für möglichst lange Zeit Widerstand zu leisten.“ [28], S. 13

Ebenso ergab die Prüfung der Krankenpapiere, dass bei den Bewerbern, die erst nach Oktober 1915 in den Dienst getreten waren, selbst die bereits erlassenen minimalistischen Untersuchungsrichtlinien häufig keine Beachtung gefunden hatten.

Nachdem der Mangel in den Krankenakten erkannt war, wurde verfügt, dass bei jedem aus gesundheitlichen Gründen abgelösten Flieger eine weitere Untersuchung durchzuführen war, um die genauen Ursachen dieser Ablösung festzustellen. Dafür wurden im gesamten Armeebereich Kommissionen aus verschiedenen Fachärzten zusammengestellt, außerdem war man bestrebt, diese in ihrer Zusammensetzung weitgehend unverändert zu lassen. Auf der Grundlage eines extra dafür erarbeiteten zweiteiligen Fragebogens, dessen erster Teil aus der Vorgeschichte bestand, die vom Flieger und dessen zweiter Teil vom untersuchenden Arzt auszufüllen war, entstanden sogenannte Ablösezeugnisse, auf deren Grundlage der Kommandierende General der Luftstreitkräfte auf Basis der Empfehlung seiner Sanitätsabteilung über die weitere Verwendung des Untersuchten entschied [28], S. 14.

Bis zur endgültigen „Anleitung für die ärztliche Beurteilung der Kriegsverwendungsfähigkeit zur Ausbildung als Flugzeugführer und Beobachter“ war es ein zähes Ringen zwischen der Sanitätsabteilung des Chefs des Feldflugwesens, der Ernst Koschel vorstand, dem Chef des Feldflugwesens und dem Chef des Feldsanitätswesens, Otto von Schjerning. Die Grundlage dafür bildete die durch Koschel bereits Anfang März kurz nach seiner Amtsübernahme erarbeitete Anleitung zur Untersuchung auf Flugdiensttauglichkeit, in der die jeweiligen Anforderungen in elf Punkten niedergelegt wurden [30]; [28]; [41]. Den Vorschlag des Chefs des Feldflugwesens, die Untersuchung auf Flugdiensttauglichkeit in einer einzigen, mit Fachärzten besetzten Untersuchungsstelle zu vereinigen, hat der Chef des Feldsanitätswesens abgelehnt – die Aufnahme des Begriffes „Flugdiensttauglichkeit“ in eine Vorschrift deshalb, weil noch nicht genügend Erfahrungen gesammelt seien, die Einrichtung einer Fliegerhauptuntersuchungsstelle, da die nötige Zahl der Fachärzte fehle, die eigens zu diesem Zwecke zur Verfügung stehen müsste [28].

Letztendlich und nach langen Kompetenzstreitigkeiten wurden in Deutschland erstmals im November 1916 vom Chef des Feldsanitätswesens Untersuchungs- und Tauglichkeitsrichtlinien in Form einer Verfügung herausgegeben und verbindlich eingeführt. Diese beinhalteten ein dreistufiges Zulassungsverfahren zur Fliegerausbildung, das eine truppenärztliche Untersuchung, eine Beurteilung durch den Truppenteil des Bewerbers, bei der die Frage nach bisher aufgetretenen nervösen Erschöpfungszuständen im Mittelpunkt stand, und eine Untersuchung durch ein militärisches Fachärztekollegium umfasste [30]. Für bereits eingestellte Flugzeugführer und -beobachter, die den neuen Bestimmungen häufig nicht entsprachen, galt diese Verfügung nicht.

Die im Verlauf des Krieges gemachten Erfahrungen führten dann noch zu der einen oder anderen Änderung in dieser Anleitung. In seinem 1922 im „Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918“ erschienenen Artikel findet sich nachfolgende Formulierung von Ernst Koschel, die den Zwiespalt beziehungsweise das Dilemma sehr trefflich beschreibt, in dem die Flugmedizin zu dieser Zeit steckte:

„Der hygienische Grundsatz, keinen Mann an einen Platz zu stellen, an dem er vermeidbaren gesundheitlichen Schaden erleiden konnte, wurde mit dem militärischen Grundsatz verbunden, die besten Leute an den richtigen Platz zu setzen, und es lag in den Verhältnissen, daß bei dem Riesenverbrauch an Fliegern die gewaltigen Ersatzanforderungen nur gedeckt werden konnten, wenn militärischerseits die ärztlichen Bestrebungen, die oft viel weiter gingen, gehemmt werden mußten.“ [28], S. 33

Die Auswahl von Bewerbern und die Gestaltung von Tauglichkeitsuntersuchungen gehörten somit zu den vordringlichsten Aufgaben der Luftfahrtmedizin während des Krieges.

Experimentell-psychologische Tauglichkeits­prüfungen zum Flugdienst

Hierzu hat auch die Psychologie sehr wertvolle Beiträge geliefert. Sie erschloss sich in dieser Zeit ein Gebiet, auf das Mediziner ihr Augenmerk bisher nicht gelegt hatten, nämlich das der physiologischen Variationen seelischer Funktionen. Dem allgemeinen Trend der Zeit folgend, entstanden an vielen Stellen in Deutschland Schulen für Angewandte Psychologie, die sich der Entwicklung einer psychologischen Methodologie der Berufseignung ­widmeten und damit einen Beitrag zur Eignungsfeststellung in unterschiedlichsten Berufen leisteten. Aufbauend auf dem zur damaligen Zeit klassischen Reaktions­experiment wurden Prüfverfahren entwickelt, in denen den Kandidaten berufstypische Aufgaben in einem ­möglichst realistischen, apparativ simulierten Umfeld ­dargeboten wurden, die sie schnell und genau erledigen mussten. Die erbrachten Leistungen wurden quantifiziert, entsprechende Normwerte erarbeitet und das geforderte Leistungsminimum für die Eignung festgelegt [19].

Zu den führenden Vertretern der Experimentalpsychologie, die sich als Ergänzung zur ärztlichen Flieger­tauglichkeitsuntersuchung mit Methoden der psy­chologischen Eignungsprüfung bei Fliegern und Flieger-­Beobachtern beschäftigten, gehörten Erich Stern, Wilhelm Benary, Arthur Kronfeld, Otto Selz und Max Brahn.

Erich Stern (1889–1959) vom psychologischen Laboratorium der Psychiatrischen Universitätsklinik Straßburg im Elsaß erarbeitete zunächst auf der Grundlage einer psychologischen Anforderungsanalyse ein Berufsanforderungsbild für Flugzeugführer und versuchte im Rahmen experimenteller Untersuchungen festzustellen, ob der jeweilige Bewerber befähigt ist, die für seinen Beruf notwendigen Fertigkeiten zu erwerben. Dabei prüfte er zunächst sehr einfache Funktionen, entwickelt dann aber eine sehr komplexe Prüfmethodik, die schon wesentliche Elemente des Flugsimulators in sich barg [33].

Auch Arthur Kronfeld (1886–1941) verlangte bei der ­experimentellen Nachbildung flugähnliche Beanspruchungen und einen objektiven Maßstab bei der Befundregistrierung. Das von ihm vorgeschlagene experi­mentell-­­psychologische Prüfungsverfahren, bei dem die Prüflinge eine Hauptaufgabe zu erfüllen hatten und dabei durch Nebenaufgaben gestört wurden, ist sechs Monate lang in einer Fliegeruntersuchungskommission in der Armeeabteilung B (in Freiburg i. Breisgau) erprobt worden [33]; [29]; [24]. Insgesamt sind diesem Verfahren 350 Flugschüler und 30 erfahrene Flugzeugführer und Beobachter, die als Kontrollgruppe dienten, unterzogen worden. Zu einer weiteren Versuchsserie, die die Brauchbarkeit des erprobten Verfahrens überprüfen sollte, ist es nicht mehr gekommen.

Wilhelm Benary (1888–1955), der selbst eine Ausbildung zum Flieger-Beobachter durchlief, befasste sich im psychologischen Laboratorium der Universität Hamburg mit der Entwicklung von Eignungsprüfungen für Flieger-Beobachter [4] und arbeitete hier eng mit Professor William Stern (1871–1938) zusammen. Auch er analysierte zunächst die Anforderungen, denen ein Flieger-Beobachter gerecht werden musste, und arbeitete in seinen Verfahren mit konkurrierenden Haupt- und Nebenaufgaben.

Otto Selz (1881–1943) widmete seine Aufmerksamkeit einem Phänomen, das heute in der Flugmedizin als „human factor“ bezeichnet wird, prüfte dessen Anteil an der Genese von Flugunfällen und leitete daraus Anforderungen für die Eignungsprüfung ab [33].

Max Brahn (1873–1944) startete seine Karriere an der Leipziger Universität und ging aus einer der „Brutstätten der Angewandten Psychologie“ um Wilhelm Wundt (1832–1920) und Ernst Meumann (1862–1915) hervor, die sich bereits um 1910 ausbildungs- und berufs­bezogenen Problemen der Psychologie zugewandt ­haben [19]. Im Ersten Weltkrieg beschäftigte er sich in dem in Großenhain/Sachsen eigens für Militärflieger ­eingerichteten psychologischen Laboratorium mit der Unter­suchung des Gleichgewichtssinnes. Hierfür ­benutzte er einen Neigungsstuhl, mit dessen Hilfe er den Orien­tierungssinn der Prüflinge zu quantifizieren versuchte [33].

Den Hauptkritikpunkt an den psychologischen Auswahlverfahren von Seiten der Mediziner formulierte Ernst Koschel in seiner „Hygiene des Ersatzes bei den Luftstreitkräften“ so:

„Wenn auch nicht verkannt werden soll, daß viele Eigenschaften, die der Flieger braucht, durch diese Untersuchungen festgestellt werden können, so ist oben schon wiederholt darauf hingewiesen worden, daß die wichtigste Störung des Ablaufes unserer geistigen Funktionen, die innere Unruhe durch das Bewußtsein der Lebensgefahr, experimentell nicht nachgebildet werden kann.“ [28], S. 32

Letztendlich wurde den psychologischen Untersuchungen in der Zeit des Ersten Weltkrieges keine ausschlaggebende Entscheidung eingeräumt, da noch nicht auf ausreichende Erfahrungen zurückgegriffen werden konnte. Es existierte allerdings die Anordnung, bei den Fliegern, die eine solche Untersuchung durchlaufen haben, eine Erfolgskontrolle anzustellen. Die Beendigung des Krieges hat dies jedoch verhindert [28]. Dennoch können diese Untersuchungen als Vorläufer für die heute praktizierte psychologische Eignungstestung gelten.

Schwerpunkte luftfahrtmedizinischer Forschung und Entwicklung

Die Themen, denen sich die luftfahrtmedizinische Forschung zur Zeit des Ersten Weltkrieges zuwandte, waren weltweit ähnlich und durch die operationellen Erfordernisse des Krieges geprägt. Flüge unter außergewöhnlichen Bedingungen, im offenen Cockpit und in immer größeren Höhen verlangten einen effektiven Schutz der Flugzeugführer und Beobachter vor Kälte und Unterkühlung, Sauerstoffmangel und intensiver Sonneneinstrahlung. Die Entwicklung von Sauerstoffgeräten und ­Masken, Fliegerbekleidung, Schutzbrillen und Sicherheitsgurten hatte daher allererste Priorität.

Abb. 7: Reklame für ein Sauerstoffatmungsgerät von Dräger (aus: 21, S. 192).

Die klinisch orientierte Luftfahrtmedizin konzentrierte sich zunächst vor allem auf die deskriptive Erfassung der ­Einflüsse des Fliegens auf die verschiedenen Organ­systeme, wo möglich, wurde diese durch konkrete Messungen ergänzt. Daneben war die Formulierung der gesundheitlichen Anforderungen an das fliegende Personal hinsichtlich bestimmter Organsysteme auf der ­Basis einer Tätigkeitsanalyse eine vordringliche Aufgabe [28]; [22]; [30]; [49].

Um dem drohenden Sauerstoffmangel in größeren Höhen wirksam begegnen zu können, wurden zunächst die bereits in der Aeronautik benutzten Höhenatmungsgeräte mit Presssauerstoff benutzt, die bei der Fliegertruppe allerdings erst einmal insbesondere wegen ihres hohen Gewichtes auf Ablehnung stießen. Später wurden für Flüge über 5 000 m Tropfluftgeräte mit flüssigem Sauerstoff eingesetzt. Diese hatten den Vorteil, dass sie bei gleicher Sauerstoffmenge nur ein Sechstel wogen und bei Beschuss oder holpriger Landung nicht explodierten [9].

Zum Schutz vor der Kälte wurden elektrisch beheizbare Fliegerkombis entwickelt. Frostschutz für Füße, Hände und Gesicht war unerlässlich. Dafür wurde von der Sanitätsabteilung des Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte eine Anordnung zum Kälteschutz der Haut erarbeitet. Die Empfehlungen umfassten die Nutzung einer wasserfreien Fliegerfrostschutzsalbe sowie das Tragen von zwei Paar Handschuhen übereinander, dünne wollene oder seidene als Unterhandschuhe, darüber pelz- oder flauschgefütterte Oberhandschuhe aus Leder. Später gab es auch elektrisch beheizbare Handschuhe, die die Oberhandschuhe unnötig machten [9]. Zum Schutz des Gesichtes wurde das Tragen eines seidenen oder wollenen Kopfschlauches und darüber das einer als Sonderbekleidung erhältlichen seidengefütterten Gesichtsledermaske empfohlen. Darüber kam die Brille mit Stirn- und Backenschutz. Das Beschlagen der Brillengläser wurde durch Einreiben der Gläser mit „Kristallglanz“ verhindert [9].

Abb. 8: Auf dieser Aufnahme, wohl aus dem Jahre 1917, werden Atemgeräte der Kampfflieger mit Sauerstoff gefüllt.

Abb. 9: Das digital kolorierte Foto (1917) zeigt einen Flieger in elektrisch beheizbarer Wintermontur.

Die intensive Sonneneinstrahlung führte nicht nur zu massiven Verbrennungen der Haut, sondern auch zu Schädigungen der Augen, die nach adäquatem Schutz verlangten. So wurden durch Blendung bedingte, meist peripher im temporalen Gesichtsfeld gelegene, häufig nach oben offene Ringskotome, aber auch durch das Zusammenspiel von Luftzug, Kälte und Sonneneinstrahlung verursachte Entzündungen der äußeren Augen und der Bindehaut sowie Schädigungen der Cornea beobachtet. Kaum ein anderer Bereich wurde deshalb so intensiv beforscht, wie der der Fliegerschutzbrillen [16]. Man experimentierte mit verschieden gefärbten Schutzbrillen, die von vielen Fliegern allerdings als störend empfunden wurden, Gläsern mit abgestufter Lichtdurchlässigkeit, verschiedenen Lichtfiltern und mit Doppelgläsern [50]; [16].

Erhebliche Aufmerksamkeit erlangte auch die sogenannte „Fliegerkrankheit“, ein schwierig zu fassender Symptomkomplex aus körperlichen und psychischen Reaktionen, die auf die Einwirkung des Aufenthalts in der dritten Dimension zurückgeführt und im Gegensatz zur Alpinistik ob der hohen Geschwindigkeit des Aufstiegs und der normalerweise fehlenden erheblichen körperlichen Anstrengung deutlich von der Bergkrankheit abgegrenzt wurde [31]; [5]. Koschel hat dafür in einer Unterdruckkammer systematische Untersuchungen zu den psychopathologischen Auswirkungen der Änderungen des atmosphärischen Drucks auf die Psyche von Fliegern durchgeführt (nach [5]). Jenseits von 6 000 m beschrieb er Bewusstseinsveränderungen charakteristischer Art, die durch eine Abnahme der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit mit ausgesprochen paraphasischen und paragraphischen Störungen mit Perseveration charakterisiert waren und mit einer Verminderung akustischer und optischer Merkfähigkeit einhergingen. Bedeutsam war die Erkenntnis, dass sich jenseits der 6 500 m das Krankheitsgefühl verliert und sich eine Euphorie entwickelt, die mit einer Änderung des Urteilsvermögens und einer verminderten Kritikfähigkeit einhergeht. Ab 7 000 m beobachtete Koschel eine Steigerung der motorischen Reaktionen, die bei 8 000 m in tonische Krämpfe übergehen konnten. Karl Bonhoeffer hob hervor, dass die bei den Fliegern beobachteten nervösen Störungen ­weniger durch den Aufenthalt in den veränderten atmosphärischen Verhältnissen als vielmehr durch das „mit der Flugtätigkeit verbundene starke emotionale Moment“ und das „Zusammenwirken mehrfacher Kriegsschädigungen“ bedingt wären und keinen Anlass geben, von einer eigentlichen Fliegerkrankheit zu sprechen [5], S. 25.

Die in den letzten Kriegsjahren erreichten größeren Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der Flugzeuge führten offenbar zu den ersten beschleunigungsbedingten Flugzeugverlusten. Darauf lassen Berichte von Piloten über Bewusstseinstrübungen bei bestimmten Flugmanövern, von denen sie sich nach rund 20 Sekunden ohne auffällige Nacheffekte erholten, schließen. In Frankreich haben daher André Broca (1863–1925) und Paul Garsaux (1882–1970) bereits 1918 begonnen, in einer eigens dafür gebauten Zentrifuge an Hunden die Auswirkungen von G-Beschleunigungen systematisch zu erforschen [6].

Daneben wurden der Einfluss des Fliegens auf ausgewählte Organsysteme und deren Beziehung zur Diensttauglichkeit sowie sinnesphysiologische Fragestellungen im Hinblick auf Gleichgewichtssinn, Orientierung und Desorientierung untersucht. Auch gab es Überlegungen zum Einfluss von Ermüdung und Ernährung auf die Leistungsfähigkeit von Piloten und Beobachtern sowie Analysen des Unfallgeschehens und auftretender Verletzungsmuster [15]; [18]; [25]; [34]; [49]; [52]; [9].

Entwicklungen in den Ländern der kriegführenden Parteien

Insgesamt verlief die Entwicklung der Luftfahrtmedizin in den Ländern der kriegführenden Parteien, zumindest inhaltlich, relativ vergleichbar.

In Amerika [3], das erst sehr spät in den Krieg eintrat, gab die Army ihren ersten Entwurf von Vorschriften für eine Tauglichkeitsuntersuchung von Bewerbern im Februar 1912 heraus, im Oktober des gleichen Jahres folgten die Bestimmungen bei der Navy [1]; [2]. Es war Theodore Charles Lyster (1875–1933), der in den USA sehr maßgeblich die Entwicklung der Luftfahrtmedizin während des Ersten Weltkrieges bestimmt hat. Dies betraf sowohl die Fliegerauswahl als auch die flugmedizinische Forschung und die Formierung eines medizinischen Dienstes für die fliegenden Einheiten. 1916 hat er zusammen mit William Holland Wilmer (1863–1936) und Isaac H. Jones (1881–1956) neue Standards für Untersuchungen und deren Dokumentation entwickelt, die 1917 in Kraft getreten sind und denen die mehr als 100 000 Bewerber für den fliegerischen Dienst in den verschiedenen Untersuchungszentren Amerikas unterzogen wurden; der empirischen Basis dieser Standards und der Notwendigkeit für weitere Studien und Forschungen waren sich die Verantwortlichen dabei durchaus bewusst. Folgerichtig wurden im Oktober 1917 ein Aviation Medical Research Board (Flugmedizinischer Forschungsausschuss) eingerichtet und im Januar 1918 das erste amerikanische flugmedizinische Forschungslaboratorium auf dem Hazelhurst Fliegerhorst in Mineola, Long Islands eröffnet. Im März des gleichen Jahres wurde der Begriff „flight surgeon – Fliegerarzt“ etabliert und 1919 wurde ein luftfahrtmedizinisches Training für Sanitätsoffiziere eingerichtet [2]; [1].

Auch in den anderen kriegführenden Ländern war das Interesse zunächst auf die Eignungsfeststellung gerichtet [47].

In England diente insbesondere die Erkenntnis, dass im ersten Jahr des Krieges 90 % der Verluste an Luftfahrzeugen auf menschliches Versagen und von diesen etwa 60 % auf medizinische Probleme zurückzuführen waren, als Trigger für die Einführung medizinischer Tauglichkeitsuntersuchungen, die bereits ein Jahr später schon deutliche Erfolge zeitigten. Hier zeichnete Martin William Flack (1882–1931) dafür verantwortlich [47] und entwickelte eine Testbatterie von sehr leicht durchzuführenden, simplen Tests, die die Grundlage für die medizinische Eignungsprüfung bildeten.

In Frankreich wurden Standards für eine klinische Tauglichkeitsuntersuchung bereits 1912 von Pierre-Jules-Emile Beyne (1880–1968) entwickelt, die 1914 in Kraft traten [47]. Daneben entwickelten Jean Camus (1872–1924) und Henri Nepper 1915 eine Testmethodik für Flieger, die als erste in die Praxis eingeführte psychophysiologische Eignungsprüfung gilt [33]. 1918 wurde ein luftfahrtmedizinisches Laboratorium errichtet, das bereits eine Unterdruckkammer und eine Anlage besaß, in der die Wirkungen von Radialbeschleunigungen auf Flieger erforscht werden konnten [33].

Als Leiter des l'Istituto per l‘esame psicofisiologico degli aviatori (Institut für psychophysische Untersuchungen für Flieger) zeichnete Amedeo Herlitzka (1872–1949) [8] in Italien verantwortlich für die Fliegerauswahl [47]. Unterstützt wurde er dabei durch den Arzt und Priester Agostino Gemelli (1878–1959), der ein Verfahren zur psychologischen Einschätzung und Auswahl von Fliegern erarbeitet hat, in dem zunächst unter Laborbedingungen die psychomotorische Reaktionsfähigkeit, das Wahl­reaktions- und Aufmerksamkeitsverhalten sowie emotionale Reaktionen untersucht und in einem zweiten Schritt bei den Kandidaten während eines Versuchsfluges die Herz- und Atemfrequenz sowie der arterielle Blutdruck gemessen und mit Normwerten verglichen wurden [33]; [39]. Bei der medizinischen Untersuchung kam auch bereits ein, wenn auch einfacher Flugsimulator zum Einsatz, in dem das Wahlreaktionsverhalten getestet werden konnte [33].

In Russland wurde die Notwendigkeit einer medizinischen Untersuchung für fliegende Mitglieder des Aeroclubs durch einen Beschluss des Rates des Allrussischen Aeroclubs vom 14. Juli 1909 anerkannt. 1911 veranlasste die militärische Führung die „Beurteilung von Krankheiten und gesundheitlichen Mängeln, die mit dem Dienst in fliegenden Truppenteilen nicht vereinbar sind“ per Befehl. Die Verantwortung über die Durchführung oblag einer Flugmedizinischen Kommission. Forschungsarbeiten aus dieser Zeit beschäftigten sich mit klinischen, physiologischen und psychologischen Untersuchungen beim Fliegen in großen Höhen. Weitere Entwicklungsschritte erfolgten dann vor allem nach dem Krieg [33].

Schlussbemerkungen

Mit dem Ende des Krieges ging die wesentliche Triebkraft für einen weiteren technologischen Fortschritt in der Flugzeugindustrie zunächst verloren, auch das öffentliche Interesse an der Fliegerei nahm deutlich ab. Mangels Bedarfs kam es zum Zusammenbruch der fliegerärztlichen Untersuchungsstellen und psychophysiologischen Laboratorien, in denen zuvor die Auswahl von Militärpiloten erfolgte. Speziell in Deutschland taten der Versailler Vertrag, der zu gravierenden Einschnitten in der Luftfahrt des Landes führte, und die allgemeine Wirtschaftskrise ihr Übriges [40]; [23]. Damit war die Flugmedizin bar ihres Untersuchungsobjektes und ohne Arbeitsgegenstand. Das im Krieg gesammelte Wissen wurde jedoch in dem von Schjerning 1921/22 herausgegebenen umfangreichen „Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918“ aufgearbeitet und so für die Nachwelt erhalten [5]; [15]; [16]; [18]; [25]; [28]; [34]; [49]; [50]. Die wichtigste Erkenntnis für die Flugmedizin aber war eine, die in dieser Form noch heute unumschränkte Gültigkeit besitzt:

„Nicht daß man von einer noch so hohen vorgesetzten Dienststelle geschickt wird oder Professor oder Geheimrat ist, läßt den Flieger aus sich heraus kommen und offen erzählen, was er fühlt – viele jüngere Flieger erzählten mit Freude, wie sie die gelegentlich besuchenden Ärzte angeführt hätten –, sondern nur dann findet der Arzt, der etwas von ihnen erfahren will, volles Vertrauen, wenn er wirklich zur Zunft gehört und mitfliegt, und zwar nicht nur bei ruhigem Wetter, sondern bei jeder Gelegenheit; auch das mag als ärztliche Erfahrung des Weltkrieges künftigen Fliegerärzten gesagt sein.“ [28], S. 13–14

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Manuskriptdaten

Eingereicht: 25. Mai 2019
Nach Überarbeitung angenommen: 28. Juni 2019

Zitierweise
Lederhos C, Potempa H, Vollmuth R: Die Luftfahrtmedizin im Ersten Weltkrieg. WMM 2019; 63(10-11); S1–S16.

Für die Verfasser
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Carla Ledderhos
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Straße der Luftwaffe 322, 82256 Fürstenfeldbruck
E-Mail: carlaledderhos@bundeswehr.org

Manuscript data

Submitted: 25 May 2019
After revision accepted: 28 June 2019

Citation
Lederhos C, Potempa H, Vollmuth R: Aviation Medicine during World War I. WMM 2019; 63(10-11); S1–S16.

For the authors
Lieutenant Colonel (MC) Asst.-Prof. Dr. Carla Ledderhos
Air Force Centre of Aerospace Medicine
Strasse der Luftwaffe 322, D-82256 Fürstenfeldbruck
E-Mail: carlaledderhos@bundeswehr.org

 

1 Louis Hopewell Bauer war Leiter der School of Aviation Medicine der US Army und Autor des ersten, 1926 erschienenen Lehrbuchs für Luftfahrtmedizin, gründete 1929 die Aerospace Medical Association (AsMA) und war ihr erster Präsident sowie über 25 Jahre Herausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift der AsMA.