Wehrmedizinische Monatsschrift

Das etwas andere Explosionstrauma –
Klinisches Bild, Behandlung und
wehrmedizinische Relevanz von E-Zigarettenexplosionen

Alexander Kaltenborn a, b, Peter M. Vogt a, Nicco Krezdorn a

a Schwerbrandverletztenzentrum Niedersachsen, Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Medizinische Hochschule Hannover
b Bundeswehrkrankenhaus Westerstede, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Plastische, Hand- und Rekonstruktions­chirurgie

 

Einleitung

Seit ihrer Einführung zu Beginn dieses Jahrzehnts erfreuen sich E-Zigaretten nach wie vor zunehmender Beliebtheit. Bei E-Zigaretten handelt es sich um einhändig bedienbare Systeme, in denen eine mit Aromastoffen, Alkohol und Nikotin versetzte Flüssigkeit in inhalierbaren Dampf umgesetzt wird. Zumeist erfolgt die Energieversorgung durch Lithium-Ionen-Akkus. Diese sind zwar günstig produzier- und technisch anspruchslos einsetzbar, jedoch besteht das mittlerweile gut belegte Risiko, dass es durch Kontakt mit Metall oder selbstinduziert zur Explosion des Akkus und der Entflammung von umliegender Kleidung kommen kann. Dadurch treten durch E-Zigarettenexplosion verursachte Verbrennungen zunehmend häufig auf.

Nicht nur in der Fachliteratur, sondern insbesondere auch in der Presse ist dieses Thema vielfach diskutiert und es erscheinen regelmäßig in diversen Medien einzelne Fallberichte als auch Videos in sozialen Netzwerken und Plattformen. Internationale Daten weisen auf eine zunehmende Inzidenz hin. So erschien im Juni 2019 eine Übersichtsarbeit aus Großbritannien, in welcher über einen 2-Jahreszeitraum 90 Fälle untersucht wurden. Darüber hinaus liegt eine Arbeit mit Registerdaten aus den USA vor, welche 2035 mit E-Zigarettenexplosionen assoziierte Verletzungen zusammenfassen, die in US-Notaufnahmen zwischen 2015 und 2017 behandelt wurden. ROSSHEIM et al. betrachten jedoch keine klinischen Parameter, sondern lediglich die Inzidenz. Generell bekräftigen alle Autoren, dass es sich bei E-Zigarettenexplosionen um einen nicht zu unterschätzenden Traumamechanismus handelt, welcher zu ernsthaften, schweren Verletzungsbildern führen kann. So sind bisher 3 Fälle mit Todesfolge bekannt.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine Daten aus Deutschland verfügbar. Bei der vorgelegten Arbeit handelt es sich um die erste deutsche Studie zu dieser Entität. Darüber hinaus wird die wehrmedizinische Relevanz dargestellt und diskutiert.

Methodik

In der vorgestellten Beobachtungsstudie werden 46 Fälle von E-Zigarettenexplosionsverletzungen untersucht, welche konsekutiv beginnend vom 01. Juli 2016 bis zum 31. August 2019 in einem deutschen Verbrennungszentrum behandelt wurden. Aufgezeigt werden Patientenprofil, Charakteristika der Verletzungen sowie Behandlungsansätze und Ergebnisse.

Neben der Datenerhebung aus den elektronischen Patientenakten wurde eine standardisierte Telefonbefragung hinsichtlich des Langzeit-Outcomes durchgeführt. So konnten nach durchschnittlich 13 Monaten 67 % der Patienten befragt werden. Es wurde dokumentiert, ob die explodierten Geräte zum einen selbstständig manipuliert wurden und ob diese vom Fachhandel oder im Internet bezogen worden waren. Des Weiteren wurden Behandlungsarten und post-operative Komplikationen im Sinne von Wundheilungsstörungen erfasst und fotodokumentiert.

Neben der Darstellung deskriptiver Parameter wurden mittels inferentieller Statistik Risikofaktoren für höhergradige Verletzungsmuster sowie Risikofaktoren für ein schlechtes Outcome identifiziert. Zunächst erfolgte bei kontinuierlichen Variablen die Überprüfung auf Normalverteilung mittels Kolmogorov-Smirnov-Test. Es wurde dann entsprechend bei parametrischer Verteilung der Mittelwert und die Standardabweichung angegeben sowie der zweiseitige t-Test nach Student angewandt. Bei nicht-para­metrisch verteilten Daten wurde der Median und die ­Spannweite berechnet sowie der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Korrelationen zwischen kategorialen Variablen wurden mit dem Chi²-Test nach Pearson überprüft.

Ergebnisse

Alle eingeschlossenen Fälle hatten mindestens 2a-gradige Verbrennungen. Darüber hinaus wurde in 39 Fällen (85 %) eine 2b-gradige Verbrennung beobachtet. In 8 Fällen (17 %) kam es zusätzlich zu einer drittgradigen Verbrennungsverletzung. Hinsichtlich der demographischen Parameter waren signifikant häufiger Männer im Alter von 18-25 Jahren betroffen. 69 % der Fälle (n=32) betrafen singulär die Leistenregion, in 25 % (n=12) war die Hand betroffen. Bei 3 Patienten (7 %) wurde eine Gesichtsverbrennung beobachtet. 13 Patienten (42 %) gaben an, ihre E-Zigarette selbstständig manipuliert oder modifiziert zu haben. 79 % der befragten Patienten (n=25) hatten ihr Gerät im Internet erworben. Insgesamt zeigt die Inzidenz seit Beginn des Beobachtungszeit­raumes eine zunehmende Tendenz.

Die häufigsten Behandlungsstrategien waren operative Maßnahmen, so wurde bei allen Patienten ein Blasendebridement durchgeführt. 28 Patienten (61 %) erhielten im Verlauf eine tangentielle Nekrek­tomie mit anschließender Hauttransplantation. Bei 31 Patienten (67 %) wurde außerdem ein synthetischer Hautersatz aus Polyactid (Suprathel®) eingesetzt.

Es kam post-operativ zu 18 Fällen von Wundinfekten. Risikofaktoren für ein schlechtes Outcome hinsichtlich Wundheilungsstörungen waren der Grad der Verbrennungstiefe (p<0,001) sowie das Vorliegen einer begleitenden Einsprengung von Fremdkörpern (p=0,031). 91 % der Patienten (n=28) zeigten sich mit dem Ergebnis der Behandlung hinsichtlich des Narbengewebes zufrieden. Erstaunlicherweise gaben nur 62 % der Patienten (n=19) an, nach der Explosionsverletzung die Verwendung von E-Zigaretten eingestellt zu haben.

Die Abbildungen 1-3 zeigen ein Fallbeispiel von Verletzungen, welche sich ein 24-jähriger, männlicher Patient bei der spontanen, am ehesten selbstinduzierten Explosion einer E-Zigarette in der rechten Hosentasche zugezogen hat. Es kam zu 2b- bis drittgradigen Verbrennungen von 7 % der Körperoberfläche; betroffen waren beide Oberschenkel, die rechte Leiste, Skrotum und Penis.

Abb. 1: Verletzungsmuster bei Aufnahme im Verbrennungszentrum.

Abb. 2: Klinisches Bild nach initialem hydrotherapeutischem Blasendebridement.

Abb. 3: Vergrößerter Ausschnitt aus Abbildung 2 zeigt die unterschiedlichen Verbrennungstiefen 2b – 3.-gradig mit Penetration des Hautmantels durch Schrapnell.

Diskussion und Fazit

Es konnte gezeigt werden, dass E-Zigarettenexplosionen zu erheblichen, ernsten Verbrennungsverletzungen führen. Bisher nicht beschrieben war die Assoziation von Einsprengungen von Kleidung und Schrapnell als Komponente der mit E-Zigaretten assoziierten Verletzung und die Auswirkung auf Wundinfekte. Aufgrund der Daten sollte von der Nutzung manipulierter Geräte streng abgeraten werden; es ließ sich jedoch kein Unterschied feststellen, ob das Gerät vom Fachhandel oder aus dem Internet bezogen wurde. Überraschend ist, dass nahezu ein Drittel der Betroffenen nach wie vor E-Zigaretten verwendete.

Aus wehrmedizinischer Sicht ist die E-Zigarettenexplosion ein einer einsatzbedingten Verletzung erstaunlich nahekommendes Verletzungsmuster, bestehend aus einer Verbrennung und der Einsprengung von Materialien. Dies betrifft den Verbrennungs- und Verschmutzungsgrad im Sinne einer Kombinationsverletzung sowie das häufig betroffene Patientenklientel. In der Literatur konnte bereits an Beispielen aus den USA gezeigt werden, dass das klinische Bild der E-Zigarettenexplosionsverletzung dem einer Schrotschussverletzung stark ähnelt. Betroffen sind insbesondere Körperregionen, die im militärischen Kontext von hoher Relevanz sind, da hier kein Körperschutz getragen werden kann: Leisten und Oberschenkel, Hände und Gesicht. Daher wird postuliert, dass die anhand von Erfahrungen mit E-Zigaretten-assoziierten Verletzungen entwickelten Behandlungsalgorithmen auf Gefechtsverletzungen erfolgreich übertragen werden können.

Zu bedenken ist, dass schwere Explosionsverletzungen mit tiefer gehender Penetration von Schrapnell und einer Explosionsdruckwelle, wie sie gefechtsbedingt beobachtet werden, natürlich nicht mit eine E-Zigarettenexplosion vergleichbar sind.

Ein weiterer wichtiger Beitrag der Studie ist die Erkenntnis, dass es präventivmedizinischen Bedarf in den Streitkräften gibt, denn auch bei Soldatinnen und Soldaten erfreuen sich E-Zigaretten einer hohen Beliebtheit. Das Wissen über ein damit verbundenes Risiko, wie es in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden konnte, ist jedoch nicht verbreitet.

Literatur

  1. Jones CD, Ho W, Gunn E, Widdowson D, Bahia H. E-cigarette burn injuries: Comprehensive review and management guidelines proposal. Burns. 2019 Jun; 45(4): 763-771. mehr lesen
  2. Katz MG, Russell KW. Injury from E-Cigarette Explosion. N Engl J Med. 2019 Jun 20; 380(25): 2460. mehr lesen
  3. Rossheim ME, Livingston MD, Soule EK, Zeraye HA, Thombs DL. Electronic cigarette explosion and burn injuries, US Emergency Departments 2015-2017. Tob Control. 2019 Jul; 28(4): 472-474. mehr lesen
  4. Shastry S, Langdorf MI. Electronic Vapor Cigarette Battery Explosion Causing Shotgun-like Superficial Wounds and Contusion. West J Emerg Med. 2016 Mar; 17(2): 177-180. mehr lesen
  5. Trigger S, Coleman B. Social Media Mentions of Electronic Nicotine Delivery Systems (ENDS) Battery-Related Overheating, Fires, and Explosions: Findings from a Pilot Study. Int J Environ Res Public Health. 2019 Apr 12; 16(8): 1308. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Kaltenborn A, Vogt PM, Krezdorn N: Das etwas andere Explosionstrauma – Klinisches Bild, Behandlung und wehrmedizinische Relevanz von E-Zigarettenexplosionen (Vortrags-Abstract). WMM 2019; 63(12): 403-405.

 

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Dr. Alexander Kaltenborn, MHBA

Bundeswehrkrankenhaus Westerstede – Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Plastische, Hand- und Rekonstruktionschirurgie

Lange Str. 38, 26655 Westerstede

E-Mail: alexander.kaltenborn@bwk-westerstede.de

 

Der Beitrag wurde als Vortrag im Rahmen des Wettbewerbs um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis beim 50. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig am 11. Oktober 2019 mit dem 1. Preis ausgezeichnet.