Zivilmilitärische Zusammenarbeit
bei der Evaluation tropenmedizinischer Infektionsdiagnostik
Hagen Frickmanna
a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik XXI Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Außenstelle am BNTIM
Einleitung
Am 19. August 2005 wurde zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung, der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmmedizin (BNITM) ein Kooperationsvertrag über das Zusammenwirken auf dem Gebiet der Tropenmedizin und der Infektionsepidemiologie geschlossen. Neben der klinischen Zusammenarbeit regelt der Vertrag auch das Zusammenwirken auf den Gebieten von Forschung, Infektionsepidemiologie und Diagnostik.
Durch die Einsätze der Bundeswehr in tropischen Gebieten besteht für Einsatzrückkehrer ein Bedarf an gut evaluierten diagnostischen Testsystemen für tropische Infektionserreger. Das BNITM in Hamburg verfügt als Referenzzentrum für tropische Infektionserreger und Organisator zahlreicher Studien in den Tropen über einen in Deutschland einzigartigen Schatz an gut charakterisierten, seltenen Residual- und Referenzproben – eine wichtige Voraussetzung für aussagekräftige Testevaluationen.
Abb. 1: Strukturelement „Tropenmedizinische Mikrobiologie und Entomologie“ an der Außenstelle am BNITM als disloziertes Element der Klinik XXI Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg.
Seitens des Sanitätsdienstes der Bundeswehr wird die Kooperation mit dem Bereich Mikrobiologie und Parasitologie des BNITM durch das Strukturelement Tropenmedizinische Mikrobiologie und Entomologie, Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Hamburg, Außenstelle am Bernhard-Nocht-Institut, vertreten. Im Rahmen von Sonderforschungsprojekten wird diese Zusammenarbeit auch in multinationalen Kooperationen mit Leben erfüllt.
Abb. 2: In Europa bestehen internationale Kooperationen, u. a. mit Einrichtungen in Frankreich und der Schweiz, im Rahmen von wehrmedizinischen Sonderforschungsprojekten.
Molekulare Verfahren im Fokus
Ein Kooperationsschwerpunkt ist die Evaluation molekularer Verfahren zum Direktnachweis von Nukleinsäuresequenzen tropischer Infektionserreger. Im Fokus stehen dabei – neben wichtigen Protozoen wie den malariaverursachenden Plasmodien – auch exotischere Erreger, beispielsweise tropische enterische Protozoen oder vielzellige Parasiten wie Nematoden, Trematoden und Zestoden, deren Infestationen in Rückkehrern aus den Tropen sich teils erst erheblich verzögert bemerkbar machen.
Es erfolgt hierzu einmal monatlich ein molekulares Screening an gesammelten Proben mit in-house real-time PCRs im Stuhl von soldatischen Tropenrückkehrern (im Studienrahmen auch von Polizisten aus UN-Missionen). Das aktuelle Screening-Spektrum zeigt Abbildung 3.
Abb. 3: Experimentelle molekulardiagnostische Screeningoptionen aus Stuhlproben soldatischer Tropenrückkehrer zur Unterstützung für die klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzte des Fachbereichs Infektiologie und Tropenmedizin an der BNITM-Außenstelle der Klinik I Innere Medizin des BwKrhs´es Hamburg.
Weitere aktuelle Evaluationskooperationen mit dem BNITM beschäftigen sich beispielsweise mit Verfahren und Methoden zur molekularen Differenzierung der Malaria-tertiana-verursachenden Erreger Plasmodium ovale wallikeri und Plasmodium ovale curtisi sowie mit der molekularen Stufendiagnostik bei Verdacht auf Helmintheninfestationen.
Aus- und Weiterbildung
Erfahrungen mit tropenmedizinischer Spezialdiagnostik können über die bestehende Kooperation nicht nur erworben, sondern auch vermittelt werden. Seit Beginn der Zusammenarbeit mit dem BNITM sind die dort eingesetzten Sanitätsdienstsoldaten an der Gestaltung der einsatzvorbereitenden (EVB) Lehrgänge beteiligt. Hierzu gehört beispielsweise die Vermittlung erster Eindrücke der Mikroskopie von Protozoen mit Schwerpunkt auf Plasmodien, den Erregern der Malaria.
Die zivil-militärische Kooperation ermöglicht auf der Basis von Einzelabsprachen auch Aus- und Weiterbildungsrotationen für Assistenzärztinnen und -ärzte sowie medizinisch-technische Laborassistentinnen und -assistenten (MTLA) in der diagnostischen Laborinfrastruktur des BNIM. Hierbei sollten die Aus- und Weiterbildungszeiträume hinreichend lang konzipiert werden, in der Regel mindestens 6 Monate für MTLA und mindestens 12 Monate für ärztliches Personal. So kann erstens eine suffiziente Wissensvermittlung sichergestellt werden und zweitens stehen damit für das ausbildende BNITM Ausbildungsaufwand und eigener Benefit durch aktive Mitarbeit der Aus- und Weiterzubildenden in einem vertretbaren Verhältnis zueinander.
Abb. 4: Sanitätsoffiziere üben die Parasitenmikroskopie während des EVB-Lehrgangs Tropenmedizin, der derzeit viermal jährlich in Zusammenarbeit von Fachbereich Infektiologie und Tropenmedizin sowie Strukturelement Tropenmedizinische Mikrobiologie und Entomologie am BNITM ausgerichtet wird. Das BNITM stellt als Nationales Referenzzentrum (NRZ) für tropische Infektionserreger das für die diagnostischen Übungen benötigte Referenzprobenmaterial zur Verfügung.
Eigene Weiterbildungsermächtigung
Seit 2013 besteht am BNITM eine eigene Weiterbildungsermächtigung im Fachgebiet Mikrobiologie, Virologie und Infektiologie für insgesamt 12 Monate, die durch Sanitätsoffiziere gehalten und angeboten wird. Diese Weiterbildungsoption eignet sich besonders für fachlich fortgeschrittene Weiterbildungsassistentinnen und -assitenten, die nach bereits erfolgter breiter routinediagnostischer Basisausbildung an den diagnostischen Instituten und Kliniken im Sanitätsdienst eine Ergänzung und Spezialisierung mit tropenmedizinischem Schwerpunkt anstreben. Sanitätsoffiziere, die einen solchen Weiterbildungsabschnitt durchlaufen, werden regelhaft in kooperative diagnostische Evaluationsvorhaben integriert.
Fazit
Nach 14 Jahren hat sich die Kooperation zwischen BNITM und Sanitätsdienst im Bereich der tropenmedizinischen Mikrobiologie als „feste Institution“ bewährt. Durch den zeitlich unbefristet vereinbarten Kooperationsvertrag steht einer dauerhaften Fortführung dieser Erfolgsgeschichte wenig entgegen. Mithin ist die Kooperation mit dem BNITM zugleich ein Beispiel für aktiv gelebte zivil-militärische Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Frickmann H: Zivilmilitärische Zusammenarbeit bei der Evaluation tropenmedizinischer Infektionsdiagnostik (Vortrags-Abstract). 2020; 64(1): 32-33.
Verfasser
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Hagen Frickmann
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg – Klinik XXI Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Außenstelle am BNTIM
Bernhard-Nocht-Str. 74, 20359 Hamburg
E-Mail: hagenfrickmann@bundeswehr.org
Vortrag beim 50. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 10.-12. Oktober 2019