Wehrmedizinische Monatsschrift

Komplikationen bei der osteosynthetischen Frakturversorgung

Michéle Müllera; Patrick Wegela; Bernhard Karichb; Jörg Klewera; Thomas Horsta

a Westsächsische Hochschule Zwickau

b Heinrich-Braun-Klinikum, Zwickau

 

Hintergrund

Bei einer proximalen Femurfraktur besteht vor allem bei einem jungen Patientenkollektiv das Ziel der hüftkopferhaltenden Versorgung. Bei instabilen Frakturen (AO-Klassifikation 31A2 bzw. 31A3) mit aufgrund des destruierten Trochanter minor fehlender medialer Abstützung sind intramedulläre Verfahren (Proximaler Femurnagel (PFN), Gamma-Nagel) sinnvoll. Trotz Weiterentwicklung moderner Osteosyntheseverfahren sind auch heute noch Komplikationen zu verzeichnen. Aus Sicht der Qualitätssicherung sind nach dem Ishikawa-Prinzip Ursache und Wirkung in einer Kausalkette miteinander verknüpft, sodass das Versagen des Implantats und operationstaktische Fehler eng beieinanderliegen.

Methoden

Defekte und explantierte Femurnägel wurden mittels einer fraktografischen Analyse 1 der Bruchstelle genauer analysiert. Zusätzlich fand deutschlandweit eine anonyme schriftliche Befragung von Operateuren statt; in die Stichprobe einbezogen wurden die Operateure der zertifizierten „AltersTraumaZentren DGU®“und die Mitglieder der „AG Alterstraumatologie der DGU®“. Insgesamt konnten deutschlandweit 133 Kliniken ermittelt werden, aus denen sich insgesamt 122 Operateure (65 Kliniken) an der Befragung beteiligten. Beispielfragen mit der jeweiligen Antwortauswahl aus den versandten Fragebogen lauteten:

Worin sehen Sie Ursachen des Implantatbruches bei bisherigen intramedullären Implantaten?

Worin sehen Sie Ursachen des Osteosynthese-­Versagens ( z. B. Cut out) bei bisherigen intramedullären Implantaten?

Wie sicher fühlen Sie sich im Umgang mit dem entsprechenden Instrumentarium intramedullärer Verfahren, z. B. Bohrer?

Sehen Sie bei den entsprechenden Werkzeugen der intramedullären Verfahren Verbesserungspotential (Bspw. um eine Beschädigung des Nagels bei einer Bohrung zu vermeiden)?

Die Ergebnisse der beiden hier rot abgebildeten Fragen werden unten vorgestellt und waren auch Gegenstand der Posterpräsentation.

Abb. 1: Fraktografische Analyse der Rissausbreitung an einem defekten Femurnagel: Rissausbreitung mit ermüdungsbruchtypischen Rastlinien entlang der Bohrung der Schenkelhalsschraube.

Abb. 2: „Implanatationsnarbe“ an einem Femurnagel

Abb. 3: Antworten auf die Frage: „Worin sehen Sie Ursachen des Implantatbruches bei bisherigen intramedullären Implantaten?“; Mehrfachnennungen waren möglich.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der fraktografischen Analyse zeigten, dass es sich bei der Mehrzahl der Implantatbrüche um einen Ermüdungsbruch (Dauerbruch) handelte, d. h. ein Bruch meist nicht durch plötzliche Überbelastung des Implantats verursacht wird, sondern durch wiederholte Grenzwertbelastungen (schwingende Beanspruchungen) bzw. Mikroverformungen an der späteren Bruchstelle entsteht (Abbildung 1). Eine Vorschädigung durch das Instrumentarium bei der Implantation kann dabei die Lebensdauer des Implantats drastisch verringern (Abbildung 2).

Dem gegenüber stehen die Angaben der Befragungsteilnehmer zum Handling mit dem Instrumentarium (z.B. Bohrer). Hier fühlten sich 85% sehr sicher im Umgang.

In der Befragung wurden die Gründe eines Implantatbruches aus Sicht der Operateure ermittelt. Von den Befragungsteilnehmern gaben 53% menschliche Fehler, z. B. Fehlbohrungen, als Hauptursache an (Abbildung 3).

Fazit / Ausblick

Der Operateur nimmt einen bedeutenden Einfluss auf den Behandlungserfolg. Deshalb gilt es vor allem, menschlichen Fehlern entgegenzuwirken (Schulungen, Instruktionen, Software-Unterstützung). Des Weiteren sollte das Instrumentarium konstruktiv angepasst werden, damit Vorschädigungen des Implantats vermieden werden.

Eine weitere Möglichkeit, um die Auswirkungen von Beschädigungen am Implantat einzudämmen, ist die Anwendung von Methoden zur Oberflächenverfestigung, wie sie im Maschinenbau und in der Luft- und Raumfahrttechnik Anwendung finden.

Literatur

  1. Jaeschke-Melli S, Hedke J, Meiners J et al.: Standards in der Versorgung proximaler Femurfrakturen. Trauma Berufskrankheiten 2013; 15: 119–128. mehr lesen
  2. Karich. B: Fehlheilungen und Pseudarthrosen am proximalen Femur. Trauma Berufskrankheiten 2015; 18 [Suppl 2]: 193–202. mehr lesen
  3. Tiemann AH, Hofmann GO: Osteosynthesen hüftgelenknaher Frakturen. Komplikationen und Vermeidungsstrategien. Trauma und Berufskrankheit 2013; 15 [Suppl 1]: 48–51. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Müller M, Wegel P, Karich B, Klewer J, Horst T: Komplikationen bei der osteosynthetischen Frakturversorgung (Poster-Abstract). WMM 2020; 64(1): 34-35.

Für die Verfasser

Michéle Müller, M.Sc.

Westsächsische Hochschule Zwickau

Kornmarkt 1, 08056 Zwickau

E-Mail: michele.mueller@fh-zwickau.de

Der Beitrag wurde als Poster beim 50. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (Leipzig, 10.-12. Oktober 2019) präsentiert und belegte beim Posterwettbewerb der Gesundheitseinrichtungen den zweiten Platz.


1 Fraktografie ist die Beschreibung und Beurteilung von Bruchflächen. Die makroskopisch und vor allem mikroskopisch (ggf. auch elektronenmikroskopisch) festgestellte Struktur der Bruchflächen lässt Rückschlüsse auf die Bruchursache (Gewaltbruch mit plötzlicher Einwirkung einer die Widerstandskraft des Materials überschreitenden Kraft, Dauerbruch durch wiederholte Grenzwertbelastungen (schwingende Beanspruchungen) bzw. Mikroverformungen an der späteren Bruchstelle) zu. Auch lassen sich Anbruchstellen, die aus Beschädigungen der ­Oberfläche resultieren, auf diese Weise feststellen.