Wehrmedizinische Monatsschrift

In vitro Untersuchungen zum Einfluss
von Schwefel-Lost auf die Melanogenese

Katharina Müller-Dotta, b, Cornelia Muschika, Tanja Poppa, b, Horst Thiermanna, Dirk Steinritza, b

a Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, München

b Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, München

c Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München

a HELIO Vogtland-Klinikum Plauen GmbH, Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie

b Sanitätsregiment 1, Weißenfels

 

Hintergrund

Schwefel-Lost (S-Lost), auch Senfgas genannt, ist ein chemischer Kampfstoff, der nach Hautkontakt zu Schäden in allen epidermalen Zellen führt. Unter anderem sind auch Melanozyten betroffen, welche für die Melaninsynthese verantwortlich sind.

Nach Exposition mit S-Lost können bei den betroffenen Patienten sowohl Hypo- als auch Hyperpigmentierungen auftreten. Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen wurden bisher nicht aufgeklärt. In der vorgestellten Studie wurde daher die Wirkung von S-Lost auf humane Melanozyten und die Melanogenese untersucht.

Methodik

Als in vitro Modell wurden für die Studie normale humane epidermale Melanozyten (NHEM) verwendet. Zunächst wurde die Zytotoxizität von S-Lost mittels XTT-Assay bestimmt. NHEM wurden dann verschiedenen S-Lost Konzentrationen (4,5 bis 100 μM) ausgesetzt, das Melanin wurde am Tag 1 oder Tag 4 nach S-Lost Exposition extrahiert.

Zusätzlich wurden Western Blot Analysen und qPCR Experimente durchgeführt, um die Expression bestimmter Proteine (z. B. Tyrosinase, Tyrosinase-verwandtes Protein (TRP) 1 und 2 sowie der Mikrophthalmie-assoziierte Transkriptionsfaktor (MITF)), die an der Melaninsynthese beteiligt sind, zu bestimmen (Abbildung 1).

Abb. 1: Schema der Melanogenese (modifiziert nach D‘Mello et al.: Signaling pathways in melanogenesis. Int J Mol Sci. 2016; 17(7): 1144)

Ergebnisse

Der Melaningehalt zeigte am Tag 1 nach S-Lost Exposition keinen signifikanten Unterschied zwischen den Kontrollen und der S-Lost Gruppe. Jedoch führte eine Exposition mit niedrigen S-Lost Konzentrationen (bis zu 12,5 μM) am Tag 4 zu einem signifikanten Anstieg des Melaningehaltes, während die Melaninproduktion für S-Lost Konzentrationen oberhalb der LC50 abnahm (Abbildung 2).

Abb. 2: Normalisierter Melaningehalt an Tag 1 und 4 nach S-Lost Exposition (n=5)

Dieses Ergebnis wurde weiter durch die Analyse von Tyrosinase, MITF, TRP1 und TRP2 gestützt, welche einen Anstieg der Expression bei niedriger S-Lost Konzentration und eine Abnahme der Expression bei höheren S-Lost Konzentrationen bereits am ersten Tag zeigten.

Diskussion und Fazit

Die erzielten Ergebnisse der Protein- und Genexpression bekräftigten die zuvor bestimmten Melaninkonzentrationen und zeigten, dass die Exposition mit niedrigen S-Lost Konzentrationen zu erhöhten Melaninspiegeln führte, welche eine Hyperpigmentierung verursachen können. Höhere S-Lost Konzentrationen führten zu einer Abnahme der Melaninsynthese. Dies könnte hypopigmentierte Hautbereiche bei Patienten mit S-Lost Exposition erklären.

Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Enzyme, die eine wichtige Rolle bei der Pigmentierung spielen, durch S-Lost beeinflusst wurden. Diese Ergebnisse liefern eine pathophysiologische Grundlage für die klinisch beobachteten Auswirkungen durch S-Lost induzierte Pigmentierungsstörungen.

Literatur

  1. D’Mello S, Finlay G, Baguley B, Askarian-Amiri M: Signaling pathways in melanogenesis. Int J Mol Sci 2016; 17(7): 1144. mehr lesen
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Manuskriptdaten

Zitierweise

Müller-Dott K, Muschik C, Popp T, Thiermann H, Steinritz D: In vitro Untersuchungen zum Einfluss von Schwefel-Lost auf die Melanogenese (Poster-Abstract). WMM 2020; 64(1): 38-39.

Für die Verfasser

Katharina Müller-Dott, M. Sc.

Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundewehr

Neuherbergstr. 11, 80937 München

E-Mail: katharina1 muellerdott@bundeswehr.org

Posterpräsentation beim 50. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 10.-12. Oktober 2019