Wehrmedizinische Monatsschrift

Berufskrankheit (BK) 5103 – Hautkrebs durch
beruflich bedingte UV-Belastung im Polizeidienst

Lutz Kowalzicka, b, Svetoslava Troyanova-Slavkovaa

a HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH, Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie

b Sanitätsregiment 1, Weißenfels

 

Einleitung

Berufsbedingter Hautkrebs kann z. B. durch die indus­trielle Exposition gegenüber chemischen Karzinogenen ausgelöst werden; heutzutage ist jedoch auch die berufliche Exposition gegenüber UV-Strahlung wichtig.

Berufsbedingter Hautkrebs ist durch lange Induktionsperioden (Jahre oder Jahrzehnte) gekennzeichnet. Seine erste Manifestation tritt oft viele Jahre nach beruflicher Exposition auf und/oder sogar erst dann, wenn die betroffenen Personen beruflich schon mehr oder weniger lange Zeit nicht mehr exponiert sind.

Definition

Die Berufskrankheit (BK) 5103 der Haut bezeichnet

Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische ­Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung.

Dieses wird durch die Erkenntnis begründet, dass es zu einer Verdopplung der Hautkrebsrate kommt, wenn neben der privaten (nicht versicherten) natürlichen UV-Exposition zusätzlich eine mindestens 40 %ige berufliche (versicherte) UV-Exposition zu verzeichnen ist. Wird diese Schwelle überschritten, kann die Erkrankung aus Sicht der Expositionserfassung als Berufskrankheit anerkannt werden. Die Berechnung der beruflichen UV-Exposition in einer definierten Zeiteinheit erfolgt nach der Wittlich`schen Formel. Hierbei werden berücksichtigt:

Fallvorstellung

Zwei Polizeibeamte des Freistaates Sachsen wurden von der zuständigen Landesbehörde zur Begutachtung auf das Vorliegen einer BK 5103 zugewiesen.

Abb. 1: Multiple hyperkeratotische und erythematöse Aktinische Keratosen (Feldkanzerisierung) am Capillitium, mit Biopsieentnahmestelle zur histologischen Diagnosesicherung

Fall 1

Ein 63-jähriger Beamter war 3 Jahre als Bereitschaftspolizist, 17 Jahre als Verkehrspolizist und 22 Jahre als Krad-Fahrer bei der Verkehrspolizei tätig. Er kam damit auf insgesamt 23,5 volle Outdoor-Berufsjahre.

Bei ihm wurden insgesamt 27 aktinischen Keratosen (in-situ-Karzinome) im Bereich des Halses, des Nackens, der Stirn-Haargrenzen und der Ohren diagnostiziert, histologisch gesichert und behandelt. Aktuell bestanden aktinische Keratosen mit einer Fläche von insgesamt 6 cm2.

Nach der Wittlich´schen Formel konnte eine zusätzliche beruflich bedingte UV-Belastung von etwa 54 % berechnet werden. Dazu bestand mit mehr als 5 aktinischen Keratosen bzw. mit mehr als 4 cm2 Fläche eine Feldkanzerisierung.

Das Vorliegen einer BK 5103 war zu bejahen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) war mit < 10 % zu veranschlagen.

Fall 2

Der 58-jährige Beamte hatte nach einer 3-jährigen Maurerlehre 8 Jahre Wehrdienst als Transportfahrer in der NVA geleistet und war danach 3 Jahre als Einsatzbeamter und 26 Jahre als Streifenpolizist tätig. Er zeigte insgesamt 6-8 Aktinischen Keratosen im Bereich der Stirn und der Schläfen mit einer Gesamtfläche von 9 cm2.

Nach der Wittlich´schen Formel konnte eine zusätzliche beruflich bedingte UV-Belastung von 26 % im Polizeidienst errechnet werden, zu der 13 % für die während der Maurerlehre bzw. als NVA-Kraftfahrer zusätzlich erworbene Belastung zu addieren waren. Die gesamte zusätzlich erworbene beruflich bedingte UV-Belastung lag unter 40 %, womit das Vorliegen einer BK 5103 trotz der Diagnose von mehr als 5 aktinische Keratosen (bzw. einer Gesamtfläche von mehr als 4 cm2) zu verneinen war.

Abb. 2: Plattenepithelkarzinom (Spinaliom, spinozelluläres Karzinom) mit massiver Hyperkeratose (Cornu cutaneum, Hauthorn) an der Helix des linken Ohres

Diskussion und wehrmedizinische Relevanz

Das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung analog BK 5103 kommt bei entsprechender langjähriger dienstlicher Outdoor-Tätigkeit grundsätzlich auch bei Soldatinnen und Soldaten in Betracht. Hierbei wären vor allem Einsatzzeiten in subtropischen oder tropischen Gebieten oder im Hochgebirge besonders zu beachten. Deshalb müssen angemessene Präventionsstrategien umgesetzt werden.

Zur Berechnung der Wittlich´schen Formel werden u. a. Kenntnisse der Länge der Outdoor-Dienstzeiten in den lokalen Jahreszeiten, der geographischen Breite, der Höhe über dem Meeresspiegel, der Umgebung (z. B. Schnee, Sand, Meeresoberfläche) und der Dienstbekleidung benötigt. Diese werden sich nicht immer lückenlos aus den Personalunterlagen rekonstruieren lassen, so dass einer gründlichen und ausführlichen Anamnese besondere Bedeutung zukommen wird.

Abb. 3: Bei der Berechnung der zusätzlichen berufsbedingten UV-Exposition sind Einsätze in tropischen und subtropischen Regionen besonders zu berücksichtigen.

Prävention bedeutsam

Die folgenden drei Maßnahmen sind erfolgreich und von besonderer Bedeutung für die Prävention von berufsbedingtem Hautkrebs bei Beschäftigten im Freien:

  1. Verhaltensänderungen mit Schärfung des Bewusstseins gegenüber der Wirkung natürlicher UV-Strahlung
  2. Schutz vor direkter UV-Strahlung durch Tragen geeigneter Kleidung
  3. Regelmäßige und korrekte Verwendung geeigneter Sonnenschutzmittel

Literatur

  1. Bauer A: Hautkrebs als Berufserkrankung. Der Hautarzt 2016; 67: 884-890. mehr lesen
  2. Braakhuis BJ, Tabor MP, Klummer JA, Leemans CR, Brakenhoff RA: A genetic explanation of Slaughter's concept of field cancerization: evidence and clinical implications. Cancer Res 2003; 63(8): 1727-1730. mehr lesen
  3. Diepgen TL, Bauer A, Bernhard-Klimt C et al.: (2015) Minderung der Erwerbsfähigkeit bei BK 5103 „ Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung. Dermatologie in Beruf und Umwelt 2015; 63(1): 3-7. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Kowalzick L, Troyanova-Slavkova S: Berufskrankheit (BK) 5103 – Hautkrebs durch beruflich bedingte UV-Belastung im Polizeidienst. WMM 2020; 64(1): 40-41.

Für die Verfasser

Oberstarzt d. R. Prof. Dr. Lutz Kowalzick

HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie

Röntgenstr. 2, 08529 Plauen

E-Mail: lutz.kowalzick@helios-gesundheit.de

Posterpräsentation beim 50. Jahreskongresse der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 10.-12. Oktober 2019