Prolonged Field Care Augenverletzter –
Welche Zielgruppe profitiert von der Fortbildung?
Frank Weinanda
a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik für Augenheilkunde
„Man kann zwar auf Kunstbeinen laufen, aber nicht mit Kunstaugen sehen.“
R. Hartleib: Drei Jahre Feldchirurgie.
KlinMonBlAugenheilk 1943; 109: 803-810)
Hintergrund
Die Diagnostik und Therapie akuter Augenverletzungen in der präklinischen Phase, also bevor ein Facharzt die Behandlung des Patienten übernehmen kann, ist Gegenstand einer Vortragsserie im Rahmen der Ausbildung von Sanitätspersonal der Bundeswehr. Ziel dieser Maßnahme ist es, das Personal in die Lage zu versetzen, die verschiedenen Verletzungsmuster im Bereich der Augen zu erkennen, ggf. eine sofortige Therapie einzuleiten und die/den betroffenen Patienten, in eine fachärztliche Versorgung zu überstellen, ohne durch möglicherweise falsche Maßnahmen einen weiteren Schaden zu generieren.
Shield and Ship – bis auf Ausnahmen
Das Grundprinzip der Behandlung Augenverletzter durch nicht-augenärztliches Personal beruht auf den beiden Maßnahmen
- Auge schützen und
- Patienten (zum Augenarzt) abtransportieren.
Hiervon gibt es wenige Ausnahmen, nämlich
- Verätzungen und Verbrennungen und
- das orbitale Kompartmentsyndrom.
Beide Verletzungsarten erfordern sofortiges Handeln (Spülung bzw. Druckentlastung), was im Rahmen der Ausbildung eingehend erörtert wird.
Wer profitiert von der Ausbildung?
Eine Evaluation dieser Veranstaltung sollte die Frage beantworten, welche Zielgruppe (Sanitätsstabsoffiziere Arzt (SanStOffzA) und/oder Angehörige der Assistenzberufe (SanUffz/SanFw)) von dieser Ausbildung profitiert.
Material und Methoden
Die Veranstaltungsserie wurde anonymisiert durch Befragung aller daran Teilnehmenden evaluiert. Bisher konnten 224 Soldatinnen und Soldaten mit Qualifikationen vom Ersthelfer B bis zum Rettungsmediziner die Ausbildungsmaßnahme absolvieren. Der diesen vorgelegte Bewertungsbogen beinhaltete 6 Fragen, die jeweils mit einer Note von 1 (trifft für mich voll zu) bis 5 (trifft für mich gar nicht zu) beantwortet werden konnten. Eine 7. Frage („Was ist besonders gut, was ist besonders schlecht an der Veranstaltung?“) bot die Möglichkeit zur Freitexteingabe.
An der Evaluierung nahmen 180 SanUffz/SanFw und 44 SanStOffzA teil.
Die Fragen 1-6 sowie die Ergebnisse in den beiden Befragungsgruppen sind in Tabelle 1 dargestellt.
Tab. 1: Fragen 1-6 des Evaluationsbogens und Mittelwerte der vergebenen Noten in den beiden Teilnehmergruppen; die Bewertungsunterschiede bei den Fragen 1, 2, 5 und 6 (grün hinterlegt) waren nach dem Ergebnis des Z-Tests hochsignifikant.
Nr. |
Frage |
SanStOffz Arzt (n= 44) |
SanUffz SanFw (n= 180) |
1 |
Die Inhalte der Vorlesung sind für meine Tätigkeit relevant. |
1,52 |
2,23 |
2 |
Die fachspezifischen Lernziele wurden in der Vorlesung vermittelt. |
1,16 |
1,39 |
3 |
Der Dozent konnte den Stoff gut vermitteln. |
1,25 |
1,27 |
4 |
Das verwendete Lehrmaterial war hilfreich. |
1,41 |
1,45 |
5 |
Ich kann die Veranstaltung weiterempfehlen. |
1,20 |
1,43 |
6 |
Die Vorlesung halte ich als Vorbereitung für den Einsatz für sinnvoll. |
1,20 |
1,68 |
Abb. 1: Bei Verätzungen ist die unmittelbare Verdünnung der Ätzflüssigkeit essenziell für die spätere Funktion des Auges. Man kann z. B. mit einer NaCl-Infusionslösung, die auf jedem Krankenwagen/BAT verfügbar ist, vom medialen Lidwinkel aus kontinuierlich bis zur Übergabe an den Facharzt die Augenoberfläche spülen. Verätzungen des Auges erfordern sofortiges und konsequentes Handeln!
Abb. 2: Das orbitale Kompartmentsyndrom, verursacht durch para- und retrobulbäre Blutungen (Pfeil im CT-Bild links) in die abgeschlossene Orbita (Kompartment) führt zu einer massiven Durchblutungsstörung des Auges. Ohne rasche Druckentlastung durch laterale Kanthothomie und inferiore Kantholyse (Bild rechts) innerhalb der ersten Stunde ist die Funktion des Auges meistens verloren.
Ergebnisse
Bei den Fragen 1-6 wurden je Gruppe die Mittelwerte gebildet und die Standardabweichungen berechnet (letztere hier nicht dargestellt). Zur Prüfung, ob die Unterschiede bei den Bewertungen signifikant sind, wurde wegen der unterschiedlichen Stichprobenumfänge der Z-Test angewandt.
Als wesentliches Ergebnis ist festzustellen, dass SanStOffzA die Inhalte und fachspezifischen Lernziele sowie den persönlichen fachlichen Gewinn im Hinblick auf ihre Vorbereitung auf einen Einsatz signifikant höher bewerteten als die teilnehmenden SanUffz/SanFw.
Fazit
Ausbildungshöhe und daraus resultierender Verantwortungsgrad der an der Vortragsreihe „Prolonged Field Care Augenverletzter“ Teilnehmenden korrelieren mit deren Bewertung der Relevanz des vermittelten Wissens für die eigene Einsatzvorbereitung. Dieses ist eher nicht in der Qualität von Lehrenden und Lernmaterial bedingt (kein Unterschied bei den Fragen 3 und 4), sondern in der behandelten Thematik an sich.
Zur effektiven Nutzung beschränkter Ausbildungsressourcen in der Augenheilkunde sollten deshalb zukünftig in erster Linie Notfallmediziner als Multiplikatoren an der Ausbildungsmaßnahme teilnehmen.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Frank Weinand: Prolonged Field Care Augenverletzter – Welche Zielgruppe profitiert von der Fortbildung? (Vortrags-Abstract). WMM 2020; 64(1): 44-45.
Verfasser
Oberstarzt Dr. Frank Weinand
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Klinik für Augenheilkunde
Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz
E-Mail: frankweinand@bundeswehr.org
Vortrag beim 50. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 11. Oktober 2019