Wehrmedizinische Monatsschrift

ORIGINALARBEIT

Die deutschsprachige Version der Combat Exposure Scale (D-CES) – erste psychometrische Validierung

German version of the Combat Exposure Scale ( D-CES) – first psychometric validation

Fred Zimmermann a, b, Harald Walach c, d, e, f, Rainer Schubmann f, Niko Kohls g

a Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Medizinische Psychologie, München

b PROPresence – Spin-off der Ludwig-Maximilians-Universität München, Bad Tölz

c Medizinische Universität Poznan, Abt. Pädiatrische Gastroenterologie, Poznan, Polen

d Universität Witten-Herdecke, Dept. Psychologie, Witten

e Change Health Science Institute, Berlin

f Dr. Becker Klinik Möhnesee, Möhnesee

g Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg, Fachbereich Gesundheitsförderung, Coburg

 

Zusammenfassung

Einleitung: Zur Erfassung potenzieller stress- und traumarelevanter Erfahrungen in militärischen Einsätzen wurde 1989 in den USA der Combat-Exposure-Scale (CES) entwickelt, der einsatzspezifische Belastungen erfasst, die potenziell zu einer Psychotraumatisierung führen können. Eine validierte deutschsprachige Version des CES stand bisher nicht zur Verfügung.

Methode: Die deutschsprachige Version der CES (D-CES) wurde an einer Stichprobe von N = 130 Soldatinnen und Soldaten und anderem Personal der Bundeswehr (Alter: 34,3 Jahre (SD =10.4); Frauenanteil: 11,5 %) validiert, die wegen einer einsatzbezogenen Stressbelastung an einer präventiven psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen haben. Die D-CES erfasst die objektiv vorhandenen potenziellen Belastungsfaktoren im Kontext militärischer Einsätze anhand von 7 Items, die zu einem Summenwert aufaddiert werden. Die Daten der Skala wurden einer klassischen psychometrischen Analyse unterzogen, die ursprünglich gefundene Eindimensionalität der Skala wurde überprüft und konvergente bzw. divergente Korrelationen zur Konstruktvalidierung errechnet.

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Faktorenanalyse legten eine Generalfaktorlösung im Sinne allgemeiner ­Exposition nahe, die 38,7 % der Varianz aufklärt. Der Skalenmittelwert der D-CES betrug 10,7 (SD = 3,4) und lag damit bei einem theoretischen Range von 7-35 im unteren Bereich, was vermutlich eine Folge der Einsatzszenarien ist.

Die interne Konsistenz war mit Cronbach`s Alpha = 0,70 noch akzeptabel. Da die Korrelationsanalyse mit anderen Skalen mit Ausnahme des Sense of Coherence (r = 0,19, p = 0,028) und der Perceived Stress Ques­tionnaire (r = -0,16; p = 0,07) keine signifikanten Ergebnisse brachten, spricht dies im Sinne der divergenten Konstruktvalidität für die Eigenständigkeit der Skala.

Fazit: Insgesamt belegen die Daten, dass die D-CES ein nützliches und ausreichend reliables Instrument darstellt, mit dem die objektive Exposition gegenüber psychotraumarelevanten Erlebnissen im militärischen Kontext in ähnlicher Weise wie der englischsprachigen Originalskala erfasst werden kann.

Stichworte: Combat Exposure Scale, Validierung, CES, Psychotraumatologie

Summary

Introduction: The Combat Exposure Scale (CES), which was developed in 1989 in the USA to measure combat related experiences that might become relevant as triggers for trauma.

Methods: A German language version of the CES (D-CES) was psychometrically analyzed in a sample of 130 soldiers and other military personnel who had been exposed to combat related stress during military deployments of the Bundeswehr and were sent for a preventive rehabilitation treatment as a consequence of suffering from stress related symptoms (mean age: 34.3 years; standard deviation 10.4 years; 11.5 % women). The scale was translated from the original US version. It measures combat related stress experiences with 7 items that are summed to represent combat exposure.

Results: A classical psychometric analysis revealed satisfactory reliability (Cronbach’s Alpha = .70) and a single factor that represents 38.7 % of the common variance. The scale has a mean value of 10.7 (SD = 3.4) and thus ranges at the lower end of the theoretical range (7-35) in this sample, presumably due to the actual deployment scenarios. Correlation analysis with other constructs revealed small significant correlations only with Sense of Coherence (r = .19, p = 0.028) and the Perceived Stress Questionnaire (r = -.16, p = 0.07), and thus points to a unique contribution of the scale in the sense of divergent validity.

Conclusion : We conclude that the D-CES is a useful and valid instrument with satisfactory reliability to measure exposure due to combat stress during military deployments.

Keywords: Combat Exposure Scale, validation, CES, psychotraumatology

Einführung

Traumatische Erfahrungen im Zusammenhang mit militärischen Einsätzen wurden auch für Angehörige der Bundeswehr in den letzten Jahren in Folge des deutschen Engagements bei UN- oder NATO-Einsätzen im Ausland Realität. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) haben zugenommen, von 100 Patientenkontakten wegen einsatzbedingter psychischer Störungen im Jahre 2004 auf 1750 im Jahre 2015 [4]. Eine neuere Studie von ­WESEMANN et al. ergab, dass durchschnittlich über 340 Soldatinnen und Soldaten jährlich aufgrund einer einsatzbedingten psychischen Störung neu diagnostiziert werden [21]. Das hat aber nicht nur höheren therapeutischen Bedarf zur Folge, sondern erfordert auch erweiterte und wissenschaftlich validierte diagnostische Instrumentarien.

Zum frühzeitigen Aufdecken des individuellen PTBS-Risikos wurde in den USA die „Combat Exposure Scale (CES)“ entwickelt, die potenziell trauma- und stress-relevante Erfahrungen im Einsatzgebiet erfasst [10]. Diese Skala erfasst mit 7 Fragen die kampfeinsatzspezifische Belastung, die möglicherweise zu einer Traumatisierung führen kann, dieses aber nicht notwendiger Weise muss.

Alle derzeit akzeptierten Modelle zur Erfahrung von Stress oder Trauma gehen davon aus, dass die äußere – objektive – Situation nur ein Element darstellt, von zentraler Bedeutung aber die innerpsychische Verarbeitung dieser Erfahrungen ist. Dies spiegelt sich auch in der Unterscheidung von „objektiven Belastungen“ aufgrund äußerer Ereignisse und individualpsychologischen Reaktionen im Sinne von subjektiver Beanspruchung wider, deren Kombination die physische und psychische Gesamtbelastung eines Individuums konstituiert [15]. Diese Verarbeitung ist naturgemäß abhängig von persönlichen Kompetenzen und Faktoren, aber auch institutionellen und sozialen Ressourcen [12][13] bzw. salutogenen Faktoren, die mit den objektiven Stressoren interagieren [2]. ANTONOVSKY konnte mit seinen Studien bei Pionieren und anderen Armeeangehörigen in Israel zeigen, dass selbst objektiv enorm stark belastete Personen gesund bleiben können, während andere, objektiv weniger belastete Personen, erkranken [1].

Obwohl Fragen nach den internalen Kompetenzen und Ressourcen im Sinne der Gesundheitsförderung in der letzten Zeit verstärkt in den Blickpunkt geraten sind, ist es dennoch sinnvoll, ein psychometrisch valides Messverfahren für die einsatzbedingten objektivierbaren Belastungen zu haben, damit Therapeuten oder medizinisches Personal sich rasch ein Bild über die relevanten Belastungsfaktoren machen können. Diesen Zweck erfüllt die „Combat Exposure Scale“ [10], die die objektiv vorhandenen potenziellen Belastungsfaktoren im Kontext militärischer Einsätze erfasst und in den USA standardmäßig im Einsatz ist.

Im Rahmen einer Studie zur Effektivität von achtsamkeitsbezogenen Interventionen bei Bundeswehrangehörigen mit potenziellen psychischen Belastungen wurde die vorliegende englische Version der CES [11] für den deutschen Sprachraum adaptiert. Wir berichten hier vom ersten Einsatz und den psychometrischen Eigenschaften dieser adaptierten Skala 1 . Da eine weit verbreitete Skala zur Messung von Depression, die „Center for the Epidemiologic Study of Depression“ Skala ein ähnliches Akronym hat (CESD, auf Deutsch „Allgemeine Depressionsskala ADS“), haben wir als Akronym die Abkürzung D-CES (Deutsche „Combat Exposure Scale“) gewählt.

Methode

Übersetzung und Format

Die englische Version der Combat Exposure Scale [10][11] wurde durch den Erstautor ins Deutsche übersetzt; die Übersetzung wurde anschließend von mehreren englisch muttersprachlichen Gastwissenschaftlern, die fließend Deutsch sprachen, im Sinne einer Forward-Backward-Übersetzung in mehreren Iterationen überprüft und korrigiert, bis eine sprachlich einwandfreie und sachlich angemessene Übersetzung der Skala vorlag. Daraus ergaben sich die 7 Items (Originalfrage in Rot in eckigen Klammern):

  1. Haben Sie jemals an Patrouillen teilgenommen oder hatten einen anderen gefährlichen Auftrag? – [Did you ever go on combat patrols or have other dangerous duty?]
  2. Standen Sie jemals unter feindlichem Beschuss? – [Were you ever under enemy fire?]
  3. Wurden Sie jemals von feindlichen Kräften eingeschlossen? – [Were you ever surrounded by the enemy?]
  4. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Soldaten Ihrer Einheit, die getötet oder verwundet wurden bzw. als vermisst gelten? – [What percentage of soldiers in your unit were killed (KIA), wounded, or missing in action (MIA)?]
  5. Wie oft haben Sie auf feindliche Kräfte geschossen? – [How often did you fire rounds at the enemy?]
  6. Wie oft haben Sie gesehen, dass jemand vom eigenen oder feindlichen Feuer getroffen wurde? – [How often did you see someone hit by incoming or outgoing rounds?]
  7. Wie oft waren Sie in Gefahr, verwundet oder getötet zu werden (z. B. von feindlichen Kräften niedergehalten zu werden, überrannt zu werden, in einen Hinterhalt zu geraten, beinahe mit feindlichen Kräften zusammenzustoßen, etc.)? – [How often were you in danger of being injured or killed (i.e. being pinned down, overrun, ambushed, near miss, etc.)?]

Die Items werden anhand einer fünfstufigen Skalierung mit entsprechenden numerischen Schätzungen quantifiziert und die Bewertungen am Ende zu einem Gesamtwert aufaddiert. Der verwendete Fragebogen ist in Abbildung 1 dargestellt.

Teilnehmer, Setting und Messinstrumente

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, bei denen ärztlicherseits die ICD-Diagnose einer einsatzbezogenen Stressbelastung (ICD Z23) gestellt und die im Zeitraum 4. Juli 2012 bis 14. November 2013 zu einer präventiven psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme in die Dr. Becker Klinik Möhnesee überwiesen wurden, erhielten vor Ort im Rahmen der Eingangsdiagnostik die deutsche Version der CES.

Abb. 1: Fragebogen mit den sieben Items des D-CES

Darüber hinaus erfolgten weitere Untersuchungen mit folgender Testbatterie:

Statistik

Die mittels D-CES erhobenen Daten wurden einer klassischen psychometrischen Analyse unterzogen, die ursprünglich gefundene Eindimensionalität der Skala wurde überprüft und konvergente bzw. divergente Produkt-Moment-Korrelationen zur Konstruktvalidierung errechnet. Fehlende Werte waren selten (1-3 %) und wurden mit dem Median interpoliert.

Alle Analysen erfolgten mit Statistica® Version 13.2.

Ergebnisse

Beschreibung der Stichprobe

Insgesamt standen als Analysedatensatz Fragebögen von N = 130 Personen zur Verfügung, von denen N = 128 ausreichend viele Datenpunkte für eine Reliabilitätsanalyse der CES Skala bereitstellten. Tabellen 1 und 2 beschreiben die Stichprobe.

Tab. 1: Demographische Beschreibung der Stichprobe (Mittelwerte, (Standardabweichungen), [95%Konfidenzintervalle] bei kontinuierlichen Variablen; Häufigkeiten und Prozentangaben bei kategorialen Variablen)

 

Tab. 2: Beschreibung der Stichprobe: Skalenwerte (Mittelwerte, (Standardabweichungen), [95%Konfidenzintervalle])

 

Tab. 3: Item-Interkorrelationen

Die Itembeschreibungen sind abgekürzt; für die vollständige Beschreibung siehe Abbildung 1.

Psychometrie

Die Interkorrelationen der Items sind Tabelle 3 zu entnehmen.

Die Auswertung lieferte einen mittleren Summenwert der Skala von 10,71 (SD = 3,41), mit einem Minimum von 7 und einem Maximum von 22 Punkten bei einem theoretischen Range von 7 bis 35. Cronbach’s Alpha für die Skala beträgt .70, die durchschnittliche Iteminterkorrelation beträgt .26. Die Split-Half Reliabilität beträgt r = .77.

Die Skala ist in dieser Stichprobe mit einer Schiefe von 0,96 leicht rechtsschief und mit einer Kurtosis von 0,6 eher flachgipflig. Man erkennt am nicht ausgenutzten Range, dass die Stichprobe in dieser Studie eher gering belastet war. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass einige Items für diese Stichprobe aus psychometrischer Sicht zu „schwer“ sind, etwa die Items 3, 4 und 6. Dies ist auch an den Itemstatistiken in Tabelle 4 zu sehen.

Tab. 4: – Itemstatistiken

Die Itembeschreibungen sind abgekürzt; für die vollständige Beschreibung siehe Abbildung 1.

Mit einer Hauptkomponentenanalyse wurde die Dimensionalität der Skala untersucht. Damit lässt sich klären, ob zugrundeliegende sogenannte latente Konstrukte die Variation in den Items besser erklären als die einzelnen Items selbst. Man spricht dann von „Faktoren“. In einem solchen Fall erklärt ein „Faktor“ mehr Varianz als die Items für sich genommen, und die Zugehörigkeit von Items zu Faktoren drückt sich durch bereinigte Korrelationskoeffizienten, sog. „Faktorladungen, aus.

Zur Bestimmung, wie viele Faktoren angemessen sind, zieht man in der Regel zwei Kriterien heran: Man errechnet den sog. Eigenwert. Das ist eine Zahl, die ausdrückt, um wie viel höher der Erklärungswert eines Faktors im Vergleich zu den einzelnen Items ist. Ist der Eigenwert genau Eins, dann erklärt ein Faktor genauso viel Varianz wie die Items selbst und hat damit keinen Mehrwert an Erklärung. Die angemessene Zahl an Faktoren zeigt der sogenannte „Scree-Plot“, eine grafische Darstellung der Eigenwertverteilung. Wo diese abrupt abbricht (vergleichbar einem Geröllfeld am Berg, dem „Scree“), ist der Erklärungsmehrwert der Faktoren nicht mehr gegeben.

Die durch die Faktorenanalyse gefundene latente Struktur der Skala spricht für eine eindimensionale Faktorenstruktur – allerhöchstens zweidimensional – wie die Hauptkomponentenanalyse bestätigt (siehe Scree-Plot in Abbildung 2): Der erste Faktor hat einen Eigenwert von 2,7 und erklärt 38,7 % der Varianz. Der zweite Faktor hätte einen nur unwesentlich von 1 verschiedenen Eigenwert von 1,1 und erklärt 16 % der Varianz.

Abb. 2: Scree-Plot der Hauptkomponentenanalyse

Da allenfalls die „schweren Items“ Nr. 3, 4 und 6 eine starke Ladung von h = .6, .64 und .53 auf dem zweiten Faktor haben, während alle anderen Items mit Ladungen zwischen .7 und .82 auf dem ersten Faktor laden, ist eine inhaltliche Interpretation im Sinne einer semantischen Ausdifferenzierung eher schwierig, denn der gefundene Faktor dürfte eher ein Reflex der hier untersuchten Stichprobe als der Skala per se sein; insofern wäre der zweite Faktor tendenziell nicht inhaltlich zu interpretieren. Ansonsten könnte man höchstens den zweiten Faktor als Indikator für stärkere Exposition bzw. direktere Gefahr sehen, während die Items 1, 2, 5 und 7 allgemeinere Gefahrenszenarios benennen. Faktorenladungen für zwei Faktoren sind in Tabelle 5 dargestellt. In Klammern stehen die Faktorenladungen der ursprünglichen US-amerikanischen Stichprobe von Vietnam-Veteranen mit PTSD mit einer Einfaktorenlösung, anhand deren Daten die Skala konstruiert und psychometrisch validiert worden ist [10].

Konvergente und divergente Konstruktvalidität

Der D-CES-Summenwert korreliert schwach signifikant positiv mit dem Sense of Coherence (r = .19, p = 0,028). Er ist außerdem schwach negativ mit dem Wert der Perceived Stress Questionnaire korreliert (r = -.16; p = 0,07) und ansonsten mit den anderen verwendeten Skalen unkorreliert. Er ist auch nicht mit der Anzahl der Auslandseinsätze korreliert (siehe Tabelle 6).

Tab. 5: Faktorenladungen der Items (Itemladungen auf dem Generalfaktor der ursprünglichen US-amerikanischen Stichprobe; die negativen Ladungen ergeben sich aus der Rotation einer Zweifaktorenlösung)

Die Itembeschreibungen sind abgekürzt; für die vollständige Beschreibung siehe Abbildung 1.

Tab. 6: Korrelationsmatrix der D-CES mit anderen Fragebögen zur Eingangsbefragung (Pearson Produkt-Moment-Korrelationen und assoziierter p-Wert)

Diskussion

Wir legen hier zum ersten Mal eine auf Deutsch adaptierte Skala zur Messung der Exposition von militärischem Personal in Kampfeinsätzen mit entsprechenden psychometrischen Analysen – die deutschsprachige Version der Combat Exposure Scale „D-CES“ vor. Die Analyse beruht auf Daten von N = 128 Soldatinnen und Soldaten, die wegen stressbezogener Symptome aufgrund von Auslandseinsätzen in eine Rehabilitationsmaßnahme abgeordnet worden waren und von denen verwertbare Datensätze erhoben werden konnten.

Belastung der Stichprobe

Die Belastung der Stichprobe ist insgesamt, gemessen mit dieser Skala und verglichen mit der amerikanischen Originalpublikation, nicht sehr hoch, und die Skala weist daher aus psychometrischer Sicht tendenziell einen Bodeneffekt auf. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Reliabilität mit Alpha = .70 am unteren Rand der Akzeptabilität liegt. Die Skala ist reliabel, aber aufgrund einiger „schwieriger“ Items in dieser Stichprobe nicht so homogen, wie man es sich wünschen würde. Dies dürfte aber für den Zweck der Skala in diesem Falle eher von Vorteil sein, weil sie eben auch die Möglichkeit eröffnet, sehr schwere Expositionserfahrungen im militärischen Einsatz zu erfassen, die bei anderen Einsatzszenarien wahrscheinlicher werden können. Dies sieht man auch daran, dass die Komponentenanalyse im Wesentlichen einen einzigen Faktor (Allgemeine Exposition) freilegt.

Der zweite Faktor (Bedrohung), der allenfalls noch anzunehmen ist, setzt sich weniger aus inhaltlich homogenen Items zusammen, wie das sonst bei mehrdimensionalen Konstrukten der Fall ist, sondern aus genau den 3 Items, die die eher stärkeren Expositionserfahrungen beschreiben (eingeschlossen zu werden, Teil eines Kontingents mit vielen Todes- und Verwundungsfällen bzw. selber Zeuge von Todes- oder Verwundungsfällen zu sein). Daher votieren wir gegenwärtig dafür, diesen möglichen Faktor weniger als unabhängigen zweiten Faktor zu sehen, sondern allenfalls als Interpretationsoption, besonders starke Exposition extra zu erfassen, obwohl sich eine solche naturgemäß auch in einem höheren Summenwert äußern würde. Dies wäre auf jeden Fall leicht möglich, weil die Skala in dieser Stichprobe, die bereits durch Belastungssymptome aufgefallen ist, nach oben noch weitere Differenzierungsmöglichkeiten aufweist.

Obwohl die Itemstatistiken in einer höher belasteten Stichprobe aus psychometrischer Sicht wahrscheinlich besser ausfallen würden, will man eine solche Situation weder den Betroffenen noch der Bundeswehr wünschen. Die psychometrischen Eigenschaften der Skala können daher auf der Basis dieser Studie unter Berücksichtigung der Stichprobeneigenschaften als zufriedenstellend angesehen werden und die faktorielle Struktur der englischsprachigen Skala kann vorläufig als repliziert betrachtet werden.

Validität

Die Analyse der Korrelation des CES-Summenwertes mit anderen hier verwendeten Instrumenten bringt im Sinne der Konstruktvalidität vor allem Klarheit über die divergente Validität (Tabelle 6). Die Skala ist nicht redundant zu den hier verwendeten Maßen. Die schwach positive Korrelation mit dem Kohärenzsinn (Sense of Coherence im Sinne Antonovskys) könnte so etwas wie Erfahrung oder Reife bedeuten, zumal auch die Korrelation mit erlebtem Stress schwach negativ ist. Dies kann als konvergente Konstruktvalidierung gesehen werden.

Bemerkenswerterweise besteht keine signifikante Korrelation mit der deutschen Version der Posttraumatic Stress Disorder Symptom Skala. Das dürfte daran liegen, dass die D -CES objektive Ereignisse im Sinne von Belastungen abfragt, die nicht notwendigerweise mit den psychischen Beanspruchungen zusammenhängen. Ob sich hier mit zunehmender Belastungsexposition ein anderes Bild ergibt, ist noch zu untersuchen.

Weitere Konstruktvalidierungen mit anderen vermuteten zusammenhängenden Konstrukten oder anderen Operationalisierungen dieser Konstrukte könnten noch erprobt werden. Für uns scheinen aber die hier verwendeten Konstrukte und der empirisch nicht bestätigte Zusammenhang mit der D-CES deutlich zu belegen, dass es sich bei dieser Skala um eine nicht-redundante Skala handelt.

In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch interessant, den Zusammenhang mit dem militärpsychologisch relevanten Konstrukt „Situational Awareness“ genauer zu untersuchen [5]. In der originalen psychometrischen Analyse der englischen Skala wurden Veteranen mit starken unbehandelten PTSD-Symptomen mit erfolgreich behandelten verglichen, wodurch sich ein deutlicher und signifikanter Unterschied ergab [10]. Allerdings spricht die nicht vorhandene Korrelation mit Konstrukten wie Depression, Lebenszufriedenheit, Schlafqualität, Gesundheitszustand, posttraumatischen Symptomen für die Einschätzung, dass der objektive Tatbestand einer Gefahrenexposition allein noch keinen Rückschluss auf symptomatische Belastung oder die Qualität der psychischen Verarbeitung zulässt. Daher müssen wir uns auf die Augenscheinvalidität verlassen. Diese ist zweifelsohne gegeben, denn die Skala beschreibt verbal relativ klar zu benennende Expositionen und Gefahren.

Man könnte aus methodologischer Sicht überlegen, inwiefern die ursprünglichen Quantoren tatsächlich geeignet sind, den Grad der Exposition valide zu erfassen. Denn ob beispielsweise eine Kategorie „4“, die verlangt, dass man 13-50 mal an Patrouillen oder gefährlichen Aufträgen teilgenommen hat, valide von 5 mit mehr als 50 solchen Einsätzen zu unterscheiden ist, oder inwiefern diese Quantoren psychometrische Äquidistanz signalisieren, kann sicherlich diskutiert werden. Es war das ursprüngliche Anliegen der US-Autoren, quantitativ zu benennende Indikatoren für die Übersetzung in Ausprägungen zu verwenden [10][11]. Ob dieses Vorgehen wirklich zur Validitätssteigerung beiträgt, müsste gegebenenfalls nochmals gesondert in einer Skala mit den gleichen Items, aber anderen Quantoren, untersucht werden.

Datenunterschiede D-CES zu CES

Unsere Daten unterscheiden sich, vor allem was die Ladungen der Items auf dem Generalfaktor angeht, teilweise deutlich von der US-amerikanischen Konstruktionsstichprobe. Diese bestand aus Vietnam-Veteranen mit PTSD-Symptomen und war bereits vom Mittelwert her deutlich stärker belastet (Mittelwert der US-Stichprobe: 25,6; SD = 10,1; Mittelwert unserer Stichprobe: 6,6; SD = 5,8). Dies dürfte auch der Grund für die deutlich unterschiedlichen Faktorenladungen vor allem bei Items sein, die stärkere Exposition erfassen. Auch der Range des Summenwerts der amerikanischen Stichprobe war mit 1-41 deutlich grösser. In unserer Fassung ist 35 der maximale theoretische Range. Der darüber hinausgehende Range der amerikanischen Fassung der Skala kommt dadurch zustande, dass spezielle Skalenwertregeln vorgegeben werden, die zu einer unterschiedlichen Gewichtung der Items bzw. zu einer unterschiedlichen Gewichtung bestimmter Quantoren innerhalb der Items führen, wie man dem Auswertungsmanual entnehmen kann [11]. Diese Auswertungsregeln wurden allerding bei der Rohanalyse dieses Datensatzes nicht verwendet und werden in der Ursprungspublikation weder erläutert noch begründet, weswegen wir sie auch für nicht obligatorisch halten. Sie dienen scheinbar rein psychometrisch dazu, die Skala vor allem am oberen Ende der Auflösung sensibler zu gestalten. So führt etwa die Regel bei Item 1

„Ziehen Sie 1 vom Gesamtscore ab und multiplizieren Sie mit 2“

zu folgendem Resultat:

Wer nie in einer solchen Lage war, erhält automatisch den Wert Null zugewiesen. Wer vorher eine „zwei“ hatte, behält sie, wer vorher eine „drei“ hatte, erhält eine „vier“, eine frühere „vier“ wird zu einer „sechs“ und eine frühere „fünf“ wird zu einer „acht“. Das ist eine nicht-lineare Streckung der Skala, die man durchaus vertreten kann, wenn man den Differenzierungsgrad nach oben vergrößern will. In ähnlicher Weise werden in der Originalskala andere Items bzw. Teile des Skalenbereichs verändert skaliert. Da in unserem Datensatz kein Deckeneffekt vorliegt, erübrigt sich allerdings eine solche Arithmetik. Sie könnte wiedereingeführt werden, wenn eine Notwendigkeit besteht, die Skala im oberen Bereich stärker differenzierungsfähig zu machen.

Die Unterschiede, die wir in unseren Daten im Vergleich zu den Ursprungsdaten sehen, dürften darauf zurückzuführen sein, dass die deutsche Stichprobe deutlich weniger belastet und exponiert war als die Vietnam-Veteranen der ursprünglichen Validierungsstichprobe. Dort war die Reliabilität mit Alpha = .82 höher als in unserer Stichprobe und die Retest-Reliabilität nach einer Woche lag mit rtt = .97 sehr hoch.

Test-Retest-Reliabilität

Aufgrund der umfangreichen Fragebogenbatterie in der vorliegenden Studie musste in der vorliegenden Untersuchung darauf verzichtet werden, eine Wiederholungstestung durchzuführen, weswegen Angaben zur Test-Retest-Reliabilität gegenwärtig noch ausstehen. Wir gehen jedoch davon aus, dass diese vergleichbar mit der Originalstudie ist.

Die Varianzaufklärung des Generalfaktors lag mit 57,6 % über der von uns ermittelten. Nimmt man aber die Varianzaufklärung beider Faktoren unserer Analyse zusammen, erreichen wir die ursprüngliche Varianzaufklärung mit kumulativ 54,7 % annähernd.

Fazit

Trotz der Limitierung durch den Stichprobenumfang und einer im Vergleich zu der ursprünglichen Validierungsstichprobe der englischsprachigen Originalskala mit Viet­nam-Veteranen eher geringeren Einsatzbelastung der an der Studie teilnehmenden Soldatinnen und Soldaten sowie der bislang nicht empirisch überprüften Test-Retest-Reliabilität sind wir der Auffassung, dass unsere Daten zusammenfassend dafür sprechen, dass mit der von uns erarbeiteten deutschen Version der Combat Exposure Scale („D-CES“) ein nützliches und ausreichend reliables Instrument zur Verfügung steht, welches für die Messung der objektiven Gefahrenexposition im militärischen Kontext eingesetzt werden kann.

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Manuskriptdaten

Eingereicht: 13. Dezember 2018

Nach Überarbeitung angenommen: 15. November 2019

Zitierweise

Zimmermann F, Walach H, Schubmann R, Kohls N: Die deutschsprachige Version der Combat Exposure Scale (D-CES) – erste psychometrische Validierung. WMM 2020: 64(2): 58-65.

Für die Verfasser

Hauptmann d. R. Fred Zimmermann

Konradgasse 11, 83646 Bad Tölz

E-Mail: zimmermann@proporesence.org

Manuscript Data

Submitted: 13 December 2018

After revision accepted: 15 November 2019

Citation

Zimmermann F, Walach H, Schubmann R, Kohls N: German version of the Combat Exposure Scale (D-CES) – first psychometric validation. WMM 2020: 64(2): 58-65.

For the authors

Captain (Army Reserve) Fred Zimmermann

Konradgasse 11, D-83646 Bad Toelz, Germany

E-Mail: zimmermann@proporesence.org


1 Die Studie wurde von der zuständigen Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Universität München genehmigt (188-12), sowie vom Sanitätsamt der Bundeswehr (Abt. IV 2.3) genehmigt.