Wehrmedizinische Monatsschrift

Genetische Determinanten der Neuroinvasivität von FSME

Rosina Ehmann a, Valeria Rechenauer a, Magnus Johansson b, Gerhard Dobler a, Andrea Kröger c, Joachim J. Bugert a

a Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München

b School of Medical Sciences, Örebro University, Schweden

c Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Brauschweig

 

Hintergrund

Das FSME-Virus ist der Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis und gilt mit jährlich durchschnittlich 9000-12000 Infektionen des zentralen Nervensystems im europäischen und russischen Raum als eine der wichtigsten und gefährlichsten vektorübertragenen Virusinfektionen des Menschen in Europa. Enzephalitisviren stehen auf der NATO AMedP6-Liste der für den B-Schutz relevanten Erreger und werden im Rahmen der Ressortforschung am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw) in München untersucht.

Die Übertragung erfolgt zumeist durch Zecken der Familie Ixodidae, wobei die Letalität der auftretenden Meningoenzephalitis je nach Virussubtyp zwischen 2 % beim europäischen Subtyp und bis zu 20 % beim fernöstlichen Subtyp schwankt. Auch in Deutschland ist FSME endemisch, wobei die höchsten Infektionszahlen in Bayern und Baden-Württemberg auftreten. Als Übertragungsorte kommen auch Truppenübungsplätze in Frage.

Im Moment stehen keine virusspezifischen, sondern nur symptomatische Therapieformen zur Verfügung. Für die Infektionsprävention durch Impfung werden zur Zeit ausschließlich Totimpfstoffe eingesetzt, durch die jedoch kein lebenslanger Schutz gewährleistet wird. Eine postexpositionelle Immunprophylaxe ist derzeit nicht möglich.

FSME-Risiko in Deutschland 2019

Neuroinvasivitätsfaktoren von FSME-Virus ungeklärt

Der genaue Mechanismus, wie das FSME-Virus mit der Blut-Hirn-Schranke interagiert und ins ZNS gelangt (Neuroinvasivitäts-Faktoren), ist nicht ausreichend geklärt. Beobachtungen verschiedener Arbeitsgruppen zeigten jedoch, dass sich verschiedene Stämme des europäischen FSME-Subtyps in ihrer Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, deutlich unterscheiden. In einem Tiermodell wurde nachgewiesen, dass der am InstMikroBioBw aus einer Zecke isolierte FSME-Stamm „HB171/11“ eine stark verminderte Neuroinvasivität im Vergleich zu „Torö-2003“, einem gut untersuchten FSME-­Feldstamm aus Schweden, aufweist.

Aktuelle Forschung

Auf Grundlage dieser experimentellen Studie ist es Ziel eines Projekts der Arbeitsgruppe Experimentelle Virologie am InstMikroBioBw, die genetischen Determinanten für die niedrigere Neuroinvasivität des Stamms HB 171/11 gegenüber Torö-2003 im Virusgenom zu lokalisieren. Sequenzanalysen zeigen, dass sich die beiden Stämme nur an 35 Positionen ihrer Aminosäuresequenz unterscheiden. Von diesen 35 Aminosäureabweichungen liegen nur vier in den Strukturproteinen, die die FSME-­Viruspartikel bilden.

Reverse Genetik

Reverse Genetik ist eine molekularbiologische Technik, die die Herstellung von Viruspartikeln mit einer gewünschten Genomsequenz erlaubt. Mithilfe dieser Technik sollen verschiedene FSME-Viren hergestellt werden, die, basierend auf dem Genom von Torö, an gezielten Stellen die Nukleotidvarianten von HB171/11 enthalten. Anschließend wird die Neuroinvasivität dieser Viren im Tiermodell untersucht.

Die Experimente ermöglichen das gezielte Lokalisieren der Gene, die für die Neuroinvasivität nötig sind, und bildet die Grundlage für weitere Untersuchungen zur Entwicklung eines minimal neuroinvasiven attenuierten Lebendimpfstoffs.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Ehmann R, Rechenauer V, Johansson M, Dobler G, Kröger A, Bugert JJ: Genetische Determinanten der Neuroinvasivität von FSME (Poster-­Abstract). WMM 64(2): 89.

Für die Verfasser

Stabsveterinär Rosina Ehmann

Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr

Neuherbergstr. 11, 80937 München

E-Mail: rosinaehmann@bundeswehr.org

Posterpräsentation beim 50. Jahreskongresse der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 10.-12. Oktober 2019