Wehrmedizinische Monatsschrift

Neustrukturierung der Grundausbildung im Heer – Evidenzbasierte Begleitung durch das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr

Ulrich Rohde a, Dieter Leyka

a Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr

 

Einleitung

Die nachlassende körperliche Fitness vieler junger ­Erwachsener entwickelt sich zu einem wachsenden Problem für die Streitkräfte. So sind Rekrutinnen und ­Rekruten immer häufiger den körperlichen Anforderungen der 12-wöchigen Grundausbildung (GA) nicht mehr gewachsen. Neben diesem Leistungsaspekt ist von ­Bedeutung, dass das Risiko für Verletzungen und Erkrankungen in der militärischen Ausbildung bei unzureichender körperlicher Fitness deutlich erhöht ist (Präventionsaspekt).

Aufgrund der seit Jahren bestehenden Negativentwicklung wurde vom Deutschen Heer, der Streitkräftebasis und dem Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (InstPrävMedBw) ein neues Grundausbildungskonzept zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit entwickelt und im Rahmen einer vergleichenden Pilotstudie (Interventionsgruppe mit neuer GA (IG) versus Kontrollgruppe mit alter GA (KG)) überprüft. Kerninhalte des neuen GA-Konzeptes waren:

  1. Bildung von 3 Leistungsgruppen (LG 1-2-3) anhand der Basis-Fitness-Test (BFT) Ergebnisse,
  2. differenziertes und leistungsangepasstes Training in Leistungsgruppen durch hauptamtliche „Trainer Sport/KLF“ sowie
  3. Erhöhung des Sportanteils sowie Gefechtsausbildung erst ab der 7. GA-Woche.

Methoden

In 2 GA-Einheiten führten männliche Rekruten (IG=36, KG=14) den BFT zu Beginn und am Ende der GA durch. Für die Leistungsbewertung wurden die BFT-Punkte gemäß Zentralvorschrift A1-224/0-1 („Sport und körperliche Leistungsfähigkeit in der Bundeswehr“) genutzt. Die ­Militärische Fitness wurde zur Mitte und am Ende der GA mit dem Soldaten-Grundfitness-Tool (SGT) erfasst (Gesamtzeit). Das SGT operationalisiert in 4 Aufgaben ­modellhaft und fähigkeitsorientiert das körperliche Anforderungsprofil elementarer, allgemeinmilitärischer Einsatzbelastungen (Abbildung 1):

A. Bewegen im Gelände,

B. Verwundetenrettung,

C. Tragen von Lasten und

D. Heben von Lasten.

Die Handanweisung für die Durchführung des SGT kann hier heruntergeladen werden.

Abb. 1: Das SGT bildet typische militärische Belastungen realitätsnah ab: (A) Bewegen im Gelände, (B) Verwundetenrettung, (C) Tragen von Lasten und (D) Heben von Lasten.

Ergebnisse

Zu Beginn der GA wurde zwischen den BFT-Leistungen der IG und der KG kein signifikanter Unterschied beobachtet (p = 0,53). In der IG steigerten sich die BFT-Leistungen (Abbildung 2A) von 338,6±62,2 (MW±SD) auf 390,5±54,4 Punkte; in der KG von 349,7±37,2 auf 369,4±36,6 Punkte (p ≤ 0,001). Die Leistungszuwächse (Abbildung 2b) in den drei IG-Gruppen betrugen 44,1 (IG-1), 49,9 (IG-2) und 82,8 Punkte (IG-3). Die SGT-Leistungen (Abbildung 2C) der IG verbesserten sich von 158,7±23,5 (MW±SD) auf 149,5±18,7s; in der KG von 147,5±15,1 auf 147,3±13,9s (p ≤ 0,001). Am Ende der GA waren die Leistungsgruppen (Abbildung 2D) durchschnittlich 5,0s (IG-1), 10,2s (IG-2) bzw. 22,4s (IG-3) schneller.

Abb. 2: Grafische Darstellung der Ergebnisse

(A) BFT Gesamtpunkte (Mittelwert±Standardfehler) der Interventionsgruppe IG (n = 36 Männer) und der Kontrollgruppe KG (n = 14 Männer) zu Beginn und am Ende der Grundausbildung (GA): Die Darstellung veranschaulicht die größere Leistungssteigerung der IG in der GA im Vergleich zur KG.

(B) BFT Gesamtpunkte (Mittelwert±Standardfehler) der männlichen Teilnehmer in den drei Leistungsgruppen (LG 1-3) der Interventionsgruppe zu Beginn und am Ende der Grundausbildung (GA): Die Abbildung verdeutlicht, dass besonders die leistungsschwächste Gruppe LG 3 am stärksten von dem differenzierten und leistungsangepassten Training profitierte.

(C) SGT Gesamtzeiten (Mittelwert±Standardfehler) der Interventionsgruppe IG (n=36 Männer) und der Kontrollgruppe KG (n=14 Männer) zur Mitte und am Ende der Grundausbildung (GA). Während in der IG bei der militärspezifischen Leistungsüberprüfung eine deutliche Leistungssteigerung beobachtet werden konnte, blieb die Leistung in der KG im Durchschnitt nahezu unverändert.

(D) SGT Gesamtzeiten (Mittelwert±Standardfehler) der männlichen Teilnehmer in den drei Leistungsgruppen (LG 1-3) der Interventionsgruppe zur Mitte und am Ende der Grundausbildung (GA): Die Abbildung verdeutlicht, dass die Leistungssteigerung in der leistungsschwächsten Gruppe LG 3 besonders ausgeprägt war und sie damit am stärksten von dem differenzierten und leistungsangepassten Training profitierte.

Diskussion und Ausblick

In der IG (neue GA) wurden größere Leistungssteigerungen als in der KG (alte GA) erzielt. Dabei profitierte besonders die leistungsschwächste Gruppe (LG 3) von dem adressatengerechten und leistungsangepassten Training. Im Oktober 2018 wurden die Studienergebnisse der Heeresführung vorgetragen und führten zu der Entscheidung, dass die neue GA ab Juni 2019 im Deutschen Heer umgesetzt wird. Zudem wurde der Aufbau eines „Fitness-Registers GA Heer“ angeordnet, dass künftig zur Lagebilderstellung genutzt werden soll. Die wissenschaftliche und konzeptionelle Begleitung hierzu wird durch das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr erfolgen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen werden darüber hinaus als Entwicklungsmodell für die Beiträge des Instituts zur AGENDA Ausbildung dienen.

Literatur

  1. Hackfort D, Leyk D, Scherer H-G: Psychophysische Leistungsfähigkeit und militärische Fitness vor dem Hintergrund der Einsatzerfordernisse und des Leistungszustandes der Soldatinnen und Soldaten (Abschlussbericht zum Verbundforschungsprojekt - Psychophysische Anforderungen Military Fitness II). Bonn: BMVg 2017.
  2. Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr: „Steigerung der KLF vom ersten Tag an - Neustrukturierung der Grundausbildung“. Ergebnisbericht zu den Untersuchungen des Pilotdurchgang AUK401 Hagenow und AUK411 Viereck. BMVg 2018
  3. Leyk D, Rohde U, Harbaum T, Schoeps S: Körperliche Anforderungen in militärischen Verwendungen: Votum für ein „Fitness-Register Ausbildung und Einsatz“. WMM 2018; 62(1-2): 2–6.

Handanweisung Soldaten-Grundfitness-Tool „SGT“

 

Manuskriptdaten

Zitierweise

Rohde U, Leyk D: Neustrukturierung der Grundausbildung im Heer – Evidenzbasierte Begleitung durch das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr (Vortrags-Abstract). WMM 2020; 64(3-4): 125-126

Für die Verfasser

Oberstarzt Dr. Ulrich Rohde

Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr

Fachbereich A1 – Angewandte Gesundheitsförderung

Andernacher Str. 100, 56070 Koblenz

E-Mail: ulrichrohde@bundeswehr.org

Vortrag beim 50. Jahreskongresse der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 10.-12. Oktober 2019