Wehrmedizinische Monatsschrift

Isolierung und Charakterisierung von Bakteriophagen zur Therapie multiantibiotikaresistenter Bakterien (Poster-Abstract)

Jana Stender a, Melanie Egold b, Jana Kühn a , Sophie Kreißig b, Sonia Mzoughi c, Frank Schwarze a, Christina Bugert a, Christian Hinz a, Andrew Millard d, Mohammed Ben Moussa c, Slawomir Michniewski e, Daniela Friese a, Joachim J. Bugert a

a Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München

b Technische Universität München

c Microbiological Laboratory, Military Hospital of Tunis, Montfleury, Tunis, Tunisia

d Department of Genetics and Genome Biology, College of Life Sciences, University of Leicester, Leicester, United Kingdom

e Warwick Medical School, University of Warwick, Coventry, United Kingdom

 

Einleitung

Die Verbreitung multiantibiotikaresistenter gramnegativer Bakterien ist ein globales Problem und erfordert neue Therapiemethoden. Eine Alternative zu Antibiotika sind Bakteriophagen. Hierbei handelt es sich um verschiedene Gruppen von Viren, die Bakterien infizieren. Infektionen mit multiantibiotikaresistenten gramnegativen Bakterien (MRGN) sind auch ein zunehmendes Problem bei der allgemeinen Krankenversorgung und bei der Versorgung von Verwundeten. Im Rahmen von Forschungsarbeiten zur Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten werden in der Arbeitsgruppe Experimentelle Virologie am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München (InstMikroBioBw) Bakteriophagen für eine zukünftige Herstellung therapeutischer Phagenmischungen isoliert und charakterisiert. Ein Schwerpunkt liegt zurzeit auf Infektionen mit Klebsiella pneumoniae des Typs 4 MRGN. Multiantibiotikaresistente Klebsiella pneumoniae des Typs 4 MRGN können lebensbedrohliche Blutvergiftungen, Lungenentzündungen und Wundinfektionen verursachen.Solche Infektionen können oftmals nicht mehr mit Standardantibiotika behandelt werden. Darüber hinaus bildet ­Klebsiella pneumoniae charakteristische Polysaccharidkapseln, die Biofilme produzieren können und so den Zugang von eigentlich noch wirksamen Antibiotika zu den Bakterien verhindern. Bestimmte Bakteriophagen sind in der Lage, spezifisch Erreger des Typs 4 MRGN anzugreifen und Biofilme aufzulösen; sie können daher auch bei einer Antibiotikaresistenz als eine Ergänzung zu antibiotischer Behandlung und chirurgischem Debridement erfolgreich eingesetzt werden. Durch die Auflösung von Biofilmen wird oftmals die Wirkung von Antibiotika wiederhergestellt und körpereigene Immuneffektoren erhalten erneut Zugang zum Ort der Infektion.

Ergebnisse

Methoden und Verfahren zur Isolierung und Charakterisierung kapseltypspezifischer Klebsiella-Phagen für eine zukünftige Herstellung therapeutischer Phagenmischungen wurden etabliert.Zur Feststellung des Klebsiella pneumoniae Kapseltypswerden Sequenzen des wzi-Kapselgerüstgens (Abbildung 1) herangezogen.

Abb 1.: (A) Wzi (Transmembranprotein) dient nach Translokation durch Membranporen (beige) aus dem Bakterienzytoplasma (intrazellulär) als erster Andockpunkt und als Gerüst zur weiteren Anlagerung sezernierter Kapselpolysaccharide an die äußere gramnegative Bakterienmembran (weiß) außerhalb der Bakterienzelle (modifiziert nach [2]; (B) Wzi Gen Kapseltypisierung von Klebsiella pneumoniae (Kp) Stämmen (Kp152-162; Tunis Militärhospital): Das wzi Gen PCR Produkt [1] (500 Basenpaare) wurde extrahiert und sequenziert. Ergebnisse wurden mit der NCBI-BLASTN-Software publizierten wzi-Gen Kapseltypen zugeordnet.

Zur Herstellung von Phagenpräparaten für die Einsatzversorgung, die unter variablen Temperaturbedingungen und in einer verunreinigten und exponierten Umgebung zum Einsatz kommen sollen, eignen sich besonders sogenannte strikt lytische, nichtbehüllte, doppelsträngige DNA-Phagen. Diese finden sich vor allem in der Familie Caudovirales (Abbildung 2A). Die am InstMikroBioBw isolierten Klebsiella-Phagen sind in der Lage, multiresistente Klebsiella-Stämme zu zerstören (Abbildung 2B).

Abb. 2: (A) Virionpartikel der Familie Caudovirales mit nicht-umhüllten symmetrischen Phagenköpfen (Kapsid) mit darin enthaltenen doppelsträngigen DNA Genomen (meist ringförmig). Daran anschließend Phagenschwänze verschiedener Länge und Komplexität, die in Basisplatten (blau) enden. An der Basisplatte setzt der Adsorptionsapparat mit Schwanzfibern und Spikes (rote Pfeile) an, wobei bei den Klebsiella-Phagen Enzymfunktionen für die Auflösung bakterieller Polysaccharidkapseln sorgen (Kapseldepolymerasen: grüne Sterne; modifiziert nach [6] und [7]). (B) Typische Plaquemorphologie von Klebsiella-Phagen mit/ohne von Kapseldepolymerasen erzeugten kapselfreien Zonen (Halo).

Mittels Elektronenmikroskopie (Abbildung 3) und modernster Methoden der Genomsequenzierung (Next Generation Sequencing) konnten der Bakteriophage Kp5.1-6 als ein Kapseltyp 3 lysierendes P2-ähnliches Siphovirus (56.4 Kilobasenpaare (kbp)) und die Phagen Kp.TUN1,5 als Kapseltyp 64 lysierende T7-ähnliche Podoviren (43.4 kbp) identifiziert werden.

Abb. 3: Der K3 spezifische Phage Kp5.1-6, elektronenmikroskopisch im Negativkontrast mit Phosphorwolframsäure im ZEISS Libra 120 dargestellt, weist eine für ein Siphovirus typische Partikelmorphologie auf.

Bei der Sequenzanalyse der ringförmigen Genome wurden Proteindomänen von Depolymerasen – also von Enzymen, die in der Lage sind, vernetzte Moleküle der Bakterienkapsel aufzubrechen – als Bestandteile der Phagen gefunden. Durch diese Auflösung von Kapseln und Biofilmen wird eine Wiederherstellung der Wirkung von Standardantibiotika erwartet. Zudem erhalten körpereigene Immuneffektoren erneut Zugang zum Ort der Infektion. Die Bestimmung des Phagen-Wirtsbereichs wurde mithilfe des TECAN-Spark Multireaders in Echtzeit vorgenommen. Mithilfe dieser Technologie können in Zukunft Phagensammlungen hinsichtlich ihrer Kapselspezifität schnell untersucht werden (Abbildung 4).

Abb. 4: Mittels TECAN Spark Multireaders (A) wurde in 96well Platten (B) der OD600 eines Panels von Klebsiella-Stämmen verschiedener wzi-Kapseltypen über 16 Stunden stündlich bei 37°C gemessen. (C) In einem Experiment mit dem Klebsiella-Phagen Kp.TUN5 (Inf 19/11->1709) zeigt sich, dass bei einem Infektionsverhältnis (Moiety Of Infection; MOI) von 1 der Klebsiellastamm K6307 (Kapseltyp 64) bis zu 8 h signifikant vom Phagen inhibiert wird (rote untere Kurve). Bei der niedereren MOI von 0.1 (türkisblaue Kurve) setzt der Effekt erst später ein. Eine MOI von 0.001 hat keinen Effekt.

Zusammenfassung

Am InstMikroBioBw wurden sowohl „klassische“ als auch modernste Methoden der Phagenforschung etabliert, wobei die Phagenselektion anhand eines Panels kapseltypisierter multiantibiotikaresistenter Klebsiella pneumoniae Stämme über den bisherigen Stand der Forschung hinausgeht [4]. Erste kapseltypspezifische Klebsiella-Phagen wurden isoliert und charakterisiert. Diese Phagen sollen dem Leibniz Institut DSMZ für therapeutische Phagenmischungen (BMBF und EU gefördertes Projekt “Phage4cure”) zur Verfügung gestellt werden.

Seitens der NATO Science and Technology Organization (NATO-STO) befasst sich eine Research-Taskgroup des Human Factors and Medicine Panels (HFM-RTG-313) mit den Möglichkeiten zur Nutzung von Phagen in der Wehrmedizin [5].

Als Teil der weiteren Forschung am InstMikroBioBw sollen Bakteriophagen für alle bekannten Kapseltypen von Klebsiella pneumoniae isoliert, charakterisiert und deren spezifische Depolymerasen im Genom identifiziert werden. Mit dem Wissen über diese Erbinformation können Bakteriophagen anschließend so verändert werden, dass nichtessenzielle Genelemente entfernt [3] und modifizierte Phagen so zukünftig in der Lage sein werden, mehr als einen Kapseltyp aufzulösen. Dadurch kann die notwendige Zahl verschiedener Phagen in den therapeutischen Phagenmischungen verringert werden.

Phagengenome sollen zukünftig auch synthetisiert und in zellfreien Systemen verpackt werden, um eine Herstellung von Phagenpräparaten mit den höchsten pharmazeutischen Standards sicherzustellen.

Literatur

  1. Brisse V, Passet V, Björk Haugaard AB, Babosan A, Kassis-Chikhani N, Struve C, Decré D: Wzi Gene Sequenzing, a Rapid Method for Determination of Capsular Type for Klebsiella Strains. Journal of Clinical Microbiology 2013; 51: 4073-4078. mehr lesen
  2. Bushell SR, Mainprize IL, Wear MMA, Lou H, Whitfield C, Naismith JH: Wzi Is an Outer Membrane Lectin that Underpins Group 1 Capsule Assembly in Escherichia coli. Structure 2013; 21: 844–853. mehr lesen
  3. Dedrick RM, Guerrero-Bustamante CA, Garlena RA et al.: Engineered bacteriophages for treatment of a patient with a disseminated drug-resistant Mycobacterium abscessus.Nat Med. 2019: 25:730–733. mehr lesen
  4. Kęsik-Szeloch A, Drulis-Kawa Z, Weber-Dąbrowska B etr al.: Characterising the biology of novel lytic bacteriophages infecting multidrug resistant Klebsiella pneumoniae. Virol J. 2013; 10: 100-100. 10.1186/1743-422X-10-100. mehr lesen
  5. NATO Science and Technology Organization: Re-Introduction of phage therapy in military medicine. NATO-STO 2019, RTG-HFM-313. mehr lesen
  6. Pires DP, Oliveira H, Melo LD, Sillankorva S, Azeredo J: Bacteriophage-encoded depolymerases: their diversity and biotechnological applications. Appl Microbiol Biotechnol 2016; 100: 2141–2151. mehr lesen
  7. White HE, Orlova EV: Bacteriophages: Their Structural Organisation and Function. IntechOpenAcess 2019; mehr lesen

 

Manuskriptdaten

Zitierweise

Stender J, Egold M, Kühn J, Kreißig S, Mzoughi S, Schwarze F, Bugert C, Hinz C, Millard A, Ben Moussa M, Michniewski J, Friese D, Bugert JJ: Isolierung und Charakterisierung von Bakteriophagen zur Therapie multiantibiotikaresistenter Bakterien (Poster-Abstract). WMM 2020; 64(3-4): 134-136.

Für die Verfasser

Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Joachim J. Bugert

Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr

Neuherbergstr. 11, 80937 München

E-Mail: joachim1bugert@bundeswehr.org

Posterpräsentation beim 50. Jahreskongresse der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Leipzig, 10.-12. Oktober 2019