Wehrmedizinische Monatsschrift

IN MEMORIAM

Generaloberstabsarzt a. D. Dr. Hansjoachim Linde

Am 12. Februar 2020 verstarb der ehemalige Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt a. D. Dr. Hansjoachim Linde, im Alter von 93 Jahren.

Mit dem Tod von Generaloberstabsarzt a. D. Dr. Linde hat der Sanitätsdienst einen seiner Vordenker und Visionäre verloren.

Hansjoachim Dr. Linde war eine absolute Ausnahmeerscheinung. Er war Arzt und Offizier aus Überzeugung und mit Leidenschaft. Soldatische Tugenden, gepaart mit hervorragender Menschenkenntnis und kritischer Selbstreflexion waren für ihn handlungsleitend und die Grundlage seines äußerst erfolgreichen Wirkens.

Am 6. April 1926 als Sohn eines ostpreußischen Offiziers geboren waren seine Kindheit und frühe Jugend geprägt vom durch das Militär bestimmten Familienalltag. Persönliche Erlebnisse im Krieg, die russische Kriegsgefangenschaft und eine dadurch bedingte schwere Erkrankung bewegten ihn zum Studium der Medizin. Nach seiner Approbation und Promotion im Jahre 1954 fand er zum 1. Juni 1957 als Luftwaffensanitätsoffizier den Weg in den Luftwaffensanitätsdienst. Nach seiner Truppenarztzeit und zwei Chefverwendungen absolvierte er die Ausbildung zum Fliegerarzt und „Chief Flight Surgeon“ der US Luftstreitkräfte.

In der ministeriellen Verwendung als Referatsleiter Konzeption, Planung und Internationale Beziehungen (InSan II 1) der Inspektion des Sanitäts- und Gesundheitswesens konnte er sich vor allem auf dem Gebiet der zivil-militärischen Zusammenarbeit konzeptionell gestaltend und wegweisend einbringen. In der Folge hat er diese seine Vorstellungen vor allem als Kommandoarzt des Territorialkommandos Süd in Heidelberg, und später auch als Kommandeur der Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens praktisch umsetzen können.

Die Akademie nahm für ihn als zentrale Ausbildungsstätte des Sanitätsdienstes eine herausragende Stellung ein. Bereits damals widmete er sich mit Nachdruck den untrennbar miteinander verbundenen Bereichen „Lehre und Forschung“. So gab er dem Ausbau der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der Akademie wesentliche Impulse und richtete sein Augenmerk insbesondere auf die Förderung des medizinischen ABC-Schutzes – vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage im Nahen Osten und des weltweiten Terrorismus heute eine weise Voraussicht.

Die Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Angehörigen des Sanitätsdienstes lagen ihm ebenso am Herzen wie die Förderung der Akademie als wehrmedizinisches Fortbildungszentrum. In diesem Zusammenhang genoss die Akademie durch sein Handeln nicht nur in der zivilen Ärzteschaft, sondern bei den Standesvertretungen aller Approbationen und den zivilen Rettungsorganisationen ein hohes Ansehen.

Daneben wirkte er entscheidend am Aufbau des deutschen Flugrettungsdienstes und als Gründungsmitglied am Aufbau der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin mit.

Dr. Linde dachte immer weit über sein militärisches Aufgabengebiet hinaus. Er stellte den Sanitätsdienst stets in den Kontext des zivilen Gesundheitswesens und nahm erheblichen Einfluss auf die zivilen notfallmedizinischen Planungen.

In den Jahren als Amtschef des Sanitätsamtes der Bundeswehr 1980-1982 und seit 1982 als Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens machte es sich Dr. Linde zur Aufgabe, kontinuierlich durch den Abbau ­personeller, materieller und struktureller Mängel die Leistungsfähigkeit des Sanitätsdienstes zu verbessern. ­Dabei hat er es immer verstanden, militärische Notwendigkeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse gleichermaßen ausgewogen zu berücksichtigen.

Im Bewusstsein, dass der gemeinsame Wille zur optimalen Versorgung ein verbindendes Element ist, erkannte Generaloberstabsarzt a. D. Dr. Linde schon damals, dass eine bestmögliche sanitätsdienstliche Versorgung der uns anvertrauten Soldatinnen und Soldaten keine rein nationale Aufgabe mehr sein kann. Er legte damit einen Grundstein für die heutige Leistungsfähigkeit des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in den transatlantischen und europäischen Verpflichtungen.

Aber nicht nur den Sanitätsdienst der Bundeswehr prägte Dr. Linde mit seinem Wirken. Er hat sich darüber hinaus jahrzehntelang für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) eingesetzt. Dr. Linde war nach seiner Pensionierung von 1986 bis 1994 Bundesarzt des DRK und gehörte zum Vorstand des Deutschen Komitees zur Katastrophenvorbeugung. Er war Ehrenmitglied des Deutschen Roten Kreuzes und der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin.

Seine weit über den Sanitätsdienst hinaus erworbenen großen Verdienste hat der Bundespräsident durch die Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt.

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr wird Generaloberstabsarzt a. D. Dr. Hansjoachim Linde stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Dr. Ulrich Baumgärtner
Generaloberstabsarzt
Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundewehr