Wehrmedizinische Monatsschrift

Infektiologie meets Orthopädie/Unfallchirurgie –
Case Report einer tuberkulösen Arthritis (Poster-Abstract)

Philipp Stauß a, Marvin Häusler a, Matthias Johann a

a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik XIV – Orthopädie und Unfallchirurgie

 

Einleitung

Osteoartikuläre Tuberkulose ist durch ihre unspezifischen Symptome eine gut maskierte Erkrankung mit einer hohen Anfälligkeit für Fehldiagnosen und Fehlbehandlung. So sind ca. 15 % aller Tuberkulosen ein asymptomatischer Zufallsbefund und betreffen meist im Ausland geborenen Patienten. Gerade in Zeiten konstant hoher Tuberkulosezahlen in Deutschland (5 486 in 2017) sollte die Differenzialdiagnose einer tuberkulösen Arthritis in atypischen Fällen bedacht werden.

In 1,4 % der Fälle sind Knochen und Gelenke primär betroffene Hauptorgane einer Tuberkulose, insgesamt liegt die extrapulmonale Organbeteiligung bei 26,1 %. Somit muss in jedem Fachgebiet die Tuberkulose als eine ­mögliche Differenzialdiagnose berücksichtigt werden. Im Folgenden berichten wir über einen 37-jährigen Patienten, der sich seit wenigen Jahren in Deutschland aufhält und an einer tuberkulösen Arthritis erkrankt ist. Nach einer kurzen tuberkulosespezifischen Anamnese werden die Meilensteine bis hin zur Therapieeinleitung entlang eines Zeitstrahls mit hierzu passenden Abbildungen dargestellt.

Fallbeschreibung

Anamnese

Bei einem 37-jährigen, männlichen Patienten, geboren im westafrikanischen Benin, traten 2018 intermittierend Schmerzen und Schwellung des rechten Kniegelenks nach Ablegen des deutschen Sportabzeichens ohne vor­angehendes Trauma auf. Er wies weder Husten, Auswurf, Fieber, Nachtschweiß noch unprovozierten Gewichtsverlust auf. Tuberkulosefälle in der Familie oder in der Eigenanamnese lagen nicht vor, es bestanden keine Vorerkrankungen.

Klinischer Verlauf (chronologisch)

Juni 2018 (extern)

Bei Erstvorstellung beim Orthopäden fanden sich eine Bewegungseinschränkung (Ext/Flex 0/5/130°) und Überwärmung des linken Kniegelenks ohne Schwellung oder Rötung. In einem im Mai 2018 angefertigten MRT (Abbildung 1) fanden sich ein Gelenkerguss und eine eingeblutete Kniegelenkszyste sowie eine kräftige Synovialitis und ein degenerativer Innenmeniskusriss. Dem Patienten wurde bei Beschwerdepersistenz zur Durchführung einer Arthroskopie geraten.

Abb. 1: MRT Mai 2018 (PD-Wichtung im Sagittalschnitt): Kniegelenkszyste vor OP

Mai/Juni 2019 (extern)

Im Mai 2019 erfolgte eine Arthroskopie zur Innenmeniskusteilresektion; während des Eingriffs erfolgte ein Verfahrenswechsel zur offenen Arthrotomie und totalen Synovialektomie bei ausgeprägter Synovialitis und Blutungskomplikation, Probeentnahme sowie offene Kniegelenkszystenentfernung. Die Immunhistochemie zeigte eine granulomatöse high-grade Synovialitis (DD: Tuberkulose/Sarkoidose/chronisch entzündliche Darmerkrankung). Es gelang kein Nachweis von DNA des Mycobakterium tuberculosis-Komplexes in der PCR-Diagnostik. Auch ein mikrobiologischer Nachweis von Mycobakterien gelang nicht.

Juni-Juli 2019 (BwKrhs Hamburg)

Der Patient wurde mit Verdacht auf ein Löfgren-Syndrom (DD: Tuberkulose) in das BwKrhs Hamburg (Klinik XIV – Orthopädie/Unfallchirurgie) eingewiesen. Bei Aufnahme war die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks eingeschränkt (Ext./Flex. 0/10/80°), es bestanden Schmerzen und ein Erguss.

Die CT des Thorax zeigte ein mit einer Sarkoidose Stadium III vereinbares Bild, es bestanden mediastinale und inguinale Lymphknotenvergrößerungen. Der Quantiferontest war reaktiv, die BSG zeigte eine Sturzsenkung; die übrigen Laborparameter waren unauffällig, insbesondere fanden sich keine Hinweise auf eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis. Eine bronchoalveoläre Lavage erbrachte keinen Keimnachweis.

Das MRT (Abbildung 2) zeigte eine ausgeprägte Synovialitis und ein Knochenödem. Die indizierte diagnostische Lymphknotenbiopsie wurde durch den Patienten abgelehnt. Bei fehlendem Keimnachweis erfolgte seine Entlassung mit der Verdachtsdiagnose „Sarkoidose“.

Abb. 2: MRT Juni 2019 (T1-tse-Wichtung im Koronarschnitt): Knochenödem

Juli-September 2019 (BwKrhs Hamburg)

Ende Juli 2019 wurde der Patient zur weiteren Diagnostik und Therapie erneut aufgenommen. Die Beweglichkeit war weiterhin eingeschränkt (Ext./Flex. 0/10/80°), auch der Erguss und die Schmerzen bestanden nach wie vor.

Neu bestand eine arthrokutane Fistelbildung (Abbildung 3) in der dorsalen Narbe des rechten Kniegelenks mit serös-krümeliger Sekretion.

Abb. 3: Fistel der Kniegelenkszyste an der dorsalen Narbe

Abb. 4: MRT August 2019 (Koronarschnitt): Kniegelenkszyste mit Fistelbildung (links, PD-tse-Wichtung) und zunehmendes Knochenödem (rechts, T1-se-Wichtung)

Im MRT fand sich Anfang August 2019 (Abbildung 4) eine massive Synovialitis mit progredienter ossärer Läsion und eine dorsale arthrokutane Fistel über der ehemaligen Kniegelenkszyste. Die Kniegelenkspunktion erbrachte den Nachweis von DNA des M. tuberculosis-Komplexes. Bronchoskopie und erneute bronchoalveoläre Lavage lieferten in einer von vier Bürstenbiopsien den mikrobiologischen Nachweis von M. tuberculosis.

Damit konnte die Diagnose einer offenen Lungen- und Kniegelenkstuberkulose gestellt werden.

Therapie

Die Therapie erfolgte mit Rifampicin/Isoniazid (9 Monate) und Etanbutol/Pyrazinamid (2 Monate). Gem. Empfehlung der WHO ist bei einer Gelenkbeteiligung eine prolongierte Zweifachtherapie trotz ausreichender Gewebesättigung erforderlich.

Fazit

Tuberkulose ist nach wie vor ein ernst zu nehmendes Gesundheitsproblem, welches vorwiegend Risikogruppen betrifft. Dieses gilt auch für die Orthopädie und Unfallchirurgie.

Die Falldemonstration zeigt, wie wichtig es sein kann, eine Tuberkulose als Differenzialdiagnose, auch bei initial fehlendem Keimnachweis, nicht außer Acht zu lassen. Dieser kann sich schwierig und langwierig gestalten, der Weg zur richtigen Diagnose hält viele Fallstricke bereit.

Vorsicht ist geboten bei einer negativen Kultur. Diese schließt eine Tuberkulose nicht aus! Ursächlich hierfür kann z. B. eine Formalinfixierung von entnommenem Gewebe sein. Auch eine PCR hat Grenzen, z. B. bei sehr geringer Konzentration, Mutationen usw.

Insbesondere bei Patienten aus Ländern mit einer hohen Tuberkuloseprävalenz sollte eine osteoartikuläre Tuberkulose in allen atypischen Fällen als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden.

Literatur

  1. Herold G et al.: Innere Medizin. Köln: Herold Gerd (Verlag), 2015.
  2. Robert Koch-Institut: RKI-Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland. RKI 2017; , letzter Aufruf 17. April 2020. mehr lesen
  3. Schaberg T, Bauer T, Brinkmann F et al.: S2k-Leitlinie: Tuberkulose im Erwachsenenalter. Pneumologie 2017; 71: 325-397. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Stauß P, Häusler M, Johann M: Infektiologie meets Orthopädie/Unfallchirurgie – Case Report einer tuberkulösen Arthritis (Poster-Abstract). WMM 2020; 64(6-7): 227-229.

Für die Verfasser

Stabsarzt Philipp Stauß

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Klinik XIV – Orthopädie und Unfallchirurgie

Lesserstr. 180, 22049 Hamburg

E-Mail: philippstauss@bundeswehr.org

Posterpräsentation bei der 27. ARCHIS (29.-31. Januar 2020) in Papenburg