Wehrmedizinische Monatsschrift

Erkrankungen und Gesundheitskosten
durch gesundheitlich ungünstige Alltagsgewohnheiten

Cornelia Langea

a Robert Koch-Institut Berlin – Fachgebiet Gesundheitsverhalten (bis 2020)

 

Einleitung

Nichtübertragbare Krankheiten (NCDs), wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und chronische Atemwegserkrankungen, sind die weltweit führenden Todesursachen und für 70 % der Todesfälle weltweit verantwortlich. Zu den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren für chronische Krankheiten zählen verhaltensbedingte Risikofaktoren wie Tabakkonsum, ungesunde Ernährung, mangelnde körperliche Aktivität und gesundheitsriskanter Alkoholkonsum. Diese modifizierbaren Risikofaktoren führen wiederum zu Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterinspiegel und schließlich zu chronischen Krankheiten [3]. Um nachhaltig die Krankheitslast durch chronische Krankheiten zu senken, ist es daher erforderlich, die zu Grunde liegenden Risikofaktoren und deren Determinanten in den Blick zu nehmen.

Abb. 1: Zusammenhang zwischen Gesundheitsrisiken und chronischen Krankheiten (adaptiert aus: Australian Instituite of Healt and Wellfare 2012: Risk factors contributing to chronic disease. Cat No. PHE 157. Canberra: AIHW)

„Gesundheitskosten“ von Erkrankungen

Zur Schätzung der „Gesundheitskosten“ chronischer Krankheiten gibt es unterschiedliche methodische Herangehensweisen. In der Global Burden of Disease Rechnung (GBD) werden der Verlust an Lebensjahren und der Verlust an Lebensjahren ohne Beeinträchtigung in der Messgröße Disability adjusted Life Years (DALY) ­zusammengefasst. Danach verursachen in Deutschland Ischämische Herzkrankheiten, Rückenschmerzen, Lungenkrebs, Schlaganfall, Alzheimer Demenz, Diabetes, Kopfschmerzen, Stürze und Nackenschmerzen die größte Krankheitslast, gemessen in DALYs (Top 10). Die ­wesentlichen Risikofaktoren dafür sind laut GBD Tabakkonsum, Bluthochdruck, Ernährungsrisiken, hohe Blutzuckerspiegel, hoher Body-Mass Index, Alkoholkonsum, hohe LDL-Werte, Arbeitsweltrisiken, Luftverschmutzung und eingeschränkte Nierenfunktion [2] (Abbildung 2). Andere Maße für „Gesundheitskosten“ sind zum Beispiel die Häufigkeit einer Krankheit (Prävalenz) sowie direkte oder indirekte Krankheitskosten. In der Zusammenschau verschiedener Maße ergibt sich, dass in Deutschland Herz-Kreislauf-Krankheiten, Neubildungen (Lungenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs), Psychische Störungen inkl. Demenzerkrankungen, Diabetes mellitus, Rückenleiden und Lungenkrankheiten besonders relevant sind.

Abb. 2: Die Entwicklung der häufigsten Risikofaktoren für chronische Erkrankungen in Deutschland von 2007 bis 2017 (aus [1])

Um die Krankheitslast durch nicht-übertragbare Krankheiten zu verringern, hat die WHO einen „Global action plan for the prevention and control of noncommunicable diseases 2013-2020 erarbeitet. Es wurden neun freiwillige Ziele formuliert, in denen festgelegt wurde, um welchen Betrag bestimmte Risikofaktoren zwischen 2010 und 2025 reduziert werden sollen [4].

Abb. 3: Set of 9 voluntary global NCD targets for 2025 (aus [4])

Entwicklung in Deutschland

Daten aus den Gesundheitssurveys der Robert Koch-Instituts sowie aus anderen epidemiologischen Studien zeigen, dass die Prävalenzen von Diabetes und Adipositas bei Erwachsenen weiterhin zunehmen; dabei steigt der Anteil Adipöser bei Männern stärker als bei Frauen. Die Prävalenz von Bluthochdruck ist zwischen 1990-1992 und 2008-2011 gesunken; auch der Anteil der Rauchenden sank beträchtlich zwischen 1998 und 2015. Seit 1995 ist die Prävalenz riskanten Alkoholkonsums bei Männern zurückgegangen, bei Frauen ergibt sich kein eindeutiges Bild. Der Anteil sportlich Inaktiver hat sich zwischen 2003 und 2012 verringert, allerdings nur in den mittleren und oberen Bildungsgruppen; bei den niedrigen Bildungsgruppen ist der Anteil über die Jahre gleich geblieben. Hinsichtlich einiger Ziele scheint also die Entwicklung in Deutschland in die gewünschte Richtung zu gehen; dies trifft aber nicht auf alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zu.

Folgerungen

Um die „Gesundheitskosten“ durch vermeidbare chronische Krankheiten zu verringern, ist es erforderlich, die wesentlichen Risikofaktoren (Rauchen, Alkoholkonsum, körperliche Inaktivität, Fehlernährung, Stressbelastung) weiter zu reduzieren. Dabei sind Präventionsmaßnahmen zielgruppenspezifisch auszurichten. Die Maßnahmen sollten nicht allein auf individueller Ebene ansetzen („Verhältnisprävention“), sondern auch die Determinanten der Risikofaktoren („Verhältnisprävention“) einbeziehen. Gesundheitsförderlichen Settings kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Im betrieblichen Setting können gezielt gesundheitsförderliche Angebote gemacht werden; es ist dabei aber auch entscheidend, wie diese Angebote die Mitarbeitenden erreichen und welche Vorteile diese davon haben bzw. für sich sehen. Dazu gehört auch das Vorhandensein von Informationen, Orientierungsmaßstäben sowie an kognitiven und sozialen Kompetenzen beim Treffen von gesundheitsrelevanten Entscheidungen. Die verschiedenen kognitiven und sozialen Fähigkeiten für den Umgang mit Gesundheitsinformationen und für die Orientierung im Gesundheitswesen werden international als „Health Literacy“ bezeichnet, im deutschsprachigen Raum wird von „Gesundheitskompetenz“ gesprochen [1].

Gesundheitlich ungünstige oder günstige Alltagsgewohnheiten hängen somit von den Rahmenbedingungen ab, in denen ein Individuum sein Gesundheitsverhalten und seine Gesundheitschancen entfalten kann. Neben sozio-ökonomischen Merkmalen und allgemeinen gesellschaftlichen, kulturellen und umweltbedingten Rahmenbedingungen kommen auch individuelle körperliche und psychische Eigenschaften, wie Alter, Geschlecht, Genetik oder intergenerationelle Einflüsse zum Tragen. Gesundheitsförderung umfasst daher die Verbesserung von gesundheitsrelevanten Lebensweisen und die Verbesserung von gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen. Ressourcenorientierte betriebliche Gesundheitsförderung mit aktiver Teilhabe der Betroffenen bei der Gestaltung der Lebenswelt Betrieb ist dabei ein wichtiger Baustein.

Literatur

  1. Horch K, Starker A, Jordan S: Kommunikation und Information im Gesundheitswesen aus Sicht der Bevölkerung. Patientensicherheit und informierte Entscheidung (KomPaS) - Sachbericht. RKI 2019; Berlin; , letzter Aufruf 29. Mai 2020. mehr lesen
  2. Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME): Germany profile. Seattle, WA: IHME, University of Washington, 2018; , letzter Aufruf 29. Mai 2020. mehr lesen
  3. World Health Orgaization: Noncommunicable Diseases Progress Monitor 2017. WHO 2017; Licence: CC BY-NC-SY 3.0 IGO. mehr lesen
  4. World Health Organization: Global action plan for the prevention and control of noncommunicable diseases 2013-2020. WHO 2013. ; letzter Aufruf 29. Mai 2020. mehr lesen

Verfasserin

Dr. Cornelia Lange

Robert Koch-Institut, Fachgebiet Gesundheitsverhalten (bis 2020)

Nordufer 20, 13353 Berlin

E-Mail: cornelia.lange@posteo.de