Wehrmedizinische Monatsschrift

Übersichtsarbeit

Ein kaum bekanntes und unterschätztes Risiko:
Hitzebelastung in militärischen Einsatzfahrzeugen

An unexplored and underestimated risk: Heat stress in military vehicles

Maria Richtera , Karl Jochen Glitza , Stefan Freitaga , Dieter Leyka,b

a Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr

b Deutsche Sporthochschule Köln, Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Aufgrund der isolierenden Schutzbekleidung und der hohen körperlichen Anforderungen bei militärischen Einsätzen besteht für Soldaten 1 – selbst bei moderaten Umgebungstemperaturen – die Gefahr von folgenschweren Hitzeerkrankungen. Nach den Hitzezwischenfällen während der Grundausbildung im Sommer 2017 in Munster wurden über den Sanitätsdienst der Bundeswehr umfangreiche und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen (Qualifizierung/ Sensibilisierung von Ausbildern, „Taschenkarten“ für die Truppe und Aufbau eines „Risk-Assessment-Verfahrens“) implementiert. Berichte von Einsatzrückkehrern weisen allerdings auf das bislang wenig beachtete Problem der Hitzebelastung in Einsatzfahrzeugen hin. In Fahrzeugen kann es innerhalb von kurzer Zeit zu hohen Temperaturanstiegen kommen. Die tatsächlichen Hitzebelastungen in Einsatzfahrzeugen sind aber weitgehend unbekannt.

Methode: Mithilfe einer selektiven Literaturrecherche und in Zusammenarbeit mit der Wehrtechnischen Dienststelle 41 wurden die technischen Prüfvorgaben bei Einsatzfahrzeugen und die bestehenden Grenzwertfestlegungen analysiert sowie die Gefährdungen hinsichtlich der Hitzebelastung in diesen Fahrzeugen abgeschätzt.

Ergebnisse und Diskussion: Die durchgeführte Recherche zeigt, dass (1) die bei Einsatzfahrzeugen derzeit verwendeten Berechnungsverfahren und Grenzwerte die tatsächlichen Hitzebelastungen für die Fahrzeuginsassen unterschätzen und (2) die Klimatisierung der Einsatzfahrzeuge nicht für alle Einsatzbedingungen ausreichend ist.

Die starke Panzerung der Fahrzeuge wirkt wie ein großer Wärmespeicher und führt bei Sonneneinstrahlung zu einem Glashauseffekt. Die hohen Anforderungen an die Kühlleistungen der Fahrzeugklimaanlagen bergen ein Risiko für technisches Versagen.

Für Soldaten, die oft stundenlang hohen Hitzebelastungen in Einsatzfahrzeugen ausgesetzt sind, können erhebliche Leistungsverluste resultieren. Neben der körperlichen Leistungsfähigkeit werden auch Vigilanz, Reaktionsgeschwindigkeit, Sensomotorik und Sinneswahrnehmungen negativ beeinflusst.

Keywords: Gesundheit, Leistung, Hitze, Grenzwerte, Gefährdungsabschätzung

Summary

Background: Even at moderate ambient temperatures, soldiers are at risk for serious heat illness due to the high physical demands of military missions and the insulating effect of protective clothing. As a reaction to the heat related incidences in Munster in 2017, the Bundeswehr has implemented comprehensive and effective measures of prevention (e.g. qualification and raising of awareness of instructors, “pocket guides” for personnel, and implementation of a risk assessment process) developed by the Bundeswehr Medical Service. Reports from personnel returning from deployment, however, provide evidence for a hitherto neglected heat-stress problem: Temperatures in tactical vehicles may rapidly rise to considerable levels and the actual heat-related stress for passengers and crew is largely unknown.

Methods: A selective literature review was conducted, existing maximal permissive values and technical inspection specifications for tactical vehicles were analyzed, and potential dangers regarding heat stress were estimated in collaboration with the Bundeswehr technical center 41 (WTD 41).

Results and discussion: The results show that (1) the calculation methods and maximal permissive values currently in use underestimate the actual heat stress for all occupants of armoured vehicles, and (2) climate control in armoured vehicles is not adequate for all intended operational conditions.

Armour acts as heat accumulator for (direct) solar radiation leading to a greenhouse effect in the vehicle interior. The ensuing demands on the air conditioning systems for controlling the interior temperatures are substantial and pose an elevated risk for technical failures. Soldiers being subjected to heat-stress conditions in tactical vehicles for extended periods may suffer marked reductions in performance ranging from physical performance decrements to impaired vigilance, reaction speed, sensomotoric performance, and perception.

Keywords: health, performance, heat, threshold values, risk assessment

Hintergrund

„Wir waren erst ein paar Meter gefahren, aber die Luft war bereits unerträglich: abgestanden, schwer und voller Schweiß.“

Johannes Clair: 4 Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan [3]

Soldaten müssen im Einsatz militärische Schutzbekleidung mit starker Wärmeisolation (z. B. ballistischer Körperschutz) tragen und gleichzeitig hohe körperliche Anforderungen erfüllen. Selbst bei moderaten Umgebungstemperaturen besteht die Gefahr einer anstrengungsbedingten Überhitzung mit folgenschweren Hitzeerkrankungen [19]. Zur Prävention wurden über den Sanitätsdienst der Bundeswehr nach den Hitzezwischenfällen während der Grundausbildung im Sommer 2017 in Munster umfangreiche und wirkungsvolle Maßnahmen (Qualifizierung/ Sensibilisierung von Ausbildungspersonal, „Taschenkarten“ für die Truppe und Aufbau eines „Risk-Assessment-Verfahrens“) implementiert [10].

Allerdings weisen Schilderungen von Rückkehrern aus heißen Klimazonen mit Hitzebelastungen in Einsatzfahrzeugen auf ein weiteres, bislang noch wenig beachtetes Problem hin. Bekanntermaßen können sich geparkte Pkw im Sommer stark aufheizen. Meist wird jedoch unterschätzt, wie schnell und wie hoch die Temperaturen im Fahrzeuginneren ansteigen können: je nach äußeren Konditionen um etwa 21-27°C pro Stunde [4][8][17][21]. Selbst in gemäßigten Breiten bei Außentemperaturen ≤35 °C können sich Temperaturen bis zu ٨٩ °C im Fahrzeug entwickeln [20].

Obwohl alle Einsatzfahrzeuge mit Klimaanlagen ausgestattet sind, berichten Rückkehrer von extremer Schwüle in den Fahrzeugen, einer zu schwachen oder gar vollständig ausgefallenen Klimaanlage und stickiger Luft. Hinzu kommt eine häufig ungünstige Luftführung, bei der nicht ausreichend kühle Luft den Kopf bzw. Oberkörper erreicht. Die Soldaten behelfen sich teilweise selbst, um für eine bessere Luftführung zu sorgen. Abbildung 1 zeigt ein Beispiel aus dem Einsatz in Mali, bei dem Soldaten einen Schlauch (blau eingefärbter Bereich) zur Luftführung in einem Transportpanzer Fuchs verlegt haben.

Abb. 1:Fußraum auf der Fahrerseite des Transportpanzers Fuchs: Soldaten verlegen im Einsatz behelfsmäßig einen Schlauch (blau eingefärbt), um kühle Luft zum Oberkörper und Kopf zu leiten.

Methodik

Mithilfe einer selektiven Literaturrecherche 2 , existierender Prüfvorgaben und der einschlägigen Fachliteratur wurden in Zusammenarbeit mit der Wehrtechnischen Dienststelle 41 der technische Prüfungsprozess bei Einsatzfahrzeugen sowie die bestehenden Grenzwertfestlegungen analysiert. Zudem wurde auf Basis der verfügbaren Daten eine Abschätzung hinsichtlich der Leistungs- und Gesundheitseinbußen bei Hitzebelastungen in Einsatzfahrzeugen durchgeführt.

Ergebnisse

Bestimmung der Hitzebelastung in Einsatzfahrzeugen

Zur Erfassung der Hitzebelastung in Fahrzeugen verwendet die Bundeswehr mit dem Wet-Bulb-Globe-Temperature-Index (kurz WBGT-Index), ein international genormtes Klimasummenmaß. Der WBGT-Index setzt sich aus drei gewichteten Messgrößen zusammen: ­Lufttemperatur, Schwarzkugeltemperatur (misst die Strahlungswärme) und die sogenannte „natürliche Feuchttemperatur“; letztere bildet die Auswirkung der Verdunstungskälte auf das Temperaturempfinden ab (siehe Abbildung 2, Spalte 1).

Der WBGT-Index erfasst den Einfluss der meteorologischen Umgebungsbedingungen. Er wird in der Temperatureinheit °C angegeben (für Details siehe Abb. 2, Spalte 1) [6]. Die Angabe des WBGT-Index in °C führt immer wieder dazu, dass WBGT-Werte fälschlicherweise mit Lufttemperaturen gleichgesetzt werden. Wie oben erwähnt ist der WBGT-Index allerdings ein Klimasummenmaß, wobei die Lufttemperatur den geringsten Einfluss bei der Berechnung hat. Dies zeigt das folgende Beispiel: An einem windstillen, bedeckten Tag würde ein WBGT-Index von 28,5 °C bei einer relativen Feuchte von 10% (häufig in Afghanistan) einer Lufttemperatur von 45 °C entsprechen.

Zu beachten ist außerdem, dass mit der alleinigen WBGT-Messung die Hitzewirkung auf den Menschen nicht vollständig erfasst werden kann. Durch die Stoffwechelprozesse im Organismus wird ständig Wärme produziert (siehe Abbildung 2, Spalte 2). Bei Muskelarbeit werden beispielsweise nur 20-30% der verbrauchten Energie in mechanische Arbeit umgesetzt. Der Rest wird in Wärme umgewandelt und muss vom Körper abgeführt werden [19]. Mit der WBGT-Messung kann zudem nicht der isolierende Einfluß der Bekleidung erfasst werden: Diese verstärkt eine Hitzebelastung, da sie die kühlende Wirkung von Luftbewegung und Schweißverdunstung einschränkt [27] (siehe Abbildung 2, Spalte 3). Die Einflüsse von Energieumsatz und Bekleidungsisolation müssen deshalb in WBGT-Werte umgerechnet und zum gemessenen „meteorologischen“ WBGT-Wert addiert werden. Ein derart korrigierter WBGT-Index wird als effektiver WBGT-Wert bezeichnet [5][6]. Zur Beurteilung einer Gefährdungslage sollte stets der effektive und nicht allein der „meteorologische“ WBGT-Wert herangezogen werden.

Abb. 2: Zusammensetzung des effektiven WBGT-Werts aus den meteorologischen Einflüssen, dem Energieumsatz und der Bekleidungsisolation sowie ihre einzelnen Definitionen [4][6][10]

Gefährdungsbereiche

Mit Blick auf den Wärmehaushalt des Menschen und eine potenzielle gesundheitliche Gefährdung unterscheidet man drei Bereiche: (1) den Komfortbereich, (2) den Toleranzbereich und (3) den Risikobereich 3 [6][9][15][22][30][31]. Im Komfortbereich besteht keine Hitzebelastung. Der Toleranzbereich bezeichnet den Bereich, in dem eine Hitzebelastung vorliegt, diese jedoch noch zeitlich unbegrenzt tolerierbar ist, ohne dass es zu gesundheitlichen Schädigungen kommt [19][27][28][30]. Im Risikobereich kann der Körper keine ausgeglichene Wärmebilanz herstellen [30]; die Körperkerntemperatur steigt an [19][31]. Mit zunehmender Expositionszeit kommt es zu deutlichen Leistungsverlusten. Im weiteren Verlauf steigt die Gefahr, dass gesundheitliche Schäden bis hin zum Hitzschlag eintreten. Ein Hitzschlag kann schwere Organschäden und sogar den Tod zur Folge haben [19][31]. Eine Hitzeexposition im Risikobereich ist für kurze Zeiträume vertretbar, erfordert jedoch kürzere Arbeitsintervalle und regelmäßige Pausen, damit der Körper abkühlen kann [9]. Dies ist in Fahrzeugen, vor allem unter Einsatzbedingungen, aktuell praktisch nicht möglich. Daher ist es essenziell, dass die Hitzebelastung im Fahrzeug grundsätzlich im Toleranz- und nicht im Risikobereich liegt [9].

Grenzwertfestlegung

Die Grenze zwischen Toleranz- und Risikobereich ist per definitionem ein effektiver WBGT-Wert, der für leichte Arbeiten wie Autofahren bei WBGTeff = 29 °C liegt (akklimatisierte Personen: WBGTeff = 30 °C) [19].

In technischen Prüfverfahren können häufig nur die Umweltbedingungen, nicht aber die hinzukommende Hitzebelastung aufgrund des Energieumsatzes und der Bekleidungsisolation, erfasst werden. Hierdurch kann es bei Fahrten in militärischer Schutzbekleidung zu einem Unterschätzen der tatsächlichen Hitzebelastung für Soldaten kommen. Dies zeigt das folgende Beispiel:

Der aktuelle Grenzwert WBGTPrüf für die Klimatisierung von geschützten Fahrzeugen beträgt ٢٧ °C (siehe z. B. Leistungsbeschreibungen vom Eagle IV/ V oder Dingo 1/ 2). Bislang wird der Energieumsatz nicht berücksichtigt, da er als gering eingestuft wurde [9]. Außerdem wurde angenommen, dass militärische Bekleidung mit industrieller Arbeitsbekleidung vergleichbar ist, die einen clo-Wert von 1 hat [15][30] (für die Definition der Einheit [clo] siehe Abbildung 2, Spalte 3). Tatsächlich liegt die Isolation der soldatischen Bekleidung (einschließlich Kampfstiefel, Handschuhen und Helm) mittlerweile bei etwa 1,4clo [11][24]. Kommt eine ballistische Schutzweste hinzu, steigt die Bekleidungsisolation auf 1,7clo an [24]. Dies bedeutet, dass der maßgebliche WBGTeff bei 32,5°C liegt, während der aktuell verwendete Grenzwert WBGTPrüf (27°C) die tatsächliche Hitzebelastung für Soldaten in Fahrzeugen stark unterschätzt. Aufgrund der fehlenden Möglichkeiten zur Hitzeprävention in Einsatzfahrzeugen (Arbeitszeit-/ Pausenregime, Körperkühlung, etc.) kann es hier zu beträchtlichen Leistungsverlusten und auch gesundheitlichen Gefährdungen kommen.

Einzig wirksame Hitzeprävention in Einsatzfahrzeugen: die Klimaanlage

Die Panzerung militärischer Fahrzeuge stellt einerseits einen großen Wärmespeicher dar und wandelt andererseits die eindringende UV-Strahlung des Sonnenlichts in langwellige Strahlung (Wärmestrahlung) um. Die Wärmestrahlung wird zum Teil im Fahrzeuginneren eingeschlossen und heizt ihn zusätzlich auf (Glashauseffekt). Die hohe Strahlungsintensität der Sonne in den heißen Einsatzgebieten (Tageshöchstwert im Jahresschnitt 1140W/m2 [2]) und die große Wärmemenge, die in der Panzerung der Fahrzeuge gespeichert werden kann, stellen enorme Anforderungen an die Kühlleistung der Klimaanlage [13]. Hinzu kommt der Wärme- und Feuchtigkeitseintrag der Insassen (bis zu 0,5l Schweiß pro Stunde und Insasse [13]). Beides bedeutet für die Klimaanlage eine zusätzliche Belastung [26] und wird nach Angaben der WTD 41 aktuell in Klimaprüfmessungen nicht berücksichtigt.

Wärme und Feuchtigkeit, die die Klimaanlage dem Fahrzeuginnenraum entzieht, müssen nach außen abgeführt werden. Dies geschieht in einem 4-phasigen Kreisprozess: (1) am Verdampfer wird die Wärme aus dem Innenraum an das Kühlmittel abgegeben, (2) am Kompressor wird das Kühlmittel verdichtet, (3) am Kondensator wird die Wärme nach außen abgegeben, (4) am Dosierventil wird der Druck des Kühlmittels wieder gesenkt und so für die erneute Wärmeaufnahme vorbereitet [13]. Grundsätzlich muss nicht nur der Kondensator der Klimaanlage, sondern auch der Motor und seine Abgasanlage Wärme an die Umgebung abführen. Bei hohen Außentemperaturen kann es deshalb zu einem Hitzestau im Motorraum kommen. Ist die Lufttemperatur in der Umgebung des Kondensators der Klimaanlage zu hoch, kann nicht mehr genügend Wärme aus dem Kühlmittel an die Luft abgegeben werden – der Druck im Kühlkreislauf steigt [13]. Überschreitet der Druck einen Grenzwert, schaltet sich die Anlage zum Selbstschutz ab [13]. Der Ausfall der Klimaanlage – sei es durch die Schutzschaltung oder einen technischen Defekt – ist ein Worst-Case-­Szenario für die Fahrzeuginsassen.

Auswirkungen auf Gesundheit und Leistungsvermögen

Hitzebelastung verursacht nicht nur physische, sondern auch mentale Leistungseinbußen, die sich auf die Auftragserfüllung während der Fahrt auswirken können. Schon bei moderaten Lufttemperaturen sinkt z. B. die Vigilanz für eine Nebenaufgabe von Autofahrern deutlich: Bei einer Lufttemperatur von 27 °C erkannten Autofahrer 50% weniger Signale und ihre Reaktionszeit verlängerte sich um 22% im Vergleich zu Fahrten bei 21 °C [18][32]. In anderen Untersuchungen mit Temperaturen von über 30°C verschlechterten sich die Sinneswahrnehmung, Reaktionsgeschwindigkeit und sensomotorische Koordination weiter (siehe [30] und Referenzen).

Im Gegensatz zu zivilen Autofahrern haben Soldaten während der Fahrt weitere wichtige und teilweise komplexe Aufgaben (z. B. Rundumbeobachtung, Überwachung von Monitoren). Vigilanz-Einbußen, Einschränkungen der Sinneswahrnehmungen, Abnahme von Reaktionszeiten und Konzentrationseinbußen können folgenschwere Auswirkungen haben, wenn sich Soldaten schnell orientieren, die Lage beurteilen und bedeutsame Handlungsentscheidungen treffen müssen. Auch die Motorik kann betroffen sein: Einbußen in der sensomotorischen Koordinationsfähigkeit sind unter anderem auf hitzebedingte Erschöpfung, verringerte Aufmerksamkeit und Konzentration zurückzuführen [14][16][32]. Mittlerweile gibt es deutliche Hinweise dafür, dass Hitzebelastungen zu erhöhten Unfallraten und vermehrten Verletzungen führen (siehe [29] und Referenzen darin). Obwohl solche Vorfälle selten in direkten Zusammenhang mit Hitzebelastungen gebracht werden, sind sie oft darauf zurückzuführen [28].

Das starke Schwitzen bei Hitze führt häufig zu einer starken Dehydratation [7][15][23][27]. Bereits bei einem Wasserverlust von etwa 2% des Körpergewichts kommt es zu deutlichen Leistungsverlusten, die sowohl im physischen als auch im mentalen Bereich auftreten [1][12][16]. Deswegen werden Soldaten im Einsatz dazu angehalten, ausreichend zu trinken [22]. Die Einsatzrealität sieht leider häufig anders aus: Das Trinken wird unterlassen (sogenannte „freiwillige“ Dehydratation), um sich während der Fahrt nicht in provisorische Behältnisse erleichtern zu müssen.

Fazit und Ausblick

Die bei Einsatzfahrzeugen derzeit verwendeten Berechnungsverfahren und festgelegten Grenzwerte berücksichtigen die tatsächlichen Hitzebelastungen von Soldaten nicht hinreichend, insbesondere aufgrund der angestiegenen Bekleidungsisolation. Heiße Klimazonen, in denen Einsatzgebiete liegen, stellen hohe Anforderungen an die Kühlleistungen der Fahrzeugklimaanlagen und bergen ein großes Risiko bei deren technischem Versagen [25]. Hitzebelastungen in Einsatzfahrzeugen führen zu mentalen und körperlichen Leistungseinbußen. Die im Verlauf der Fahrt eintretenden Flüssigkeitsverluste (durch Schwitzen, unzureichendes Trinken) vergrößern diese zusehends.

Aus präventivmedizinischer Sicht bedürfen die derzeit verwendeten Berechnungsverfahren und festgelegten Grenzwerte deshalb einer Revision. Das Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr führt hierzu aktuell gemeinsam mit der Wehrtechnischen Dienststelle 41 standardisierte Untersuchungen durch.

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Manuskriptdaten

Eingereicht: 2. Juli 2020

Angenommen: 9. Juli 2020

Zitierweise

Richter M, Glitz KJ, Freitag S, Leyk D: Ein kaum bekanntes und unterschätztes Risiko: Hitzebelastung in militärischen Einsatzfahrzeugen. WMM 2020; 64(8): 283-287.

Für die Verfasser

Dr. rer. nat. Maria Richter

Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr

Andernacher Str. 100, 56070 Koblenz

E-Mail: maria2richter@bundeswehr.org

Manuscript data

Submitted: 2 July 2020

Accepted: 9 July 2020

Citation

Richter M, Glitz KJ, Freitag S, Leyk D: An unexplored and underestimated risk: Heat stress in military vehicles. WMM 2020; 64(8): 283-287.

For the authors

Dr. rer. nat. Maria Richter

Bundeswehr Institute of Preventive Medicine

Andernacher Str. 100, D-56070 Koblenz

E-Mail: maria2richter@bundeswehr.org


1 Zur besseren Lesbarkeit wird im Beitrag anstelle der geschlechtsspezifischen Bezeichnung überwiegend die maskuline Form (Soldat, Proband usw.) benutzt; gemeint sind aber immer alle Geschlechter.

2 Die Recherche erfolgte im San-Netz, PubMed und Google Scholar. Keywords: vehicle, auto mobiles, tank, armoured vehicle, armored vehicle, human heat stress, human heat strain, dehydration, hydration, cognitive function, cognitive performance, mental performance, physical performance, body armour, body armor, military clothing, protective clothing

3 Die Bezeichnung der Kategorien ist in der Literatur nicht einheitlich.