Wehrmedizinische Monatsschrift

IN MEMORIAM

Generalarzt a. D. Dr. Horst Hennig

Am 21. Mai 2020 verstarb Herr Generalarzt a. D. Dr. Horst Hennig im Alter von 93 Jahren. Mit seinem Tod hat der Sanitätsdienst einen seiner bedeutenden Vordenker und Visionäre verloren.

Horst Hennig war nicht nur ein außergewöhnlicher Arzt und Kamerad, sondern zugleich auch eine der bedeutsamsten Persönlichkeiten in der wissenschaftlichen und publizistischen Aufarbeitung von Totalitarismus und kommunistischer Diktatur im 20. Jahrhundert.

Horst Hennig wurde am 28. Mai 1926 in Siersleben (Sachsen-Anhalt) als Sohn eines Drogeriebesitzers geboren. Seine Mutter verlor er schon in jungen Jahren. Mit 14 führte ihn sein Weg zur ersten militärischen Ausbildung an die Heeresunteroffiziervorschule in Marienberg. Später in der Offiziersschule in Dresden lernt er den späteren Vier-Sterne-General Günter Kießling kennen, der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Nach amerikanischer und englischer Kriegsgefangenschaft kam Horst Hennig 1946 mit dem Lazarettschiff „ABA“ von England nach Hamburg.

1948 nahm Horst Hennig das Medizinstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf. Mit Studienfreunden begehrte er gegen undemokratische Strukturen in der Studentenratswahl auf, wurde am 10. März 1950 verhaftet und der sowjetischen Besatzungsmacht ausgeliefert. Nach kurzem Prozess wurde er zu 25 Jahren Lagerhaft und Deportation nach Workuta verurteilt. Über fünf Jahre lebte und arbeitete er dort unter menschenunwürdigen Bedingungen. Den Aufstand in diesem Lager 1953, der 64 Tote und 123 Schwerverletzte zur Folge hatte, überlebt Horst Hennig.

Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1955 nahm Horst Hennig das Medizinstudium wieder auf und promovierte 1961 an der Universität Köln.

Am 31. März 1962 approbiert, trat er am 1. Juni 1962 in den Sanitätsdienst der Bundeswehr ein. Ohne die übliche Einweisung an der Sanitätsakademie der Bundeswehr wurde er als Truppenarzt an die Sanitätsstaffel der Technischen Schule der Luftwaffe 3 in Faßberg beordert. Nach der fünfmonatigen Probezeit als aktiver Sanitätsoffizier übernommen, wurde er zum damaligen Jagdgeschwader 71 „Richthofen“ versetzt. 1965 und 1971 besuchte er die United States Air Force School of Aerospace Medicine in San Antonio. Nach einigen Jahren beim Jagdbombergeschwader 43 wurde er als Oberstarzt im Oktober 1973 Kommandeur der Sanitätsschule der Luftwaffe. Zum 1. Oktober 1976 wurde er an das Bundesministerium der Verteidigung versetzt. Als Referent II 1 oblagen ihm Konzeption, Führung, Planung und Einsatz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Nach drei Jahren kam er als Leitender Sanitätsoffizier zum Luftwaffenamt, um am 1. Oktober 1980 als Generalarzt und Unterabteilungsleiter InSan II (Sanitätswesen) in das Verteidigungsministerium zurückkehren. Am 28. März 1983 wurde er von Staatssekretär Joachim Hiehle in den Ruhestand verabschiedet.

„Erinnern als Verpflichtung“ – bis zuletzt war sein ganzes Leben an der Aufarbeitung seiner Verurteilung und Gefangenschaft ausgerichtet. Generalarzt a. D. Dr. Hennig war für Deutschland ein Protagonist der Rehabilitierung politisch Verfolgter durch die Moskauer Militärbehörden. Durch die Publikationen zu seinen Erfahrungen und die seiner Leidensgenossen hat er bleibende Zeitzeugnisse für nachgeborene Generationen geschaffen, die in Deutschland und international hoch anerkannt sind. In Würdigung seiner großen Verdienste erhielt er 1982 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr wird Generalarzt a. D. Dr. Hennig stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Dr. Ulrich Baumgärtner
Generaloberstabsarzt
Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr