Wehrmedizinische Monatsschrift

TAKTISCHE RESERVE

Fachgebietsübergreifende Implementierung 
der SARS-­CoV-2 Diagnostik am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr

Patrick Ostheim a 1, Simone Schüle a 1, Simone Eckstein b, Susann Handrick b,
Roman Wölfel b, Matthias Port a, ­Michael Abend a

a Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München

b Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München

 

Hintergrund

Virologische Diagnostik in einem radiobiologischen Forschungslabor? Normalerweise undenkbar; falsches Fachgebiet, völlig differente Kompetenzen, viele sinnvolle rechtliche Hürden sind nur einige der Gründe, die dem entgegenstehen. Dennoch wurde in der initialen Phase der COVID-19-Pandemie am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw) die Etablierung einer SARS-CoV-2-Diagnostik vereinbart. Diese sollte insbesondere bei erhöhtem Diagnostikbedarf und der dabei absehbaren Knappheit an Testkapazität in Anspruch genommen werden und zudem als „backup“ dienen, falls Großgeräte am InstMikroBioBw ausfallen sollten. Zu diesem Zeitpunkt gab es zwar eine spezialisierte und hochleistungsfähige PCR-basierte (Polymerase-Ketten-Reaktion) Diagnostik für eine Vielzahl an radiobiologischen Fragestellungen am InstRadBioBw, aber keinerlei Virusdiagnostik.

Interdisziplinäre Implementierung

Nach anfänglicher theoretischer Festlegung des geeigneten Workflow, der Bestellung der entsprechenden Reagenzien und Verbrauchsmaterialien sowie der Ausstattung der Gerätschaften mit speziell für den Virusnachweis programmierter Software konnte innerhalb weniger Tage der Ablauf in mehreren Testläufen etabliert und im Verlauf entsprechend der labormedizinischen Standards validiert werden. Insgesamt konnte die Aufarbeitung der Proben aufgrund der am InstRadBioBw vorhandenen Laborinfrastruktur auf eine Schnell- und Hochdurchsatzdiagnostik ausgelegt werden. Hierbei werden die vom ­InstMikroBioBw inaktivierten Proben (Abbildung 1A) an das ­InstRadBioBw übergeben und dort im Anschluss vollautomatisiert mittels der vorhandenen Laborrobotik (QIAGEN QIAsymphony®, Abbildung 1B) aufgearbeitet und für die anschließende PCR zum direkten Nachweis von SARS-CoV-2 vorbereitet. Letztgenannter Schritt läuft als qRT-PCR ebenfalls besonders schnell ab (QuantStudio™ 12K OA Real-Time PCR System, Abbildung 1C), wobei hier mittels sog. „multiplexing“ mehrere Zielgene gleichzeitig detektiert werden können, was die Sensitivität und Spezifität für den Nachweis von SARS-CoV-2 auf das höchstmögliche derzeit verfügbare Maß bringt. Die gewonnenen Ergebnisse werden anschließend zur Interpretation und zur endgültigen Diagnosestellung an die Fachärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie des InstMikroBioBw übergeben (Abbildung 1D).

Abb. 1: Arbeitsablauf für die Schnell- und Hochdurchsatzdiagnostik von SARS-CoV-2

Die klare Definition der interdisziplinären Schnittstellen (Probenübergabe zur Aufarbeitung der Proben am InstRadBioBw und Ergebnisübermittlung zur finalen Diagnosestellung am InstMikroBioBw) war nur ein Schlüssel zur erfolgreichen Implementierung der zusätzlichen Testkapazitäten. Die für neue Testverfahren übliche Etablierungszeit von neuen Labormethoden konnte aufgrund der engen institutsübergreifenden Zusammenarbeit mit den Vorerfahrungen beider Institute massiv verkürzt werden. Das InstMikroBioBw kann seither im Bedarfsfall mit bis zu 200 und bei Aktivierung eines Bereitschaftsdienstes sogar mit 400 SARS-CoV-2- Tests pro Tag unterstützt werden.

Lessons learned

Zu den „lessons learned“ gehört unter anderem der weitere Ausbau der Zusammenarbeit zwischen den Instituten. Hier sind Fragen wie grundsätzliche Anlage der Interdisziplinarität unter Beachtung regulatorischer Grenzen, Stockpiling, gemeinsame Forschungsaktivitäten und eine breite Ausbildung nur einige Aspekte, die weiter diskutiert werden müssen. Der gesamte fachgebietsübergreifende, interinstitutionelle Arbeitsablauf bildet eine Notfalldiagnostik ab, die nur in Zusammenarbeit mit dem InstMikroBioBw (Inaktivierung des zur Risikogruppe 3 gehörenden Virus, abschließende mikrobiologische Befundung) durchgeführt werden kann. Umgekehrt ist die Laborerfahrung mit den hochmodernen Gerätschaften durch das Personal des InstRadBioBw integraler Bestandteil für die erfolgreiche Umsetzung des Workflows. Die Etablierung des Diagnostikverfahrens zeigt das Potenzial der Ressortforschungsinstitute zu fachgebiets- und institutionsübergreifender Zusammenarbeit auch für ABC-Großschadensereignisse auf.

Für die Verfasser

Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port

Institut für Radiobiologie der Bundeswehr

in Verbindung mit der Universität Ulm

Neuherbergstr. 11, 80937 Müchen

E-Mail: matthiasport@bundewehr.org


1 Der Beitrag wurde von Ostheim und Schüle in gemeinsamer Erstautorenschaft erstellt.