Wehrmedizinische Monatsschrift

IM EINSATZMODUS

Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr
im COVID-19-Einsatz

Markus Antwerpen a, Rainer Wessel a, Roman Wölfel a

a Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München

 

Zusammenfassung

Seit Auftreten der ersten Hinweise über ungewöhnliche Atemwegsinfektionen in der Stadt Wuhan verfolgte das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikro­BioBw) aufmerksam die Lageentwicklung in China. Dadurch war das Institut bereits im Januar 2020 auf die Diagnostik des neuartigen Coronavirus vorbereitet und konnte mit dem Nachweis der ersten COVID-19 in Deutschland unmittelbar zur Aufklärung und Eindämmung des Infektionsclusters im Raum München beitragen.

Die gesamten personellen und methodischen Fähigkeiten des InstMikroBioBw im Bereich der Diagnostik, Methodenentwicklung und Wirkstoffforschung wurden auf COVID-19 fokussiert – auch dies in enger Kooperation mit nationalen und internationalen Partnern. Diese enge Verzahnung ist eine wesentliche Fähigkeit des InstMikroBioBw, nicht nur in COVID-19-Zeiten. Dabei bewährte sich die agile, umfassende und robuste Diagnostikfähigkeit des InstMikroBioBw. Nach der ersten Identifikation des Erregers in Deutschland war die Verstärkung der diagnostischen Kapazitäten wesentlich, um die wachsenden Fallzahlen verlässlich erkennen und ein tagesgenaues Lagebild an das Einsatzführungszentrum des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) übermitteln zu können. Gerade in Zeiten einer sich ständig verschärfenden dynamischen Lage ist dies eine wesentliche Voraussetzung für effektive und angemessene Entscheidungen.

Schlüsselwörter: SARS-CoV-2-Infektion, COVID-19, Diagnostik, Therapie, internationale Zusammenarbeit.

Keywords: SARS-CoV-2 infection, COVID-19, diagnosis, therapy, international cooperation

Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr im Grundbetrieb

Als Ressortforschungseinrichtung des Sanitätsdienstes hat das InstMikroBioBw den Auftrag, Angehörige der Bundeswehr vor biologischen Gefahren zu schützen (Medizinischer B-Schutz). Hierzu arbeiten am Institut mehr als 70 militärische und zivile Beschäftigte daran, eine Vielzahl gefährlicher Krankheitserreger im Feldeinsatz sowie in der stationären Labordiagnostik schnell und treffsicher identifizieren zu können.

Ziel der anwendungsorientierten Forschungsprojekte ist es, Erkrankungen zu erkennen, zu verhindern und die Gesundheit und Einsatzfähigkeit von Soldatinnen und Soldaten im Falle einer Erkrankung schnell wiederherzustellen. Die aus diesem Auftrag resultierenden diagnostischen Fähigkeiten bieten zusätzlich eine Vielzahl weiterer Anwendungsmöglichkeiten auch bei der Diagnostik natürlicher Krankheitsausbrüche, wie in der aktuellen SARS-Coronavirus-2 Pandemie eindrucksvoll gezeigt werden kann. Das InstMikroBioBw hat sich seit Mitte Februar 2020 zu einem der wesentlichen Akteure im Kampf gegen die SARS-CoV-2-Pandemie entwickelt (Tabelle 1).

Tab. 1: Anpassung des Forschungsportfolios des InstMikroBioBw an die COVID-19 Lage

Schwerpunktbildung – Umschalten in den COVID-19-Einsatzmodus

Ende Dezember 2019 wurde in China die Ausbreitung eines neuen Virus bekannt, das am 7. Januar 2020 von den chinesischen Behörden als neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2) identifiziert werden konnte. Das Virus wurde für eine Häufung von Lungenentzündungen mit unklarer Ursache in Wuhan, einer Metropole mit 11 Millionen Einwohnern, verantwortlich gemacht. Binnen fünf Tagen, nachdem die WHO entsprechende Nachweisprotokolle für das Erbgut des SARS-CoV-2 veröffentlichte, wurden am InstMikroBioBw spezifische Nachweisverfahren etabliert. Damit konnte das Institut bereits am 22. Januar 2020 dem Kdo SanDstBw die SARS-CoV-2-Diagnostikfähigkeit einsatzbereit melden. Ein weltweit einsetzbares Rapidly Deployable Outbreak Investigation Team (RDOIT) des Instituts steht ebenfalls seitdem zur COVID-19-Diagnostik in Einsatzgebieten der Bundeswehr zur Verfügung.

Nur wenige Tage später diagnostizierte das Institut aus dem Umfeld eines süddeutschen Automobil-Zulieferers die ersten positiven COVID-19-Fälle in Deutschland. Die Proben des ersten Erkrankten waren direkt aus dem Tropeninstitut der Ludwig-Maximillians-Universität zum InstMikroBioBw gebracht worden. Dort stand bereits nach wenigen Stunden die Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion fest. Die Ergebnisse konnten umgehend den behandelnden Ärzten und dem Krisenstab des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit mitgeteilt werden und so helfen, die weitere Ausbreitung im Großraum München entscheidend zu reduzieren. Auch gelang es im BSL-3 Sicherheitslabor des InstMikroBioBw (Abbildung 1) erstmals in Europa, das SARS-CoV-2 in Zellkultur zu isolieren und somit für weitergehende Forschungen in Deutschland und der Welt verfügbar zu machen.

Abb. 1: Forschungsarbeiten mit SARS-CoV-2 im Hochsicherheitslabor des Instituts (Bild InstMikroBioBw)

Durch die bioforensischen Spezialistinnen und Spezialisten des Instituts werden dabei kontinuierlich auch Mutationen des Erreger-Erbguts analysiert und diese Informationen in das COVID-19-Lagebild integriert (Abbildung 2). Die gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnisse und das Virusisolat wurden im Rahmen der etablierten nationalen und internationalen Kooperationen des Instituts u. a. mit dem Institut für Virologie der Berliner Charité und mit NATO-Partnern geteilt.

Abb. 2: Genomanalyse zur Verfolgung der Ausbreitung einer Infektkette über Ländergrenzen hinweg. Stammbaum 4413 europäischer und weiterer repräsentativer Vollgenome des COVID-19-Ausbruchs mit dem eingeordneten Vollgenom des Patienten 1 des Webasto-Clusters (Bild InstMikroBioBw).

Zur weiteren Verstärkung der COVID-19-Diagnostikfähigkeiten in Deutschland unterstützten Spezialistinnen und Spezialisten des InstMikroBioBw die Abteilung XXI (Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz) und die veterinärmedizinischen Laborabteilungen der Zentralinstitute in München und Kiel beim dortigen Aufbau der SARS-CoV-2 Diagnostik. Bis Ende April 2020 führte das Institut selbst mehr als 8 000 Untersuchungen auf SARS-CoV-2 durch. Die personellen Kapazitäten in München wurden dabei sowohl durch Fachpersonal der ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr, als auch durch langjährig am InstMikroBioBw beorderte Reservistinnen und Reservisten verstärkt. Auch außerhalb Deutschlands implementierten Teams des InstMikroBioBw bereits ab Februar die molekularbiologische Diagnostik zum Nachweis von SARS-CoV-2 in Georgien, Tunesien und dem Einsatzgebiet Mali. Zur Unterstützung des Marinesanitätsdienstes wurde in nur drei Tagen am InstMikroBioBw eine „seetaugliche“ COVID-19 Diagnostikfähigkeit entwickelt, per Hubschraubertransport auf den bereits in das Mittelmeer fahrenden Einsatzgruppenversorger „Berlin“ gebracht und telemedizinisch aus München betreut (Abbildung 3).

Abb. 3: Telemedizinische Anleitung der SARS-CoV-2 PCR-Diagnostik auf dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ (Bild InstMikroBioBw)

Antikörperdiagnostik

Bereits kurz nach den ersten COVID-19-Fällen in Deutschland war abzusehen, dass vor allem auch die Erkennung der Immunreaktion von mit SARS-CoV-2 Infizierten zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. ­Daher hat das InstMikroBioBw bereits frühzeitig seine Forschung in diesem Bereich verstärkt und gezielt weitere Kooperationen, unter anderem mit dem Max-Planck-Institut für Biochemie, aufgenommen. Durch die Herstellung künstlicher Eiweißbausteine des Virus konnten so erste Tests entwickelt werden, mit denen SARS-CoV-2-Antikörper beim Menschen schnell und verlässlich erkannt werden können. Über die aktuellen Möglichkeiten zur Antikörperdiagnostik und ihre Vor- und Nachteile informiert das Institut laufend auf seinen Internetseiten (www.instmikrobiobw.de). Als derzeit einzige Einrichtung des Sanitätsdienstes kann das InstMikroBioBw einen Virus-Neutralisationstest zur sicheren Bestätigung schützenden Immunreaktion auf das SARS-Coronavirus-2 durchführen (Abbildungen 4 und 5).

Abb. 4: Durchführung des Virus-Neutralisationstests im Hochsicherheitslabor mit aktivem SARS-Coronavirus-2 zum Nachweis einer schützenden Immunantwort

Abb. 5: Nachweis von schützenden Antikörpern (Ak) im Virusneutralisationstest: Kein AK-Nachweis in Probe 1, jedoch AK-Nachweis bis zum Titer 1:20 in Probe 2 und bis 1:80 in Probe 3. PK: Positivkontrolle, VT: Virusrücktitration, ZK: Zellkultur-Negativkontrolle

Therapeutische Ansätze

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt des InstMikroBioBw im Rahmen des COVID-19-Einsatzes ist die Identifizierung wirksamer therapeutischer Arzneistoffe, welche die Vermehrung von SARS-CoV-2 hemmen, um so Erkrankungsdauer bzw. -schwere sowie Sterblichkeit bei Patienten zu senken. Hierzu hat das Institut seine Aktivität im Bereich der Erforschung antiviraler Wirkstoffe fokussiert und die Zusammenarbeit mit externen Partnern intensiviert. Erste, schon in zugelassenen Arzneimitteln eingesetzte Substanzen mit einer vielversprechenden Wirkung auf SARS-CoV-2 konnten bereits identifiziert werden.

Fazit

Die COVID-19-Pandemie war und ist für das InstMikroBioBw – wie für alle zivilen und militärischen Einrichtungen des Gesundheitswesens – eine Herausforderung. Sie hat aber auch gezeigt, dass durch die Integration des Instituts in ein nationales und vor allem auch internationales fachliches Netzwerk in kürzester Zeit Forschungserfolge erzielt und effektive Unterstützung für die Bundeswehr und zivile medizinische Einrichtungen geleistet werden kann. Wesentlich hierfür ist, dass Entscheidungswege kurz sind und Entschlüsse umgehend umgesetzt werden. Die wesentlichen getroffenen Maßnahmen sind abschließend in Tabelle 2 dargestellt.

Tab. 2: Für die unverzügliche und störungsfreie Umstellung der Institutsabläufe in den COVID-19-Einsatzmodus wesentliche Entschlüsse

Für die Verfasser
Oberregierungsrat Priv.-Doz. Dr. Markus Antwerpen
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr
Neuherbergstr. 11
80937 München
E-Mail: markusantwerpen@bundeswehr.org