Wehrmedizinische Monatsschrift

GEMEINSAM ERFOLGREICH

Zivil-militärische Zusammenarbeit
am Klinikzentrum Westerstede in der COVID-19-Pandemie

Peter Rittera

a Ammerland Klinik GmbH, Westerstede

 

Hintergrund

Anfang des Jahres 2020 wurden die ersten Covid-19-Fälle in Europa bekannt – ein Umstand, der im weiteren Verlauf zu einer erheblichen Veränderung unserer Lebensumstände geführt hat. Seit Mitte März 2020 steht auch das Klinikzentrum Westerstede ganz im Zeichen der Corona-Krise.

Unter dem Dach des Klinikzentrums vereinen sich seit 2008 in einem deutschlandweit einzigartigen Konzept die Ammerland-Klinik GmbH und das Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Westerstede. In gemeinsam geführten Bereichen, wie der Interdisziplinären Notaufnahme, der Radiologie, der Anästhesie und der Operativen Intensivmedizin, arbeiten über 2 100 Mitarbeiter beider Einrichtungen klinikübergreifend zusammen. Über die Jahre gelang es, diese Kooperation auszubauen. Dieses schafft die Voraussetzung für das breite medizinische und pflegerische Leistungsspektrum, um sich einer Pandemie gemeinsam entgegen zu stellen. Jährlich versorgt das Klinikzentrum über 26 000 stationäre und 101 000 ambulante Patienten.

Stärkeres Zusammenrücken in der Pandemie

Durch die Pandemie-Krisensituation sind beide Häuser nochmals stärker zusammengerückt. Schon zu Beginn des Infektionsgeschehens war deutlich, dass die Situation nur gemeinsam zu bewältigen ist. Um dies zu gewährleisten, treffen sich die Verantwortlichen beider Häuser seit Anfang März mehrmals in der Woche gemeinsam mit dem Gesundheitsamt des Landkreises Ammerland. Durch die Schaffung mehrerer Arbeitsgruppen wie „Hygiene“, „Kurativer Bereich“, „Pflegebereich“, „Logistik“ und „Kommunikationswesen“, die von beiden Häusern paritätisch besetzt sind, gelang es sehr erfolgreich, gemeinsame zielführende Strategien zu entwickeln, um sie auf Führungsebene konsentiert zur Umsetzung zu bringen. Der Fokus lag dabei stets auf den politischen und hygienischen Vorgaben, was eine intensive Abstimmung notwendig macht.

Erste Maßnahmen

Beginnend wurden Schulungen für alle Mitarbeiter durchgeführt und ein einheitliches Informationskonzept entwickelt. Die Notaufnahme wurde schnellstmöglich räumlich dahingehend verändert, dass Patienten mit Symptomen einer Atemwegserkrankung oder Fieber separat von anderen Patienten untersucht und aufgenommen werden. Die Isolationsmöglichkeiten im High-Care- Intensivbereich wurden für Covid 19 Patienten mit Schleusensituation geschaffen und dauerhaft für diese freigehalten. Im peripheren Low-Care-Bereich wurde eine Station nur für positiv auf Covid getestete Patienten eingerichtet, zwei weitere Stationen wurden für die Verdachtsfälle blockiert. Sämtliche Patienten wurden in Einzelisolation untergebracht, eine Kohortierung fand nicht statt. Diese Maßnahmen konnten sehr zeitnah durch die Schaffung baulicher Maßnahmen umgesetzt werden.

Verschärfung der Lage im März 2020

Mitte März verschärfte sich die Lage und ein allgemeines Besuchsverbot trat in Kraft. Um dies zu regulieren, wurden alle Nebeneingänge geschlossen und das Klinikzentrum ist seitdem ausschließlich über den Haupteingang zu betreten. Speziell bei dieser Maßnahme konnte das BwKrhs durch seine logistischen Möglichkeiten innerhalb kürzester Zeit zur Regulierung der Patienten-, Besucher- und Mitarbeiterströme eine Schleuse aus Zelten vor dem Haupteingang des Klinikzentrums errichten. Soldaten und Reservisten der Bundeswehr übernahmen im Erstkontakt die Befragung und Einstufung der Patienten und der noch wenig erlaubten Besucher.

Abb. 1: Zutrittsregelung am Klinikzentrum Westerstede durch Aufbau einer Schleuse aus Zelten

Die Ammerland- Klinik GmbH organisierte zeitgleich zum Eingangsschleusensystem einen internen Transportdienst, der die persönlichen Gegenstände der hilfsbedürftigen Patienten auf die jeweilige Station verbrachte. Zudem wurde durch die Ammerland-Klinik GmbH 24/7 ein Sicherheitsdienst für die Schleuse eingerichtet. Es wurde in direkter Nachbarschaft zum Haupteingang ein gemeinsames Corona -Lagezentrum etabliert, welches zentrale Steuerungs- und Überwachungsaufgaben übernimmt, um kurzfristig reagieren zu können.

Einfluss auf die Patientenversorgung

Als weitere Maßnahmen wurden alle planbaren, nicht dringlichen und nicht lebensnotwendigen Eingriffe und Therapien abgesagt. Damit folgte das Klinikzentrum den Auflagenempfehlungen der Bundesregierung und des Robert Koch-Instituts. Tageweise lag die Patientenbelegung unter 50 % gegenüber der Normalbelegung, um ausreichende Kapazitäten für mögliche positiv auf COVID-19 getestete Patienten oder Verdachtsfälle freizuhalten. Diese für die Patienten notwendigen High-Care- und Low-Care-Bereiche wurden unkompliziert gemäß den politischen und hygienischen Vorgaben gemeinsam eingerichtet.

Wichtig war bei allen Maßnahmen, dass auch die Notfallversorgung und die Durchführung dringlicher Eingriffe für die Bevölkerung zu jeder Zeit unverändert und uneingeschränkt weitergeführt wurden. Trotzdem hat das Klinikzentrum Westerstede die Erfahrung gemacht, dass zu Beginn der Corona-Restriktionen weniger Patienten mit unklaren bzw. nicht direkt zuordbaren Symptomen in die Stroke- oder Chest-Pain-Unit kamen. Die Ursache ist zum großen Teil hierfür sicherlich in der Angst der Bevölkerung vor einer möglichen Covid 19- Infektion zu sehen. Seit Mitte April 2020 haben sich die Patientenzahlen allerdings wieder normalisiert.

Fürsorge für Mitarbeiter

Um Unsicherheiten in Bezug auf eine Covid-19-Infektion zu reduzieren, wurden allen Mitarbeitern des Klinikzentrums sowie den Angehörigen der örtlichen Polizei und des Rettungsdienstes die Möglichkeit gegeben, über einen „Corona-Drive-Thru“ am Klinikzentrum einen Test auf Covid-19 durchführen zu lassen. Dadurch wurde der Einlass von möglicherweise virustragenden Mitarbeitern in das Klinikzentrum unterbunden und die Möglichkeit geschaffen, bei diesen unkompliziert ein mögliches Infektionsgeschehen zu erfassen.

Persönliche Schutzausrüstung

Anfang April 2020 wurde die allgemeine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) im Klinikzentrum eingeführt. Vor allem in Hinblick auf die Verfügbarkeit des MNS konnte nun davon profitiert werden, dass die Materialressource seit Beginn der Pandemie täglich kontrolliert wurde. Der Einkauf beider Häuser prüfte alle Wege und Mittel der Beschaffung der persönlichen Schutzausrüstung, sodass zu keinem Zeitpunkt ein Engpass entstand.

Vorsichtige „Normalisierung“

Insgesamt befanden sich in den letzten Wochen 40 Covid-19-Patienten 1 in Behandlung, davon 9 Patienten im High-Care-Bereich und 31 Patienten im Low-Care-Bereich. Dank umfassender, gemeinsam abgestimmter Hygienekonzepte und einer sinkenden Zahl an Neuinfektionen im Kreis Ammerland konnte der Ambulanz- und stationäre Betrieb im Klinikzentrum ab Mitte Mai schrittweise wieder ausgeweitet werden. Voraussetzung hierfür war stets die Einhaltung der hygienischen Maßnahmen und die fortgesetzte Vorhaltung von 25 % der High Care Betten und 20 % der Low Care Betten, gemessen an der Verfügbarkeit der aufgestellten Betten im jeweiligen Bereich.

Auch das Besuchsverbot, welches seit Mitte März im Klinikzentrum gilt, wurde unter Einschränkungen und Auflagen aufgehoben. Demnach sind nunmehr Besuche bei Patienten unter zeitlicher Einschränkung und strikter Einhaltung der Hygieneregelung erlaubt. Jeder Patient darf Besuch von einer Person zeitgleich empfangen, wobei Kernbesuchszeiten eingerichtet wurden. Die Abläufe wurden auch hier gemeinsam so strukturiert, dass die Herausforderungen der Corona-Krise und die Anforderungen an einen Schwerpunktversorger aufeinander abgestimmt sind.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass eine solche zivil-militärische Zusammenarbeit bei einer bisher noch nie in dieser Form dagewesenen Pandemie-Situation vor allem auf offener Kommunikations- sowie Kompromiss- und Einsatzbereitschaft beruht. Dies gelang den Kooperationspartnern in herausragender Weise, sodass beide Seiten gleichermaßen voneinander profitieren konnten. Grundlage hierfür bildet vor allen Dingen das Engagement und die Kompetenz der in die Prozesse eingebundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So hat die Corona-Pandemie die zivil-militärische Zusammenarbeit stark intensiviert und zu reibungsloseren Abläufen geführt. Zukünftig sehen sich beide Kooperationspartner für eine eventuell weitere Pandemie-Welle gut aufgestellt.

Verfasser

Dr. Peter Ritter

Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie

Medizinischer Geschäftsführer
der Ammerland-Klinik GmbH

Lange Str. 38, 26655 Westerstede

E-Mail: ritter@ammerland-klinik.de


1 Die COVID - 19 - Patientenzahlen des Klinikzentrums Westerstede wurden in die Auswertungen des Beitrags Mathies D , Döhla M , Vonderhecken J et al .: Im Schulterschluss Die Bundeswehrkranken­häuser in der Bekämpfung der COVID - 19 - Pandemie aufgenommen und in dieser Ausgabe veröffentlicht .