Wehrmedizinische Monatsschrift

WEHRPHARMAZIE

Der Sanitätsstabsoffizier Apotheker im Corona-Einsatz –
Beiträge der Wehrpharmazie zur Bewältigung der Corona-Krise

Christina Kunzelmann a, Denise Kollmann b, Michael Buhlb, Irena Eilingb, Anja Kettb, Sascha Dieringb,
Joachim Draisb, Ullrich Kindling c, Oliver Haupt d, Olaf Zube e, Marcus Schöpff

a Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Unterabteilung V, Koblenz

b Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Unterabteilung X, Koblenz

c Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, Koblenz

d Kommando Streitkräftebasis, Generalarzt der Streitkräftebasis, Bonn

e Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Apotheke

f Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung, G4 Abteilung, Weißenfels

 

„So facettenreich die Wehrpharmazie ist, so vielfältig waren und sind auch die Unterstützungsleistungen, die Sanitätsstabsoffiziere Apotheker an den verschiedensten Stellen im Sanitätsdienst der Bundeswehr – und darüber hinaus – geleistet haben und immer noch leisten, um die Corona-Krise zu bewältigen. Dabei reicht das Spektrum von klassisch pharmazeutischen Tätigkeiten wie der Arzneimittelherstellung über umfangreiche Beschaffungen von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Persönlicher Schutzausrüstung, sowie deren zeit- und sachgerechte Bereitstellung bis hin zur Bearbeitung von spezifischen Fragestellungen aus dem gesundheitlichen Verbraucherschutz durch die Lebensmittelchemie – um nur einige wenige Felder zu nennen.
 

Ziel dieses Übersichtsartikels ist es, genau diese Aufgabenvielfalt darzustellen und die in den unterschiedlichen Bereichen und Dienststellen erbrachten Unterstützungsleistungen zusammengefasst – sozusagen aus einem wehrpharmazeutischen Guss – zu präsentieren. Dabei danke ich allen Beteiligten, die als Teil des Autorenteams aktiv mitgewirkt und diesen umfassenden Bericht überhaupt erst ermöglicht haben. Festzuhalten bleibt, dass die Wehrpharmazie auch bei der Bewältigung der Corona-Krise ihre verschiedenen Fähigkeiten im Gesundheitsschutz und in der Patientenversorgung erfolgreich zum Einsatz gebracht hat und dass sie mit ihren Soldatinnen und Soldaten – aber auch mit ihren zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – da ist, wenn sie gebraucht wird.
 

Die aktuelle Pandemielage hat aber erneut die nicht hinreichende Resilienz der bestehenden Versorgungsketten für zahlreiche pharmazeutische Produkte deutlich gemacht. Für fast alle Produkte kann die Marktverfügbarkeit in unterschiedlichen Lagen volatil werden. Daher gilt es, die Aktivitäten mit Blick auf einen erforderlichen Fähigkeitszuwachs sowie die mögliche Etablierung einer neuen Produktionsstätte für die bundeswehreigene Herstellung wehrmedizinisch besonders relevanter Arzneimittel konsequent fortzusetzen und damit eine der wirklich wichtigen „Lessons Learned“ einer tragfähigen Lösung zuzuführen.“
Oberstapotheker Arne Krappitz
Leitender Apotheker der Bundeswehr

Mit der Aufstellung des Einsatzführungszentrums des Sanitätsdienstes (EFüZ San) im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw) zur Führung und Koordinierung aller Maßnahmen in der COVID-19-Lage wurde auch die wehrpharmazeutische Expertise an dieser zentralen Stelle ausgebracht und durch mindestens einen dauerhaft anwesenden Sanitätsstabsoffizier (SanStOffz) Apotheker aus der Unterabteilung X (im Schwerpunkt Sanitätsmateriallogistik (SanMatLog)) vertreten. Darüber hinaus war ein weiterer SanStOffz Apotheker aus dem Referat V 1 (Pharmazie) zur organisatorischen Unterstützung des Leiters EFüZ San eingesetzt. Ab 17. März 2020 wurde ein Verbindungselement der Bundeswehr beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) etabliert, in dem der Referatsleiter V 2, Oberstapotheker Dr. Klaubert, vertreten war.

Lagebeurteilung

Für eine effiziente Behandlung von COVID-19-Infizierten war die Verfügbarkeit des notwendigen Sanitätsmaterials essenziell. Die Lagebewertung der eigenen Kräfte und Mittel für eine adäquate Reaktion auf die SARS-CoV-2-­Pandemie stand daher im Vordergrund:

Das als geeignet identifizierte und vorhandene Material wurde so koordiniert, dass die unmittelbaren Bedarfe gedeckt werden konnten. Parallel dazu waren Nachschub sowie Folgeversorgung zu organisieren, um die Durchhaltefähigkeit zu sichern und gleichzeitig Behandlungskapazitäten auszubauen.

Zusätzlich zu den bundeswehrinternen Anforderungen und Bedarfen wurde die Erfüllbarkeit von Anfragen der zivilen Seite zur Unterstützung mit Sanitätsmaterial im Rahmen der Amtshilfe sanitätsmateriallogistisch bewertet.

Weltweiter Engpass: Persönliche Schutzausrüstung

Der Bedarf an Artikeln der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) war durch das Pandemiegeschehen weltweit innerhalb kürzester Zeit stark angestiegen und führte in der Folge zu massiven Lieferengpässen bei diesen Produkten. Bereits Ende Februar wurde durch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) die Verwendung von PSA im Rahmen der (intensiv)medizinischen Versorgung von COVID-19-Infizierten für die Bundeswehr angeordnet. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit wurde eine Priorisierung der Auslieferung vorhandener PSA-Bestände vorgenommen.

Erste Priorität hatte die Versorgung der Bw(Z)Krhs sowie der Flugbereitschaft BMVg (Betrieb der Medical Evacuation-Kapazitäten), gefolgt von den regionalen Sanitätseinrichtungen (Priorität 2), dem Personenlufttransport sowie den Einsätzen/Missionen und einsatzgleichen Verpflichtungen mit erhöhtem potenziellem Infektionsrisiko (Priorität 3) und dem Grundbetrieb (Priorität 4). Die Zuweisung der PSA wurde auf dieser Grundlage zentral über das EFüZ San unter Einbindung der Unterabteilung X gesteuert.

Durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) wurden Beschaffungen von PSA, Desinfektionsmitteln, Medizinprodukten und Arzneimitteln nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für das BMG durchgeführt. Fest eingebunden in vielerlei Hinsicht war hier die pharmazeutische Fachtechnik aus der Gruppe U7.

Die Beschaffung von PSA sowie Desinfektionsmitteln für die Bundeswehr wurde so zeitgerecht eingeleitet, dass BAAINBw U7 und Kdo SanDstBw X FFP-Masken für die Bundeswehr beschaffen konnten, noch bevor das erste Amtshilfeersuchen des BMG ausgesprochen wurde.

Nachdem ab April 2020 sukzessive die Maskenpflicht in Deutschland eingeführt wurde, musste auch die Bundeswehr handeln, um ihre Angehörigen mit sogenannten „Alltagsmasken“ auszustatten. In enger Zusammenarbeit der Unterabteilung X mit der Unterabteilung VI im Kdo SanDstBw wurden Muster verschiedener Hersteller geprüft. Anhand eines festgelegten Forderungskatalogs konnte das BAAINBw den Beschaffungsvorgang einleiten und insgesamt 1,68 Millionen Alltagsmasken beauftragen, so dass jede/r Angehörige der Bundeswehr mit fünf Masken ausgestattet werden kann.

Darüber hinaus mussten die Reservisten, die auf freiwilliger Basis ihren Dienst zur Unterstützung des ­Sanitätsdienstes der Bundeswehr verrichten, schnellstmöglich eingekleidet werden. Hierzu wurde ein Ausstattungsumfang festgelegt, der durch die Servicestationen des Bundeswehrbekleidungsmanagements bereitgestellt wurde, damit die Reservisten mit allem Notwendigen versorgt werden konnten. Besonderer Wert wurde hierbei auf Funktionalität und schnelle Verfügbarkeit gelegt.

Auch eine Aufstockung der Ausstattung mit Bereichsbekleidung für das Personal der BwKrhs (medizinische Berufsbekleidung in verschiedenen Farben) war zur Sicherstellung des Eigenschutzes im Rahmen der Erhöhung der Behandlungs- und Personalkapazitäten notwendig.

Arzneimittel

Aufgrund der Unterbrechung von Lieferketten von Fertigarzneimitteln und von für die Arzneimittelherstellung erforderlichen Rohstoffen, u. a. aus China und Indien, sowie einem starken Anstieg des weltweiten Bedarfs an Arzneimitteln zur (intensiv)medizinischen Behandlung von COVID-19-Infizierten war zu befürchten, dass sich im Verlauf des Pandemie-Geschehens zahlreiche Arzneimittel-Lieferengpässe entwickeln würden. Zur Abfederung möglicher Probleme in der Versorgung der Bundeswehr wurde daher bereits Anfang März 2020 die deutliche Erhöhung der Reichweiten an bevorrateten Arzneimitteln und Medizinprodukten, mit besonderem Augenmerk auf die für die Behandlung von COVID-19-Infektionen relevanten Indikationsgruppen (u. a. Analgetika, Muskelrelaxantien, Sedativa und Antibiotika), in den BwKrhs-Apotheken sowie den Versorgungs- und Instandsetzungszentren Sanitätsmaterial (VersInstZ SanMat) angewiesen.

Im weiteren Verlauf der Pandemie konnte infolge einer Erhöhung der weltweiten Produktionskapazitäten eine gewisse Entspannung der Marktsituation verzeichnet werden. Die Aufgaben der Sanitätsmateriallogistik wandelten sich insgesamt von Beschaffungsvorgängen für den sofortigen Verbrauch hin zum Aufbau durchhaltefähiger Vorräte, um in Hinblick auf eine mögliche erneute Lageverschärfung entsprechend vorbereitet zu sein.

Flexible Krisenreaktion

Durch das BMG wurde am 26. Februar 2020 1 bekanntgegeben, dass weltweit keine zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung einer Infektion mit SARS-CoV-2 zur Verfügung stehen und es sich bei COVID-19 um eine bedrohliche übertragbare Krankheit handelt, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erfordert. Auf dieser Grundlage war es dem Arzneimittelüberwachungsbeauftragten der Bundeswehr (AMÜBBw) möglich, nach Maßgabe des § 79 Absatz 5 und 6 Arzneimittelgesetz (AMG) im Einzelfall ein befristetes Abweichen von den Vorgaben des AMG für den Bereich der Bundeswehr zu gestatten. Dem BAAINBw sowie den Bundeswehrapotheken wurde gestattet, Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen (u. a. Remdesivir, Camostat, Ritonavir und Lopinavir) im Bereich der Bundeswehr in den Verkehr zu bringen, die für die Behandlung von COVID-19-Infektionen benötigt, in Deutschland dafür jedoch bisher nicht zugelassen sind.

Die Beschaffungsanfragen des BMG an das BAAINBw umfassten ebenfalls diese Arzneimittel. In der hierfür wie auch zur Beschaffung von PSA für die Bundeswehr eingerichteten Sonderorganisation „Beschaffung PSA“ war neben E2.4 als Vertragsteam von Beginn an auch pharmazeutisches Fachpersonal zur fachlichen Bewertung von angebotenen Artikeln unentbehrlich. Fünf SanStOffz Apotheker und ein SanStOffz Arzt wechselten sich über Wochen ab, jeweils vor Ort unterstützt durch eine/einen Sanitätsfeldwebel Pharmazeutisch-Technische/r Assistent/-in. Es wurden in dieser Zeit ca. 80 Verträge mit einem Vertragsvolumen von rund 400 Millionen Euro für das BMG sowie ca. 90 Verträge mit einem Volumen von rund 243 Millionen Euro für die Bundeswehr abgeschlossen.

Abb. 1: Zur schnellen Versorgung wird in der BwKrhs-Apotheke Ulm Desinfektionsmittel abgefüllt.

Besonders in der Anfangszeit der pandemischen Lageentwicklung waren vielfältige arzneimittel- und medizinprodukterechtliche Bewertungen durch die SanStOffz Apotheker der Unterabteilung V zu treffen. Dies umfasste beispielsweise die Umsetzung der Allgemeinverfügungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Herstellung und Abgabe von Hände- und Flächendesinfektionsmitteln sowie die rechtliche Bewertung von und Erstellung fachlicher Informationen zu Atemschutzmasken, Medizinprodukten und PSA. Durch die Abteilungen IV der Überwachungsstellen für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und die Laborabteilungen B und C der Zentralen Institute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr erfolgte sowohl eine Unterstützung bei der Festlegung von Maßnahmen in den Verpflegungseinrichtungen als auch Beiträge zur Kontaktpersonenermittlung, Unterstützung bei der Auswertung von SARS-CoV-2-Tests sowie personelle Verstärkungen in verschiedenen Bereichen.

Medizingeräte

Neben der Bereitstellung von PSA sowie Arznei- und Desinfektionsmitteln lag ein weiterer Schwerpunkt auf der Ausstattung mit Medizingeräten zur Erhöhung der Behandlungskapazitäten, insbesondere der Beatmungsplätze. Die Verträge für die Bundeswehr deckten dabei eine materielle Bandbreite von simplen Ohr- oder ­Infrarot-Thermometern über Beatmungsgeräte, Ultraschallgeräte und Computertomografen bis hin zu Analysentechnik für die Krankenhäuser und Institute der Bundeswehr ab. Die Bedarfsermittlung wurde in der Unterabteilung X durchgeführt, wobei die notwendigen Abstimmungen sowohl kommandointern wie auch mit den betroffenen Dienststellen schnell und unbürokratisch erfolgten. BAAINBw gelang es, die Bedarfe zeitnah in Verträge umzusetzen, so dass die Aufträge hierüber erneut „vor der Welle“ erteilt werden konnten. Insgesamt wurden bislang mehrere hundert Geräte unter Vertrag genommen.

Wartung und Instandsetzung im Schichtbetrieb

Der weltweit zeitgleiche Zugriff aller Krankenhäuser auf die Mangelressourcen verschärfte die durch die Unterbrechung von Lieferketten bereits angespannte Situation. Besonders in den BwKrhs trat der Mangel an PSA und Arzneimitteln sowie der große Bedarf an Medizingeräten eklatant zutage.

Zur Ausstattung mit Medizingeräten wurde, neben der Einleitung der Beschaffungen durch das BAAINBw, aus diesem Grund zunächst auf vorhandene Bestände innerhalb der Bundeswehr zurückgegriffen. Unter hohem Zeitdruck wurden logistische Einzelweisungen im Kdo SanDstBw erarbeitet, um so die Materialunterstützung aus der Zentrallogistik sowie durch die Sanitätsregimenter für die Bw(Z)Krhs zu regeln, mit dem Ziel die dortigen Kapazitäten an Beatmungsplätzen zu erhöhen. Täglich musste durch die Unterabteilung X das Lagebild zum Bestand und der Verteilung von Medizingerät aktualisiert werden, auch um die Abgabe/Leihe von Material der Bundeswehr an die Länder im Rahmen von Amtshilfeersuchen zu koordinieren.

Für diese Materialunterstützung wurden unter anderem mehrere hundert Beatmungsgeräte im Bestand der Bundeswehr durch die Medizintechniker der VersInstZ SanMat geprüft und, wenn notwendig, kurzfristig repariert.

Die Instandsetzung wurde dabei im Wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: Zum einen sind die Spezialwerkzeugsätze für Beatmungsgeräte pro VersInstZ SanMat limitiert, zum anderen waren benötigte Wartungskits (Ersatzteilsätze für regelmäßig zu tauschende Teile) am Markt nicht in der benötigten Menge und Kurzfristigkeit verfügbar. Während durch ein Zwei-Schicht-System die Instandsetzungskapazitäten schnell erhöht werden konnten, offenbarte die geringen Bevorratungshöhen der Wartungskits eine nicht ausreichende Versorgung mit essenziellen Ersatzteilen.

Zusätzlich zu der Ausstattung mit diesen Medizingeräten wurden die Bw(Z)Krhs durch die VersInstZ SanMat mit vorhandenen Krankenhausbetten sowie im begrenzten Maße vorgehaltenen Artikeln der PSA unterstützt.

Abb. 2: Ein Medizintechniker des VersInstZ SanMat Blankenburg setzt ein Beatmungsgerät instand.

Unterstützung von internationalen Partnern

Eine Besonderheit der Unterstützung mit Material war die Bitte des britischen Surgeon General, AirViceMarshal Alastair Reid, um Unterstützung der Britischen Streitkräfte durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr mit Beatmungsgeräten, die den Inspekteur des Sanitätsdienstes am 24. März 2020 erreichte. Nach einer kurzen ministeriellen Prüfung entschied die Leitung BMVg in Abstimmung mit dem EFüZ San, den britischen Nachbarn 60 Transportbeatmungsgeräte vom Typ LifeBase III in Form einer kostenfreien Länderhilfe zu überlassen.

Das BAAINBw erstellte die Überlassungsvereinbarung, die Unterabteilung X des Kdo SanDstBw koordinierte die Kommunikation und Disposition mit dem britischen NATO-Partner und das Sanitätsregiment 1 in Weißenfels wurde mit der Zusammenziehung, Prüfung und Versandvorbereitung der Geräte beauftragt. Bereits am 15. April 2020 wurde das Sanitätsmaterial durch ein von der britischen Seite beauftragtes Logistikunternehmen übernommen, nach England transportiert und unter ausdrücklichem Dank des britischen Surgeon General an dessen Sanitätsorganisation übergeben.

Erfolgsfaktor: Bereichsübergreifende Zusammenarbeit

Der sicherlich wichtigste Erfolgsfaktor für die guten Ergebnisse war die hervorragende Zusammenarbeit über Bereichs- und Abteilungsgrenzen hinweg. Dabei arbeitete ziviles und militärisches Personal auf Augenhöhe und Hand in Hand.

Besonders hervorzuheben ist dabei auch die reibungslose und überaus effiziente Zusammenarbeit mit der Zentrallogistik in der Streitkräftebasis (SKB).

In der SKB werden nach den fachlichen Vorgaben des Inspekteurs des Sanitätsdienstes die zwei Sanitätsmateriallager (SanMatLgr) EPE und KRUGAU, welche Apothekenstatus haben, als nichtselbständige Teileinheiten der Bundeswehrdepots West und Ost geführt. Während der Corona-Pandemie zeigte sich, dass diese mit ihren „pharmazeutisch-logistischen Spezialfähigkeiten“ ein vielfach unterschätzter, aber unverzichtbarer funktioneller Bestandteil der Wehrpharmazie und damit des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sind.

Beispielhaft soll hier die Funktion des SanMatLgr in EPE genannt sein, welches nicht nur die Aufnahme von für die Bundeswehr beschafften Sanitätsmaterial bewältigt, sondern zusätzlich auch im Rahmen der Amtshilfe die temporäre Lagerung und Verteilung sämtlicher für den Pandemievorrat des BMG beschaffter Arzneimittel vorbildlich sichergestellt hat. Die Leistungen der SKB werden in einem eigenen Beitrag in dieser Ausgabe detaillierter vorgestellt.

Krisenmanagement in den Klinik-Apotheken

Angesichts der im klinischen Alltag inzwischen regelmäßig auftretenden Lieferengpässe gehört ein entsprechendes Krisenmanagement in den BwKrhs-Apotheken zwar mittlerweile zum pharmazeutischen Alltag, dennoch waren auch hier durch die pandemische Lage viele zusätzliche Herausforderungen zu meistern. Das Personal musste so eingesetzt werden, dass gleichzeitig die Versorgung sichergestellt, ein Schutz der Mitarbeiter vor einer Infektion gewährleistet sowie durch ein Zwei-Schicht-­System mit redundanter Ausbringung der Funktionsträger einem kompletten Ausfall des gesamten Teams vorgebeugt werden konnte. Darüber hinaus mussten zusätzliche Lagerflächen für das benötigte Sanitätsmaterial und die PSA identifiziert werden. All dies war und ist nur durch die personelle Unterstützung aus anderen Bereichen, durch Reservedienstleistende sowie die unbürokratische Zusammenarbeit aller Beteiligter zu realisieren.

Flexibel und mit allerlei „Kunstgriffen“ wurden die anfänglichen Engpässe an Arzneimitteln und PSA in den ­
Bw(Z)Krhs durch akribisches Engpassmanagement und pharmazeutische Beratung entschärft. Dabei waren bei weitem nicht nur Beschaffungsprobleme zu lösen. Zur Vorbereitung der Behandlung schwererkrankter COVID-19-Infizierter im Rahmen individueller Heilversuche wurden durch die BwKrhs-Apotheke Ulm ca. 1 500 Flaschen Ribavirin Injektionslösung, ein am Markt nicht verfügbares Arzneimittel, für die BwKrhs bereitgestellt. Zur Abfederung eines für die intensivmedizinische Behandlung besonders relevanten Versorgungsengpasses stellt die BwKrhs-Apotheke Ulm darüber hinaus derzeit ca. 45 000 Ampullen Midazolam Injektionslösung 15 mg/ 3 ml zusätzlich her. Für dieses Arzneimittel hält die Bundeswehr eine eigene Zulassung, so dass eine schnelle Verfügbarkeit im Bedarfsfall gewährleistet und so die Versorgung der Bundeswehreinrichtungen gesichert werden kann. Die Herstellung weiterer Chargen des Arzneimittels ist in Vorbereitung.

Aber nicht nur das Liefer- und Engpassmanagement ­sowie die Herstellung von Arzneimitteln standen im ­Fokus, auch wichtige klinisch-pharmazeutische Fragestellungen, wie zum Beispiel zur Applikation potentieller Therapeutika, mussten beantwortet werden. Durch die ­Apotheke des BwZKrhs Koblenz wurde in diesem Zusammenhang eine Methode zur Herstellung einer sondengängigen Suspension aus Kaletra®-Filmtabletten (200 mg/50 mg) entwickelt, die bei einem Versorgungsengpass von Kaletra®-Lösung eine Alternative bietet 2 .

Neben 18 anderen zivilen Universitätskrankenhausapotheken war die Apotheke des BwZKrhs Koblenz an der regionalen Verteilung der durch BAAINBw für das BMG beschafften und durch SanMatLgr EPE bereitgestellten Arzneimittel beteiligt. Zusammen mit der Apotheke der Universitätsmedizin Mainz wurden auf diesem Weg alle Krankenhausapotheken in Rheinland-Pfalz versorgt.

Aufgrund der erheblichen Lieferengpässe bei Händedesinfektionsmitteln wurden in den Bw(Z)Krhs-Apotheken und VersInstZ SanMat ad hoc Kapazitäten zur Her­stellung und Konfektionierung auf Grundlage der ­Allgemeinverfügungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) geschaffen. In den BwKrhs-­Apo­the­ken Ulm und Hamburg wurden dazu explo­sions­geschützte Abfüllstraßen etabliert, um unter Einhaltung aller Regeln des Produkt- und Mitarbeiterschutzes produzieren zu können. Kurzfristig konnte die Herstellung von 50 000 Leerflaschen durch die BwKrhs-Apotheke Ulm bei einem Unternehmen für die Bundeswehr erwirkt und so die Lieferschwierigkeiten für geeignete Abfüllgefäße in einem gemeinsamen Ansatz bewältigt werden. Allein durch die BwKrhs-Apotheke Hamburg konnten bislang insgesamt 1 700 L Händedesinfektionsmittel hergestellt werden. Die BwKrhs-Apotheke Ulm wurde darüber hinaus mit der Herstellung von 450 000 75 ml-Flaschen Händedesinfektionsmittel zentral beauftragt.

Abb. 3: Abfüllen von Desinfektionsmittel in der BwKrhs Apotheke Hamburg in 500 ml-Gebinden

Diese Herstellungsleistung war und ist jedoch nur unter Hinzuziehung externer militärischer Unterstützungskräfte, Reservedienstleistender sowie temporärer Verstärkung der Bw-Apotheken durch Sanitätsoffizieranwärterinnen und –anwärter im Studiengang Pharmazie möglich.

Medizinischer Sauerstoff 93 % 3

Mit Auftreten der Pandemie in Deutschland wurden vier der sechs in der Bundeswehr verfügbaren Mobilen Sauerstofferzeugungs- und Abfüllanlagen (MSEA) in Betrieb genommen und erstmals im Inland für eine potenzielle Realversorgung im Rahmen des Apothekenbetriebes an den Standorten Koblenz, Dornstadt sowie in den ­VersInstZ SanMat Blankenburg und Quakenbrück eingesetzt. Mit diesen Anlagen wurden Sauerstoffreserven aufgebaut, um in erster Linie die BwKrhs aber ggf. auch zivile Gesundheitseinrichtungen bei auftretenden Engpässen durchgängig mit Sauerstoff 93 % zur medizinischen Anwendung versorgen zu können. Zur möglichst engen räumlichen Anbindung an die Bw(Z)Krhs wurden zwei Anlagen eigens dazu an die Standorte Koblenz und Dornstadt verlegt und dort durch die Bw(Z)Krhs-Apo­theken Koblenz und Ulm betrieben. Parallel wurde an allen Standorten pharmazeutisches Personal verschiedener Dienststellen an den MSEA ausgebildet. Mit diesem Personal kann der Betrieb der Anlagen unter Auslastung der maximalen Kapazität über einen gewissen Zeitraum auch rund um die Uhr gewährleistet werden.

Die behördliche Abnahme der MSEA erfolgte durch den AMÜBBw. Am Standort Koblenz wurde dies, ebenso wie der Betrieb der dortigen Anlage, durch die SanStOffz Apotheker aus der Unterabteilung V des Kdo SanDstBw unterstützt.

Im Verlauf der Pandemie traten bislang keine Versorgungsengpässe für Sauerstoff auf; sollte sich die Lage jedoch erneut verschärfen, stehen bereits jetzt Sauerstoffreserven zur Nutzung bereit. Darüber hinaus verbleiben die MSEA bis auf weiteres an den Produktionsstandorten einsatzbereit und können bei Bedarf unverzüglich den Betrieb fortsetzen.

Durch die Corona-Krise konnte die weitere Erprobung der MSEA inklusive erforderlicher Verfahren und Abläufe in einer Realsituation außerhalb von Übungsgegebenheiten erfolgen. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Anlagen den hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden.

Abb. 4: Vorbereitung der Gehaltsprüfung des hergestellten Sauerstoffs als eine Voraussetzung für die Freigabe des Arzneimittels durch einen Apotheker.

Fazit

Krisen wie die SARS-CoV-2-Pandemie kündigen sich zumeist mit kurzen Vorwarnzeiten an. Eine schnelle und lageangepasste Handlungsweise ist deshalb zwingend notwendig und erfordert die grundsätzliche Vorbereitung auf diese Szenare. Die im Zusammenhang der Bewältigung der Corona-Pandemie gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass die Wehrpharmazie in der Lage ist, einen essenziellen Teil zur Gewährleistung einer bestmöglichen Versorgung der eigenen Kräfte wie auch der Zivilbevölkerung beizutragen. Der hohe Stellenwert der Wehrpharmazie mit all ihren Facetten konnte, auch vor dem Hintergrund der Planungen für Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV), eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden.

Gleichwohl besteht weiterhin Optimierungspotenzial. Die aus der Pandemie gewonnenen Erkenntnisse sind ebenso wertvolle Grundlage für den stringenten Aufbau strategischer Vorräte an Sanitätsmaterial wie für die Weiterentwicklung der bundeswehreigenen Herstellung von Arzneimitteln. Ziel dabei ist es, die Einsatzbereitschaft des Sanitätsdienstes der Bundeswehr weiter zu verbessern. So soll und kann in Zukunft noch zielgerichteter und effizienter auf ähnliche Situationen sowie Herausforderungen in Stabilisierungsoperationen und LV/BV-Szenaren reagiert werden.

Als Resümee der vergangenen Monate bleibt festzuhalten, dass alle Angehörigen der Wehrpharmazie – militärisch wie zivil! – mit ihrem Wirken ganz maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Sanitätsdienst der Bundeswehr seinen Auftrag in dieser herausfordernden Zeit so gut erfüllen konnte.

Für die Verfasser

Oberfeldapotheker Christina Kunzelmann

Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr

Unterabteilung V – Pharmazie/Lebensmittelchemie

Von-Kuhl-Str. 50

56070 Koblenz

E-Mail: christinakunzelmann@bundeswehr.org


1 (veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 27. Februar 2020)

2 Siehe hierzu auch Schmitz JD, Brenner MB, Bäßler C, Müller J, Le VH: Entwicklung einer Methode zur Herstellung einer sondengängigen Suspension aus Kaletra®-Filmtabletten (200 mg/50 mg). WMM 2020;64(S1): e14.

3 Siehe hierzu auch: Buhl M, Ziegler ER, Lange-Böhmer A: Herstellung von medizinischem Sauerstoff (93 %) mit mobilen Erzeugungs- und Abfüllanlagen in der Corona-Krise. WMM 2020; 64(S1): e6. mehr lesen