Wehrmedizinische Monatsschrift

MEHR ALS BANDBREITE

Leistungsstarke IT-Unterstützung
im Sanitätsdienst in Zeiten der Corona-Krise

Torsten Schliwin a, Tino Wilke b, Oliver Sperling a

a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Abteilung S6

b Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Sachgebiet Z1 Qualitätsmanagement, Medizinische Informatik, KIS-Koordination, Betriebsorganisation

 

Hintergrund

Die COVID-19- Pandemie stellte die Gesellschaft in Deutschland und generell in der Welt auf eine harte Probe. Die „Corona-Krise“ wirkte sich blitzschnell auf alle Bereiche des täglichen Lebens aus. Vielerorts fehlten erprobte Konzepte und Handlungsvorgaben zur Begegnung einer solchen, völlig neuen Ausnahmesituation. Dennoch zeigte sich, dass staatliche Institutionen leistungsstark und entschlossen handeln können, wenn es darauf ankommt.

Auch die Bundeswehr konnte in erheblichem Umfang zur Bewältigung dieser Krise beitragen. Als wesentlicher Teil dieser Unterstützung waren die Bundeswehrkrankenhäuser (Bw(Z)Krhs) gefordert. Dabei wurde schnell offenbar, wie wichtig ein leistungsstarkes IT-System für die Bw(Z)Krhs ist.

Rückgrat der modernen Patientenversorgung ist eine funktionierende IT-Unterstützung. Durch sie können Ärzte/-innen und Pflegekräfte möglichst viel Zeit am Patienten verbringen und gleichsam alle dokumentierten Daten schnellstmöglich finden (z. B. im Krankenhausinformationssystem KIS). In dieser Krise wurden am BwKrhs Hamburg die Vor-, aber eben auch die Nachteile in der Zusammenarbeit mit dem externen Dienstleister der BWI GmbH in Bezug auf die Krankenhaus-IT deutlich. Gemachte Erfahrungen und gefundene Lösungen sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Schlüssel: Mobiles Arbeiten

Mit Beginn der ersten Maßnahmen zum Lock-Down ab Ende Februar stieg auch in der Bundeswehr der Bedarf an mobilen Arbeitsplätzen („Home-Office“), die innerhalb weniger Tage zu einem essenziellen Bestandteil der Führungsfähigkeit wurden. Dabei kam es zu erheblichen Einschränkungen, die eine Kontingentierung der Zugriffe mittels RAS (Remote Access System) zur Folge hatte. Im Sanitätsdienst konnten, wegen dessen besonderer Stellung in dieser Krise, rasch eine Ausnahme von der standardmäßigen Kontingentierung erreicht werden.

Das BwKrhs Hamburg konnte allerdings mit nur sechs zusätzlichen RAS-Ausstattungen (BWI-Lösung) unterstützt werden, welches für eine Klinik mit über 1 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine verschwindend geringe Anzahl ist. Dem gegenüber standen zusätzlich ca. 150 Krankenhausangehörige, die als Risikopersonal identifiziert wurden und einen alternativen Arbeitsplatz benötigten. Dadurch war das Krankenhaus mehr oder minder gezwungen, schnell eigene Lösungswege zu finden. Die vorhandenen Ressourcen einer eigenen S6 (IT)-Abteilung und Krankenhausinformationssystem (KIS) -Koordination waren dabei maßgeblich für den Erfolg der Umsetzung und die Aufrechterhaltung der Führungsfähigkeit von Bedeutung.

Abb. 1: Einer von 56 kurzfristig in Betrieb genommenen Home-Office-Laptops mit Zugangsbildschirm zum Krankenhausportal

Rasche Eigenlösung

Die S6-Abteilung am BwKrhs Hamburg konnte innerhalb von nur einer Woche 56 mobile Arbeitsplätze aus eigenen Mitteln und Ressourcen akquirieren, konfigurieren, ausgeben und einen eigenen Helpdesk für die Anwender einrichten, welcher auch über den Tagesdienst hinaus und an Wochenenden dem Personal im Homeoffice zur Verfügung stand. Durch Herunterfahren des Regelbetriebs im Krankenhaus und Verlagerung der Arbeitsplätze konnten freiwerdende Kapazitäten umverteilt werden. Dabei kam es in keinem Fall zu „Konkurrenz-Verhalten“ – im Gegenteil, in der Ausnahmesituation wirkten alle Kliniken, Abteilungen und Fachbereiche einer Dienststelle durchaus produktiv Hand in Hand zusammen.

Eine Erhöhung der Internetbandbreiten der dezentralen Internetübergänge in den Krankenhäusern (eigentlich zur Fernwartung von Medizinprodukten) war hierbei beispielsweise ein wichtiger Baustein. Die IT-Koordinierungsstelle des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr hatte bereits nach zwei Tagen eine Verdreifachung der Bandbreite für das BwKrhs Hamburg umsetzen können. Ohne sanitätseigenen IT-Bereich (S6) und Fachstrang vom Krankenhaus bis zum Kommando Sanitätsdienst wäre es mit den auf lang- und mittelfristiger Planung basierenden Regelprozessen über das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) als Auftraggeber und der BWI GmbH als Auftragnehmer nicht möglich gewesen, so reaktionsschnell und krisenorientiert zu handeln.

Durch die getroffenen Maßnahmen konnten frühzeitig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer potenziellen Ansteckungsgefahr entzogen werden, ohne dass die Leistungsfähigkeit der Klinik darunter litt. Die BWI GmbH bemühte sich mit allen Kräften um Problemlösungen, war allerdings durch die in vielen Bereichen oft wenig flexiblen vertraglichen Vorgaben und festgelegten Kapazitäten in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt.

Abb. 2: Mobiler PC-Arbeitsplatz zru Sicherstellung der Dokumentation am Krankenbett

Maßnahmen im Einzelnen

Den Besonderheiten in den Anfängen der Krise (z. B. Ungewissheit, Ausmaß, etc.) konnte aus den genannten Gründen im Wesentlichen nur mit eigenen IT-Fachkräften begegnet werden. Innerhalb kürzester Zeit (1 Woche) wurde eine sog. „Fieberambulanz“ neu geschaffen und in Betrieb genommen. Hierfür waren Infrastruktur, Medizinprodukte, aber auch IT-Unterstützung zusätzlich zu den personellen und organisatorischen Ressourcen notwendig, die zuvor weder geplant noch logistisch vorbereitet waren.

Im Folgenden werden einige der krankenhauseigenen IT-Initiativen vorgestellt:

  1. Die hohe Infektiosität der Erkrankung macht es notwendig, den Besucherverkehr maximal einzuschränken und/oder sogar in Gänze zu verbieten. Besonders für bettlägerige oder ausländische Patienten ist diese soziale Isolierung sehr belastend. Um die Kommunikation mit Angehörigen zu erleichtern, wurde ein zusätzliches Betreuungs-WLAN zur Verfügung gestellt. Fehlte ein passendes Endgerät, konnte hier auf kurzfristig beschaffte und entsprechend konfigurierte Tablets mit Videochat-Funktion zurückgegriffen werden. Auch die System- und Nutzerbetreuung vor Ort wird nach wie vor sichergestellt. Diese Geräte sind separat geschützt und desinfizierbar und werden mittels eines Mobile Device Management System (MDM) durch die hauseigene IT-Abteilung verwaltet und administriert.
  2. Die Verdreifachung der Intensiv- inkl. Beatmungskapazitäten am BwKrhs Hamburg hat eine deutlich höhere Belastung bei der medizinischen Dokumentation zur Folge. Hier wurden ad hoc mobile, digitale Visitenwagen beschafft und in das Krankenhaus-IT-System eingebunden. Durch die mobilen PC-Arbeitsplätze konnte auch für die neu geschaffenen Intensivbetten eine patientennahe Dokumentation sichergestellt werden.
  3. Die bereits angesprochenen mobilen Arbeitsplätze (BwKrhs-Lösung) führten dazu, dass das Rotationsprinzip durchhaltefähig umgesetzt werden konnte. Jeder Bereich ist trotz einer Minimalbesetzung seinen dienstlichen Aufgaben nachgekommen und das Krankenhaus hatte keine spürbaren Einschränkungen in den Bereichen Verwaltung, Leitung und Administration zu verzeichnen.
  4. Durch die Etablierung einer eigenen Leistungs­stelle im Krankenhausinformationssystem (KIS) konn­ten die Patientenkontakte in der Fieberambulanz von denen der Notaufnahme auch digital abgegrenzt werden. Noch vor Unterstützung durch den Softwarehersteller konnten eigene Anamnese- und Nachverfolgungsbögen eingeführt und somit die Meldungen an das Gesundheitsamt strukturiert und digital abgebildet werden.
  5. Über eine vom Hersteller zur Verfügung gestellte Auswertemöglichkeit war es der Krankenhausführung möglich, Zimmerkontakte der Patienten mit positivem COVID-19-Befund nachzuverfolgen. Eine Live-Bettenansicht gab dem internen Bettenmanagement permanenten Aufschluss über die aktuellen Kapazitäten im Haus und den jeweiligen Zuständen der Patienten (Covid-19 negativ/positiv). Dabei wurden die Vorgaben zum Datenschutz umgesetzt, sowie das Rollen-Rechte-Konzept innerhalb kurzer Zeit entsprechend angepasst.
  6. Zusätzliche Medizinprodukte, z. B. PCR-Automaten für die Testung auf das neuartige Corona-Virus, wurden durch den S4 zeitnah beschafft, mit der Medizintechnik und der IT-Abteilung in Betrieb genommen und an das Mikrobiologie-Informationssystem im BwKrhs Berlin angeschlossen. Nur die enge Verzahnung von Medizintechnik, S6-Bereichen und der KIS-Administration erlaubte es, diesen Prozess (Anforderung der Untersuchung im KIS -> Testung -> Übermittlung der Ergebnisse) voll digital abzubilden.

Fazit und Ausblick

Die vorgestellten Maßnahmen wurden aus dem BwKrhs Hamburg heraus initiiert und umgesetzt. Fachliche Expertise vor Ort und „Freiheiten der Krise“ erlaubten es, die Digitalisierung im BwKrhs Hamburg in einzelnen Teilen schnell und effizient voranzutreiben.

Die Entwicklung der IT-Unterstützung in der Medizin ist ein hochdynamischer Prozess. Die Umsetzung innovativer Ideen in den etablierten Prozessen (Angebotsprozess -> Serviceentwicklung -> Serviceabruf) ist auf diese Dynamik nicht ausgerichtet. Die mit diesen Prozessen verbundene zeitliche Latenz zwischen Idee und Umsetzung birgt die Gefahr, dass letztlich bereits „Veraltetes“ – also auf dem Stand bei Antragstellung befindliches –realisiert wird.

Flexibilität durch Synergie

Wenn die IT-Unterstützung in einer Klinik als integraler Bestandteil nicht nur der Führung des Hauses, sondern auch der medizinischen Versorgung aufgefasst wird, so muss diese in der Verantwortung des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors liegen. Die Anforderungen, die ein Krankenhaus an seine IT-Struktur stellt, sind mit keiner anderen militärischen Einrichtung in der Bundeswehr vergleichbar. Gebündeltes Know-how auf diesem Gebiet und eine enge Zusammenarbeit mit klinischem Personal vor Ort sind unabdingbar und nach bisheriger Erfahrung nur durch einen krankenhauseigenen IT-Bereich zu erbringen.

Stellt in diesem Kontext die BWI GmbH als Dienstleister die grundlegenden, sich nicht permanent ändernden Services, Dienste und Anforderungen (z. B. das aktive Netzwerk, Virtualisierungsplattformen, Datensicherung usw.) zur Verfügung, so können die krankenhauseigenen Administratoren sich in erster Linie der Betreuung, Weiterentwicklung und Anpassungen der IT vor Ort annehmen.

Eine für den Klinikbetrieb hochspezialisierte und flexible IT-Abteilung im Krankenhaus kann dann nicht nur auf Innovationen im Bereich der medizinischen IT kurzfristig reagieren, sondern auch in Zukunft Krisen wie die aktuelle COVID-19-Pandemie sicher meistern.

Die vergangenen „Corona“-Monate haben darüber hinaus gezeigt, dass Innovationpotenziale noch nicht ausgeschöpft wurden. Eine wesentliche Erkenntnis war, dass die „IT-ler“ stärker als Partner der klinisch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesehen wurden und man so gemeinsam schnell zielführende Lösungen in einer außergewöhnlichen Situation erarbeiten und umsetzen konnte.

Für die Verfasser

Hauptmann Torsten Schliwin

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Abteilungsleiter S6, ITOffz Bw, ITOffz SK

Lesserstr. 180, 22049 Hamburg

E-Mail: torstenschliwin@bundeswehr.org