Wehrmedizinische Monatsschrift

KasuistikEN

Fallbeispiele zu Differenzialdiagnosen
atypischer Pneumonien in der COVID-19-Pandemielage

Differential diagnosis of interstitial lung diseases and atypical pneumonic
changes in front of the COVID-19 pandemic – case
reports

Frank Müllera, Dominic Rauschninga, Daniel Mathiesa, Denise Schneidera, Meike Schüßlera,
Daniel A. Veitb, Kai Nestlerb, Stephan Waldeckb, Christoph Bickela

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik I – Innere Medizin

b Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Abteilung VIII – Radiologie und Neuroradiologie

 

Zusammenfassung

Das klinische Bild und die CT-morphologischen Befunde von COVID-19 sind zwar charakteristisch, jedoch nicht krankheitsspezifisch. Verschiedene Differenzialdiagnosen interstitieller Lungenerkrankungen und atypischer pneumonischer Veränderungen unterschiedlichster Ätiologie kommen infrage.

Anhand von drei klinischen Fallbeispielen wird verdeutlicht, dass auch in einer Pandemie mit deutlich erhöhter Fallzahl einer Erkrankung nicht alle Atemwegsbeschwerden mit Infektkonstellation und Milchglasinfiltraten im CT-Thorax-Bild eine COVID-19-Erkrankung bedeuten müssen. Differenzialdiagnosen, wie in den Kasuistiken beschrieben, sollten stets präsent sein und abgewogen werden, um früh die richtige Diagnose stellen zu können. Dies ist für die rasche und zielgerichtete Therapieeinleitung wichtig und kann damit auch für die Prognose entscheidend sein.

Schlüsselwörter: COVID-19, atypische Pneumonie, Milchglasinfiltrate, Differentialdiagnose, PCP, COP, Lungenödem

Summary

Clinical presentation and morphological findings in the CT-scan of COVID-19 patients are characteristic, but not specific for this disease. Various differential diagnoses of interstitial lung diseases and atypical pneumonic changes from different etiology are possible.

By three presented clinical cases we want to emphasize that even in a pandemic with a significantly increased number of cases of one disease, not all respiratory complaints showing an infection and ground glass opacities in the CT scan are caused by COVID-19. Differential diagnoses, as described in the case reports, should always be in mind and should be cosidered in order to come to the correct diagnosis early. This is important for the rapid initiation of therapy and thus also for prognosis.

Keywords: COVID-19, atypical pneumonia, ground glass opacities, differential diagnosis, PCP, COP, pulmonary edema

Einleitung

Die Erkrankung COVID-19, hervorgerufen durch das ­Virus SARS-CoV-2, entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zur Pandemie [6][31][38]. Ausgehend von der Region Wuhan/Hubei in China breitete sich das Virus binnen weniger Wochen weltweit aus [19]. Auch in Deutschland nahm die Zahl der Infizierten und Erkrankten rasch zu. Bis zum 22. August gab es gem. Robert Koch-Institut 1 deutschlandweit 232 082 nachgewiesene Infektionen, davon 9 267 mit Todesfolge.

Die Erkrankung stellte das deutsche Gesundheitssystem vor enorme Herausforderungen; sie bestimmte im Verlauf zunehmend das gesellschaftliche Leben sowie den Klinikalltag und ist in den Medien weiterhin omnipräsent. Hiervon bleibt auch die klinische Einschätzung und die Diagnostik in Notaufnahmen und in Praxen nicht unbeeindruckt.

Die Symptomatik von COVID-19 reicht von milden und unspezifischen Symptomen der oberen Atemwege mit Husten und Fieber bis zu septischen Verläufen und akutem Lungenversagen (ARDS) mit tödlichem Multiorganversagen [6][17][19][25][46]. Eine bakterielle Superinfektion oder eine virale Koinfektion, beispielsweise mit einem saisonal parallel auftretenden Influenzavirus, erhöht möglicherweise das Risiko eines tödlichen Verlaufs [19][25]. Ältere Menschen und Patienten mit Komorbiditäten, insbesondere der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems, weisen eine erhöhte Sterblichkeitsrate auf. Etwa 80 % der Erkrankungen verlaufen mild bis moderat, bei ca. 20 % der Erkrankten kann es im Verlauf zu einer klinischen Verschlechterung kommen. Führend sind hierbei Dyspnoe und Hypoxämien, typischerweise etwa 7-10 Tage nach Symptombeginn. In rund 5 % der Fälle besteht die Indikation zur intensivmedizinischen Therapie, in 4 % zur Beatmungstherapie, ca. 0,5-1 % der Erkrankten versterben [19][46].

Die Tröpfchenübertragung von Mensch zu Mensch gilt als Hauptverbreitungsweg. Zudem werden auch eine mögliche Kontakt- oder Luftübertragung (bei Aerosolbildung) diskutiert. Es wird ferner angenommen, dass eine Übertragung bereits während der asymptomatischen Inkubationszeit von etwa 2 Tagen nach der Virusinokulation möglich ist [5][6][42].

Der Nachweis des Erregers SARS-CoV-2 erfolgt mittels PCR aus respiratorischen Materialien wie Sputum, Nasen-/Rachenabstrich oder auch der broncho-alveolären Lavage (BAL) mittels Nukleinsäureamplifikationsverfahren (PCR) [8][21].

In der Computertomografie des Thorax wurden für ­COVID-19 typische Veränderungen beschrieben. Zu diesen zählen im Frühstadium bilaterale und multilobäre Milchglastrübungen unter Betonung der peripheren und/oder dorsalen Lungenabschnitte, insbesondere in den Unterlappen. Im weiteren Verlauf kann es zu zunehmenden bis hin zu ausgeprägten Konsolidierungen sowie inter- und intralobulären septalen Verdickungen kommen, welche als „Crazy-Paving“-Muster bezeichnet werden [1][ 2][21][30][43][44][45].

Gleiche oder ähnliche Veränderungen können allerdings auch bei einer Vielzahl anderer Lungenerkrankungen auftreten.

Die vorliegenden Kasuistiken sollen verdeutlichen, dass bei einem CT-Bild mit Milchglasveränderungen und möglichem COVID-19-Muster weitere Differenzialdiagnosen nicht vernachlässigt werden dürfen und konsequent die entsprechende Abklärung zeitnah zu erfolgen hat.

Fall 1

Anamnese

Ein 68 Jahre alter männlicher Patient stellte sich am 15. April 2020 fußläufig in der „Fieberambulanz“ Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz vor und berichtete, seit dem Vortag an Fieber und trockenem Husten zu leiden; seit ca. zwei Wochen bestünde auch eine Belastungsdyspnoe; das Vorhandensein von Cephalgien oder Gliederschmerzen sowie Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhoen wurden verneint. Auch eine Beeinträchtigung des Geruchs- oder Geschmacksinns sei nicht vorhanden.

Der Patient wurde bereits seit Januar 2020 bei einer Exazerbation seiner bekannten Psoriasis und seit Februar des Jahres in der Klinik für Dermatologie des Hauses aufgrund eines bullösen Phemphigoids behandelt, seitdem therapiert mit Glucocorticoiden in absteigender Dosierung sowie Doxycyclin und Nicotinamid. Bei der stationären Aufnahme auf Grund der respiratorischen Symptomatik nahm der Patient noch Methylprednisolon Tbl. 28-0-8 mg, Doxycyclin 100 mg Tbl. (1-0-1-0) und Nicotinamid 400 mg Tbl. (1-1-1) ein.

Des Weiteren litt der Patient an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD); Einzelheiten zum Schweregrad waren nicht bekannt und auch nicht in Erfahrung zu bringen.

Klinischer Befund bei Aufnahme

68 Jahre alter Patient in reduziertem Allgemein- und normalem Ernährungszustand mit ikterischen Schleimhäuten; RR 125/94 mmHg, HF 130/min, AF 24/min bei einer initialen Sauerstoffsättigung (SpO2) von 86 %, unter Sauerstoffgabe von 2 l O2/min Besserung auf 95 %; Körpertemperatur bei Aufnahme ≈38,3 °C.

Diagnostik

Labor 2

Relevante pathologische Werte initial: CRP 8,5 mg/dl (< 0,50); PCT 0,62 ng/ml (< 0,05); Leukozyten 17 200/µl (4 000-9 000), ASAT 241 U/l (10-50), ALAT 380 U/l (10-50), GGT 2076 U/l (10-71), alkalische Phosphatase 329 U/l (40-129), Bilirubin gesamt 2,83 mg/dl (< 1,20), Bilirubin direkt 2,78 mg/dl (< 0,30), LDH 816 U/l (135-225), Albumin 27,9 g/l (39,7-49,4), IL-6 118 pg/ml (< 7,9), BSG 120 mm/1.h (< 37), N-terminales proBNP 189 pg/ml (< 125,0), high sensitive card Troponin T 22 pg/ml (< 14); Hepatitisserologie und immunologische Diagnostik ohne wegweisenden Befund.

Die SARS-CoV-2- RT-PCR aus Abstrichen und induziertem Sputum war jeweils zweimalig negativ.

Computertomografie des Thorax (Abbildung 1)

Deutlich sichtbar waren flächige Milchglasinfiltrate des Oberlappens bds. mit perihilärer zentraler Betonung des rechten Unterlappens sowie fleckförmige Milchglasinfiltrate des Mittellappens und des Unterlappens links. In beiden Lungenoberlappen und im linken Lungenunterlappen fanden sich fokal teils cavernös imponierende Läsionen bis ca. 1 cm Durchmesser mit zentraler Einschmelzung. Zudem zeigte das Bild eine perihiläre Betonung mit auffallender subpleuraler Aussparung der Lungenperipherie.

Abb. 1: Patient mit Pneumocystis jirovecii-Pneumonie

Diagnose

Die SARS-CoV-2-Diagnostik aus Abstrichen und induziertem Sputum war zweimal negativ. Die weitere Diagnostik, insbesondere die Bronchoskopie mit Lavagen, führt zu der Diagnose Pneumocystis jirovecii -Pneumonie.

Fall 2

Anamnese

Ein 51 Jahre alter männlicher Patient wurde am 3. Mai 2020 aus einem benachbarten Krankenhaus bei einem STEMI der Hinterwand und nachgewiesener koronarer Dreigefäßerkrankung zur Koronarintervention im herzchirurgischen Stand-By zuverlegt. Nach erfolgter zweizeitiger erfolgreicher Koronarintervention wurde bei ­steigenden Infektwerten der V. a. eine SARS-CoV-2-Infektion geäußert und, neben entsprechenden Nase-Rachenabstrichen und Sputumuntersuchungen, eine CT des Thorax veranlasst.

Klinischer Befund bei Aufnahme

51-jähriger Patient in reduziertem Allgemein- und übergewichtigem Ernährungszustand; keine kardio-pulmonalen Insuffizienzzeichen in Ruhe; Lungen seitengleich belüftet; „Brodeln“ und exspiratorischer Stridor über der gesamten Lunge bds. mit p. m. über dem rechten Unterfeld; Herztöne rein, keine Herzgeräusche auskultierbar; RR 160/90 mmHg, HF 90/min.

Die übrige körperliche Untersuchung bleibt ohne relevanten pathologischen Befund.

Diagnostik

Labor

Relevante pathologische Werte am 04. Mai 2020: ASAT 487 U/l (10-50), ALAT 99 U/l (10-50), CK 2963 U/l (39-308), CK-MB 285 U/l (< 25), LDH 1143 U/l (135-225), CRP 9,40 mg/dl (<–0,50), Leukozyten 14 800/µl (4 000-9 000), Myoglobin 208 µg/l (28-72), high sensitiv card Troponin T 5304 pg/ml (< 14), N-terminales proBNP 2114 g/ml (< 125).

Die SARS-CoV-2-RT-PCR aus Abstrichen und induziertem Sputum war jeweils zweimalig negativ.

CTA Aorta abdominalis und thorakalis vom 04. Mai 2020 (Abbildung 2)

Apikozentral in den Oberlappen bds. betont zeigten sich teils peribronchiovaskulär betonte Milchglastrübungen des Lungenparenchyms in allen Lungenlappen mit fokal erkennbaren Bronchoaerogrammen sowie größtenteils Aussparung der Lungenperipherie. Apikodorsal bds. fanden sich sich hierunter flächige Konsolidierungen im Lungenparenchym mit CT-morphologischem „Crazy-Paving“. Ferner bestanden begleitende schmale Pleuraergüsse bds. bis ca. 8 mm Breite mit angrenzenden flächigen Verdichtungen, vereinbar mit Teilatelektasen. Mediastinal sowie bihilär waren vermehrte abgrenzbare Lymphknoten mit teils deutlich vergrößerten Lymphknoten erkennbar.

Abb. 2: Patient mit hydrostatischem Lungenödem bei Linkherzinsuffizienz bzw. Linksherzdekompensation.

Diagnose

Bei negativer SARS-CoV-2-Diagnostik (Abstrich, induziertes Sputum) und nach Ausschluss der unten diskutierten Differenzialdiagnosen wurde in der Gesamtschau der Befunde die Diagnose hydrostatisches Lungenödem bei Linksherzdekompensation im Rahmen eines STEMI der Hinterwand gestellt.

Fall 3

Anamnese:

Ein 48 Jahre alter männlicher Patient befand sich vom 24. April 2020 bis zum 2. Mai 2020 im Rahmen eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr in Mazar-è-Sharif in Afghanistan und wurde am 2./3. Mai 2020 unter dem V. a. eine SARS-CoV-2-Infektion nach Deutschland repatriiert.

In Vorbereitung auf den Auslandseinsatz war für den Patienten eine zweiwöchige Quarantäne in Bonn geplant. Aufgrund des Auftretens von Fieber ohne relevante Begleitsymptomatik war diese um 1 1/2 Wochen verlängert worden. In Afghanistan entwickelte sich eine progrediente Belastungsdyspnoe, weshalb dort eine CT des Thorax veranlasst wurde. Unter dem V. a. COVID-19 wurde die Repatriierung durchgeführt.

Klinischer Befund bei Aufnahme im BwZKrhs Koblenz

48-jähriger Patient in leicht gemindertem Allgemein- und gutem Ernährungszustand; voll orientiert; keine kardio-pulmonalen Insuffizienzzeichen in Ruhe; RR 112/74 mmHg, HF 100/min, AF 30/min, SpO2 unter O2-Gabe von 2 l/min 94 %.

Cor, Pulmo und Abdomen ohne relevanten pathologischen Befund.

Der neurologische Status ist orientierend unauffällig.

Diagnostik

Labor

Relevante pathologische Werte am 3. Mai 2020: ASAT 87 U/l (10-50), ALAT 54 U/l (10-50), GGT 125 U/l (10-71), alkalische Phosphatase 137 U/l (40-129), CRP 5,14 mg/dl (< 0,50), Procalcitonin 0,38 ng/ml (< 0,05), Hb 9,9 g/dl (12,0-18,0), Gesamteiweiß 4,9 g/dl (6,60-8,70), Fibrinogen 645 mg/dl (180-350).

Die infektionsserologische Diagnostik auf pneumotrope Erreger ergab keinen relevanten Befund. Insbesondere die Serologie auf Coxiella burnetii war negativ. Die SARS-CoV-2-RT-PCR aus Abstrichen und induziertem Sputum war jeweils zweimalig negativ.

CT Thorax im KM-Gabe vom 01. Mai 2020 (Abbildung 3)

Im Lungenfenster fanden sich beidseits pneumonische Veränderungen, führend im linken Oberlappen; hier waren auch konsolidierte Anteile, teils mit positivem Bronchopneumogramm, in den übrigen Lungenabschnitten teils milchglasartige Verdichtungen, teils konsolidierte Anteile mit peripherer Betonung sichtbar. Es bestand eine leichtgradige mediastinale und bihiläre Lymphadenopathie. Ein Hinweis auf eine zentrale oder periphere Lungenarterienembolie fehlte. Erkennbar war ein geringer gefangener Erguss rechts dorsal auslaufend und im großen Lappenspalt rechts.

Abb. 3: Patient mit kryptogener organisierender Pneumonie (COP, früher als Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie (BOOP) bezeichnet).

Diagnose

Bei auch in diesem Fall negativem SARS-CoV-2-­Nachweis kam aufgrund der bildgebenden Diagnostik differenzialdiagniostisch in erster Linie eine kryptogenen organisierende Pneumonie (COP) in Betracht. Eine bronchoalveoläre Lavage mit Nachweis einer lymphozytären Alveolitis und von schaumigen aktivierten Makrophagen mit Einschlusskörperchen konnte den Verdacht bestätigten.

Diskussion

Die alltägliche Medienpräsenz der umgangssprachlich als „Corona“ bezeichneten COVID-19-Pandemie sowie die daraufhin erfolgten Präventions- und Infektionsschutzmaßnahmen prägten und prägen zunehmend das tägliche Leben und fokussierten so die Aufmerksamkeit der Handelnden im Gesundheitssektor stark auf diese Erkrankung. Hierdurch bestand und besteht die Gefahr, andere Atemwegserkrankungen zu vernachlässigen oder fälschlich als COVID-19 zu diagnostizieren. Mit unseren Falldarstellungen sollen deshalb nochmals die speziellen Diagnosekriterien für COVID-19 in Abgrenzung zu an­deren Krankheitsbildern herausgearbeitet werden [9][19].

Grundsätzlich sollten, in Abhängigkeit von der Schwere des klinischen Bildes, neben einer gezielten Diagnostik auf COVID-19 von Anfang an auch zusätzlich verschiedene Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden, wie z. B. Influenza, andere respiratorische Viren und bakterielle Superinfektionen. Insbesondere Milchglastrübungen in der CT des Thorax sind zwar typisch für COVID-19, können aber auch bei anderen pulmonalen Erkrankungen und Pneumonien in der Bildgebung vorkommen. Differenzialdiagnostisch ist zusätzlich daher z. B. auch an Pneumocystis jirovecii-Pneumonien, das Lungenödem, die diffuse alveoläre Hämorrhagie, die Alveolarproteinose und teilweise an idiopathische interstitielle Lungenerkrankungen (z. B. kryptogene organisierende Pneumonie (COP, früher BOOP)) zu denken [15][16][20][22][23][26][28][36][37][39][40][41].

PCR-Diagnostik entscheidend

Ein wichtiger Baustein in der Diagnostik von COVID-19 in Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern ist der Nachweis von SARS-CoV-2 aus einem tiefen Nase-Rachenabstrich, aus Sputum bzw. provoziertem Sputum oder aus Rachenspülwasser bzw. Tracheobronchialsekret mittels PCR [8][21]. Dieser sollte bei negativem Ergebnis und persistierendem Verdacht wiederholt werden, ggf. kommt zusätzlich die Stuhldiagnostik in Betracht [43]. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die korrekte Durchführung der Abstriche (hierfür sind im Internet Lehr-Videos verfügbar). Serologische Testverfahren sind frühestens nach 7-10 Tagen sinnvoll und stehen bisher nicht routinemäßig für diagnostische Fragestellungen zur Verfügung [31].

Labordiagnostik

Laborchemisch treten bei COVID-19 häufig eine Leukopenie mit Lymphopenie, eine Thrombopenie, CRP- und BSG-Erhöhungen, Transaminasen- und LDH-Erhöhungen auf [7][9][19][21][35]. Leberwerterhöhungen können sowohl erkrankungsbedingt auftreten als auch therapieassoziiert sein, die Unterscheidung ist teilweise schwierig. Das Procalcitonin ist allenfalls nur gering erhöht. Troponin-Erhöhungen können Ausdruck einer mit ­COVID-19 assoziierten Kardiomoypathie sein, differenzialdiagnostisch kommt eine Rechtsherzbelastung im Rahmen der pulmonalen Beteiligung in Betracht [3][33]. Häufiger werden auch D-Dimer- und IL-6-Erhöhungen beschrieben [31].

Radiologische Diagnostik

Im konventionellen Röntgenbild des Thorax zeigen sich bei 50-60 % der Erkrankten Veränderungen. Sensitiver ist die CT des Thorax, die nativ oder als HR-CT angefertigt werden sollte. Hierbei werden in ca. 85 % der Fälle Veränderungen nachgewiesen. Es finden sich ­typischer­weise Milchglasveränderungen, in der Regel bilaterale, seltener unilaterale Verdichtungen und/oder eine interstitielle Zeichnungsvermehrung (Abbildung 4) [1][2][21][30][43][44][45]. Die Kategorisierung der CT-Ver­änderungen bei COVID-19 zeigt Abbildung 5 (im Anhang).

Abb. 4: CT-morphologischer Verlauf einer pulmonalen Beteiligung bei SARS-CoV-2 Infektion:
(A) Initial noch peripher betonte milchglasartige Trübungen (Stern) und begleitendes „Crazy-Paving“ als typisches Mischbild einer mittelschweren COVID-19-Pneumonie
(B) Verlaufskontrolle unter Therapie mit zunehmenden deutlichen Konsolidierungen der peripheren Lungengerüstveränderungen (breiter Pfeil) und somit Wechsel von „Crazy-Paving“-Muster und Milchglastrübungen zu Konsolidation; Nachweis subpleuraler fibröser Bänder (schmaler Pfeil) mit Architekturstörung als zusätzliches Korrelat des beginnenden fibrotischen Umbaus
(C) farbkodierte Auswertung der Bilddaten zur quantitativen Analyse des Befalls mit Differenzierung gesunden Lungengewebes (blau) vs. Milchglasinfiltrate (grün) vs. Konsolidationen (rot)

Die Diagnose „COVID-19“ wird anhand der Patientengeschichte, der klinischen Symptome, des CT-Befundes und mittels PCR gestellt.

 

Zu Fall 1

Fall 1 zeigt eine wichtige Differenzialdiagnose von ­COVID-19. Aufgrund der CT-morphologischen Beschreibung von Milchglasveränderungen und aufgrund des Laborbefundes wurde zunächst der Verdacht auf ­COVID-19 geäußert und der Patient entsprechend auf der Diagnostikstation isoliert.

Nachdem die SARS-CoV-2-RT-PCR aus Abstrichen und induziertem Sputum jeweils zweimalig negativ war, rückten andere Differenzialdiagnosen in den Fokus. Die weitere Diagnostik und insbesondere die Bronchoskopie mit Lavagen ergab eine Pneumocystis jirovecii-Pneumonie.

Lange als Protozoen gehandelt, werden Pneumocysten heute den Pilzen zugeordnet [12]. Erst nach der Namensgebung wurde später klar, dass die Spezies Pneumocystis carinii, 1910 erstmals von dem Italiener Antonio Carini beschrieben, beim Menschen gar nicht vorkommt, sondern nur bei Ratten. Die Abkürzung PCP wurde gleichwohl beibehalten [32]. In der Regel erkranken Patienten innerhalb von sechs Monaten nach Organtransplantation und mit intensiver, länger andauernder, Immunsuppression, insbesondere mit Corticoiden in Dosierungen von über 30 mg/Tag Prednisolonäquivalent (wie bei unserem Patienten in der Kasuistik). Desweiteren gehören heutzutage sogenannte „late presenter“ HIV-Patienten dazu, bei denen erst die Pneumonie zur HIV-Diagnose führt. Diese weisen dann in der Regel CD4+-Zahlen von unter 200/µl auf [4][15][37].

Die klassische Symptom-Trias besteht aus trockenem Reizhusten, subfebrilen Temperaturen und einer langsam progredienten Belastungsdyspnoe [15][37]. Im Röntgenbild findet sich ein relativ charakteristisches Bild mit schmetterlingsförmiger, sich beidseits von hilär ausbreitender, interstitieller Zeichnungsvermehrung. In den Frühstadien sind die Mittel- und Unterfelder betont, zystische Veränderungen kommen vor (siehe Abbildung 1). Die meist unscharfen, diffusen Veränderungen sind im HR-CT besser zu sehen [18].

Laborchemisch ist die LDH oft erhöht und eignet sich bedingt als Verlaufsparameter. Zur Diagnosesicherung ist fast immer, wie auch in diesem Fall, eine broncho-alveoläre Lavage erforderlich. Der Nachweis gelingt im Direktpräparat oder mittels der sehr sensitiven PCR [11].

Therapie der Wahl ist die hochdosierte Gabe von Cotrimoxazol über 21 Tage. Bei leichteren Fällen in der Dosierung von 3x3 Tabletten 960 mg/Tag, bei mittelschwerer bis schwerer PCP Cotrimoxazol 3x5-6 Amp. à 480 mg in intravenöser Applikation. Eine adjuvante Gabe von Prednisolon in einer Dosierung von 1 mg/KG ist erforderlich [15][37].

Wie auch in diesem Fall muss oft eine maschinelle Beatmung erfolgen. Die Erkrankung besitzt immer noch, trotz sämtlicher invasiver Therapiemaßnahmen, eine Mortalität von 10 % [24]. Der vorgestellte Patient verstarb bei einem komplizierten Verlauf mit zusätzlicher Aspergillenbesiedlung und bakterieller Superinfektion trotz sämtlicher eskalierter Therapiemaßnahmen. In seinem Fall kam erschwerend für den weiteren Verlauf und die Therapiemöglichkeiten eine erhebliche Leberenzymerhöhung als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) einer medikamentösen Vorbehandlung hinzu.

Zu Fall 2

Im zweiten Fall hilft – nach Ausschluss der Verdachtsdiagnose COVID-19 – die genaue Betrachtung und Analyse des CT-Musters im Kontext mit dem Gesamtkrankheitsbild weiter.

CT-morphologisch sind sowohl Milchglasveränderungen, ein sogenanntes „Crazy-Paving“-Muster als auch Pleuraergüsse zu finden.

Ein „Crazy-Paving“-Muster entsteht durch eine Überlagerung verdickter Interlobulärsepten und intralobulärer irregulärer Verdichtungen im Bereich der Milchglastrübungen [40]. Es typisch für die Alveolarproteinose [16][20]. Weitere Differenzialdiagnosen sind atypische Pneumonien wie die oben beschriebene Pneumocystis jirovecii-Pneumonie, die alveoläre Hämorrhagie, das lepidisch wachsende Adenokarzinom, die Lymphangiosis carcinomatosa, diffuser Alveolarschaden, Strahlenpneumonitis, die medikamententoxische Pneumopathie und die pulmonale venooklusive Erkrankung [22][26][29][36][37][39]. Auch das hydrostatische Lungenödem bei Linkherzinsuffizienz ist eine wichtige Differenzialdiagnose [40]. Bronchoskopisch konnten die zuvor genannten Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden, sodass in der Gesamtschau der Befunde ein hydrostatisches Lungenödem bei Linksherzdekompensation im Rahmen eines STEMI der Hinterwand als Ursache des CT-Bildes gesichert werden konnte.

Nach Koronarintervention, intensivierter Herzinsuffizienztherapie und unter antibiotischer Therapie einer bakteriellen Superinfektion kam es rasch zu einer Symptom- und Befundbesserung. Der CT-Befund hatte sich innerhalb weniger Tage nahezu wieder normalisiert.

Zu Fall 3

Die dritte Falldarstellung führt in die Differenzialdiagnosen der idiopathischen interstitiellen Lungenerkrankungen (iILD). Der CT-Befund mit multifokalen, fleckigen und unscharf konfigurierten Konsolidierungen, z. T. mit Bronchopneumogramm und Milchglasinfiltraten ist in erster Linie mit einer kryptogenen organisierenden Pneumonie (COP), früher auch BOOP (Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie) genannt, vereinbar [22][23][26][28][34][36][40].

Die Diagnosestellung erfolgt synoptisch bei den klinischen Zeichen des „respiratorischen Infektes“ und peripheren, dichten Lungeninfiltraten bei zumeist vorangegangener erfolgloser Antibiotikatherapie [10][13][14][22]. In diesem Fall hat die bronchoalveoläre Lavage mit Nachweis einer lymphozytären Alveolitis und von schaumigen aktivierten Makrophagen mit Einschlusskörperchen den Verdacht bestätigt. Transbronchiale Biopsien waren in diesem Fall nicht diagnostisch, konnten aber zum Ausschluss von wichtigen Differenzialdiagnosen beitragen.

Hinweise auf sekundäre Formen der organisierenden Pneumonie hatten sich in unserem Fall nicht ergeben, vor allem fanden sich keine Anhaltspunkte für eine medikamentös-toxische Ursache oder entzündliche Systemerkrankungen.

Das sehr gute Ansprechen auf eine systemische Cortisongabe mit rasch rückläufigem CT-Befund bestätigte die Verdachtsdiagnose [10][13][14]. Eine vermutete bakterielle Superinfektion wurde antibiotisch mit einem Fluorchinolon der neueren Generation (Levofloxacin) behandelt.

Fazit

Die vorliegende Arbeit soll nochmals darauf hinweisen, dass auch in der aktuellen Pandemiesituation bei Atemwegsbeschwerden mit Infektkonstellation nicht alle Milchglasinfiltrate im CT-Thorax-Bild die Diagnose COVID-19 bedeuten müssen.

Die Diagnose einer COVID-19 wird synoptisch anhand der Patientengeschichte, der passenden klinischen Symptome, des CT-Befundes und mittels PCR im Nase-Rachen-Abstrich bzw. in einem respiratorischen Sekret gestellt. Differenzialdiagnosen, wie in den Kasuistiken dargestellt, sollten stets präsent sein und abgewogen werden. Eine frühe Diagnosestellung kann wichtig für die Therapieeinleitung und damit auch für die Prognose sein.

Gleichzeitig verdeutlichen die Kasuistiken die Breite an Erkrankungen außerhalb des infektiösen Formenkreises. Der infektiologisch tätige Arzt profitiert von einer breiten internistischen Ausbildung und Expertise sowie von einer engen Zusammenarbeit mit den radiologischen Kollegen, so dass Differenzialdiagnosen rechtzeitig erkannt und so adäquat behandelt werden können.

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Manuskriptdaten

Eingereicht: 18. Juli 2020

Nach Überarbeitung angenommen: 24. August 2020

Zitierweise

Müller F, Rauschning D, Mathies D, Schneider D, Schüßler M, Veit DA, Nestler K, Waldeck S, Bickeln C: Fallbeispiele zu Differenzialdiagnosen atypischer Pneumonien in der COVID-19-Pandemielage. WMM 2020; 64(9): e28.

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Frank Müller

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik I – Innere Medizin

Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz

E-Mail: frank11 mueller@bundeswehr.org

Manuskriptdata

Submitted: 18 July 2020

After revision accepted: 24 August 2020

Citation

Müller F, Rauschning D, Mathies D, Schneider D, Schüßler M, Veit DA, Nestler K, Waldeck S, Bickeln C: Differential diagnosis of of interstitial lung diseases and atypical pneumonic changes in front of the COVID-19 pandemic – case reports. WMM 2020; 64(9): e28.

For the authors

Lieutenant Colonel (MC) Dr. Frank Müller

Bundeswehr Central Hospital Koblenz

Department I – Internal Medicine

Rübenacher Str. 170, D-56072 Koblenz

E-Mail: frank11 mueller@bundeswehr.org

Anhang

Abb. 5: Hinweise der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)zur CT-morpholgischen Differenzialdiagnostik bei COVID-19


2 Normwerte in Klammern