Wehrmedizinische Monatsschrift

PRÄVENTION IM IN- UND AUSLAND

SARS-CoV-2-Herausforderung: Infektionsschutz
für Bundeswehrangehörige im In- und Ausland

Canio Germano a, Marc Wenzel a

a Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Nord, Kiel

 

Hintergrund

Die Bundeswehr verfügt weltweit über 440 Auslandsdienststellen mit mehr als 3 000 militärischen und zivilen Bundeswehrangehörigen, hierunter auch Kleinstdienststellen mit drei bis fünf Personen.

Bei Dienststellen ohne eigene sanitätsdienstliche Versorgung ist medizinische Hilfe nur durch die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems im Gastgeberland möglich. Zuständiger Truppenarzt für diese Soldatinnen und Soldaten ist der Leitende Sanitätsoffizier des Sreitkräfteamtes in Bonn. Die öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Sanitätsdienstes werden für alle Auslandsdienststellen von der Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ÜbwStÖffRechtlAufgSanDstBw, Kurzform: ÜbwSt) Nord in Kiel wahrgenommen. Dabei ist anzumerken, dass der Vollzug von Maßnahmen aus öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Ausland nur eingeschränkt möglich ist.

Die COVID-19-Pandemie rückte die Auslandsdienststellen in den Fokus, da hier eine bestmögliche präventivmedizinische Beratung bzw. Unterstützung für Bundeswehrangehörige (einschließlich der mit ins Ausland gezogenen Familienmitglieder) sichergestellt werden sollte. Es galt, „aus der Ferne“ den Spagat zwischen (DEU) nationalen Vorgaben und den Regelungen der Host Nation in Einklang zu bringen.

Vollzug des Infektionsschutzgesetzes im Inland

Die Abteilungen I (Präventivmedizin und Hygiene) der vier ÜbwSt vollziehen in ihrem territorialen Zuständigkeitsbereich das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und erfüllen damit innerhalb der Bundeswehr die Aufgaben eines zivilen Gesundheitsamtes. Im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie spielen sie eine zentrale Rolle bei der Eindämmung der Weiterverbreitung des Erregers, indem sie eigene Ermittlungen durchführen, Kontaktpersonen nachverfolgen und die Isolierung von Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen veranlassen. Die Abteilungen I der ÜbwSt wirken durch Beratung darauf hin, die Fachliche Weisung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr zum Gesundheits-/Infektionsschutz im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie in der Bundeswehr (FA InspSan vom 26. Juni 2020 durchzusetzen.

Anpassung an die Pandemie-Lage

Alle ÜbwSt mussten ihre Ablauforganisation an die teilweise rasante Lageentwicklung anpassen. Dieses umfasste u. a. die Einrichtung von Lagezentren mit Trennung von fachlichen und organisatorischen Aufgaben sowie die Neuordnung und Priorisierung der Dienstaufgaben innerhalb der Dienststelle. Dank der Verstärkung durch externes Personal und kreative Lösungen wie der Entwicklung von Datenbanken zur Erfassung von Infektionsdaten konnte auch eine durchgehende Ansprechbarkeit (24/7) gewährleistet werden.

Schwerpunktverlagerung im Verlauf der Pandemie

Stand zu Beginn der COVID-19-Pandemie die Etablierung und Optimierung der Kommunikationswege (u. a. zu den zivilen Gesundheitsbehörden) im Zentrum, verschob sich der Arbeitsaufwand im Zuge der sukzessiven Wiederaufnahme des Dienstbetriebes der Teilstreitkräfte (TSK) nahtlos von der Bearbeitung akuter Infektions-/Verdachtsfälle in Richtung Beratung der Truppe. Die ­Herausforderung bestand dabei darin, die Auflagen der FA InspSan vom 13. Mai 2020 (Infektionsschutz, Eindämmung der Weiterverbreitung) und die Vorgaben des Arbeitsschutzes (Schutz des Personals) mit den realen Anforderungen des Dienstes in Einklang zu bringen. Es galt, auf die damit einhergehenden Unsicherheiten in der Truppe angemessen einzugehen, zu vermitteln und ­dabei dennoch den Anteil Infektionsschutz gem. der FA InspSan durchzusetzen.

Hier besteht aus Sicht der Autoren für die Zukunft erhebliches Optimierungspotenzial, vor allem in einer engeren Zusammenarbeit der Fachdisziplinen Öffentliches Gesundheitswesen (mit u. U. weitgehenden gesetzlichen Interventionsmöglichkeiten) und der Arbeitsmedizin mit einer Vielzahl von Betriebsärzten in der Fläche, die als Kenner des Dienstgeschehens vor Ort den Vorgesetzten als Beratende zur Verfügung stehen. Auf diese Weise könnten die tatsächlichen Anforderungen des Dienstalltages mit den Belangen des Infektionsschutzes harmonisiert werden.

In einem Beitrag aus der ÜbwSt West in dieser Ausgabe wird auf das Themenfeld „Arbeits- und Umweltschutz“ näher eingegangen.

Infektionsschutz im Ausland

Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie stand auch die ÜbwSt Nord als Schwerpunktdienststelle für alle Auslandsdienststellen und seegehenden Einheiten urplötzlich vor neuen Herausforderungen. Dies äußerte sich vor allem durch die von Anfang an hohe und steigende Anzahl von Anfragen aus den Auslandsdienststellen. Das Spektrum der Fragestellungen berührte vor allem drei Themenbereiche:

  1. Umsetzen des Infektionsschutzes im Ausland
  2. Einreisebestimmungen und Schutzauflagen für das jeweilige Land bzw. bei Rückkehr nach Deutschland
  3. Regelungen für Deutsche Schulen und/oder Verwaltungsstellen im Ausland

Umsetzen des Infektionsschutzes im Ausland

Im Inland und in der Mehrzahl der Einsätze, einsatzgleichen Verpflichtungen und Missionen wird die medizinische Versorgung deutscher Kräfte durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr sichergestellt. Während kurative Aspekte als „Kerngeschäft“ der Bundeswehrkrankenhäuser und regionalen Sanitätseinrichtungen 1 angesehen werden müssen, bildet der Infektionsschutz die Schwerpunktaufgabe der ÜbwSt. Dazu zählt auch das frühzeitige Erkennen und Eindämmen von Ausbruchsgeschehen sowie weitgreifende präventivmedizinische Maßnahmen.

Während die ÜbwSt im Inland gem. § 54a Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit den Befugnissen einer Ortsbehörde ausgestattet sind, stellt sich immer wieder die Frage, welche Möglichkeiten des Handelns für die Auslandsdienststellen bestehen und was diese Befugnisse ggf. einschränkt.

Eine Umsetzung deutscher Gesetze (z. B. des IfSG) und nachgeordneter Rechtsverordnungen ist vorwiegend in bundeswehrgeführten Feldlagern und bei seegehenden Einheiten darstellbar. Die Anwendbarkeit deutscher Gesetze findet ihre Grenzen in multinationalen Dienststellen und vor allem in Kleinstdienststellen im Ausland. Ebendies gilt für die Verfügbarkeit von medizinischer Versorgung nach deutschen Standards. Nur ein sehr geringer Anteil der über 440 Auslandsdienststellen verfügt über eine eigene sanitätsdienstliche Versorgung (Truppenarzt/-zahnarzt).

Zudem ist in Auslandsdienststellen neben zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) Personen auch noch an deren Familienangehörige zu denken, die häufig für die gesamte Dauer der Verwendung an den Dienstort mitziehen.

Einzelfallbetrachtung erforderlich

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie war deshalb die Ermittlung der jeweils erforderlichen Präventivmaßnahmen und der für den Erkrankungsfall verfügbaren ­Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten vorrangig. Dieses erforderte grundsätzlich immer eine Einzelfallbetrachtung, die in Verantwortung des Leiters Fachaufgaben Einsatz (Ltz FachAufgEinsatz) der ÜbwSt Nord erfolgte.

Dabei sind zunächst die in der jeweiligen Host Nation durchgesetzten Schutzmaßnahmen im Vergleich zu aktuellen Bundeswehrstandards zu bewerten. Im konkreten COVID-19-Verdachts- und Erkrankungsfall muss zudem die Frage nach einem validen Nachweis (Goldstandard PCR) gestellt werden.

Niedrige Infektionszahlen im Ausland
(Stichtag: 10. August 2020)

Bis zum 10. August 2020 lag die Zahl der nachweislich an COVID-19 erkrankten deutschen Angehörigen von Auslandsdienststellen der Bundeswehr deutlich unter den innerdeutschen Erkrankungszahlen 2 .

Als Ursache hierfür können vergleichbare Standards bei den Bündnispartnern und eine erhöhte Achtsamkeit unter den Angehörigen der Auslandsdienststellen angenommen werden. Dazu zählt auch die in zahlreichen Beratungsgesprächen seitens Ltr FachAufgEins mehrfach wahrgenommene Bereitschaft, bei eigenen Schutzmaßnahmen im Zweifelsfall höhere Standards anzustreben als dies ggf. bei der Host Nation der Fall ist.

Daneben kann der Einfluss einer Dunkelziffer unbemerkter und nichterfasster SARS-CoV-2-Infektionen insbesondere bei asymptomatischen Verläufen nicht sicher ausgeschlossen werden.

Einreisebestimmungen und Schutzauflagen

Der Themenkomplex Einreisebestimmungen und deren Folgen führte zu einem erheblichen Beratungsbedarf. Bedingt durch die Weisungslage des BMVg kam es gerade in der Hochphase der Pandemie zu vermehrten Ausnahmeersuchen mit dem Ziel, die 14-tägige häusliche Absonderung in Deutschland nach Einreise zu vermeiden. Der „großzügigen“ Auslegung der Weisungslage durch die Antragsteller bei der sogenannten Pendlerregelung und bei Dienstreisevorhaben konnte häufig nur durch eine rein sachorientierte, abwägende Begründung begegnet werden. Nicht immer wurde hierfür entsprechende Akzeptanz gefunden.

Aus der kurzfristigen und nicht so erwarteten Änderung des IfSG ergaben sich darüber hinaus Anpassungen seitens der zuständigen Behörden, also den örtlichen Gesundheitsämtern auf der einen und den ÜbwSt auf der anderen Seite. Dabei erfolgt ist u. a. eine Ausweitung der Befugnisse ziviler Behörden gegenüber Soldaten außerhalb der Dienstausübung. Dies führt immer wieder zu komplexen Fragestellungen und einem damit verbundenen höheren Beratungsaufwand.

DEU Schulen und Verwaltungsstellen im Ausland

Neben den oben erwähnten Aufgaben wurde das Portfolio der ÜbwSt Nord um die Beratung deutscher Schulen und Verwaltungsstellen im Ausland erweitert, soweit diese in den Geschäftsbereich des BMVg fallen. Es galt, auch hier vergleichbare Standards wie in Deutschland zu etablieren. Anhand der Musterverordnung des nordrhein-westfälischen Kultusministeriums konnte ein weitgehender Abgleich zwischen deutschen Maßnahmen und denen der jeweiligen Host Nation erzielt werden.

Fazit

Das seitens der ÜbwSt Nord gesetzte Ziel, das Infektionsrisiko für deutsche Soldatinnen und Soldaten, Zivilbedienstete und alle Familienangehörigen in Auslandsverwendungen soweit wie möglich zu minimieren und gleichzeitig Einschränkungen auf ein notwendiges Mindestmaß zu reduzieren, wurde insgesamt erreicht.

Nach wie vor bilden Fragen nach Ein- und Ausreisebestimmungen einen Schwerpunkt. Die bisherigen Verfahrensweisen waren dabei insgesamt sehr erfolgreich. Allerdings sollte man bedenken, dass Absonderungsmaßnahmen über 14 Tage vor einem Einsatz bzw. über mehrere Wochen bei bestimmten Spezialisten, die sich in Bereitschaft befinden, eine ganz erhebliche Belastung für das betreffende Personal bedeuten. Hier sollte – insbesondere vor dem Hintergrund ausreichender Test­kapazitäten und der raschen Verfügbarkeit von Testergebnissen durch neue Techniken – nach Alternativen gesucht werden.

Verfasser

Flottillenarzt Dr. Canio Germano, MPH

Flottillenarzt Dr. Marc Wenzel

Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Nord, Kiel

Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen

E-Mail: canioigermano@bundeswehr.org


1 In Einsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen und Missionen erfolgt die Versorgung analog dazu in Sanitätseinrichtungen (ROLE 1 - 3) und Schiffslazaretten.

2 <10 nachgewiesene Fälle auf ca. 3500 DEU Kräfte, verteilt auf 440 Auslandsdienststellen