Wehrmedizinische Monatsschrift

AUS DER VETERINÄRMEDIZIN

Kriegstierseuchen im Ersten und
Zweiten Weltkrieg und ihre Bedeutung in der Gegenwart

Carolin Lauck a

a Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München, ­Außenstelle Koblenz

 

Zusammenfassung

Die Verhinderung bzw. Eindämmung von Tierseuchen ist auch heute eine wesentliche Aufgabe der Veterinärmedizin in den Streitkräften. Dieses galt insbesondere in den beiden Weltkriegen mit ihren immensen Beständen an Pferden und anderen Kriegstieren. Im Rahmen weltweiter Einsätze und der damit verbundenen hohen Mobilität von Streitkräften kommt auch heute der Verbreitung von Tierseuchenerregern durch weiträumige Truppenverlegungen eine besondere Bedeutung zu. Nicht zuletzt spielten und spielen Erreger von Tierseuchen als potenzielle B-Waffen eine wesentliche Rolle.

Am Beispiel ausgewählter Kriegstierseuchen wird deren Bedeutung im Ersten und Zweiten Weltkrieg aufgezeigt und die Entwicklung von Vorkommen, Diagnostikverfahren und veterinärmedizinischen Maßnahmen sowie deren Relevanz bis in die Gegenwart vorgestellt werden.

Schlüsselwörter: Kriegstierseuchen, Rotz, Räude, Milzbrand, biologische Kriegsführung, Heeresveterinärwesen

Keywords: epizootic diseases, glanders, mange, Anthrax, biological warfare, veterinary services

Einleitung

Seit jeher sind Seuchen und insbesondere Tierseuchen ein Gesicht des Krieges und nicht selten auch entscheidend für dessen Ausgang. Dieser Tatbestand wurde auch zu Kriegszeiten schon als solcher erkannt und es wurden Maßnahmen zur Verhütung, Eindämmung und Ausrottung ergriffen. Tierseuchen waren aufgrund der enormen Anzahl an eingesetzten Tieren gefürchtet und hatten bei einem Ausbruch zum Teil verheerende Folgen – mit erheblichem Einfluss auf den weiteren Verlauf des Krieges.

So wurden im Ersten Weltkrieg zeitweise gleichzeitig 1,2 Millionen Pferde und Tragtiere eingesetzt [10]. Eine genaue Anzahl an Tieren zu nennen, die während der gesamten Zeit im Heer „dienten“, ist aufgrund des zu Anfang schlecht oder gar nicht durchgeführten Berichtswesens nicht möglich. Im Zweiten Weltkrieg war die Dokumentation deutlich besser. Hier waren es insgesamt für alle Kriegsjahre ungefähr 2,75 Millionen Pferde [20]. Außerdem kamen in beiden Kriegen auch Ochsen, ­Kamele, Hunde und Tauben zum Einsatz. Dokumentiert im Kriegsveterinärbericht des Deutschen Reiches 1914-1918 ist, dass „bei Beendigung des Krieges […] etwa 30 000 Hunde im Heeresdienst vorhanden [waren]“. Hinzu kamen aufsummiert ungefähr 120 000 Brieftauben, die bis Ende des Ersten Weltkrieges von den Truppen eingesetzt wurden [17].

Aufgrund dieser enormen Anzahl an Tieren im Heeresdienst ist verständlich, warum es essenziell war, Vorkehrungen zu treffen, um die Seuchenlage zu kontrollieren und damit einem Zusammenbruch der Strukturen entgegenzuwirken oder zu verhindern, dass Operationspläne zunichte gemacht werden. Zu diesem Zweck wurden Seuchenvorschriften erlassen, tierärztliche Ausbildungsstätten gegründet, Laboratorien und Lazarette aufgestellt und Tierärzte zum Dienst im Heer verpflichtet und ausgebildet.

Am Beispiel ausgewählter Kriegstierseuchen soll deren Bedeutung für die damalige Zeit aufgezeigt und erläutert werden. Außerdem soll die Entwicklung von Vorkommen, Diagnostikverfahren, Maßnahmen und Relevanz bis in die Gegenwart verfolgt werden.

Rotz

Der Rotz oder Malleus wurde erstmals durch Aristoteles (geb. 384 v. Chr.) beim Esel beschrieben und war bis zum Ersten Weltkrieg für die Streitkräfte die gefürchtetste Pferdeseuche [17]. Die Gründe hierfür waren die hohe Infektiosität und Letalität sowie die Möglichkeit von ­persistierenden latenten Infektionen, die zu ständigen ­Neuinfektionen führten. Als Zoonose war auch die Ansteckung des Menschen gefürchtet. Bis heute gilt der Erreger noch als mögliche B-Waffe und wurde auch in den beiden Weltkriegen eingesetzt [15].

Erreger, Epidemiologie und Übertragung

Hervorgerufen wird die Erkrankung durch den Erreger Burkholderia mallei, ein gramnegatives, unbewegliches Stäbchen mit einer Größe von bis zu 5 μm. Infiziert werden vor allem Pferde, Esel und Maultiere. Allerdings gibt es auch dokumentierte Fälle von Erkrankungen bei Menschen, Kamelen und kleinen Wiederkäuern – bei gemeinsamer Haltung mit infizierten Equiden –, sowie bei Löwen und Tigern durch die Verfütterung von kontaminiertem Fleisch. Die Mehrzahl an Fällen beim Menschen ereignete sich zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert. Die Krankheit endete oft tödlich, da keine geeignete Antibiose vorhanden war. In Europa und Nordamerika spielt die Seuche seit den 1960er Jahren keine große Rolle mehr. Dennoch besteht die Gefahr der Einschleppung aus Ausbruchs- oder Endemiegebieten. Allen voran ist Brasilien zu nennen, aber auch andere Länder Südamerikas, Asiens und Afrikas sind betroffen [3].

Da der Erreger auch aufgrund seiner Exo-Polysaccharidkapsel und seines Unvermögens, Sporen zu bilden, eher umweltlabil ist, sind als Hauptreservoir latent infizierte Tiere anzusehen. Die Übertragung ist durch direkten Tierkontakt (aerogene Aufnahme), aber ebenso indirekt über Futter, Trinkwasser oder kontaminierte Gegenstände (orale Aufnahme) möglich.

Klinik

Klinisch werden drei Formen unterschieden, deren Ausprägung vornehmlich von der Eintrittspforte bestimmt wird: der Lungen-, Haut- und Nasen-Rotz. Dabei sind sowohl Übergangsformen als auch das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Formen möglich.

Der Lungenrotz zeigt meist einen latent-chronischen Verlauf. Die Symptome sind eher unspezifisch und können sich als Fieber, schlechtes Allgemeinbefinden, Gewichtsverlust, erschwerte Atmung und trockener oder krampfartiger Husten äußern.

Zu Beginn des Nasenrotzes kann man zunächst ähnliche Symptome wie beim Lungenrotz feststellen. Initial können die Tiere hohes Fieber und Appetitlosigkeit zeigen. Hinzu kommt eine erschwerte Atmung und Husten. Die Nasenschleimhaut ist gerötet und geschwollen und es wird ein hoch infektiöser, zähflüssiger, mucopurulenter Ausfluss aus einer oder beiden Nasenöffnungen beobachtet. Im weiteren Verlauf werden weißliche oder grau-gelbliche Knötchen in der Nasenschleimhaut sichtbar, die sich weiter ausbreiten und aus denen sich nach Aufbrechen Ulcera bilden. Die Nasenscheidewand kann sich ebenfalls nekrotisch verändern. In manchen Fällen kann eine Bindehautentzündung mit eitrigem Ausfluss beobachtet werden. Zudem können die Kehlgangslymphknoten in dem Maße anschwellen, dass sie mit dem Unterkiefer verwachsen oder rupturieren, was zu einer verminderten Nahrungsaufnahme und Konditionsverlust führt (Abbildung 1).

Abb. 1: Rotz-positive Pferde nach Mallein-Augenprobe im Jahre 1915 (siehe auch http://data.onb.ac.at/rec/baa15524362)

Typisch beim Hautrotz ist die Bildung von subkutanen Knoten entlang der Lymphbahnen von Gliedmaßen, Brust und Unterbauch. Später können diese zu Geschwüren aufbrechen. Durch das Anschwellen der efferenten Lymphgefäße entlang der Knoten und Ulcera entsteht ein charakteristisches, perlenschnurartiges Muster, das an einen Rosenkranz erinnert. Im Verlauf dieser Bahnen können dann neue Knoten und Geschwüre entstehen. In selteneren Fällen kommt es zu einer Orchitis bzw. Mastitis oder auch zu einer Beteiligung von Gehirn und Hirnhäuten.

Beim Rotz wird in akute, chronische und latente Form unterschieden. Die akute Form, die vornehmlich bei Eseln und Maultieren auftritt, ist gekennzeichnet durch Symptome von Haut- und Nasenrotz mit letalem Ausgang nach zwei bis vier Wochen. Das Pferd hingegen neigt eher zu einem chronischen Verlauf, wobei sich das Erkrankungsbild aus allen drei Symptomkreisen zusammensetzen kann. Abhängig von der individuellen Verfassung des Tieres ist ein Übergang in die akute Form früher oder später vorprogrammiert und führt ebenfalls zum Tod. Unter der latenten Form versteht man ein Ruhen der Erkrankung, bis sich der Verlauf zur chronischen oder akuten Form verändert oder eine Heilung eintritt. Während der latenten Phase sind die Tiere infektiös.

Veterinärmedizinische Maßnahmen

Aufgrund der beschriebenen Ätiologie und der Erfahrungen aus vorangegangenen Kriegen, wurden in Friedenszeiten Sanierungsprogramme auf der Grundlage des Reichs-Viehseuchengesetzes vom 26. Juni 1909 mit seiner Seuchenvorschrift vom 7. August 1913 und später der Heeresveterinärvorschrift und ihrer Seuchenvorschrift vom 1. Januar 1931 durchgeführt. Diese hatten in den Beständen dazu geführt, dass das Heimatheer frei von Rotz war und auch so in den Krieg zog.

Hierzu war in der jeweiligen Seuchenvorschrift festgelegt, dass unter Fieber leidende Pferde abgesondert werden müssen und Tierkadaver unschädlich zu beseitigen sind [10]. Außerdem wurden die Verfahren zum Schutz vor Rotz genau erläutert. So mussten die Soldaten täglich ihre Pferde auf äußere Anzeichen von Rotz untersuchen. Darüber hinaus wurden durch Veterinäroffiziere regelmäßig klinische Untersuchungen durchgeführt; bei Verdacht folgte eine serologische Blutuntersuchung mittels Agglutination und Komplementbindungsmethode. Alternativ zur Blutuntersuchung oder zusätzlich als Bestätigung konnte die sogenannte Mallein-Augenprobe vorgenommen werden (Abbildung 2). Dabei wurde den seuchenverdächtigen Pferden Mallein mit einem Augenpinsel auf die Lidbindehaut gepinselt, was bei positivem Ausgang nach wenigen Stunden zu einer Konjunktivitis mit Rötung und eitrigem Ausfluss führte. Falls dies zusätzlich geschah, musste sie nach der Blutentnahme stattfinden, um falsch positive Ergebnisse in der serologischen Untersuchung auszuschließen. Zu beachten war, dass die Mallein-Augenprobe eine geringere Sensitivität als die serologischen Verfahren hatte. Die genannten Methoden wurden grundsätzlich kombiniert angewandt. Wenn dieses die jeweilige Kriegslage nicht zuließ, konnten sie auch einzeln durchgeführt werden [17]. Hierbei musste man allerdings eine geringere Sensitivität und Spezifität in Kauf nehmen.

Abb. 2: Mallein-Augenprobe bei einem rotzverdächtigen Pferd U.S. Army Veterinary Hospital Nr. 11, Gievres, Frankreich 1917(?)

Falls sich der Seuchenverdacht bestätigte, wurde eine Tötung und unschädliche Beseitigung des Tieres angeordnet. An verendeten Tieren musste vorschriftsgemäß eine pathologische Untersuchung vorgenommen werden (Abbildung 3). Zudem mussten die zuständigen Veterinäroffiziere ständig die aktuelle Seuchenlage an die übergeordnete Führung melden.

Abb. 3: Sektion rotzkranker Pferde im Ersten Weltkrieg (Ort und Zeit unbekannt)

Zum Ausbruch kam die Seuche während der Mobilmachungsphasen und der Feldzüge durch den Zukauf von ausländischen Pferden und der Übernahme von Pferden des Gegners, wenn latent infizierte Tiere ohne ausreichende Quarantänemaßnahmen in den Bestand aufgenommen wurden. Die Nutzung ziviler Ställe während Truppenbewegungen war ebenfalls ein Risiko, da die Seuchenlage bei Pferden der Zivilbevölkerung oft nicht klar war. Hinzu kam eine allgemein größere Anfälligkeit des Immunsystems für Erkrankungen aller Art aufgrund starker Anstrengungen der Pferde durch lange Märsche oder Transporte.

Aktuelle Rechtslage

Aktuell sind alle anzeigepflichtigen Tierseuchen, darunter auch der Rotz, in der Verordnung über anzeige­pflichtige Tierseuchen in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 2011 (BGBl. I S. 1404) aufgeführt. Um ­effektive Maßnahmen ergreifen zu können, trat am 1. Mai 2014 das Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz – TierGesG) in der aktuell gültigen Fassung in Kraft und löste damit das bis dahin geltende Tierseuchengesetz ab.

In der Amtlichen Methodensammlung des Friedrich-­Loeffler-­Institutes (FLI), Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, sind alle diagnostischen Verfahren zum Erregernachweis beschrieben. Als Goldstandard wird hier der serologische Nachweis mittels komplementbindender Antikörper im Blutserum (Komplementbindungsreaktion – KBR) mit nachfolgendem Westernblot im Referenzlabor am FLI genannt. Zudem sind der kulturelle und der molekularbiologische Nachweis mittels konventioneller PCR oder Real-Time-PCR adäquate Methoden.

Nicht in der Amtlichen Methodensammlung aufgeführt, aber bei einem Rotz-Ausbruch in Dubai 2004 angewandt, ist ein diagnostischer Tierversuch, bei dem männlichen Meerschweinchen Probenmaterial intraperitoneal injiziert wird, um im positiven Fall eine Orchitis (Strauß-Reaktion) hervorzurufen. Der früher durchgeführte Mallein-Test wurde aufgrund geringer Spezifität nicht als geeignete Methode aufgeführt. Andere serologische Verfahren wie ELISA oder Agglutinationstest sind beschrieben, aber nicht zugelassen [9].

Ein positives Ergebnis liegt vor bei

Eine Therapie infizierter Tiere ist verboten. Stattdessen sind Tiere mit bestätigter Infektion zu töten und unschädlich zu beseitigen [9].

Räude

Die Räude der Einhufer galt im Ersten Weltkrieg als „die gefährlichste und verlustreichste, am leichtesten übertragbare und am schwersten zu bekämpfende Seuche“ [20]. Sie schwächte die Bewegungsfreiheit der Truppe zum Teil in einem solchen Ausmaß, dass die „Kampfkraft ganzer Heere bedroht“ [16] war. Im Zweiten Weltkrieg verlor sie durch eine bessere und schnellere Behandlung weitestgehend ihren Schrecken, obwohl sie auch hier eine Rolle spielte.

Erreger und Übertragung

Hervorgerufen wird die Räude beim Pferd durch drei verschiedene Milbenarten: Sarcoptes equi (Grabmilbe), Psoroptes equi (Saugmilbe) und Chorioptes equi (schuppenfressende Milbe). Die Übertragung der Parasiten erfolgt meist direkt von Pferd zu Pferd, aber auch über unbelebte Vektoren wie Putzutensilien, Ausrüstungsgegenstände, verseuchte Boxen oder Einstreu.

Klinik

Die Erkrankung ist geprägt von starkem Juckreiz und in der Folge zum Teil hoch entzündlichen Hautveränderungen. Auslöser des Juckreizes sind allergische Reaktionen auf Speichel und Kot der Parasiten sowie das Beißen und Nagen. Unterscheidungsmerkmale sind zum einen die Lokalisationen, aber auch die Art der Läsionen am Patienten.

Sarcoptesräude beginnt typischerweise im Bereich des Kopfes und breitet sich von dort auf Hals-, Schulter- und Sattelgegend aus, befällt häufig auch den ganzen Körper mit Ausnahme der Beine. Es kommt zu Hautveränderungen wie Knötchen, Bläschen, Krusten, kleieartigen Belägen und Haarausfall, begleitet von starkem Juckreiz. Aufgrund dessen kann es zu offenen Wunden und bakteriellen Sekundärinfektionen kommen. Eine Übertragung auf den Menschen ist möglich.

Bei der Psoroptesräude treten die ersten Veränderungen am Ansatz von Mähne und Schweif auf. Ein Übergreifen auf Rumpf und Innenschenkel ist möglich. Typisch sind neben des ebenfalls starken Juckreizes Knötchen, Borken, Hautverdickungen und Haarausfall.

Die Chorioptesräude, auch Fußräude genannt, ist auf die Gliedmaßen begrenzt und beginnt meist in der Fesselbeuge. Begünstigt wird dies vor allem durch starke Kötenbehänge. Die Läsionen reichen hier von Krusten- und Schorfbildung über nässende Ausschläge bis zu warzenartigen Veränderungen. Häufig stampfen die betroffenen Tiere, ausgelöst durch den Juckreiz, auf.

Die Räude zeigt ein saisonales Auftreten vor allem im Herbst und Winter bei nasskalter Witterung. Begünstigt wird dies durch einen schlechten Pflege- und Ernährungszustand, Kontakt zu erkrankten Pferden oder deren Ausrüstung, Stallungen oder Einstreu, langes und dichtes Fellkleid und bestehende Hauterkrankungen und Parasitosen.

Im Krieg wurde die Diagnose meist über die klinischen Symptome gestellt, da „der mikroskopische Nachweis der Milben weder zur Erkennung der Räude noch zur Bestimmung der Räudeart notwendig ist“ [20].

Veterinärmedizinische Maßnahmen

Eine Verbreitung der Seuche wurde im Krieg zusätzlich noch durch weitere Faktoren begünstigt. Ein großes Problem war die Seuchenlage in anderen Heeren, sowohl bei verbündeten als auch gegnerischen Truppenverbänden, und bei Pferden unter der Zivilbevölkerung. Dadurch kam es sowohl zur direkten Übertragung von Pferd zu Pferd als auch zur indirekten Übertragung durch verseuchte Stallungen. Außerdem wurde der Räudeverdacht aus Unkenntnis der Symptome oft zu spät geäußert, wodurch die Patienten erst im späteren Verlauf einer Behandlung zugeführt werden konnten.

Starke Truppenbewegungen machten es oft unmöglich, die Pferde in speziellen Lazaretten zu behandeln (Abbildung 4). Vor allem im Ersten Weltkrieg kam ein Mangel an Schermaschinen und Räudemitteln zur äußeren Anwendung hinzu [17].

Abb. 4: Sächsisches Etappen-Pferdelazarett 234 in Donchery (nahe Sedan), Frankreich 1917

Die Entseuchung von Stallungen und Eisenbahnwaggons war ebenfalls sehr schwierig. Im Zweiten Weltkrieg wurde aus diesem Grund bei geeigneter Witterung ein Biwakieren für sechs Wochen befohlen, um Ställe nach erfolgter Reinigung, Desinfektion und frischem Kalkanstrich seuchenfrei zu bekommen [20]. Befallene Pferde wurden mittels Begasung mit Schwefeldioxid nach Schur von Mähne, Schweifansatz und Fesselbehang (Abbildungen 5 und 6) behandelt.

Abb. 5: Schur eines räudekranken Fohlens, Donchery (nahe Sedan), Frankreich 1917

Abb. 6: Räudekrankes Pferd in einer Spezialkammer zur Schwefeldioxid-Begasung, 1942

Eine komplette Schur wurde nicht durchgeführt, da die ohnehin geschwächten Pferde der Winterkälte ansonsten nichts entgegenzusetzen gehabt hätten. Außerdem musste unbedingt darauf geachtet werden, dass die Atemwege und Schleimhäute am Kopf der Tiere durch das Tragen einer Kopfmanschette vor den Gasen geschützt wurden [16]. Dieses Verfahren stand im Ersten Weltkrieg jedoch noch nicht zur Verfügung und wurde auch erst im Verlauf des Zweiten Weltkrieges weiterentwickelt, um eine flächendeckende Behandlung zu gewährleisten. Als Alternative und zur Behandlung des Kopfes wurden, wie auch im Ersten Weltkrieg üblich, Schmierkuren mit verschiedenen Mitteln vorgenommen. Hierfür fanden beispielsweise Sulfoliquid, Durosept, ­Petroleum, Derrispräparate und 10 %ige Naphtolsalbe Anwendung. Zur Desinfektion von Gegenständen und Ausrüstungsteilen war eine 10 %ige Durosept-Lösung vorgeschrieben [20].

Ohne Behandlung führte die Erkrankung zum Tod der Tiere.

Aktuelle Situation

Heutzutage ist die Räude weder anzeige- noch meldepflichtig und kommt in Europa nur noch vereinzelt in Pferdebeständen vor. Da schon wenige Parasiten massive Symptome hervorrufen können, ist es schwierig, sie bei geringem Befall aus Hautgeschabseln nachzuweisen. Ebenfalls führt eine Untersuchung auf Antikörper zu falsch negativen Ergebnissen, da ein Antikörper-Anstieg erst 2 bis 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn zu verzeichnen ist. Am praktikabelsten hat sich eine diagnostische Therapie bei Räudeverdacht erwiesen. Diese ­erfolgt mit systemischer Gabe von Ivermectin und Waschungen mit Anti-Milbenshampoos. Außerdem müssen Partnertiere, Ausrüstungsgegenstände und die Umgebung in die Behandlung mit einbezogen werden.

Milzbrand

Erreger, Epidemiologie und Übertragung

Milzbrand oder Anthrax ist eine bis heute anzeigepflichtige Tierseuche. Ausgelöst wird sie durch das sporenbildende, grampositive, unbewegliche und stäbchenförmige Bakterium Bacillus antracis, das schon 1849 entdeckt und von PASTEUR und KOCH beschrieben und erforscht wurde. Milzbrandsporen bleiben über Jahrzehnte im Erdboden infektiös. Im Fleisch erkrankter Tiere werden sie selbst „durch Fäulnis, durch Eintrocknen oder beim Gerben von Häuten nicht abgetötet“ [13]. Betroffen sind in erster Linie Wiederkäuer und Einhufer, wobei auch eine Infektion fleischfressender Tiere über infiziertes Fleisch möglich ist.

Die Übertragung erfolgt in der Regel durch die Aufnahme von Sporen über die Nahrung. Beim Umgang mit infizierten Tieren oder tierischen Produkten kann es durch Schmierinfektionen zum sogenannten Hautmilzbrand beim Menschen kommen. In Ausnahmefällen entsteht ein systemischer Milzbrand, wenn mit Milzbrandsporen infizierte Nahrungsmittel aufgenommen werden. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist äußerst unwahrscheinlich.

Die Erkrankung tritt weltweit auf, allerdings hat sie ihren Schwerpunkt in Asien, Afrika und Südamerika. In Europa ist sie selten geworden. Von 1981-2002 wurden nach Angaben des FLI lediglich 41 Milzbrandausbrüche bei Tieren zur Anzeige gebracht.

Klinik

Beim klinischen Bild des Milzbrands werden drei Formen unterschieden: Haut-, Lungen- und Darmmilzbrand. Diese sind abhängig von der Eintrittspforte der Erreger.

Die Infektion verläuft meist tödlich und kann einen per­akuten oder akuten Verlauf nehmen. Bei perakutem Verlauf versterben die Tiere nach einer Inkubationszeit von 1-5 Tagen innerhalb kürzester Zeit. Einziges äußerliches Zeichen ist Blutaustritt aus den Körperöffnungen [18]. Beim akuten Verlauf führt eine Sepsis schnell zum Tod durch Kreislaufversagen. Auch hier wird der Austritt von dunklem, schlecht gerinnendem Blut beobachtet. In seltenen Fällen kommt es zu „Atembeschwerden infolge von Rachenentzündung sowie Verfärbung und Schwellung im Bereich des Kehlkopfes (Milzbrandbräune)“ [13]. Bei der pathologischen Untersuchung kann eine massive Schwellung und Schwarzfärbung der Milz festgestellt werden.

Veterinärmedizinische Maßnahmen

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg spielte der Milzbrand eine eher untergeordnete Rolle. Da Wiederkäuer ohnehin anfälliger waren als Pferde, betraf die Erkrankung eher Zugochsen und Wiederkäuer, die als Proviant mitgeführt wurden. Durch geeignete Maßnahmen konnte, im Falle eines Ausbruches, der Seuche schnell Einhalt geboten werden. Ein Verdacht wurde aufgrund der Klinik geäußert und eine Diagnose mittels Mikroskopie gestellt. Wie auch heute üblich wurden seuchenkranke und -verdächtige Tiere getötet. Allerdings konnte auch eine Quarantäne angeordnet werden. Ausrüstungsgegenstände und Stände wurden gereinigt und desinfiziert. Verendete Tiere wurden unschädlich beseitigt, wobei Zerlegen und Abhäuten untersagt war. Tierkadaver und Mist kamen entweder in eine Tierkörperverwertungsanstalt oder wurden vergraben [16]. Das Vergraben hatte allerdings den ­fatalen Nachteil, dass infektiöse Sporen durch erneutes Ausgraben oder Witterungseinflüsse zurück an die Oberfläche fanden und bis heute für lokale Ausbruchsgeschehen verantwortlich sind. Eine Impfung mit dem Milzbrandserum nach Sobernheim war nach Anordnung möglich [10]. Diese konnte als Not-, Heil- oder Schutzimpfung angewandt werden.

Aktuelle Rechtslage

Bei einem Ausbruch kann die zuständige Behörde aufgrund der Verordnung zum Schutz gegen den Milzbrand und den Rauschbrand eine Tötung und unschädliche Beseitigung seuchenerkrankter und seuchenverdäch­tiger Tiere anordnen. Die Diagnose wird nach Anzucht auf einem Selektivnährboden mittels PCR gesichert [12].

Tierseuchenerreger als B-Waffen

Im Ersten Weltkrieg setzte Deutschland Rotz- und Milzbranderreger zu Sabotagezwecken ein. Dabei war das erklärte Ziel, „die Ausfuhr von Militärpferden und Maultieren, von Schlachtvieh sowie von Getreide an Deutschlands Kriegsgegner zu beeinträchtigen“ [15]. Hierfür wurden in erster Linie Agenten in Rumänien, Spanien, Argentinien, Skandinavien und den USA genutzt, die mittels zugesandter Erreger die Tiere direkt infizierten, indem sie die Erregersuspension in die Nasenlöcher pinselten oder unter das Futter mischten. Der Einsatz blieb allerdings ohne weitreichende Folgen für die gegnerische Seite, weshalb diese Taktik zunächst nicht mehr weiterverfolgt wurde.

Überlegungen zum Einsatz von Tierseuchenerregern gegen Menschen wurde aus ethischen Erwägungen und aufgrund des zweifelhaften militärischen Nutzens im Ersten Weltkrieg verworfen. Ab Mitte der zwanziger Jahre wurden diese Bedenken zurückgestellt und es wurde intensiver an entsprechenden Einsatzmöglichkeiten geforscht. Im Fokus stand vor allem der Erreger des Milzbrandes, denn „Milzbrandsporen gehören von allen ­bekannten Erregern zu den am besten für den bakteriologischen Krieg geeigneten“ [15]. Die technische Umsetzung war jedoch ein Problem, da man große Mengen benötigen und bei einer Ausbringung im Operationsgebiet die eigenen Truppen gefährden würde. Im Zweiten Weltkrieg spielte die biologische Kampfführung keine Rolle [15].

Aktuelle Situation

Tierseuchenerreger haben im Hinblick auf einen Einsatz von B-Waffen ihre Relevanz und ihren Schrecken auch in der Gegenwart nicht verloren. Sie sind Gegenstand intensiver Forschung, in Deutschland vornehmlich am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Ziele sind die Entwicklung von Nachweis- und Verifikationsmethoden sowie geeigneter Impfstoffe.

Fazit

Viele Tierseuchen sind weltweit – selbst durch weit fortgeschrittene Erkenntnisse in Prophylaxe, Diagnostik und Behandlung – immer noch von großer Bedeutung. Bemerkenswert ist, dass viele der heute angewandten Verfahren und getroffenen Maßnahmen denen von vor beinahe 100 Jahren sehr ähnlich oder gar mit diesen identisch sind.

Neben dem großen wirtschaftlichen Schaden, den Tierseuchen und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung hatten (und haben), wurde der Ausgang eines Krieges durch die Seuchenlage in den Heeren maßgeblich bestimmt. Dies ist heute anders, da nur noch wenige Tiere ihren Dienst in den Streitkräften leisten, weil sie weitestgehend von Großgerät ersetzt wurden.

Durch die stetige Weiterentwicklung von Prophylaxe, Diagnostik und Behandlung konnte erreicht werden, dass früher zu den weit verbreiteten Tierseuchen gerechnete Erkrankungen, wie die Räude und die Piroplasmose [20], heute durch frühzeitiges Erkennen und gute Behandlungsmöglichkeiten keine entscheidende Rolle mehr spielen. Außerdem konnten viele Tierseuchen, beispielsweise Rotz, Tollwut oder Milzbrand, durch strenge Eradikationsprogramme in verschiedenen Ländern größtenteils oder komplett getilgt werden.

Die Zeitdauer bis zum Erkennen einer Tierseuche ist maßgeblich für den weiteren Verlauf. Die Seuche wird im besten Fall „im Keime erstickt“. Dies macht Früherkennungssysteme notwendig, die zum einen auf Monitoring der Tierbestände durch geschulte Tierärzte und zum anderen auf einer optimierten Diagnostik beruhen. Außerdem ist es erforderlich, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die den Rahmen für behördliche Vollzugsgewalt vorgeben, um auch zum Teil weitgreifende Maßnahmen durchsetzen zu können, wie beispielsweise das Töten von seuchenerkrankten und seuchenverdächtigen Tieren, die Sperrung von Betrieben und Handelsrestriktionen, aber auch die Verpflichtung zur Teilnahme an Monitoring-Programmen und Impfungen.

Das entscheidende Element bei der Seuchenbekämpfung ist die Prophylaxe, aber im akuten Tierseuchenfall kommt es auf einen guten Informationsfluss, schnelle und sichere Diagnostik und die sofortige und konsequente Anwendung und Durchsetzung geeigneter Maßnahmen an, um eine Eindämmung und Tilgung erreichen zu können.

Literatur

  1. Buchner L: Das Truppenpferd und seine tierärztliche Betreuung. Soester Beiträge zur Geschichte von Naturwissenschaft und Technik 1996; 2: 44 – 48. mehr lesen
  2. Buchner L: Veterinärdienst im Deutschen Heer während des Ersten Weltkrieges – Entstehung eines Veterinäroffizierkorps und erste Bewährungsprobe. WMM 2016; 60(6): 178-186. mehr lesen
  3. Bundesinstitut für Risikobewertung: Rotz und Brucellose – Re-emerging diseases als globale Bedrohung. FLI 2016; , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  4. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz - TierGesG) in der seit 21. November 2018 geltenden Fassung. BMJV 2018: , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  5. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Milzbrand.BMEL 2014; , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  6. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Verordnung zum Schutz gegen den Milzbrand und den Rauschbrand vom 23. Mai 1991 (BGBl. I S. 1172), die durch Artikel 11 der Verordnung vom 17. April 2014 (BGBl. I S. 388) geändert worden ist.
  7. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen neugefasst durch B. v. 19.07.2011 (BGBl. I S. 1404); zuletzt geändert durch Artikel 3 V. v. 03.05.2016 (BGBl. I S. 1057).
  8. Centers for Disease Control and Prevention: Glanders. CDC2017; , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  9. Elschner M, Hänsel C: Rotz – eine alte Pferdekrankheit erlangt wieder Bedeutung. Pferdespiegel 2013; 2: 54–58.
  10. Fontaine H.: Das Deutsche Heeresveterinärwesen – Seine Geschichte bis zum Jahre 1933. Hannover: Verlag von M. & H. Schaper, 1939.
  11. Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit: Amtliche Sammlung von Verfahren zur Probenahme und Untersuchung von Untersuchungsmaterial tierischen Ursprungs im Hinblick auf anzeigepflichtige Tierseuchen (Amtliche Methodensammlung). , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  12. Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit: Nationales Referenzlabor für Milzbrand. , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  13. Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit: Steckbrief: Milzbrand (Anthrax)., letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  14. Geißler E: Biologische Waffen – Nicht in Hitlers Arsenalen. Münster: LIT Verlag, 1998.
  15. Geißler E: Tierische Krankheitserreger als biologische Kampfmittel vor und während des „Dritten Reiches“. Gießen: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft, 5. Tagung – Veterinärmedizin im Dritten Reich 1998: 158-179.
  16. Hörning R: Untersuchung über die Bekämpfung der wichtigsten Kriegstierseuchen und seuchenhaften Erkrankungen der Tiere während des 2. Weltkrieges (1939 – 1945) beim Heer der Deutschen Wehrmacht. Hannover: Dissertation, 1973.
  17. Reichswehrministerium: Kriegsveterinärbericht des deutschen Heeres 1914 – 1918. Berlin: Reichswehrministerium, 1929.
  18. Wagner A: Die Entwicklung des Veterinärwesens im Gebiet des heutigen Schleswig-Holsteins im 18. Und 19. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der Tierseuchen. Berlin: Dissertation, 1992.
  19. World Organisation for Animal Health: Technical disease cards: Glanders. OIE 2020; , letzter Aufruf 9. September 2020. mehr lesen
  20. Zieger W: Das deutsche Heeresveterinärwesen im Zweiten Weltkrieg. Freiburg: Verlag Rombach, 1973.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Lauck C: Kriegstierseuchen im Ersten und Zweiten Weltkrieg und ihre Bedeutung in der Gegenwart. WMM 2020; 64(10-11): 396-402.

Verfasserin

Oberstabsveterinär Carolin Lauck

Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München, Außenstelle Koblenz

Andernacher Str. 100, 56070 Koblenz

E-Mail: CarolinLauck@bundeswehr.org