Wehrmedizinische Monatsschrift

ARTIKELSERIE „ECMO IN DER WEHRMEDIZIN“

Wehrmedizinische Relevanz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) –
Teil II: Möglichkeiten zur Implementierung einer ECMO-Fähigkeit in das StratAirMedEvac System der Bundeswehr

Relevance of ECMO in military medicine –
Part II: Feasibility to implement an ECMO capability into
the Bundeswehr StratAirMedEvac system.

Christoph W. Jäniga, Richard Feyrerb, Sebastian Fischer a, Willi Schmidbauer a

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik X – Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin

b Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik XVII – Herzchirurgie

 

Zusammenfassung

Die Lunge als zentrales Organ des menschlichen Organismus kann durch zahlreiche Noxen massiv geschädigt werden. Hohe wehrmedizinische Relevanz haben dabei Thorax- und im Speziellen Explosionstraumen sowie Giftstoffe (Kampfstoffe?), aber auch schwere Infektionen, wie aktuell die durch das Coronavirus-SARS-2 hervorgerufene Atemwegserkrankung.

Die Folge einer massiven Lungenschädigung-/erkrankung ist häufig die Ausbildung eines lebensgefährlichen akuten Lungenversagens (ARDS) innerhalb der ersten Tage. Die Entwicklung der Einsatzbedingungen der Bundeswehr macht längere Zeitintervalle innerhalb der Rettungskette (sog. „delayed evacuation care“) wahrscheinlicher, weshalb ebenso mit dem Auftreten eines akuten Lungenversagens noch im Einsatzland gerechnet werden muss, für dessen Therapie entsprechende Vorkehrungen zu treffen sind.

Eine wichtige invasive Therapie des akuten Lungenversagens ist die extracorporale Membranoxygenierung (ECMO). Die Autoren beschreiben die mögliche Implementierung einer ECMO-Fähigkeit für den Strategischen Verwundeten- und Krankentransport (StratAir-MedEvac), um die bestehenden Fähigkeiten des Sanitätsdienstes auf diesem Gebiet zu erweitern. Ergänzend werden ergänzende Maßnahmen wie die ­Erstellung eines Kompendiums mit klinischen Handlungsempfehlungen und die Ausweitung der telefonisch-telemedizinischen Beratung vorgeschlagen.

Schlüsselwörter: ARDS, ECMO, StratAirMedEvac, Telemedizin

Summary

As a central organ of the human organism the lungs can be massively damaged in different ways. Thoracic trauma and especially blast injuries, toxins (warfare agents?), and serious infections – as the respiratory disease caused by the coronavirus SARS-2 – are relevant in military medicine.

A common consequence of lung injury or disease is the development of an acute respiratory distress syndrom (ARDS) which can occur in between the first few days. Even deployed soldiers are at risk of suffering such lung failure. Changes in operating conditions of the Bundes­wehr can lead to delays within the rescue chain (so-called “delayed evacuation care”) which will make the occurrence of acute lung failure in the country of deployment more likely. Medical services will have to provide adequate therapeutic capacities to treat ARDS very early.

An important invasive therapy for acute lung failure is extracorporeal membrane oxygenation (ECMO). The authors describe a possible implementation of an ECMO capability into the Strategic Aeromedical Evacuation system (StartAirMedEvac) in order to enhance the medical abilities in this field. In addition, the development of a compendium regarding clinical practice guidelines and the extension of telemedicine applications for intensive care are suggested.

Keywords: ARDS, ECMO, StratAirMedEvac, telemedicine

Einleitung

Der luftgebundene Transport von kritisch kranken Patienten über längere Strecken ist eine herausragende Gemeinschaftsleistung vom Sanitätsdienst der Bundeswehr und der Luftwaffe. Er genießt zu Recht ein hohes nationales und internationales Ansehen.

Eine besondere Herausforderung während dieser Transporte sind Patienten mit akutem Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS), welches häufig nach Explosionen (blast injuries), im Rahmen pulmonaler Infektionen (z. B. COVID-19, Virusgrippe), Pneumonien nach Aspiration oder als Sekundärkomplikation nach Thoraxverletzungen im Rahmen stumpfer und penetrierender Gewalteinwirkung auftritt.

Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS)

Die Klassifikation des ARDS erfolgt nach der Berlin-Definition von 2012 [15] (Tabelle 1).

Tab. 1: Berlin-Definition des ARDS (nach [15])

Die Inzidenz des ARDS in Europa liegt bei etwa 7/100 000 Einwohner pro Jahr. Das schwere ARDS weist eine hohe Letalität auf, die zwischen 43 % und 48 % liegt [7].

Im Rahmen des ARDS ist die Fähigkeit der Lunge, Sauerstoff in das Blut abzugeben, drastisch eingeschränkt, was trotz intensivmedizinischer Maßnahmen zu einer prolongierten Hypoxämie, Hyperkapnie und nachfolgender gemischter respiratorisch-metabolischer Azidose führen kann.

Aktuelle Leitlinien

Stufenschema

Die aktuellen Leitlinien zur ARDS Therapie sehen ein Stufenschema vor, welches bei schwersten Verläufen ein pumpengetriebenes Lungenersatzverfahren als letzte Eskalationsstufe der ARDS Therapie vorsehen [12] (Abbildung 1).

Abb. 1: Stufenschema zur Behandlung des ARDS (modifiziert nach [12])

Dies beginnt mit einem gezielten Überprüfen der ARDS-Kriterien gem. Berlin-Definition und der Initiierung einer lungenprotektiven Beatmung. Bei sich weiter verschlechternder Oxygenierung können medikamentöse Maßnahmen wie eine Dauerrelaxierung innerhalb der ersten 24-48 h erwogen werden.

Viel entscheidender ist jedoch die Optimierung der lungenprotektiven Beatmung und ein sog. „best-PEEP-trial“. Zur Vermeidung exzessiver Spitzendrücke und damit verbundener Scherkräfte ist eine permissive Hyperkapnie häufig unvermeidbar und daher Teil des Therapiekonzeptes.

Eine entscheidende Säule der ARDS-Therapie ist neben der lungenprotektiven Beatmung die Lagerungstherapie des Patienten. Dieser muss gemäß den Therapieempfehlungen für mindestens 16 h des Tages in überdrehter Seitenlage (ca. 135 °) bzw. Bauchlage (180 °) verbringen.

Extrakorporale Membranoxygenierung

Sind sämtliche konservativen Therapieoptionen erschöpft, ohne dass sich ein ausreichender Therapieerfolg einstellt, ist der Einsatz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) indiziert. Bei korrekter Indikationsstellung, zeitgerechter Etablierung und Durchführung durch ein Team aus Spezialisten hilft ihr Einsatz zur Senkung des absoluten Risikos, an einem ARDS zu versterben [6][9].

Die Verzögerung des indizierten Einsatzes der ECMO, welcher konsekutiv in einer verlängerten konventionellen Beatmungsphase vor ECMO-Beginn resultiert, kann – je nach Zeitintervall – zu einem Anstieg der Letalität führen [4].

Durch die Verbesserung der ECMO-Systeme ist zudem die Komplikationsrate im Rahmen der Anwendung deutlich gesunken (< 10 %) [3], so dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des ECMO-Einsatzes speziell im Rahmen des schweren ARDS mit einem Oxygenierungsindex unter 80 mmHg sehr günstig ist, was in den letzten Jahren ­sowohl im Bereich der Versorgung von Patienten mit traumatisch als auch mit infektionsbedingtem ARDS zu einer Renaissance der venovenösen ECMO geführt hat [5][6].

Patientenlufttransport (StratAirMedEvac)

Die Bundeswehr führt seit Jahren sowohl für verwundete, verletzte und erkrankte Soldaten als auch auf besondere Anforderung für zivile Patienten medizinische Repatriierungen (strategischer Patientenlufttransport, StratAirMedEvac) durch und stellt während dieser Transporte eine intensivmedizinische Versorgung auf höchstem Niveau sicher.

Die Transportdauer variiert hierbei von wenigen Stunden bei Repatriierungen aus dem europäischen Ausland bis hin zu deutlich längeren Zeitintervallen bei Patientenrückholungen aus dem Irak, Afghanistan oder Ländern des afrikanischen Kontinents oder – wie bei der Tsunami-Katastrophe 2004 – dem asiatischen Raum.

Aufgrund des sich ändernden Einsatzspektrums der Bundeswehr, einem zunehmend multinationalen Agieren und dadurch kleiner werdenden Kontingenten deutscher Einsatzkräfte an zahlreicheren Einsatzorten sowie der ungebrochenen Reiselust der Bundesbürger in entfernte Länder muss zukünftig damit auch mit längeren Transport- und damit Therapiezeiten gerechnet werden.

Höhenphysiologische Herausforderungen

Die Gas-Gesetze sind Determinanten der Atemphysiologie und damit auch der Beatmungstherapie. Im Bereich des Lufttransportes ist hierbei besonders das Gesetz von Dalton relevant, nach dem die Summe der Partialdrücke eines Gasgemisches immer dem Gesamtdruck des Gemisches entspricht. Da der Luftdruck mit zunehmender Höhe nach der barometrischen Höhenformel exponentiell 1 abnimmt, resultiert daraus auch eine exponentielle Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks (PaO2). Zur Aufrechterhaltung eines stabilen PaO2 muss daher in der Höhe die inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2) des Atemluftgemisches angehoben werden. Bei ohnehin schon eingeschränktem pulmonalem Gasaustausch im Rahmen des ARDS ist hier häufig der Therapie eine physikalische Grenze gesetzt.

Ist ein Patient auf Meeresspiegelhöhe unter Maximaltherapie noch kompensiert, können daher die veränderten Druckverhältnisse auf dem Lufttransport zu einer fatalen Dekompensation führen. Moderne Langstreckenluftfahrzeuge verfügen über Druckkabinen, welche einen im Vergleich zur Flughöhe erhöhten Luftdruck in der Kabine aufrechterhalten. Dieser Umgebungsdruck entspricht bei normalen Verkehrsflugzeugen in der Regel einer theoretischen Flughöhe von 1 500-2 000 m über NN, was einer Abnahme des Luftdrucks um rund 20 % auf ca. 800 hPa entspricht, verglichen mit einem Luftdruck von 1053 hPa auf Meereshöhe.

In solchen Fällen, in welchen trotz Erhöhung des Sauerstoffanteils in der Atemluft keine ausreichende Oxygenierung des Blutes über den pulmonalen Gasaustausch gewährleistet werden kann, bietet die ECMO eine therapeutische Lösung.

Physikalisch gilt zwar auch für den Oxygenator der ECMO der Einfluss des Umgebungsdruckes auf den maximal zu erreichenden Sauerstoffpartialdruck. Allerdings ist die Sauerstoffdiffusion innerhalb des Oxygenators davon unbeeinträchtigt, was letztlich in einer suffizienteren Oxygenierung des Patientenblutes resultiert.

Im wehrmedizinischen Kontext stellt also der Einsatz der ECMO die therapeutische Intervention dar, welche eine Repatriierung aus dem Einsatzland im Falle eines schweren ARDS überhaupt ermöglicht, weiterhin bietet sie auch eine suffiziente Therapiestrategie für die Flugphase, in welcher andere Therapieoptionen nicht (z. B. inhalatives Stickstoffmonoxid) oder nur eingeschränkt (z. B. Bauchlagerung) zur Verfügung stehen.

Weiterhin bieten ECMO-Systeme die Möglichkeit, die Invasivität der mechanischen Beatmung der Lunge soweit zu reduzieren, dass von einer „ultra-protektiven Beatmung“ gesprochen wird, welche ventilatorinduzierte Lungenschäden (VILI) vermeiden hilft und so die Heilung des Lungengewebes unterstützt. [1]

Problemstellung

Das ARDS ist eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung, welche vor allem in der Initialphase im zeitlichen Verlauf zunächst an Erkrankungsschwere zunimmt und ohne adäquate intensivmedizinische Maximaltherapie häufig tödlich endet [7].

In vielen Regionen der Welt stehen jedoch die entsprechenden intensivmedizinischen Fähigkeiten und die notwendige Expertise für eine solche Therapie nicht zur Verfügung, weshalb eine umfassende Abstützung auf Host-Nation-Support nur sehr eingeschränkt bzw. oftmals überhaupt nicht möglich ist.

Daher halten es die Autoren für erforderlich, dass eine solche intensivmedizinische Fähigkeit möglichst kurzfristig weltweit verfügbar ist, um unter anderem den Soldaten eine Behandlung zu Teil werden zu lassen, welche im Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entspricht – wo die ECMO-Therapie Bestandteil geltender Leitlinien ist und Todesfälle verhindert.

Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes, der notwendigen Expertise im Bereich des gesamten Therapieregimes (angefangen von der optimalen lungenprotektiven Beatmung über die supportive Intensivtherapie bis zur Anlage eines ECMO-Systems) und der insgesamt geringen zu erwartenden Fallzahl im Rahmen des Strat­AirMedEvac bleiben solche Therapieoptionen wenigen Teams vorbehalten, welche auch im täglichen Betrieb regelmäßig mit solchen schwerst erkrankten Patienten arbeiten und neben der vorhandenen Routine auch das notwendige Crew Ressource Management einbringen.

Lösungsvorschläge

Der Einsatz der ECMO erfordert Expertenwissen, Erfahrung und hochwertige Technik. Ziel muss es also sein, zunächst Wissen und im weiteren Verlauf Erfahrung sowie Technik „an den betroffenen Patienten zu bringen“.

Wissen

Für die Versorgung im Inland existieren medizinische Leitlinien, welche in der Regel nur dem entsprechenden Fachpersonal zur Kenntnis gelangen. Häufig sind diese sehr ausführlich und beleuchten vor einem wissenschaftlichen Hintergrund die entsprechenden Behandlungsoptionen. Nicht selten jedoch lassen diese Leitlinien eine prägnante praxisorientierte Handlungsempfehlung vermissen, welche unerfahreneren Anwendern einen schnellen Überblick und „roten Faden“ aufzeigen.

Erarbeitung eines Kompendiums mit klinischen Handlungsempfehlungen

Daher sollte erwogen werden, ein Kompendium klinischer Handlungsempfehlungen (analog der für andere NATO Streitkräfte bereits verfügbaren „Clinical Praxis Guidelines“, CPG [12]) zu erstellen, welches in kurzer, prägnanter Form die aktuellen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu verschiedenen Verletzungsmustern und Krankheitsbildern (u. a. ARDS) aufzeigt.

Somit könnte dem eingesetzten medizinischen Fachpersonal zentral eine schriftliche Hilfestellung angeboten werden, um speziell in der Frühphase eine suffiziente und evidenzbasierte Behandlung der Patienten bis auf die unteren Versorgungsebenen und entsprechend der lokalen Gegebenheiten zu ermöglichen.

Dieses Kompendium sollte flächendeckend als einheitlicher Standard elektronisch und analog etabliert werden und regelmäßig durch ein Expertengremium überarbeitet werden.

Weiterhin sollten im Kompendium explizite Vorgaben zur Indikation einer ECMO und damit für die Initiierung des strategischen Patientenlufttransports enthalten sein, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.

Telemedizinische Konsultation

Bereits durch die Optimierung der initialen Intensivtherapie kann die Letalität des ARDS gesenkt werden. Auch wenn die Ausbildung und Qualität der medizinischen Versorgung in allen Bundeswehrkrankenhäusern ein hohes Maß an Professionalität aufweist, ist es u. a. verschiedenen Tätigkeitsschwerpunkten und daraus resultierenden Patientenkollektiven geschuldet, dass diese vorhandene Expertise in den verschiedenen Bereichen der medizinischen Versorgung unterschiedlich ausgeprägt ist.

Weiterhin ist es selbstverständlich, dass nicht jeder ­Sanitätsstabsoffizier im Einsatzland über die gleiche ­Expertise verfügen kann, da sowohl der Tätigkeitsschwerpunkt im Inland als auch die persönliche Berufserfahrung hier einen entscheidenden Einfluss haben, auch wenn die ergänzende einsatzvorbereitende Ausbildung auf einem hohen fachlichen Niveau erfolgt. Weiterhin limitieren auch die Umgebungsbedingungen sowie die vorhandene Infrastruktur möglicherweise die Therapieoptionen.

Daher ist es unerlässlich, dass das Personal im Einsatzland jederzeit (24/7) die Möglichkeit hat, sich neben einem Kompendium zeitnah Expertenrat im Sinne des direkten Austausches einzuholen, um darüber eine individuelle und patientenorientierte Beratung bzw. Einschätzung zu erhalten, die u. a. auch die mögliche Indikation eines mit ECMO unterstützten Transportes beinhaltet.

Diese telemedizinische Konsultation kann an eine durch das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg auf den Weg gebrachte Initiative angedockt werden, welche zunächst auf Beratungsleistungen für die Marine beschränkt war, jedoch aktuell auch auf weitere Bereiche der Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgedehnt werden soll [5][13][14].

Zur optimalen Ausnutzung telemedizinischer Unterstützung schlagen die Autoren vor, eine zentrale Rufnummer zu implementieren, bei welcher zu jeder Zeit durch jede Person (unabhängig ob Arzt oder medizinisches Fachpersonal des Sanitätsdienstes bzw. der Spezialkräfte, aber auch abgesetzt tätiges nicht-medizinisches Personal) zu medizinischen Fragestellungen Rat eingeholt werden kann.

Für Anfragen zum Thema ARDS/ECMO sowie zur gezielten Befundübermittlung könnte im weiteren Verlauf darüber ein direkter Kontakt zu den Experten am Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz hergestellt werden.

Erfahrung und Technik

Die Letalität des ARDS kann durch eine frühe, zielgerichtete Therapie deutlich reduziert werden. Neben den dargestellten Schritten zur Optimierung der allgemeinen Intensivtherapie bei ARDS ist in einigen Fällen die möglichst frühzeitige Übernahme der Behandlung durch Spezialisten notwendig, um den Therapierfolg nachhaltig zu sichern [9]. Daher sollte die Aktivierung eines ARDS-/ECMO-Teams anhand klar definierter Kriterien erfolgen. Dies bedeutet in direkter Übertragung auf ein militärisches Setting die Verbringung eines solchen Teams in den Einsatz.

Aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades der Teammitglieder bei gleichzeitig zu erwartenden geringen Fallzahlen sollte eine multinationale Anforderbarkeit für verbündete Streitkräfte in Betracht gezogen werden.

Neben der reinen Beherrschung der sog. „technical skills“, unter welchen die Durchführung der verschiedenen Maßnahmen (z. B. Kanülierung der zentralen Gefäße, Bedienung der ECMO-Einheit, usw.) subsummiert werden, ist auch das Komplikationsmanagement, sowie die Erfahrung in spezifischen intensivmedizinischen bettseitigen Diagnostikverfahren (z. B. transthorakale bzw. transoesophageale Echokardiografie (TTE/TEE)) notwendig, um einen Patienten mit schwerem ARDS adäquat zu betreuen. Weiterhin wird die Erfahrung der Anwender benötigt, um die Indikation zur ECMO-Therapie valide und kritisch zu stellen.

Möglichkeiten der Implementierung eines
spezialisierten ARDS-/ECMO-Teams
für den ­StratAirMedEvac

Aus den genannten Gründen erscheint es sinnvoll und notwendig, dass für ARDS-Patienten ein entsprechendes Spezialistenteam, bestehend aus einem Kardiochirurgen, einem Kardiotechniker sowie einem in der ARDS- und ECMO-Therapie versierten Intensivmediziner für den StratAirMedEvac vorgehalten und bedarfsweise eingesetzt wird – unabhängig von den bereits bestehenden StratAirMedEvac-Teams der Bundeswehrkrankenhäuser für die regulären Einsätze.

Ein vergleichbares Konzept wurde durch die US Streitkräfte in Kooperation mit der Uniklinik Regensburg von 2005 bis 2014 vorgehalten und in dieser Zeit 27-mal alarmiert. Es stellte sich heraus, dass die ECMO-Therapie als die entscheidende Kernbefähigung zur Ermöglichung der Repatriierung von 10 der 27 Patienten mit ARDS eingesetzt werden musste. 90 % dieser Patienten überlebten die Verwundung und das schwere ARDS. [2][8]

Seit 2014 ist das sog. „Acute Lung Rescue Team“ (ALeRT) nur noch im „San Antonio Military Medical Center” in den USA verfügbar, was speziell für die Einsatzgebiete in Afrika und dem mittleren Osten eine deutlich verlängerte Reaktionszeit bedingt.

Die europäischen NATO-Partner verfügen derzeit im StratAirMedEvac nicht über ECMO-Fähigkeiten. Die Implementierung eines hochspezialisierten Teams im Rahmen der Rettungskette könnte daher durch die Bundeswehr, z. B. über das European Air Transport Command (EATC) oder das Multinational Medical Coordination Centre/European Medical Command (MMCC/EMC), als europäisches und/oder NATO-Asset Partnernationen verfügbar gemacht werden.

Der Transport des Patienten erfolgt zur Wahrung der Therapiekontinuität grundsätzlich in ein Zentrum mit Erfahrung in der ARDS-/ECMO-Therapie, vorzugsweise in das das Team entsendende Krankenhaus. Bei Versorgung von Patienten anderer Nationalitäten könnten auch ARDS-Zentren außerhalb Deutschlands angeflogen werden.

Voraussetzungen für die Schaffung einer ECMO-Fähigkeit im Rahmen StratAirMedEvac

Die Implementierung eines ARDS-/ECMO-Teams setzt die Erfüllung der nachfolgenden Voraussetzungen voraus:

1. Organisation

Tab. 2: Aktivierungskriterien ECMO-Team

2. Personal

3. Material

Gerät zur Durchführung einer ECMO-Therapie ist kein Querschnittsgerät, welches in allen BwKrhs vorhanden ist. Es ist auch nicht in der Ausrüstung der Luftfahrzeuge, die für StratAirMedEvac eingesetzt werden, vorhanden. Es sollte deshalb auf die nachfolgende Verfahrensweise zurückgegriffen werden:

Abb. 2: ECMO-Team mit kompletter Ausstattung (ohne Sauerstoff)

Schlussfolgerung

Nicht zuletzt das vermehrte Auftreten von ARDS im Rahmen der COVID-19-Pandemie mit konsekutiver Indikation zur Durchführung einer ECMO-Therapie hat zu einer häufigeren Anwendung dieser invasiven Behandlungsmethode geführt. Vielmehr setzte sich ein Trend fort, der bereits vor einigen Jahren begonnen hatte. Die ECMO hat sich mehr und mehr als erfolgreicher Lebensretter in einer sonst aussichtslosen und unvermeidbar zum Tode führenden Therapie etabliert. Die Integration des Verfahrens in die „Rettungskette StratAirMedEvac“ kann – auch wenn nur in insgesamt seltenen Fällen – das Leben von verwundeten, verletzten und/oder erkrankten Soldatinnen und Soldaten retten.

Kernaussagen

  • ECMO ist ein essenzieller Baustein in der Therapie des Atemnotsyndroms des Erwachsenen (ARDS)
  • Aufgrund verbesserter technischer Möglichkeiten ist die Verbringung eines ECMO-Teams im Rahmen des StratAirMedEvac grundsätzlich möglich
  • Sich veränderte Rahmenbedingungen bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr machen das Auftreten eines ARDS noch im Einsatzland wahrscheinlicher.
  • Supportive Maßnahmen wie eine telemedizinisch-intensivmedizinische Beratung, sowie die Erstellung eines Kompendiums mit Handlungsempfehlungen können die Qualität der medizinischen Versorgung ab dem Point-of-Injury weiter verbessern.

Literatur

  1. Bein T, Weber-Carstens S, Goldmann A et al.: Lower tidal volume strategy (approximately 3 ml/kg) combined with extracorporeal CO2 removal versus „conventional“ protective ventilation (6 ml/kg) in severe ARDS: the prospective randomized Xtravent-study. Intensive Care Med 2013; 39: 847 – 856 mehr lesen
  2. Bein T, Zonies D, Philipp A et al.: Transportable extracorporeal lung support for rescue of severe respiratory failure in combat casualties. J Trauma Acute Care Surg 2012; 73(6): 1450-1456. mehr lesen
  3. Bellani G, Laffey JG, Pham T et al.: Epidemiology, patterns of care, and mortality for patients with acute respiratory distress syndrome in intensive care units in 50 countries. JAMA. 2016;315(8):788–800. mehr lesen
  4. Bosarge PL, Raff LA, McGwinn Jr G et al.: Early initiation of extracorporeal membrane oxygenation improves survival in adult trauma patients with severe adult respiratory distress syndrome. J Trauma Acute Care Surg 2016; 81(2): 236-243. mehr lesen
  5. Braun M, Beinkofer D: Telemedizin für die Deutsche Marine als Impulsgeber für die Zusammenarbeit des BwKrhs HH und des BwKrhs Westerstede. Wehrmedzin und Wehrpharmazie 2018; 42(4): 39-40. mehr lesen
  6. Brodie D, Bacchetta M: Extracorporeal membrane oxygenation for ARDS in adults. N Engl J Med 2011; 365: 1905–1914. mehr lesen
  7. Combes A, Hajage D, Capellier G et al.: Extracorporeal membrane oxygenation for severe acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med. 2018;378(21):1965–1975. mehr lesen
  8. Hamm MS, Sams VG, DellaVolpe JD et al.: Case Report of Extracorporeal Membrane Oxygenation and Aeromedical Evacuation at a deployed military hospital. Military Medicine 2018; 183(suppl_1): 203-206. mehr lesen
  9. Joint Trauma System: Clinical Practice Guidelines. , letzter Aufruf 27. September 2020. mehr lesen
  10. Karagiannidis C, Windisch W, Stoelben E, Strassmann S: Organersatz auf der Intensivstation – extrakorporaler Lungenersatz. Kardiologie up2date 2015; 11: 217-221. mehr lesen
  11. Mackie BR: What is the effectiveness of lung assist devices in blast lung injury: A literature review. J Mil Veterans Health 2007; 16(1): 17-24. mehr lesen
  12. Papazian L, Aubron C, Brochard L et al.: Formal guidelines: management of acute respiratory distress syndrome. Ann. Intensive Care 2019; 9: 69. https://doi.org/10.1186/s13613-019-0540-9 mehr lesen
  13. Scheid PL: Telemedizin in Zeiten von „Influenza“ und „Corona“. WMM 2020; 64(S1)): e11. mehr lesen
  14. Scheit L, Lindlar M, Polaschegg M, Scheid PL: Telesonografie im Sanitätsdienst der Bundeswehr. WMM 2020; 64(12): 431-436. mehr lesen
  15. The ARDS Definition Task Force: Acute Respiratory Distress Syndrome: The Berlin Definition. JAMA 2012; 307(23): 2526–2533. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Jänig CW, Feyrer R, Fischer S, Schmidbauer W: Wehrmedizinische Relevanz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) – Teil II: Möglichkeiten zur Implementierung einer ECMO-Fähigkeit in das StratAirMedEvac System der Bundeswehr. WMM 2020; 64(12): 417-423.

Für die Verfasser

Flottillenarzt Dr. Christoph W. Jänig

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik X – Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin

Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz

E-Mail: christophwalterjaenig@bundeswehr.org

Manuscipt data

Citation

Jänig CW Feyrer R, Fischer S, Schmidbauer W: Relevance of ECMO in military medicine –Part II: Feasibility to implement an ECMO capability into the Bundeswehr StratAirMedEvac system. WMM 2020; 64(12): 417-423.

For the authors

Commander (Navy) Dr. Christoph W. Jaenig, M.D.

Bundeswehr Central Hospital Koblenz

Department X – Anaesthesiolgy, Intensive Care, Emergency Medicine

Rübenacher Str. 170, D-56072 Koblenz

E-Mail: christophwalterjaenig@bundeswehr.org


1 Näherungsweise kann man als Faustregel annehmen, dass der Luftdruck je 80 m Höhe um 1 % bzw. alle 840 m um 10 % abnimmt.

2 Aktuell sind die Dienstposten der Kardiotechniker ausschließlich als zivile Dienstposten ausgebracht. Dieser Umstand muss bei den Planungen berücksichtigt werden (Ausbringen militärischer Dienstposten, kurzfristige Einberufung als Wehrübende, o. ä.)