Wehrmedizinische Monatsschrift

DRUCKSACHE

3D-Druck – Potenziale für Klinik, Ausbildung und Krise

3D Printing – Benefits for Clinical Practice, Education and Crisis Reaction

Sven Dudaa, Lisa Meyera, Sascha Hartigb, Eugen Musienkob, Heinrich Weßlinga

a Bundeswehrkrankenhaus Westerstede, Klinik XI – Neurochirurgie

b Helmut Schmidt Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Maschinenbau – Labor Fertigungstechnik

 

Zusammenfassung

Einleitung: Im Jahre 2018 gründeten Ärzte der Klinik für Neurochirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Westerstede gemeinsam mit Ingenieuren des Laboratoriums für Fertigungstechnik der Universität der Bundeswehr in Hamburg die Arbeitsgruppe “3D-Druck in der Neurochirurgie”. Über die Ziele des eigentlichen Forschungsprofils hinaus erprobte die Arbeitsgruppe Potentiale des 3D-Drucks für Klinik, Ausbildung und Krise und deren möglichen Nutzen für den Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Anwendungsbeispiele: 3D-Druck-Technologien wurden zur Fertigung von Modellen für die Operationsplanung, für die Simulation operativer Eingriffe und zur Fertigung medizinischer Schutzausrüstung im Rahmen der COVID-19-Pandemie genutzt. Werkstücke der einzelnen Anwendungsgebiete werden beispielhaft dargestellt und deren Verwendung erläutert.

Diskussion: Durch Anwendung der 3D-Druck-Technologien konnten maßstabsgetreue 3D-Modelle für Training und Simulation im Rahmen der ärztlichen Ausbildung gefertigt werden. Der 3D-Druck ist der virtuellen 3D-Bildgebung bisher in Bezug auf sein Auflösungsvermögen unterlegen. Die Herstellung medizinischer Schutzausrüstung durch Allokation von 3D-Druck-Kapazitäten an die Bundeswehrkrankenhäuser ist technisch möglich. Ein Inverkehrbringen der autonom gefertigten Schutzausrüstungsgegenstände ist aufgrund des Produkthaftungs- und Medizinproduktegesetztes nicht ohne weitere Testung möglich.

Schlussfolgerung: Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr ermöglicht der medizinische 3D-Druck die Fertigung mehrfach verwendbarer, kosteneffizienter Modelle für die Ausbildung und Simulation einsatzrelevanter Grundfertigkeiten. Grundsätzlich kann 3D-Druck-Kapazität zukünftig zur autonomen Versorgung eines Krankenhauses durch Produktion medizinischer Schutzausrüstung beitragen. Dabei gilt es jedoch zunächst geeignete Materialien und Produktdesigns zu erproben, die dann einer aufwendigen Testkette unterzogen werden müssen, um ihrem Zweck als Medizinprodukt genügen zu können.

Schlüsselwörter: 3D-Druck, additive Fertigung, Simulation in der Chirurgie, Chirurgische Ausbildung, 3D-Druck persönlicher Schutzausrüstung

Summary

Introduction: In 2018 the research group “3D Printing in Neurosurgery” was founded by members of the Neurosurgical Department of the Bundeswehr Hospital Westerstede and the Laboratory for Manufacturing Technologies of the Bundeswehr University Hamburg. Beyond their actual research project, potentials of 3D printing for clinical practice, education and crises and its possible benefits for the Bundeswehr Medical Service were evaluated.

Application Areas: 3D printing technologies were used to produce models for preoperative planning, surgical simulation and to manufacture personal protective gear during the COVID-19 pandemic. Examples from different application areas are presented.

Discussion: Models for medical education and simulation were produced true to scale. With respect to resolution 3D printing is still inferior compared to virtual 3D simulation. Manufacturing of personal protective equipment by implementation of 3D printing capacity at military hospitals is technically possible. Due to legal and quality issues a widespread use of this autonomously produced gear is not possible without further in-deep testing.

Conclusion: 3D printing facilitates the manufacturing of cost-efficient, reusable models for medical education and simulation in the Bundeswehr medical service. In general 3D printing can be part of an autonomous production attempt of personal protective gear in times of serious supply shortages. However, as a first step various product designs and materials have to be evaluated and subsequently tested at certified test institutes to comply with requirements for medical protective gear in Germany.

Keywords: 3D printing, additive manufacturing, surgical simulation, surgical training, 3D printed protective gear

Einleitung

Im Jahre 2018 gründeten Angehörige der Klinik für Neurochirurgie des Bundeswehrkrankenhauses (BwKrhs) Westerstede und des Laboratoriums für Fertigungstechnik der Helmut Schmidt Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU) die Arbeitgemeinschaft (AG) “3D Druck in der Neurochirurgie”. Die Motivation für diese Gründung rührte für die im Bereich der Neurochirurgie tätigen Sanitätsoffiziere aus zwei Bedürfnissen.

Zum einen ist die restriktive Ausbringung neurochirurgischer Dienstposten im Rahmen internationaler Einsätze (der letzte dieser Dienstposten in AFG wurde mit Beginn des RS Einsatzes gestrichen) für die als Traumachirurgen in den Einsätzen tätigen Nicht-Neurochirurgen bei der Versorgung neurotraumatologischer Verletzungen eine erhebliche Herausforderung, die u. U. für entsprechend verletzte Soldaten gravierende Folgen haben kann [6]. Das Ausmaß dieser Herausforderung wird durch zur Einsatzvorbereitung durchgeführte einwöchige Kurse, bei denen an menschlichen und tierischen Kadavern die technische Durchführung von Kraniotomien und Trepanationen geübt wird, nur bedingt gemindert [10]. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass in der Facharztweiterbildung typischerweise mehrere Monate vergehen, bis ein Assistenzarzt die erste Trepanation unter strikter Supervision durchführt.

Im Bewusstsein dieser Problematik entwickelten die Neurochirurgen des BwKrhs Westerstede die Vision, eine Möglichkeit zu unbegrenzter und frei verfügbarer Simulation von Operationen bei Schädeltraumata an realistischen 3D-gedruckten Patientenmodellen zu schaffen. Ein erstes Resultat der Tätigkeit der Arbeitsgruppe war die Durchführung eines Kurses zur Trepanationsplanung auf der ARCHIS Tagung 2020, auf den in diesem Beitrag eingegangen wird.

Eine weitere Motivation zur Gründung der AG war weniger militärmedizinischer als eher neurochirurgischer Natur. Der Begriff der Simulation ist ein wesentlicher Bestandteil der zukünftigen konzeptuellen Entwicklung chirurgischer Fächer, und dies nicht nur im Bereich der Weiterbildung. So ist durch die Entwicklung moderner bildgebender Verfahren, die zum Teil sogar intraoperativ verfügbar geworden sind, für den Bereich der Neurochirurgie die immer genauere Operationsplanung zu einem wesentlichen Faktor für die Patientensicherheit geworden [13]. Ein Forschungsbereich der AG beschäftigt sich daher mit der Herstellung von 3D-gedruckten Modellen komplexer neurochirurgischer Pathologien, die dann bei der Planung elektiver Operationen dem behandelnden Neurochirurgen zur Verfügung stehen. Die zugrundeliegende Vision ist dabei die einer so entstehenden “haptischen Radiologie”. Auch dieses Projekt wird im Folgenden näher beschrieben.

Im dritten Teil dieses Beitrags wird dargestellt, wie durch die Coronakrise unerwartet ein weiterer unerwarteter und von den ursprünglichen Zielen der AG weit entfernter Forschungsbereich hinzukam. Angesichts der drohenden Verknappung von Schutzausrüstungen wurden die bisherigen Forschungsarbeiten ab März 2020 für einige Wochen pausiert und die Möglichkeiten einer autonomen, mit 3D-Druck gestützten Produktion solcher Schutzausrüstungen untersucht und im Hinblick auf deren tatsächliche Schutzfunktion erprobt. Dieses erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien in Munster. Allerdings entsprachen die Ergebnisse hier nicht den vielfach publizierten, überoptimistischen Erwartungen an diese Technologie, sodass im abschließenden Forschungsbericht vor der unkritischen Anwendung dieser weit verbreiteten 3D-Duck-Schemata zur Herstellung medizinischer Schutzausrüstung gewarnt wird.

Simulation neurochirurgischer Eingriffe

Planung von Notfalleingriffen bei Schädel-Hirn-­Traumata

Gefechts- oder anschlagsbedingte Explosions- und Schussverletzungen des Hirnschädels gehen ebenso wie Schädel-Hirn-Traumen bei Verkehrs-, Arbeits- und Haushaltsunfällen oftmals mit notfallmäßig operationspflichtigen, raumfordernden Läsionen einher. Das Verständnis der dreidimensionalen Beziehung von äußerer Verletzung, intrakranieller Läsion und Anatomie des Hirn- und Gesichtsschädels ist für die Planung des operativen Zugangsweges und die definitive Versorgung essenziell.

Im Auslandseinsatz stehen dem Einsatzchirurgen dazu allenfalls zweidimensionale CT- Daten in verschiedenen Schnittebenen zur Verfügung, um die komplexe Anatomie des Situs verstehen zu können. Die Anwendung und Projektion der eigenen räumlichen Vorstellung am beziehungsweise auf den Patienten ist dabei eine schwierige Transferleistung, die es unter den besonderen Anforderungen des Auslandseinsatzes zu bewältigen gilt; dies ist umso problematischer, als in den derartigen Einsatzszenarien meistens keine Präsenz eines ausgebildeten und erfahrenen Neurochirurgen vorgesehen ist. Ein weiteres Problem ergibt sich dabei daraus, dass bei dem Versuch telefonischer Beratung durch einen Facharzt für Neurochirurgie in diesen Szenarien dem Einsatzchirurgen häufig das terminologische Instrumentarium zur Informationsübermittlung nicht sicher zur Verfügung steht.

Die Ausbildung der nicht-neurochirurgischen Einsatzchirurgen umfasst bei der Bundeswehr zwar schon jetzt auch einen Neurotraumatologie-Kursus. Hier wird zwar die technische Durchführung von Kraniotomien und Trepanationen an tierischen und menschlichen Kadavermodellen geübt, nicht jedoch die Transferleistung von der Bildgebung zur Lokalisation des Traumas und zur Operationsplanung. Der Erwerb der Fähigkeit zum Transfer zweidimensionaler Bildinformationen in die anatomische (3D-) Situation ist ein wesentlicher Bestandteil langjähriger Facharztweiterbildung. Mithilfe der Anwendung des 3D-Drucks wurde durch die AG “3D-Druck in der Neurochirurgie” ein neuer Weg beschritten, diese Probleme beherrschbar zu machen bzw. abzumildern.

Anhand der durch eine Segmentierungssoftware erzeugten 3D-Datensätze wurden mittels 3D-Druck Schädelmodelle erzeugt, die mit der realen Anatomie von Patienten aus der Notfallversorgung des BwKrhs Westerstede einschließlich ihrer Verletzungen identisch sind und für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Chirurgen genutzt werden können. Die gedruckten Schädelmodelle wurden mit einem Latex-Überzug versehen, der die Haut simulierte, um die sofortige Identifikation der Pathologie innerhalb der milchig-transparenten Modelle zu verhindern (Abbildung 1A).

Es wurden für die Modelle fünf identische Gestelle hergestellt, jeweils ausgestattet mit einer Lichtquelle, die die Modellschädel von innen beleuchten und so die Lokalisation der Pathologie sichtbar machen können (Abbildung 1B). Die den Schädelmodellen zugrundeliegenden CT-Untersuchungen von Patienten mit Schädelverletzungen wurden dann neben dem jeweiligen Modell auf einem Laptop zur Verfügung gestellt, sodass fünf neuartige Arbeitsplätze für ein Simulationstraining entstanden.

Geübt wurde die Trepanations- bzw. Kraniotomieplanung anhand der zweidimensionalen CT-Untersuchungen und kraniometrischer Überlegungen. Die an der Ausbildung Teilnehmenden zeichneten den geplanten Zugang direkt auf die Modelloberfläche. Zur sofortigen Erfolgskontrolle wurde dann das Modell illuminiert und so der geplante Zugang im Vergleich zur tatsächlichen Lokalisation der entsprechenden Läsion beurteilt. Die Zeichnungen auf den Modellen sind abwischbar, sodass der gesamte Arbeitsplatz nahezu unbegrenzt wiederverwendbar ist [3].

Dieses Ausbildungskonzept wurde als Pilotprojekt auf der ARCHIS Tagung 2020 1 (Papenburg, Januar 2020) in Form eines Kurses zur Trepanationsplanung angeboten, der bei den Teilnehmenden auf sehr positive Resonanz traf.

Abb. 1: Kraniotomie-Simulationskurs im Rahmen der ARCHIS 2020
(A)Oberstabsarzt Meyer (links) unterstützt den Kursteilnehmer bei der Planung seiner Kraniotomie an einem der Arbeitsplätze.
(B)Durch Beleuchtung des 3D-Modells von innen kann die epidurale Blutung sichtbar gemacht werden, was so eine Erfolgskontrolle der geplanten Kraniotomie erlaubt. Hier wurde die Blutung teilweise verfehlt.

3D-Modelle zur Planung neurochirurgischer Operationen

Ähnlich wie bei Notfalloperationen stehen den chirurgischen Disziplinen auch zur Vorbereitung und Planung elektiver Operationen üblicherweise nur zweidimensionale Bilder der dreidimensionalen Anatomie in unterschiedlichen Schnittebenen und Untersuchungsmodalitäten zur Verfügung. Die Rekonstruktion der räumlichen Anordnung der einzelnen Strukturen zueinander ist auch hierbei – insbesondere in der Tumorneurochirurgie bei tief liegenden Prozessen und Raumforderungen der Schädelbasis – von Bedeutung, da die operativen Zugangswege oft aus einem schmalen Korridor bestehen, der eine präzise Kenntnis der anatomischen Strukturen in der Umgebung voraussetzt. Mithilfe unserer Methodik können präoperativ CT- und MRT- Daten mittels einer Bildbearbeitungssoftware fusioniert und in ein virtuelles 3D-Modell transferiert werden, das dann durch 3D-Druck umgesetzt werden kann. Anhand des virtuellen und gedruckten Modells können dann beispielsweise die räumliche Anordnung auch tief liegender Strukturen, die Ausdehnung einer Raumforderung sowie der arterielle Zu- und venöse Abstrom präzise dargestellt und studiert werden. Abbildung 2zeigt das 3D-Modell einer in der Neurochirurgie des BwKrhs Westerstede operierten Patientin mit einem Meningeom des Atriums des linken Seitenventrikels. Hier konnten der arterielle Zustrom über stammnahe Äste der A. choroidea anterior sowie distale Äste der A. cerebri media sowie der venöse Abfluss in die Vena cerebri interna links eindeutig identifiziert werden. Während die Darstellung der großkalibrigen Arterien und Venen im virtuellen Modell und im 3D-Druck Modell gleichermaßen gut gelingen, ist das 3D-Druck-Modell der virtuellen Darstellung im Hinblick auf weiter peripher gelegene Gefäßabschnitte unterlegen. Insbesondere aber die Darstellung der oberflächlichen Hirnvenen gelingt durch die dreidimensionalen Modelle sehr gut und wird durch den 3D-Druck detail- und maßstabsgetreu wiedergegeben. Ein Vergleich der oberflächlichen Hirnvenen in Abbildung 2 C und D mit der intraoperativen Realität in Abbildung 2 H zeigt auf, wie zutreffend die Darstellung ist. Besonders bei tief gelegenen Läsionen kann dies bei der Operationsplanung und Durchführung von besonderem Nutzen sein, um eine die eloquenten Areale schonende Trajektorie für den Zugang zu wählen. Dies ist beispielhaft für einen anderen Casus in Abbildung 2 E dargestellt.

Abb. 2: Anwendung des 3D-Drucks zur Planung neurochirurgischer Operationen
(A) Konventionelle MRT-Bildgebung -/+ KM eines Meningeoms des Atriums des linken Seitenventrikels als zwei-dimensionaler Datensatz in unterschiedlichen Schnittebenen
(B) Laterale Ansicht des virtuellen 3D-Modells mit Darstellung des Tumors, der Arterien, Venen und des Ventrikelsystems
(C)Ansicht des virtuellen 3D-Modells von schräg oben
(D)Ansicht des virtuellen 3D-Modells von oben.
(E)Illustration der Planung unterschiedlicher Zugangsmöglichkeiten von pterional, subfrontal und durch den Interhemisphärenspalt anhand eines Fallbeispiels eines frontobasalen Meningeoms
(F) und (G) Darstellung des per Polyjet Druck hergestellten 3D-Modells, korrespondierend zum virtuellen Modell aus (B) und (C)
(H) Intraoperativer Anblick korrespondierend zum virtuellen Modell aus (D); gute Nachvollziehbarkeit der präzisen Abbildung der oberflächlichen Hirnvenen

Herstellen persönlicher Schutzausrüstung im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie

Aufgrund weltweiter Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit geeigneter medizinischer Schutzausrüstung im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie gab es zu Beginn des Jahres 2020 zahlreiche Bestrebungen, medizinische Schutzausrüstung per 3D-Druck zu fertigen, um möglichen Engpässen auf diese Weise entgegenzutreten [11]. Zahlreiche open-source Datensätze zur Herstellung von Ein- und Mehrweg-Atemschutzmasken, Brillenrahmen und Faceshields stehen seither im Internet zur Verfügung. In diesem Zusammenhang entstand die Idee, am BwKrhs Westerstede als Teil der AG 3D-Druck in der Neurochirurgie Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu diesem Thema zu leisten, um den Nutzen dieser Fertigungsmöglichkeit für den Sanitätsdienst der Bundeswehr zu evaluieren.

In enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Laboratoriums für Fertigungstechnik der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU/UniBw) erfolgte dabei eine Überarbeitung der frei-verfügbaren Datensätze entsprechend den Anforderungen des medizinischen Personals, die dann – nach digitalem Transfer der Datensätze – vor Ort am BwKrhs Westerstede per 3D-Druck erfolgte.

So konnten innerhalb eines Tages 3 bis 4 Versionen eines 3D-Druck-Designs medizinischer Schutzausrüstung gedruckt und evaluiert werden. Im Zuge unserer Fallstudie wurden verschiedene Mund-Nasen-Schutzmasken, Faceshields und Brillenrahmen (Abbildung 3) gedruckt und evaluiert.

Abb. 3: Darstellung per 3D-Druck hergestellter medizinischer Schutzausrüstung
(A) Abbildung einer im Druck befindlichen, faltbaren Maske auf dem Druckbett des 3D-Druckers
(B) Anwendungsbereite MakerMask mit zwei großen Filterelementen (mit je einem Einatemventil) und einem großen Ausatemventil vor dem Mund
(C) autoklavierbares Faceshield Rahmen mit Visierfolie
(D) unterschiedliche im Rahmen der Arbeit erprobte Faceshield-Rahmen
 

Die dabei bearbeiteten Kriterien beinhalteten Passgenauigkeit und Tragekomfort, subjektive Schutzwirkung und Möglichkeiten zur Desinfektion der dann gegebenenfalls mehrfach zu verwendenden Ausrüstung. In Zusammenarbeit mit dem Institut für ABC-Schutztechnologien am Wehrwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Munster erfolgte darüber hinaus eine Qualitätsüberprüfung der per 3D-Druck hergestellten Masken durch Prüfung der Dichtigkeit im Rahmen einer PortaCount Messung. Dabei zeigte sich überraschend, dass keines der im Internet frei verfügbaren 3D-Druck Masken Designs als persönliche Schutzausrüstung geeignet ist. Diese alarmierenden Ergebnisse wurden kürzlich in einer Originalarbeit unserer Arbeitsgruppe publiziert [2].

Diskussion

Beim 3D-Druck handelt es sich um ein additives Fertigungsverfahren, das anhand von CAD-Daten durch schichtweise Materialdeposition dreidimensionale Objekte herstellt. Die Technik des 3D-Drucks hat bereits vor mehr als einer Dekade Einzug in die industrielle Fertigung gefunden und die Rapid-Prototyping-Verfahren zur Werkstückherstellung revolutioniert. In der letzten Zeit hat eine drastische Minderung der Anschaffungs- und Produktionskosten zu einer weiten Verbreitung der Technik über die Materialwissenschaft und industrielle Fertigung hinaus geführt. Mittlerweile sind die wissenschaftliche Betrachtung und innerklinische Erprobung des 3D-Drucks in der Medizin, z. B. in der Unfallchirurgie [1], weit verbreitet.

LICHTENBERGER hat die Bedeutung des 3D-Drucks für die Ausbildung von Sanitätspersonal des Militärs treffend zusammengefasst indem er sagt, dass der 3D-Druck eine kosteneffektive Möglichkeit bietet, Modelle herzustellen, die dem besonderen Ausbildungsbedarf des Militärs gerecht werden [8]. Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr wird dies insbesondere im Hinblick auf die Ausbildung der Einsatzchirurgen von Bedeutung sein, da der modellgebundenen Simulation und Ausbildung hier aufgrund der nur kurzzeitigen Rotation Kursangebote in fachfremden chirurgischen Disziplinen, wie z. B. der Neurochirurgie, mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft eine zunehmende Bedeutung zukommen wird [3].

Aus bioethischer Sicht ergeben sich mehrere Vorteile einer simulationsgestützten Ausbildung, da einerseits der Gebrauch tierischer Modelle und andererseits auch die Nutzung von menschlichen Kadavermodellen auf ein Mindestmaß reduziert werden können. Zudem ist eine möglichst weitreichende praktische Ausbildung durch Simulation an „toten“ Objekten vor der Einübung von Fertigkeiten am realen Patienten natürlich ein ethischer Imperativ, der aus dem hohen Wert der Patientensicherheit als ein Hauptgütekriterium praktischer Medizin folgt (primum nil nocere!).

Die Fertigung dreidimensionaler Modelle zur Visualisierung komplexer operativer Anatomie und Simulation von Operationen spielt auch in der Facharztausbildung in chirurgischen und interventionell tätigen Disziplinen eine tragende Rolle. Für die Neurochirurgie kann dies am Beispiel der vaskulären Neurochirurgie diskutiert werden. Die enorme Weiterentwicklung der endovaskulären Prozeduren hat mittlerweile dazu geführt, dass nur noch ein geringer Prozentsatz der inzidentellen und rupturierten Aneurysmen durch eine Clipping-Operation verschlossen werden, wohingegen die Mehrzahl durch endovaskuläre Coil-Embolisation – in der Regel von Neuroradiologen – verschlossen wird [4]. In neurochirurgischen Fachkreisen wird daher aufgrund sinkender Fallzahlen ein Wissens- und Fähigkeitsverlust in den kommenden Generationen junger Neurochirurgen befürchtet. In diesem Zusammenhang sind die Arbeiten von WANG et al. zu erwähnen, die 3D-Modelle von Aneurysmen der A. cerebri media gefertigt haben, um die Anatomie besser verstehen und den geeigneten Clip bereits präoperativ auswählen zu können [12]. Dieses sind genau jene Schritte, die bei der Operation dieser Pathologien von entscheidender Bedeutung sein können. Ferner wurden mittlerweile perfundierbare Gefäßbäume gedruckt, die sogar die Möglichkeit bieten, die Clip-Applikation zur Ausschaltung von Aneurysmen zu trainieren [9].

Neben Modellen, die wie oben gezeigt für die Operationsplanung qualifiziert sind oder die Simulation von Teilschritten von Operationen ermöglichen, können die per 3D-Druck hergestellten Modelle von besonderem Wert für die Patientenaufklärung und deren Verständnis für die eigene Krankheit sein [5]. Limitationen des 3D-Drucks sind dabei einerseits der Detailgrad, der die Qualität des virtuellen 3D-Modells mit den bisher von uns erprobten Fertigungstechniken noch nicht erreichen kann, sowie der, je nach Art und Umfang des Modells, hohe Zeit- und Kostenaufwand für die Fertigung. Eine nur relative geringe Nutzung von 3D-Druck-Modellen in der Unfallchirurgie stellten auch BEHLE et al. 2018 fest. Als Gründe wurden vor allem die aufwändige Netzwerkbildung mit meist externen Dienstleistern und der finanzielle Aufwand, der von den Kostenträgern nicht kompensiert wird, gesehen [1].

Herstellung von Medizinprodukten in Notsituationen

Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde die Fertigung medizinischer Schutzausrüstung per 3D-Druck für den Sanitätsdienst der Bundeswehr erprobt. Die technische Machbarkeit zur Herstellung von Brillenrahmen, Face­shields sowie unterschiedlicher Varianten medizinischer Mund- und Nasenschutzmasken konnte dabei als grundsätzlich möglich bewertet werden. Entgegen ursprünglicher Erwartungen konnte keine der Maskenvarianten den Ansprüchen an einen medizinischen Mund- und Nasenschutz im Rahmen unserer mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien in Munster durchgeführten Erprobung genügen, sodass wir nach den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Arbeit aus unserem Labor grundsätzlich vom Tragen dieser Masken abraten [2]. Brillenrahmen und Faceshields hingegen wurden im Rahmen einer innerklinischen Bewertung im Hinblick auf Tragecomfort und Eignung durchaus positiv bewertet.

Einschränkend ist hier zu erwähnen, dass es sich bei medizinischer Schutzausrüstung um Medizinprodukte handelt, sodass Inverkehrbringen und Anwenden dieser Produkte im klinischen Alltag nicht ohne adäquate und aufwendige Testung zulässig sind. Ferner müssen für unterschiedliche druckbare Materialien noch Desinfektionsalgorithmen etabliert werden, da die 3D-Druck-Produkte gegenüber herkömmlichen Einmalartikeln im Falle der Einfachverwendung in Bezug auf Fertigungskosten unterlegen wären. Ein Vorteil der Fertigungstechnik ergäbe sich aus der Verkürzung der Produktions- und Versorgungswege, wenn man die Fertigung der Schutzausrüstung vor Ort – also da, wo akuter Bedarf herrscht – etabliert. Die Überlegung zur Integration von sogenannten Druckerfarmen in Krankenhäusern könnte zu einer deutlichen Verkürzung der Zeit bis zur Produktverfügbarkeit führen. Im Idealfall wäre in Zukunft auch während eines Versorgungsengpasses durch einen Lock-Down die Fertigung einer ausreichenden Menge Schutzausrüstung möglich [7].

Fazit für den Sanitätsdienst

Für den Sanitätsdienst der Bundeswehr ermöglicht der medizinische 3D-Druck die Fertigung mehrfach verwendbarer, kosteneffizienter Modelle für die Ausbildung und Simulation einsatzrelevanter Grundfertigkeiten. Grundsätzlich kann 3D-Druck-Kapazität zukünftig zur autonomen Versorgung eines Bundeswehrkrankenhauses durch Produktion medizinischer Schutzausrüstung beitragen. Dabei gilt es jedoch, zunächst geeignete Materialien und Produktdesigns zu erproben, die dann einer aufwendigen Testkette unterzogen werden müssen, um ihrem Zweck als Medizinprodukt genügen zu können.

Kernaussagen

Literatur

  1. Behle M, Back DA, Knoll A, Willy C: Stellenwert der 3D-Druck-Technologie für die Diagnostik und Behandlung komplexer Frakturen in der modernen Unfallchirurgie. WMM 2018; 62(7): 222-230. mehr lesen
  2. Duda S, Hartig S, Hagner K, Meyer L, Intriago PW, Meyer T, Wessling H: (2020, August 25). Potential Risks of a Widespread Use of 3D Printing for the Manufacturing of Face Masks during the SARS-CoV-2 Pandemic. engrXiv Preprints 2020, 25. August; , letzter Aufruf 27. Oktober 2020. mehr lesen
  3. Duda S, Meyer L, Musienko E et al.: The Manufacturing of 3D Printed models for the Neurotraumatological Education of Military Surgeons. Military Medicine 2020; usaa183; < https://doi.org/10.1093/milmed/usaa183>, letzter Aufruf 24. September 2020. mehr lesen
  4. Grasso G, Alafaci C, Macdonald Rl. Management of aneurysmal subarachnoid hemorrhage: State of the art and future perspectives. Surg Neurol Int 2017; 8(1): 11. mehr lesen
  5. Guo X-Y, He Z-Q, Duan H et al.: The utility of 3-dimensional-printed models for skull base meningioma surgery. Ann Transl Med 2020; 8(6): 370. mehr lesen
  6. Harlass B, Wessling H: Zur Einsatzrelevanz neurochirurgischer Fachkenntnis vor Ort: Gefechtsbedingte neurotraumatologische Verletzungsmuster in Afghanistan 2014 und 2018 (ARCHIS 2020, Papenburg). WMM 2020; 64(6-7): 224-226. mehr lesen
  7. Hartig S, Duda S, Hildebrandt L: Urgent need hybrid production - what SARS-CoV-2 can teach us abeout dislocated production and the maker scene. 3D Printing in Medicine (in press). mehr lesen
  8. Lichtenberger JP, Tatum PS, Gada S et al.: Using 3D Printing (Additive Manufacturing) to Produce Low-Cost Simulation Models for Medical Training. Mil Med 2018; 183(suppl_1), 73–77. mehr lesen
  9. Liu Y, Gao Q, Du S et al.: Fabrication of cerebral aneurysm simulator with a desktop 3D printer. Sci Rep 2017; 7(1): 44301. mehr lesen
  10. Mauer UM, Kunz U: Management of neurotrauma by surgeons and orthopedists in a military operational setting. Neurosurg Focus 2010; 28(5): E10. mehr lesen
  11. Tino R, Moore R, Antoline S et al.: COVID-19 and the role of 3D printing in medicine. 3D Print Med 2020; 6(1): 11. mehr lesen
  12. Wang L, Ye X, Hao Q, Ma L et al.: Three-dimensional intracranial middle cerebral artery aneurysm models for aneurysm surgery and training. J Clin Neurosci 2018; 50: 77–82. mehr lesen
  13. Weßling H, Duda S: ioCT-guided percutaneous radiofrequency ablation for trigeminal neuralgia: how I do it. Acta Neurochirurgica 2019; 161(5): 935–938. mehr lesen

Danksagung: Die Verfasser danken Hauptmann der Reserve Marc Fette, Leiter der AG Additive Fertigung am Laboratorium für Fertigungstechnik der Universität der Bundeswehr in Hamburg, für seine Unterstützung in der Gründungsphase der Arbeitsgruppe sowie der Projektorganisation während laufender Forschungsvorhaben. Weiterer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr in Erding für die Fertigung eines ersten medizinischen 3D-Druck-Modells in Polyjet Technik (siehe Abbildung 2).

Manuskriptdaten

Zitierweise

Duda S, Meyer L, Hartig S, Museinko E, Weßling H: 3D-Druck – Potenziale für Klinik, Ausbildung und Krise. WMM 2020; 64(12): 424-430.

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Dr. Sven Duda

Bundeswehrkrankenhaus Westerstede

Klinik für Neurochirurgie

Lange Straße 38, 26655 Westerstede

E-Mail: svenduda@bundeswehr.org

Manuscript data

Citation

Duda S, Meyer L, Hartig S, Museinko E, Wessling H: 3D Printing – Benefits for Clinical Practice, Education and Crisis Reaction. WMM 2020; 64(12): 424-430.

For the Authors

Major (MC) Dr. Sven Duda

Bundeswehr Hospital Westerstede

Departmentg for Neurosurgery

Lange Straße 38, D-26655 Westerstede

E-Mail: svenduda@bundeswehr.org


1 ARCHIS steht für Arbeitsgemeinschaft chirurgisch tätiger Sanitätsoffiziere; die ARCHIS (heute Arbeitskreis Einsatzmedizin/ARCHIS) ist ein Arbeitskreis der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (www.dgwmp.de).