Wehrmedizinische Monatsschrift

WELTWEITER FACHLICHER SUPPORT

Beispiel Telesonografie:
Telemedizinische Unterstützung im Sanitätsdienst der Bundeswehr

Lorenz Scheit a, Markus Lindlar b, Mario Polascheggc, Patrick L. Scheid d

a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Klinik I – Innere Medizin

b Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln

c SCOTTY Group Austria GmbH, Grambach

d BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Abteilung XXI – Mikrobiologie

 

Zusammenfassung

Hintergrund: Der Erfahrungshorizont von Ärztinnen und Ärzten, die nach Erwerb einer Qualifikation eine Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethode anwenden, ist aus verschiedenen Gründen zwangsläufig unterschiedlich. Interdisziplinäre und erfahrene Konsiliarberatung kann im Inland oft unmittelbar erfolgen, ist aber vor Ort im Einsatzszenario oft nicht direkt möglich Hier kann die Telemedizin unterstützend eingesetzt werden.

Methode: Für die sanitätsdienstliche Patientenversorgung im In- und Ausland wurde als Machbarkeitsstudie in den Jahren 2018 und 2019 eine diagnostische telemedizinische Ultraschallübertragung (System ASYSTED©) im Real-Time-Verfahren über weite Distanzen zur fachärztlichen Beratung etabliert und erprobt.

Ergebnisse: Telesonografie konnte erfolgreich von einer Expertenstelle (Klinik für Innere Medizin des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg) zu Untersucherstellen am Sanitätsversorgungszentrum Daun und (im Rahmen der Übung „Forward Enhanced Presence“) in Litauen eingerichtet und über mehrere Monate genutzt werden.

Diskussion und Folgerungen: Die Machbarkeitsstudie zeigte, dass mit dem System ASYSTED© eine zuverlässige medizinische Beurteilung von Sonografiebefunden sowohl im Rahmen der inländischen Patientenversorgung als auch in der Einsatzversorgung möglich ist. Eine vergleichbare Unterstützung ist nach Einschätzung der Autoren auch in anderen Fachgebieten (z. B. Intensivmedizin, operative Fächer, Dermatologie usw.) durch Telemedizinanwendungen möglich und zielführend.

Schlüsselwörter: Telesonografie, Telemedizin, Tele-Health, e-health, Einsatzmedizin

Keywords: telesonography, telemedicine, tele health, e-health, medical field care

Hintergrund

Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung von Soldaten auf qualitativ hohem Niveau zu jeder Zeit und an jedem Ort ist die Aufgabe des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Auf der Grundlage einer qualifizierten Ausbildung des eingesetzten Sanitätspersonals können dabei zeitgemäße Tele-Health-Technologien einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, auch hochspezialisierte fachliche Expertise an jeden Ort der Welt zu transferieren.

Der Austausch statischer Informationen (z. B. Mikroskopie-Bilder, Röntgenaufnahmen) findet als Tele-Mikrobiologie und Tele-Radiologie bereits seit Jahren Anwendung. Bei der Sonografie steht die Beurteilung dynamischer Bilder im Vordergrund, die durch den Untersuchenden durch Lagewechsel des Schallkopfes beeinflusst werden. Eine telemedizinische Unterstützung dieser Untersuchungsmethode erfordert deshalb die Real-Time-Übertragung bewegter Bilder bei gleichzeitiger Kommunikation zwischen Untersuchendem auf der einen und Experten auf der anderen Seite. Die vorliegende Arbeit stellt eine Machbarkeitsstudie zur Implementierung und Erprobung der Tele-Sonografie im Sanitätsdienst der Bundeswehr und zeigt mögliche Perspektiven – auch für andere Fachgebiete – auf.

Technik und Methode

Eine Tele-Sonografie-Einheit besteht grundsätzliche aus den Komponenten

Beide Kommunikationseinheiten verfügen über Kamera und Headset zur Video- und Audioübertragung (Videokonferenz). Zusätzlich ist eine Kommunikation über Tastatur möglich; dieses Chat-System ermöglicht es, unabhängig vom Video-Audio-Kanal zu arbeiten. In das Chat-System ist ein piktogramm-geführtes Anleitungsmodul integriert, welches es erlaubt, Ultraschallkopfpositionen für den Untersucher zu definieren.

Jede Einheit verfügt über eine SINA-Verschlüsselungsbox und ein System (SCOTTY™-Bluebox) für die Echtzeit-Bildübertragung. Für die Telesonografie kommt die Software ASYSTED© (Advanced System for Teleguidance in Diagnostics) 1 zum Einsatz. Auf der Untersucherseite ist eine kompatible Ultraschall-Diagnostikeinheit angeschlossen. Unterschiedliche Ultraschallgeräte (­Philips™ HD7, GE™ logiq) wurden im Laufe der Machbarkeitsstudie eingesetzt. Die Bildübertragung vom Untersucher zur Expertenstelle erfolgt im Live-Stream-Verfahren auf den Monitor der Expertenstelle. Per direkter Kommunikation kann der Primäruntersucher angeleitet werden bzw. eine komplette Konsiliarberatung erfolgen.

Technischer Aufbau der Tele-Sonografie-Einheit

ASYSTED© besteht aus einer Untersucher- und einer Expertenkomponente, die über einen Datenkanal miteinander verbunden sind. Die Untersucherkomponente dient der Anbindung des Sonografiegerätes über dessen Videoschnittstelle zur Entgegennahme des Videosignals in Echtzeit. Die Datenkommunikation mit dem Sonografiegerät erfolgt über die dort vorhandene Ethernet-Schnittstelle; hierbei werden DICOM 2 -Bilddateien und/oder –Videodateien übertragen. Alle gängigen Videoschnittstellen und -formate werden von der Untersucherkomponente unterstützt. Somit ist auch eine Entgegennahme und Übertragung von Videosignalen aus anderen Quellen, z. B. von Endoskopen oder radiologischen Komponenten technisch möglich.

Das Verbinden des Sonografiegerätes mit der Untersucherkomponente beeinträchtigt seine Integrität als Medizinprodukt nicht, da dieses nicht verändert wird. ASYSTED© selbst ist daher nach dem Ergebnis der Bewertung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte kein Medizinprodukt oder ein Teil desselben.

Bei dem System zur Videoentgegennahme und –weiterleitung handelt es sich um ein Produkt der SCOTTY™ Group Austria GmbH. Alle IP-fähigen Datenkanäle werden unterstützt. Die Anbindung an Satellitennetzwerke ist ein Schwerpunkt der Produkte, die für den stationären und mobilen Einsatz, u. a. in der Marine und in der Luftfahrt, optimiert wurden. Kameras können angebunden werden.

Die maximale Videoauflösung beträgt 1920 x1080 Pixel (Full-HD). Im Testaufbau wurde die Kommunikation über satelliten-basierte und auch über terrestrische IP-Netze getestet.

Neben der Übertragung des Ultraschallvideos wurde eine Audio-Videoübertragung im Sinne einer Videokonferenz mit der Expertenseite etabliert, indem auf Untersucherseite eine vom Experten fernsteuerbare Kamera an das SCOTTY™-System (Blue-Box) sowohl auf den Untersucher, als auch auf den Patienten ausgerichtet werden kann.

Abb. 1: Schematische Darstellung des ASYSTED© Telesonografie-Systems

Die ASYSTED©-Software zur Anleitung des Untersuchers durch den Experten bietet die Möglichkeit, von Expertenseite sogenannte „Cue-Cards“ aufzurufen, die beim Untersucher auf dem Monitor der Blue-Box angezeigt werden. Diese visualisieren die Positionierung des Schallkopfes bei Beginn von definierten Ultraschalluntersuchungen wie FAST (Focused Assessment with Sonography for Trauma) oder FATE (Focused Assessed Transthoracic Echocardiography). Die Software visualisiert zudem Anweisungen zur Ultraschallkopfführung durch Pfeilsymbole für das Neigen, Rotieren oder Verschieben in unterschiedlichen Richtungen. Dieses Verfahren kann auch als „Arrow-Guiding“ bezeichnet werden, da die Pfeilpiktogramme die jeweilige Richtung anzeigen.

Ist eine korrekte Einstellung des Schallkopfes gefunden, fordert der Experte den Untersucher auf, einen ­Screenshot mit dem Sonografiegerät zu erstellen und als DICOM-Transfer ein verlustfreies Befundbild über die Blue-Box zur Diagnostik an den Experten zu übermitteln.

Auf Expertenseite kommt das gleiche System (ASYSTED©/SCOTTY™ Blue-Box) mit einem Monitor für die Videoübertragung und die Bilddiagnostik zum Einsatz. Die auf der Untersucherseite visualisierten Befehle werden auf Expertenseite mittels eines mehrachsigen Joysticks (Space-Explorer) generiert und ergänzen oder ersetzen die gesprochenen Anweisungen zur Schallkopfführung. Ein Headset dient zusätzlich der akustischen Kommunikation.

Abb. 2: Auf Expertenseite können verschiedene „Startoptionen“ für Untersuchungen definiert werden (oben links), mit denen dem Untersucher die Ausgangsposition des Schallkopfes angezeigt wird (oben rechts) – hier für eine Untersuchung des linken Brustraums. Im Untersuchungsgang kann der Experte über einen Joystick dem Untersucher durch Piktogramme anzeigen, wie er der Schallkopf bewegen soll (untere Reihe).

Implementierung

Entwicklungskonzept und Erfahrungen in der Umsetzung der Telesonografie

Aufbauend auf einem Projektentwurf „Telesonografie“ von Oberstleutnant Prof. Dr. Scheid (Wissenschaftliche Begleitung und Projektentwurf) und Oberstarzt Dr. Neuhoff (Leiter der Konsiliargruppe Allgemeinmedizin) wurde im ersten Ansatz 2017 ein Telesonografiesystem in-door am Standort Cochem aufgebaut und erfolgreich getestet. An freiwilligen Probanden generierte Ultraschallbilder wurden im Life-Stream-Verfahren aus einem Untersuchungszimmer des Sanitätsunterstützungszentrums ­(SanUstgZ) in ein anderes Stockwerk zu einer „Expertenstelle“ transferiert und dort befundet. Ferner wurde erstmals telesonografisch ein Assistenzarzt bei der Anwendung eines für ihn ungeübten Verfahrens (orientierendes Herzecho) angeleitet. Hierbei zeigte sich, dass die Beurteilung der Bildsequenzen schnell und zuverlässig möglich war. Assistenzärzte mit Grundkenntnissen in der Sonografie waren in der Lage, unter Expertenanleitung valide Ultraschallmessungen in bisher ungeübten Untersuchungsverfahren zu generieren. Aufbauend auf diesen ersten erfolgversprechenden Versuchen erfolgte der weitere Ausbau der Telesonografie.

Telesonografie im Inland

Aufbauend auf den Erfahrungen des In-Door-Projektteils im SanUstgZ Cochem wurde über eine Entfernung von ca. 450 km eine telesonografische Verbindung zwischen dem Sanitätsversorgungszentrum (SanVersZ) Daun und einer Expertenstelle in der Klinik für Innere Medizin am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Hamburg eingerichtet. Hierbei wurden im regulären Dienstbetrieb Patienten 3 in regelmäßigen Telesonografiesitzungen untersucht und die Befunde besprochen.

Abdomensonografische Fragestellungen, z. B. Leberstatus bei unklaren Transaminasenerhöhungen, sowie Beurteilung der Nierensituation bei polyzystischen Nieren oder Verlaufskontrollen bekannter Abdominalbefunde standen hierbei im Vordergrund. Die Telesonografiesitzungen waren im Voraus per Mail oder telefonisch geplant und zeitlich terminiert. Eine 24 h-Bereitschaft bestand zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht.

Die regelmäßigen, über ca. insgesamt etwa 6 Monate wiederholt durchgeführten Sitzungen wurden von Untersuchern und beurteilenden Fachärzten als effizient eingestuft. Die Untersuchungsdauer und Konsiliarberatung dauerte hierbei jeweils ca. 15-25 min, in Abhängigkeit von der Fragestellung und der Untersuchungsqualität. Überwiegend wurde in den Sitzungen verbal kommuniziert; das „Arrow-Guiding“-System mit CHAT-Option wurden eher selten benutzt.

Abb. 3: Expertenstelle am BwKrhs Hamburg – Klinik für Innere Medizin

Telesonografie im Einsatz

In einem weiteren Entwicklungsschritt wurde die telesonografische Anbindung der Sanitätseinrichtung des NATO-Einsatzverbandes Enhanced Forward Presence in Rukla (Litauen) getestet. Hierbei übernahm das BwKrhs Hamburg erneut die Aufgabe als Experten- oder Beraterstelle in der fachlichen Betreuung. Der Leitende Sanitätsoffizier des NATO-Einsatzverbandes, Frau Oberfeldarzt Jung, besetzte die Untersucherstelle in Litauen. Sie durchlief in der Klinik für Innere Medizin am BwKrhs Hamburg vor dem Einsatz eine kurze Ultraschall-Refresher-Ausbildung, um die Untersuchungsabläufe zu vertiefen und das System kennenzulernen. Nach problemlosem technischem Aufbau der Untersucherseite mit Unterstützung des S6 Personals wurde am 10. April 2019 eine Telesonografieverbindung geschaltet, bei der neben einer Abdomensonografie auch eine orientierende Herzechodarstellung übertragen wurde.

Untersuchung und die telesonografische Begutachtung konnten ohne Unterschied wie die zuvor im Inland durchgeführten Sitzungen durchgeführt werden.

Abb. 4: Telesonografischer Arbeitsplatz im Rahmen NATO Enhanced Forward Presence in Rukla (Litauen)

Ergebnisse

Die Erkenntnisse aus dem Telesonografieprojekt können wie folgt kurz zusammengefasst werden:

  1. Der Aufbau einer telesonografischen Verbindung war technisch unproblematische und kann in einer überschaubaren Zeit unter Zuhilfenahme von S6 Personal durchgeführt werden.
  2. Der Datentransfer aus dem Auslandseinsatz (in diesem Fall unter Nutzung terrestrischer Leitungen) war problemlos.
  3. Die Datenverschlüsselung mittels einer SINA-Box gewährleistet Datenschutz mit höchstmöglicher Sicherheit.
  4. Die vorhandene Ultraschallkompetenz des Primäruntersuchers ist eine wesentliche Voraussetzung. Je fundierter dessen Ultraschallkenntnisse sind, desto schneller lässt sich die Untersuchung durchführen.
  5. Eine optionale Einweisung in das Telesonografiesystem und eine kurze Ultraschall-Refresher–Ausbildung vor dem Einsatz haben sich als günstig erwiesen.
  6. Die Kommunikation über die Headset-Verbindung erfolgt verzugslos und reicht in den meisten Fällen zur Adjustierung der Ultraschallsonde aus.
  7. Die zusätzlichen Kommunikationsfunktionen „Chat“ und „Arrow-Guiding“ spielen bei funktionsfähiger Audio-Video-Verbindung im Routinebetrieb eher eine untergeordnete Rolle, sind bei Ausfall der Audio-Video-Verbindung als Backup für die Ultraschallanleitung eine gute Unterstützungsoption.

Diskussion

Die über insgesamt mehr als 2 Jahre erfolgte Erprobung des Telesonografiesystem mit der spezifischen Software „ASYSTED II“ im Rahmen eines Pilotprojektes war ein Erfolg; die Funktionalität konnte unter Beweis gestellt werden. Die Tests verliefen sowohl im Inland als auch im Einsatz erfolgreich [2]. Das Konzept wurde militärisch und zivil im In- und Ausland vorgestellt und erhielt bisher von jeder involvierten Seite positive Bewertungen.

Vor- und Nachteile („lessons learned“)

Unter qualitativen Aspekten finden sich sowohl Vor- als auch Nachteile dieses Verfahrens [3]. Insgesamt als positiv zu bewerten ist die Möglichkeit, über große Distanzen eine sehr schnelle und valide Fachexpertise in der Ultraschalldiagnostik zu erhalten. Zusätzlich ist eine „strategische“ medizinische Gesamtberatung für den Einzelfall möglich [1]. Im Rahmen der telemedizinischen Betreuung lassen sich auf Seite der Expertenstelle koordiniert weitere (auch externe) Experten zur Beratung einbinden, um die Beratungsbreite zu verbessern. Der Kostenfaktor für Beschaffung und Betrieb einer telesonografischen Diagnostikeinheit inklusive der Auswertungssoftware liegt nach Schätzungen der Firma SCOTTY™ bei ca. 25 000,- bis 30 000,- € und ist damit, verglichen mit dem diagnostischen Benefit, relativ überschaubar.

Bewertet man die Einflussfaktoren, welche eher als Herausforderung für die Etablierung einer Telesonografieeinheit angesehen werden müssen, so spielt hier die fehlende Zeit- und Personalneutralität eine wesentliche Rolle. In Abhängigkeit von den angebundenen Untersucherstellen und Konsiliaranfragen pro Expertenzentrum darf der Faktor Zeit und Personalbedarf nicht außer Betracht bleiben. Eine permanente Erreichbarkeit am BwKrhs Hamburg wurde aus Ressourcengründen nicht etabliert; diese müsste im Sinne einer Erreichbarkeitsregelung erst noch erarbeitet werden und dürfte von einem Krankenhaus allein nicht zu gewährleisten sein.

Ausbildung und IT-Untersützung

Das Untersucherpersonal profitiert deutlich von einer Refresher-Ausbildung und vor allem von einer strukturierten Einweisung. Auch dies muss in einem zukünftigen Konzept Beachtung finden.

Als weiterer wesentlicher Aspekt ist auch eine zeitnahe technische und IT-Unterstützung durch das S6 Personal essenziell, da es im laufenden Betrieb immer wieder zu kleineren Störungen kam, welche zwar partiell durch das Bedienerpersonal behoben werden konnte, aber auch immer wieder die Unterstützung durch IT-Personal notwendig machte.

Internationale Erfahrungen

Erfahrungen anderer NATO-Partner standen im Vorfeld des Projekts zur Verfügung, ebenso Guidelines, SOPs und Lessons learned (Evidence). Die wissenschaftliche Begleitung (und Evaluation) erfolgte durch den Projektoffizier Telemikrobiologie (Oberstleutnant Prof. Dr. P. Scheid), der als Deutscher Delegierter und Chairman des NATO COMEDS TeleHealth Teams (in der HIST-WG) hier seine internationalen Erfahrungen einbrachte. Das Projekt wurde bereits bei einer Tagung der NATO Health Information Systems and Technology Working Group (HIST-WG) vorgestellt und fand breites Interesse. Insbesondere die zusätzliche grafische Hilfestellung, die ASYSTED© als einziges der in der NATO genutzten Systeme bereitstellt, überzeugte die Delegierten.

Perspektiven für die Nutzung im Inland sowie im Rahmen multinationaler Einsätze

Tele-Health (bzw. E-Health, Digital Health inklusive Telemedizin) ist eine der großen zukunftsträchtigen Errungenschaften in der Medizin mit hohem Innovationspotential. Neben Artificial Intelligence (AI), Internet of Things (IoT) und Big Data ist sicherlich Tele-Health mit allen denkbaren Facetten einer der „big player“ in der Zukunft [4].

Aus dem Bereich Tele-Health generieren sich Lösungen für einige der Herausforderungen, die derzeit und zukünftig noch in stärkerem Maße auf die Streitkräfte zukommen. So dient Tele-Health als „Enabler“ für Fähigkeiten, die ansonsten aus Personalknappheit oder sonstigen Gründen nicht abgebildet werden könnten. Mit Hilfe der Telemedizin kann Expertise dorthin gebracht werden, wo sie nötig ist („Export von Expertise statt Export von Experten“).

Die Sonografie ist ein geradezu optimales Anwendungsgebiet der Telemedizin im Inland wie auch in Auslandseinsätzen; hierzu liegen internationale Erfahrungen vor. Die Patientenfreundlichkeit ist im Wesentlichen durch die Interaktion zwischen Experten und Untersucher (oder auch Patient) trotz räumlicher Distanz gegeben. Telemedizin in der Sonografie ist praktikabel, vermittelt relevante Informationen und zeigt eine hohe Nutzer- und Patientenzufriedenheit – allein schon durch die Vermeidung von Transportaufwand.

Der Benefit (der bereits in der konzeptionellen Arbeitsgrundlage bzw. im Projektentwurf formuliert wurde) ist schnell ersichtlich:

Die fachliche Betreuung der Telesonografie auf der Seite der Expertenstelle könnte (insbesondere bei Nutzung der grafischen Hilfsfunktionen) bei zukünftigen multinationalen Einsätzen auch für andere Nationen (bzw. deren sanitätsdienstliche Einrichtungen im Einsatzland) zur Verfügung gestellt werden. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr könnte so eine Vorreiterrolle im Bereich der telesonografischen Einsatzunterstützung übernehmen. Voraussetzung hierfür ist eine Interoperabilität der telemedizinischen Arbeitsplätze der verschiedenen Nationen, die in der (noch nicht ratifizierten) STANAG 2517 (AMed P 5.3: Development and Implementation of Telemedicine Systems) bereits klar formuliert ist [7]. Die Videokonferenz als „minimum requirement“ ist dabei „gesetzt“, die fachliche Übernahme einer funktionellen Unterstützung durch eine Expertenstelle für alle Sendearbeitsplätze mit Sonografiefunktion wäre tatsächlich ein Novum, würde sie von mehreren Nationen als solche auch genutzt.

Insgesamt ist die Telesonografie ein funktionierendes und nützliches System für die Versorgung von erkrankten Soldaten in der Peripherie im Inland und in räumlich entfernten Auslandseinsätzen, die die Qualität der medizinischen Versorgung unserer Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz, auf See oder generell in schwierigen, räumlich separierten Situationen noch weiter verbessern kann.

Zukunft: Telemedizin-Zentrale?

Ein gleicher oder vergleichbarer Nutzen telemedizinischer Expertensysteme ist auch in zahlreichen anderen Fachgebieten zu erwarten. So empfehlen JAENIG et al. in einem Beitrag zum möglichen Einsatz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) im Rahmen des Patientenlufttransports [5] die Schaffung einer 24/7-erreichbaren telemedizinischen Konsultationsmöglichkeit für den Bereich der Intensivmedizin, um bei Auftreten eines akuten Lungenversagens Expertenrat einholen zu können.

Die Durchführung einer telemedizinischen Konsultation erfordert immer eine Point-to-Point-Verbindung vom Untersucher/Nutzer zum Experten/Provider. Eine 24/7-Erreichbarkeit kann dabei – wie oben gezeigt – nicht durch einen einzelnen „Provider“ gestellt werden, sondern müsste im Wechsel z. B. aus verschiedenen Krankenhäusern/Instituten wahrgenommen werden. Hier würde sich z. B. die Schaffung einer „Telemedizin-Zentrale“ anbieten, die als zentrale 24/7 erreichbare Ansprechstelle die Verbindung des anfragenden Nutzers zum fachspezifischen diensthabenden „Provider“ herstellt.

Kompetenzen bündeln

Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hat Tele-Health einen erheblichen Schub erhalten [5]. Die technischen Möglichkeiten können auch für den Sanitätsdienst genutzt werden. Mit der Telesonografie steht ein erprobtes System für ein breites Anwendungsspektrum zur Verfügung, in zahlreichen Fachgebieten entstehen national und international fast täglich neue Systeme und Anwendungen. Es gilt, die Übersicht zu behalten und Wissen und Erfahrung zu bündeln, auch um die Etablierung zukunftsweisender telemedizinischer Anwendungen zu beschleunigen und dabei Insellösungen zu verhindern. Dieses könnte nach den Erfahrungen der Autoren mit der Implementierung und Erprobung der Telesonografie am ehesten aus einem „Kompetenzzentrum Telemedizin“ im Sanitätsdienst der Bundeswehr heraus gelingen.

Literatur

  1. Becker et al: The Utility of Teleultrasound to Guide Acute Patient Management. Cardiol Rev 2017; 25(3): 97-101. doi: 10.1097/CRD.0000000000000144 mehr lesen
  2. Jänig C, Feyrer R, Fischer S, Schmidbauer W: Wehrmedizinische Relevanz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) – Teil II: Möglichkeiten zur Implementierung einer ECMO-Fähigkeit in das StratAirMedEvac System der Bundeswehr. WMM 2020; 64(12): 417-423 mehr lesen
  3. Marsh-Feiley G, Eadie L , Wilson P: Telesonography in emergency medicine: A systematic review. PLoS One 2018;13(5): e0194840. mehr lesen
  4. Scheid PL: Beitrag von Tele-Health zur „smarten“ Gesundheitsversorgung (Übersichtsarbeit). WMM 2020; 64(5): 146-156. mehr lesen
  5. Scheid PL: Innovation in der Krise: Telemedizin in Zeiten von „Influenza“ und „Corona“; WMM 2020; 64(S1): e11 mehr lesen
  6. Scheit L: Untersucher am Ultraschallkopf in Kabul, Experte in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 2019; 9: C341 – C343. mehr lesen
  7. STANAG 2517: Development and implementation of Telemedicine systems (AMedP 5.3). mehr lesen , letzter Aufruf 29. Septmeber 2020.

 

Interessenkonflikt:

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Scheit L, Lindlar M, Polaschegg M, Scheid PL: Beispiel Telesonografie: Telemedizinische Unterstützung im Sanitätsdienst der Bundeswehr. WMM 2020; 64(12): 431-436.

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Lorenz Scheit

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Klinik für Innere Medizin

Lesserstraße180, 22049 Hamburg

E-Mail: lorenzscheit@bundeswehr.org


1 ASYSTED© ist eine vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Zusammenarbeit mit der Scotty™ Group Austria GmbH entwickelte Software für Telesonografie, die u. a. auf den Telemedizin-Arbeitsplätzen im Sanitätsdienst der Bundeswehr lauffähig ist. Sie erlaubt das Einspeisen von Videosignalen aus nahezu allen in der Bundeswehr eingesetzten Sonografiegeräten bei gleichzeitigem Dialog zwischen Untersucher und Experte.

2 DICOM steht für „Digital Imaging and Communications in Medicine“; es handelt sich um einen offenen Standard zur Speicherung und zum Austausch von Informationen im medizinischen Bilddatenmanagement.

3 Vor einer Untersuchung mit Einsatz der Telesonografie wurde das Einverständnis der Patienten dazu eingeholt, dass ein weiterer „Untersucher“ die jeweils erhobenen Befunde in Echtzeit mitschaut.