Wehrmedizinische Monatsschrift

KLASSISCHE MUSIK TRIFFT MILITÄRMEDIZIN

Ludwig van Beethoven und sein Arzt Johann Adam Schmidt

Ralf Vollmuth a

a Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam

 

Unter den zahlreichen Gedenktagen und Gedenkjahren gibt es sicherlich bedeutende und weniger bedeutende. Zur ersten Kategorie gehört zweifellos das „Beethoven-Jahr“ 2020, in dem nicht nur die Musikwelt, nicht nur seine Geburtsstadt Bonn und seine Hauptwirkungsstätte Wien des 250. Geburtstages eines der größten Komponisten der Musikgeschichte gedachten. Im Mittelpunkt standen Leben und Wirken des genialen Musikers. Nicht allzu bekannt ist der enge Bezug Beethovens zu dem ebenfalls aus Deutschland stammenden Militärarzt Johann Adam Schmidt , der um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des österreichischen Militärsanitätswesens zählte und im folgenden Beitrag vorgestellt wird. 1

Die Beziehung Ludwig van Beethovens (1770 - 1827) zu Johann Adam Schmidt (1759 - 1809) gründet vor allem auf der Krankengeschichte des Komponisten einerseits und andererseits auf Schmidts hohem Ansehen als Arzt. Gemeinhin bekannt ist, dass der 1770 geborene Beethoven bereits als junger Mann, etwa ab dem Jahre 1796, unter ersten Hörstörungen, dann unter zunehmender Schwerhörigkeit litt, die im Laufe seines Lebens zur Taubheit führte. Dies war aber nicht das einzige Leiden des großen Komponisten. Immer wieder war er von Durchfällen, Koliken und chronischen Verdauungsstörungen sowie anderen Symptomen und Erkrankungen geplagt; aus heutiger Sicht deuten die Verdauungsstörungen auf ein Colon irritable, also einen funktionellen Reizdarm hin. Beethoven, der reichlich Alkohol konsumierte, litt schließlich – wie das überlieferte Sektionsprotokoll bezeugt – an Leberzirrhose und einhergehenden Erkrankungen von Milz und Bauchspeicheldrüse. Beethoven, eines der größten Genies der Musikgeschichte, starb am 26. März 1827 an den Folgen dieser Lebererkrankung.

Beethoven war als Patient schwierig, hielt sich nur unzureichend an Verordnungen, beurteilte seine Ärzte sehr kritisch und wechselte sie entsprechend oft. Johann Adam Schmidt betreute Beethoven im Zeitraum von 1801 bis 1808 und scheint bei ihm in gutem Ansehen gestanden zu haben. Negative Äußerungen Beethovens über Schmidt sind nicht überliefert, vielmehr widmete der Patient seinem befreundeten Arzt das 1802/03 entstandene und 1805 publizierte „Trio für Klavier, Klarinette oder Violine und Violoncello (Es-Dur) Opus 38“ (eine Bearbeitung des „Septetts Opus 20“).

Abb. 1: Zeitgenössisches Titelblatt des „Trios für Klavier, Klarinette oder Violine und Violoncello (Es-Dur) Opus 38“, das Beethoven seinem Arzt widmete (with kind permission of J & J Lubrano Music Antiquarians, New York, <www.lubranomusic.com>)

Unter der Bezeichnung „Heiligenstädter Testament“ bekannt geworden ist ein Brief Beethovens, den dieser 1802 während eines Kuraufenthalts in Heiligenstadt bei Wien an seine Brüder verfasst hatte und worin der 31-Jährige seine tiefe Verzweiflung über die fortschreitende Schwerhörigkeit, die zunehmende Isolation und andere soziale Folgen niederschrieb. Beethoven, der gleich zu Beginn des „Heiligenstädter Testaments“ beklagt „O ihr Menschen die ihr mich für feindselig, störisch oder Misantropisch haltet oder erkläret, wie unrecht thut ihr mir, [...]“, legte auch fest, dass Schmidt (der Beethoven zu dieser Kur geraten hatte) seine Krankengeschichte veröffentlichen solle, nicht zuletzt, um wenigstens postum seine zumindest auf den ersten Blick schwierige Persönlichkeit zu erklären. Beethoven schreibt:

„[...] sobald ich tod bin und professor schmid lebt noch, so bittet ihn in meinem Namen, daß er meine Krankheit beschreibe, und dieses hier geschriebene Blatt füget ihr dieser meiner Krankengeschichte bej, damit wenigstens so viel als möglich die welt nach meinem Tode mit mir versöhnt werde [...].“

Ludwig van Beethoven, der das im Nachlass überlieferte „Heiligenstädter Testament“ nie abgesandt hatte, sollte Schmidt jedoch um viele Jahre überleben. – Wer war nun dieser Militärarzt, der heute kaum noch bekannt ist?

Abb. 2: Ludwig van Beethoven (1770 - 1827) um 1804/05 (Gemälde von Josef Willibrord Mähler auf commons.wikimedia.org)

Ausbildung und erste berufliche Stationen

Viele Informationen über sein Leben und seinen Werdegang hat Johann Adam Schmidt, der am 12. Oktober 1759 in Aub, einer kleinen Stadt in der Nähe von Würzburg, geboren wurde, in einer informativen, an vielen Stellen ironisch-heiter formulierten „Selbstbiographie“ hinterlassen. Der angesehene Würzburger Oberwundarzt und Professor für Anatomie, Chirurgie und Physiologie Johann Barthel von Siebold (1774 - 1814) hatte die Autobiographie Schmidts im Oktober 1807 von diesem erhalten und nach dessen Tod, mit einem Nachtrag versehen, veröffentlicht.

Recht launig beschreibt Schmidt die beruflichen Weichenstellungen und seine ersten Erfahrungen während der Ausbildung in Würzburg:

„Seine [also Schmidts] philosophischen Studien an der Universität zu Würzburg fortzusetzen, erlaubten ihm die Vermögensumstände seiner Eltern nicht. Den Trieb, Mahler zu werden, wiesen die Eltern dadurch zurück, daß diese Kunst ihren Mann nur selten nähre. Chirurgie an dem Hofe zu Würzburg zu erlernen wurde festgesetzt, als der Hof des Fürsten einmahl vier Wochen in Aub war. Der vierzehnjährige Junge fand sich auf einmahl in großen Zimmern zu Würzburg, und als man ihn einheimisch genug gemacht hatte, trat man hervor, ihm begreiflich zu machen, daß das Erlernen der Chirurgie mit dem Bartputzen seinen Anfang nehme. Um die guten Eltern, welche dieses saubere Studium doch ein in Bezug auf ihr Vermögen bedeutendes Stück Geld kostete, nicht zu kränken, entfloh er nicht, wie er sich doch oft getrieben fand. Ohne Lust und Interesse hörte er die anatomischen und chirurgischen Vorlesungen C. C. v. Siebold’s, wohl auch manchmahl von ihm einen Privatcurs über Bandagen, Knochenkrankheiten und Operationen; lernte übrigens mit den Hofpagen Reiten, Fechten und Tanzen, trieb sich mit den Studenten herum, zumahl bey musicalischen Gelagen, lernte nebenbey etwas französisch, und machte sich so, beschirmt von dem Schutzgeiste der Sittlichkeit, unverdorben im achtzehnten Jahre aus seinem Vaterlande, das ihn eben so wenig begünstigt als bemerkt hatte, hinweg.“

Schmidt ging nach Prag und wurde zunächst 1778 im Bayerischen Erbfolgekrieg Unterchirurgus. 1779, nach Kriegsende, verlegte sein Regiment nach Wien, wo der junge Schmidt seine Ausbildung weiterführte. Neben philosophischen Studien vertiefte er seine medizinische und chirurgische Ausbildung in Vorlesungen und Kollegien wie auch im Selbststudium.

Anmerkungen zum Josephinum und zum ­österreichischen Militärsanitätswesen

Für den Werdegang von Johann Adam Schmidt von großer Bedeutung war eine Einrichtung, bei deren Entstehung und Entwicklung er umgekehrt ebenfalls eine ­gewichtige Rolle spielte: die medizinisch-chirurgische Josephs-Akademie in Wien, kurz Josephinum genannt, die ein wichtiger Baustein bei der Reformierung des ­Sanitätswesens war. Das Militärsanitäts- und Lazarettwesen in Europa hatte mit den stehenden Heeren im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts immer komplexere Strukturen entwickelt; es wurden entsprechende Regelungen erlassen, die Militärmedizin etablierte sich – neben der Kriegschirurgie – zunehmend als Spezialfach, was sich unter anderem auch in der Vielfalt an Schriften über Feldkrankheiten, die Militärpharmakopöen u. ä. zeigt. Und das militärärztliche Ausbildungswesen erhielt in vielen Staaten, so auch in Österreich, durch diese Entwicklungen im Zeitalter der Aufklärung wesentliche Impulse.

Trotz dieses allgemeinen Aufbruchs befand sich das ­österreichische Sanitätswesen noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts in keinem sonderlich guten Zustand. Die Chirurgen, vielfach einfache Bader und Barbiere, waren oft nur unzureichend ausgebildet. Akademisch gebildete Ärzte waren kaum verfügbar, und die damalige Trennung von Medizin und Chirurgie war der Errichtung eines strukturierten und suffizienten Sanitätswesens alles andere als förderlich.

Diese Missstände waren offensichtlich und bereits unter der Habsburger Herrscherin Maria Theresia (1717 - 1780) und ihrem Leibarzt und Berater Gerard van ­Swieten (1700 - 1772) wurden gezielte Anstrengungen unternommen, um das Militärsanitätswesen zu reformieren und die augenscheinlichen Mängel in den Griff zu bekommen. So wurden die Qualifikationsmerkmale und -anforderungen erhöht sowie die Stellung und die Laufbahn der Ärzte und Wundärzte aufgewertet, um die Attraktivität für entsprechend qualifiziertes Personal zu steigern; die Verantwortlichkeit wurde bei Gerard van Swieten gebündelt und es wurde eine Feldspitalordnung erlassen, um nur einige Beispiele zu nennen. Gleichwohl war diesen Bemühungen zunächst nur wenig Erfolg beschieden.

Wirkungsstärker waren hingegen die Reformen unter dem viel mehr als seine Mutter von dem Gedankengut der Aufklärung geprägten Kaiser Joseph II. (1741 - 1790) und dessen Leibarzt Giovanni Alessandro Brambilla (1728 - 1800) in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Brambilla hatte 1779 die Leitung des ­Militärsanitätswesens übernommen und auf sein Betreiben wie auch unter seiner Ägide wurden neben einer ganzen Reihe weiterer Reformen die bestehenden Strukturen zur Ausbildung von Militärchirurgen weiterent­wickelt und schließlich 1785 die medizinisch-chirurgische Josephs-Akademie gegründet.

Dort konnten die Chirurgen eine strukturierte und qualifizierte Ausbildung durchlaufen und durch entsprechende Verordnungen im Vor- und Umfeld der Gründung der Akademie wurde auch das chirurgische Studium als freies Studium anerkannt und den Absolventen die Promotion zum Doktor der Chirurgie ermöglicht, womit eine Gleichstellung mit den „Medicis“ einherging. Das Josephinum, das bis zu seiner endgültigen Schließung im Jahre 1874 eine wechselvolle Geschichte durchlebte und heute das Wiener Institut für Geschichte der Medizin mit seinen eindrucksvollen Sammlungen beherbergt, trug bei aller Kritik an der eindeutig chirurgischen Ausrichtung dieser Akademie zweifellos wesentlich zur fachlichen Aufwertung und der Emanzipation der Chirurgie und dadurch zur Überwindung der Trennung von Medizin und Chirurgie bei. – Übrigens hatte Johann Friedrich Goercke (1750 - 1822), der 1795, also 10 Jahre nach der Eröffnung des Josephinums, die Pépinière gründen sollte, auf seinen Studienreisen im Jahre 1789 für einige Monate in Wien geweilt, und man kann davon ausgehen, dass ihn der Anschauungsunterricht im Josephinum, die Bekanntschaft mit Brambilla und möglicherweise auch ein ­Zusammentreffen mit Kaiser Joseph II. hinsichtlich der Gestaltung des preußischen Sanitätsdienstes beeinflusst hat.

Johann Adam Schmidt als Reformer des ­Militärsanitätswesens

An diesen Reformen des österreichischen Militärsanitätswesens sollte Johann Adam Schmidt im Lauf der nächsten Jahre und Jahrzehnte einen nicht unwesentlichen Anteil haben: Unter dem Pseudonym J. Madatdimsch (also ein Anagramm bzw. Ananym seines Namens) verfasste er im Jahre 1782 eine Schrift „Wundärzte und Badere. Ein offenherziger Briefwechsel zwischen einigen Freunden“, die 1783 erschien. In Form fiktiver Briefe, die – wie Schmidt selbst schreibt – „als Worte zu rechter Zeit ihre Wirkung nicht verfehlten“, kritisierte Schmidt die bestehende wundärztliche Versorgung, wodurch sowohl ­Johann Nepomuk Hunczovsky (1752 - 1798), der an der bestehenden medizinisch-chirurgischen Schule für Feldchirurgen lehrte, als auch der Chef des österreichischen Feldsanitätswesens Giovanni Alessandro Brambilla auf ihn aufmerksam geworden seien, „ohne daß es dessen [Schmidts] eigentliche Absicht war“.

Abb. 3: Titelblatt der Schrift „Wundärzte und Badere. Ein offenherziger Briefwechsel zwischen einigen Freunden“, die Johann Adam Schmidt 1783 unter dem Namen J. Madatdimsch veröffentlichte.

Brambilla, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das österreichische Militärsanitätswesen zu reformieren, holte den jungen Schmidt von dessen Regiment als „Secretär für die Sanitätsgeschäfte der Armee“ in seinen Wirkungskreis. Während Brambilla gemeinhin – wohl auch zu Recht – als Förderer Schmidts dargestellt wird, scheint Schmidt dies, zumindest was die Umstände seines Dienstes unter Brambilla angeht, anders empfunden zu haben. Wie Schmidt schreibt, erfolgte die Versetzung zu Brambilla „gegen seinen Wunsch und Willen“, und er spricht von einer „fünfjährige[n] Leidensperiode, an die noch jetzt Schmidt ohne Entsetzen nicht zurückdenken kann, und in welcher er fast seinen Verstand verloren hätte“. Schmidt war nicht nur in einer Zeit der Errichtung der Josephs-Akademie und der Erneuerung des Militärsanitätswesens an zentraler Stelle die rechte Hand Brambillas, sondern übersetzte auch dessen Konzepte, Verordnungen und Publikationen aus dem Italienischen ins Deutsche und fasste eigene Publikationen ab – wie er scherzhaft, aber wohl nicht ohne ein Fünkchen Wahrheit formuliert, die „Werke der Knechtschaft“.

Der gerade einmal 24-jährige Arzt war also von seinem höchsten Vorgesetzten, der das Talent erkannt hatte, in eine wichtige Funktion – heute würden wir sagen: eine Verwendung im Bereich Organisation und Führung – gezwungen worden, die er selbst aber offenbar nur widerwillig versah. Schmidt führt in seiner Selbstbiographie, wie immer in der dritten Person, hierüber aus:

„Nimmt man hinzu, daß die Errichtung der Josephs-Akademie, die Reformation der ganzen feldärztlichen Branche ganz in den Zeitraum von 1783 bis 1788 fiel, und daß im Jahre 1788 auch der Türken-Krieg ausbrach, ferner daß vom Bureau des Protochirurgus aus das ganze feldärztliche Wesen der Armee geleitet werden mußte, daß der officielle Verkehr mit dem Hofkriegsrath und mit den commandirenden Generalen in den Provinzen, mit den Stabs- und Regimentsärzten in der Armee ebenfalls von diesem Bureau ausging, und daß der Secretär ein für alle Mahl die ganze officielle Correspondenz führen mußte; so kann man leicht begreifen, wie die kräftigste und gewandteste Natur durch ein solches fünfjähriges Leben abgenützt wurde. Nichts hielt den jungen gemarterten und ganz in einen Kanzleymann verwandelten Mann aufrecht, als die Hoffnung, vom Kaiser Joseph II., der es ihm persönlich versprochen hatte, auf eine gelehrte Reise nach Deutschland, Frankreich, England und Italien geschickt zu werden.“

Diese Reise kam nicht zustande, da Schmidt für Brambilla unabkömmlich war, und im dritten Jahr seiner Verwendung bei Brambilla reisten an seiner Stelle zwei andere, weshalb Schmidt, wie er ausführt, „eine fürchterliche Melancholie [ergriff], die in das heftigste Nervenfieber ausschlug“. Und er fährt fort:

„Schmidt genas unter der tröstlichen Pflege seiner Freunde Göpferth und W. J. Schmitt, um seinem Sclavendienste noch zwey Jahre lang unterworfen zu werden.“

Im August 1788 war es soweit: Schmidt konnte diese für ihn ungeliebte Verwendung hinter sich lassen und wechselte als außerordentlicher Lehrer für Anatomie und ­Chirurgie sowie als Prosektor an die Josephs-Akademie; hier wurde er im Jahre 1789 zum Doktor der Chirurgie promoviert. Schmidt erhielt eine zweijährige ophthalmologische Ausbildung bei dem bekannten Wiener Anatomen und Augenarzt Joseph Barth (1745 - 1818) und gründete 1792 eine „Curanstalt für arme Augenkranke“. Johann Adam Schmidt war in diesem Fachgebiet aber nicht nur praktisch tätig, sondern trug auch durch seine Publikationen zur Entwicklung der Augenheilkunde bei. So veröffentlichte er 1801 ein Buch „Über Nachstaar und Iritis nach Staar-Operationen“ und 1803 das Werk „Über die Krankheiten des Thränen-Organs“, um diese Facette von Schmidts Wirken, das von Frank Krogmann aufgearbeitet wurde, nur anzureißen.

Abb. 4: Der Militärarzt Johann Adam Schmidt (1759 - 1809) (Stich von J. Putz nach einem Portrait von Josef Anton Kapeller; Wellcome Library)

Der Aufstieg und das jä he Ende einer ­außergewöhnlichen Karriere

Ab 1794 wirkte Johann Adam Schmidt als Mitglied und Sekretär einer eigens dafür berufenen Kommission maßgeblich an Reformen des Militärsanitätswesens, des ­Ausbildungswesens sowie der Erarbeitung und Einführung einer neuen Militärpharmakopoe sowie bei ähn­lichen Aufgaben mit und wurde nicht zuletzt aufgrund dieser Verdienste im Jahre 1795 zum ordentlichen Professor für Anatomie ernannt. Im folgenden Jahr 1796 wurde Schmidt Professor der Pathologie, Therapie und Materia Medica und unterrichtete auch Augenheilkunde und ­Syphilodologie. In den napoleonischen Kriegen ­wurde er schließlich als substituierter Oberst-Feldarzt mit der Verantwortung über das Militärsanitätswesen in den ­österreichischen Provinzen und der Armee in Italien ­betraut.

Schmidts Erfahrungen und Kompetenzen sollten auch in den folgenden Jahren in die strukturellen Veränderungen des österreichischen Militärsanitätswesens einfließen. 1798 wirkte er als Beisitzer einer Militärhofkommission wiederum an der Reformierung des Feldhospital- und Militärsanitätswesens mit. Und von 1802 bis 1805 erarbeitete er auf Weisung des Kriegsministers Erzherzog Karl eine Sammlung der Feldsanitätsnormalien (unter „Normalien“ sind Vorschriften, Regeln zu verstehen). Schmidt empfand seine fordernden Tätigkeiten oftmals als außerordentlich strapaziös und zeigte, wie er in seiner „Selbstbiographie“ mehrmals beschreibt, auch immer wieder ernstliche körperliche Beschwerden.

Andererseits sollten sein Wirken und seine Verdienste – nicht nur durch Beethoven in Form eines Musik­stückes – in höchstem Maße gewürdigt werden. So wurde dem aus Unterfranken stammenden Johann Adam Schmidt im Jahre 1807 von der Medizinischen Fakultät der Julius-Universität Würzburg die Ehrendoktorwürde der Medizin und Chirurgie verliehen. Im Februar 1809 schließlich wurde Schmidt durch Kaiser Franz I. (1768 - 1835) zum Mitreferenten des Sanitätsdepartements beim Hofkriegsrat ernannt und rückte damit endgültig in die erste Reihe auf. Er konnte diese ehrenvolle Stelle jedoch nicht mehr antreten, da er am 19. Februar 1809 an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb. Vielleicht ist in diesem frühen Tod einer der Gründe zu sehen, weshalb Johann Adam Schmidt im historischen Bewusstsein heute kaum noch präsent ist.

Verfasser

Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth

Zentrum für Militärgeschichte und
Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Zeppelinstr. 127/128, 14471 Potsdam

E-Mail: ralf1vollmuth@bundeswehr.org

 


1 Dieser Artikel basiert, teilweise überarbeitet, auf dem Beitrag: Frank Krogmann und Ralf Vollmuth, Ein bedeutender Sohn Aubs. Der Militärarzt und Ophthalmologe Johann Adam Schmidt (1759 - 1809), Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 28 (2009), S. 353 - 374, hier dem ersten Teil von Ralf Vollmuth Schmidts Lebenslauf und Wirken als Militärarzt“, S. 354 - 361; im zweiten Abschnitt Schmidts medizinisches Werk und seine Bedeutung für die Augenheilkunde bearbeitete Frank Krogmann Schmidts ophthalmologisches Wirken (S. 361 - 369).