Wehrmedizinische Monatsschrift

ARTIKELSERIE „ECMO IN DER WEHRMEDIZIN“

Wehrmedizinische Relevanz der Extrakorporalen
Membranoxygenierung (ECMO) – Teil III: Externer Einsatz eines herzchirurgischen Notfallteams bei Herzperforation

Relevance of ECMO in military medicine –
Part II: Deployment of
a cardiac surgery team in cardiac perforation

Sebastian F. Fischera, Daniel Bredenköttera, Thomas Lenzb, Christoph Jäniga

a BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik X – Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin

b BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz, Klinik XVII – Herzchirurgie

 

Zusammenfassung

Das BundeswehrZentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz betreibt in Kooperation mit dem Land Rheinland-Pfalz eine herzchirurgische Abteilung und stellt neben Elektivchirurgie auch die zeitnahe Versorgung von herzchirurgischen Notfällen der Bevölkerung im nördlichen Rheinland-Pfalz sicher.

Dazu steht 24/7 ein Team bereit, welches herzchirurgische Eingriffe mit Herzlungenmaschine (HLM) in zwei speziell dafür eingerichteten Sälen im Zentral-OP des BwZKrhs Koblenz durchführt. Weiterhin wird mobiler extrakorporaler Life Support (ECLS) sowie Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) für zivile Krankenhäuser im Umfeld angeboten.

Wir berichten aus Sicht der Anästhesiologie von einem externen Einsatz des herzchirurgischen Teams samt Mobilisierung von Großgerät zur Versorgung eines nicht transportfähigen Patienten mit Herzperforation im Vorhofbereich.

Schlüsselwörter: Herzchirurgie, Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), extrakorporaler Life Support (ECLS)

Summary

In cooperation with the state of Rhineland-Palatinate the Bundeswehr Central Hospital Koblenz operates a department for cardiac surgery, providing elective and emergency cardiac surgery even for treatment of civilian patients in the regional area of responsibility.

A team with expertise on running a heart-lung machine is on call (24/7) to perform cardiac surgery in two specially equipped operation rooms.

Furthermore, mobile extracorporeal life support (ECLS) and extracorporeal membrane oxygenation (ECMO) systems are permanently available to assist surgeons in nearby hospitals on short notice.

We report on a deployment of acardiac surgery team including large-scale medical equipment for a patient suffering of myocardial rupture of the left atrium.

Keywords: cardiac surgery,extracorporeal Life Support (ECLS), extracorporeal membrane oxygenation (ECMO)

Fallbeschreibung

Vorgeschichte im externen Krankenhaus

In einer wenige Kilometer vom BwZKrhs Koblenz entfernten Klinik unterzog sich ein 70-jähriger Patient einer transkutanen Okklusion des linken Vorhofohres (LAA-Okklusion) per Herzkatheter. Ziel dieses Verfahrens ist es, durch den Verschluss des Vorhofohrs mit einem Drahtschirmchen den Blutfluss zu unterbinden und damit die Bildung von Thromben zu vermeiden. Daher wird das Verfahren bei Patienten mit Vorhofflimmern angewendet, bei denen eine Antikoagulation vermieden werden soll. Der interventionelle Zugang zum linken Vorhof erfolgt dabei über die Vena femoralis transseptal durch den rechten Vorhof.

Im Rahmen der transseptalen Punktion kam es um ca. 11:35 Uhr zu einer akzidentiellen Perforation im Bereich der Vorhöfe mit zunehmendem Perikarderguss. Trotz rascher Perikardpunktion mit Absaugen von über 300 ml Blut stabilisierte sich der Patient nicht, so dass eine Notfalltransfusion von ungekreuzten Erythrozytenkonzentraten (EK) und eine eskalierende Katecholamintherapie begonnen wurden. Bei zunehmenden Blutmengen, die über die Perikarddrainge gefördert wurden, und hämodynamischer Destabilisierung bis zur Reanimationspflichtigkeit erfolgte durch einen Chirurgen des externen Krankenhauses eine Not-Thorakotomie. Die Blutung konnte mittels manueller Kompression vorerst kontrolliert werden. Der Patient blieb jedoch kardial dekompensiert und war immer wieder reanimationspflichtig, so dass die Kontaktaufnahme mit der Herzchirurgie des BwZKrhs erfolgte.

Einsatz des Notfallteams

Alarmierung und Verlegung

Gegen 12:00 Uhr erreichte das Hilfeersuchen den diensthabenden Herzchirurgen. Nach kurzer Besprechung der Situation wurden das Team (Abbildung 1) und das benötigte Material zusammengestellt und auf Fahrzeuge des Rettungszentrums sowie ein Transporrtfahrzeug verladen, so dass bereits gegen 12:30 Uhr der Transfer in die andere Klinik erfolgte.

Abb. 1: Zusammensetzung des herzchirurgischen Notfallteams

Trotz des organisatorischen Aufwandes (siehe Abbildung 2) insbesondere bei der Verlegung der sperrigen HLM (Modell S5, Fa. Sorin, München) und des Gerätes zur Maschinellen Auto-Transfusion (MAT; Modell xTra, Fa. Sorin, München) war das Team zügig vor Ort und wurde von dem behandelnden kardiologischen, anästhesiologischen und chirurgischen Team empfangen.

Abb. 2: Gerät zur Maschinellen Autotransfusion Sorin® xTra (links), Herzlungenmaschine Sorin® S5 (rechts)

Notfalleingriff

Um 12:58 Uhr konnte der Patient im externen Krankenhaus mittels direkter Kanülierung der Aorta aszendens und des rechten Vorhofes an die HLM angeschlossen und damit vorerst stabilisiert werden. Eine Herausforderung war dabei, dass der Herzkatheterarbeitsplatz nur ca. ein Drittel des im Herz-OP gewohnten Raumes bot (Abbildung 3).

Abb. 3: Beengte Verhältnisse im Herzkatheter-Labor des auswärtigen Krankenhauses: Die Teams aus beiden Kliniken arbeiteten Hand in Hand; links im Bild sind die aus dem BwZKrhs verlegte HLM und MAT (gelber Pfeil) erkennbar.

Als Blutungsquelle fand sich eine Perforation des linken Vorhofes im schwer zuganglichen Bereich der Klappenebene. Die Blutungskontrolle gelang schließlich durch mehrfaches Übernähen und Einsatz von Hämostyptika. Parallel erfolgte eine Massivtransfusion mit weiteren 8 EK und insgesamt 1,9 l gewaschenen Patientenerythrozyten aus der MAT.

Die anschließende Entwöhnung von der HLM gestaltete sich schwierig, da bei dem Patienten nicht nur das chronische Vorhofflimmern und eine eingeschränkte Pumpfunktion vorlagen, sondern insbesondere auch eine hochgradige Mitralklappeninsuffizienz mit Rechtsherzdekompensation bestand, welche durch die Transfusionstherapie exazerbierte (Abbildung 4).

Abb. 4: Darstellung der Mitralklappeninsuffizienz in der TEE (LA = linkes Atrium, LV = Linker Ventrikel)

Unter Monitoring mit transösophagealer Echokardiografie (TEE) wurde eine hochdosierte Therapie mit Inotropika und Inodilatoren begonnen, unter der die Entwöhnung von der HLM schließlich um 14:28 Uhr gelang.

Problem: Gerinnung

Als nächste Herausforderung stellte sich die derangierte Blutgerinnung dar: Es bestand die unglückliche Kombination einer vorbestehenden Antikoagulation mit dualer Plättchenhemmung nach Implantation eines Drug Eluting Stents 30 Tage vor dem aktuellen Ereignis, einer erst seit 48 h pausierten Phenprocoumon-Therapie bei Vorhofflimmern und der durch den Blutverlust mit nachfolgender Massivtransfusion induzierten Koagulopathie. Diese wurde zudem durch die mechanische Belastung der korpuskulären Blutbestandteile im Rahmen der HLM-Therapie aggraviert.

Als Point-of-Care-Tests standen zum Gerinnungsmonitoring vor Ort nur Blutgasanalysen und die „Activated Clotting Time“ (ACT), bestimmbar mit den im i-Stat One® Handgerät, sowie das erfahrene Auge des Herzchirurgen am offenen Thorax zur Verfügung. So musste eine empirische Gerinnungstherapie einschließlich Fibrinogen und Prothrombinkomplex-Konzentrat (PPSB) erfolgen. Thrombozytenkonzentrate waren nicht verfügbar. Aufgrund des insgesamt schon hohen Volumenumsatzes mit MAT-Blut und EK kam eine zusätzliche Gabe von Plasma in dieser speziellen Situation nicht in Frage, da das applizierte zusätzliche Volumen die bereits bestehende rechtsventrikuläre Dekompensation und Mitralinsuffizienz im Sinne eines „transfusion associated circulatory overload“ (TACO) weiter verschlechtert hätte.

Verlegung ins BwZKrhs Koblenz

Um 16:30 Uhr konnte der Thorax bei ausreichender Blutstillung verschlossen werden.

Der Intensivtransport des Patienten auf die anästhesiologisch geführte Intensivstation des BwZKrhs erfolgte durch das Kardioanästhesie-Team und endete mit der Übergabe des Patienten um 17:18 Uhr an das Team der Intensivstation.

Der Gesamtablauf ist in Abbildung 5 noch einmal zusammengefasst.

Abb. 5: Zeitlicher Ablauf des Einsatzes

Intensivmedizinische Therapie im BwZKrhs Koblenz

Unter fortgesetzter tiefer Analgosedierung erfolgte die Kreislaufstabilisierung des Patienten bei anfangs deutlich erhöhtem Katecholaminbedarf (Adrenalin 0,5 µg/KG/min; Noradrenalin 0,01 µg/KG/min) und ausgeprägter Laktatazidose mittels differenzierter Katecholamin- und bilanzierter Volumentherapie unter Zuhilfenahme des PiCCO®-­Monitorings 1 (bei Kontraindikation für Pulmonaliskatheter) und der TEE. Die ­während des Eingriffs ­begonnene ­Gerinnungstherapie wurde bei signifikant fördernden Drainagen unter Monitoring mit Rotationsthrombelastometrie (ROTEM®) und Thrombozytenfunktionstest ­(Multiplate®) mit der Transfusion von Erythro­zytenkonzentraten, Thrombozytenkonzentraten und Gerinnungsfaktorkonzentraten (PPSB) ergänzt.

Bei initial vorliegendem kardiogenen Lungenödem und mittelschwer ausgeprägter Oxygenierungsstörung erfolgte die invasive lungenprotektive Beatmung unter adäquat titriertem PEEP. Bei postoperativem akuten anurischen Nierenversagen (AKIN Stadium 3) wurde eine kontinuierliche Nierenersatztherapie (CVVHDF-Therapie) begonnen. Neben Stressulcus- und Thromboseprophylaxe wurde eine enterale Ernährungstherapie begonnen. Aufgrund des zu erwartenden schwierigen Weanings wurde am 7. Tag eine perkutane Dilatationstracheotomie durchgeführt und anschließend das Weaning des Patienten forciert.

Im weiteren Verlauf entwickelte der Patient ein postoperatives Delir, welches sich unter supportiver und medikamentöser Therapie rasch besserte. Unter sukzessiver kardiopulmonaler Stabilisierung konnte die differenzierte Katecholamintherapie am 15. Tag beendet werden. Eine medikamentöse Herzinsuffizienztherapie wurde etabliert. Bei intermittierend auftretendem tachykardem Vorhofflimmern wurde eine rhythmus-kontrollierende Therapie mit Amiodaron begonnen. Bei sich erholender Nierenfunktion konnte die kontinuierliche Nierenersatztherapie am 17. postoperativenTag beendet werden.

Nach 24 Tagen Intensivtherapie konnte der Patient katecholaminfrei, orientiert und ohne neurologische Defizite mit reizlosen Wundverhältnissen in eine Beatmungs-Weaning-Klinik verlegt werden.

Diskussion und Fazit

Das herzchirurgische Team des BwZKrhs besteht sowohl aus zivilen als auch militärischem Personal und stellt die Versorgung normalerweise in zwei speziell dafür eingerichteten OP-Sälen sicher. Für die herzchirurgische Notfallversorgung stehen dabei im BwZKrhs eine Reihe von spezialisierten Ressourcen zur Verfügung von denen nur einige Anteile verlastbar sind (siehe Tabelle 1).

Tab. 1: Materialübersicht für die Kardioanästhesie

Nur die hellgrün hinterlegten Materialien sind normalerweise verlastbar

Für den Transport von kardiopulmonal dekompensierten Patienten aus externen Krankenhäusern in das BwZKrhs steht grundsätzlich ein mobiles herzchirugisches Notfallteam (klinikintern „ECMO-Team“ genannt) durchgehend (24/7) in Bereitschaft.

Für dieses Team stehen mehrere mobile HLM vom Typ Maquet Cardiohelp® mit Transportzulassung zur Verfügung (Abbildung 6). Diese turbinengetriebenen Geräte sind ideal für die Versorgung von Patienten mit Lungen- und bzw. oder Herzversagen geeignet und für den mehrtägigen Einsatz indikationsspezifisch zur ECMO bzw. zum ECLS zugelassen. Für die Versorgung einer akuten Herzperforation wie in diesem Fallbericht sind diese Geräte konstruktionsbedingt ungeeignet, da ein Maschinensauger, ein Reservoir und der Luftabscheider einer vollwertigen HLM fehlen.

Seit der Implementierung des „ECMO-Teams“ im Jahr 2018 konnten bis November 2020 17 Patienten extern versorgt und transportiert werden.

Abb. 6: Vergleich einer vollwertigen HLM (Sorin® s5, links) und einer mobilen HLM (Maquet Cardiohelp®, rechts)

Die aus diesen Transporten und Patientenversorgungen gewonnenen Erfahrungen bedeuten im wehrmedizinischen Kontext für den Bereich des strategischen ­Verwundetentransportes Fähig- und Fertigkeiten, welche – speziell im Fall möglicher verzögerter Patientenrückführungen (sog. „delayed evacuation care“) – eine zusätzliche Handlungsoption bieten.

Der Patient aus diesem Fallbericht war bei intermittierender Reanimation, offenem Thorax und nur provisorisch gestillter Blutung aus den oben genannten Gründen mit dem Cardiohelp®-System nicht transportfähig. In dieser Notstandssituation wurde zu seiner Rettung als Ultima Ratio eine vollwertige HLM im Lkw mitgeführt, die für einen solchen Transport mit anschließendem Betrieb in dieser Form jedoch nicht zugelassen ist. Nach Rückkehr der Maschine in das BwZKrhs musste das Gerät deshalb gesperrt und durch den Hersteller wiederaufbereitet werden.

Durch die regelmäßige Versorgung herzchirurgischer Notfallpatienten erwirbt das Personal des BwZKrhs eine im Sanitätsdienst einzigartige Expertise im regelmäßigen Management von wehrmedizinisch höchstrelevanten Krankheitsbildern, wie z. B. dem hämorrhagischen Schock mit notwendiger Massentransfusion, Perikardtamponaden mit notwendigen Notfallthorakotomien, ­erworbenen Gerinnungsstörungen und deren Management, Fällen von tiefer Hypothermie, Hämato­pneumo­thoraces und komplexen intensivmedizinischen Verläufen.

Im dargestellten Fall konnte auch die militärische Expertise der teilnehmenden Soldaten in die Lage einfließen: Die Kombination von ad hoc zusammengestellten Teams in fremder Umgebung mit teils unbekannten Medizingeräten und suboptimalen Ressourcen ist eine aus multinationalen Einsätzen bekannte Herausforderung.

Kernaussagen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Fischer SF, Bredenkötter D, Lenz T, Jänig C: Wehrmedizinische Relevanz der Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) – Teil III: Externer Einsatz eines herzchirurgischen Notfallteams bei Herzperforation. WMM 2021; 65(1): 13-17.

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Sebastian F. Fischer, DESA

BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz

Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin

Rübenacher Str.170, 56072 Koblenz

E-Mail:sebastianflorianfischer@bundeswehr.org

Manuscript data

Citation

Fischer SF, Bredenkoetter D, Lenz T, Jaenig C: Relevance of ECMO in military medicine – Part II: Deployment of a cardiac surgery team in cardiac perforation. WMM 2021; 65(1): 13-17.

For the authors

Lieutenant Colonel (MC) Dr. Sebastian F. Fischer, DESA

Bundeswehr Central Hospital Koblenz

Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin

Rübenacher Str.170, 56072 Koblenz

E-Mail:sebastianflorianfischer@bundeswehr.org


1 PiCCO = Pulse Contour Cardiac Output