Wehrmedizinische Monatsschrift

Gelungener Spagat

Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V.:

51. Jahreskongress am 23. und 24. Oktober 2020 in
Rostock-Warnemünde unter strengen Hygieneregeln

Am 23. und 24. Oktober 2020 fand im Kongresszentrum Rostock-Warnemünde der 51. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP e. V.) statt. Corona-bedingt unterlag der Kongress einem sehr ambitionierten Hygienekonzept – mit hohem Anspruch an die Disziplin aller Tagungsteilnehmenden; das Hausrecht oblag dem Kongresspräsidenten, Admiralarzt Dr. Stephan Apel.

Admiralarzt Dr. Stephan Apel, Kongresspräsident des 51. Jahreskongresses, wies einleitend noch einmal auf die Einhaltung der strengen Hygieneregeln hin.

Dass die Bedeutung und die Aktualität des Kongress-Leitthemas – „Sanitätsdienst im Spagat zwischen Landesverteidigung und Krisenbewältigung“ – in Bezug auf die Pandemiebekämpfung so real für alle fassbar wurde, war bei der bereits im Jahre 2019 begonnenen Planung für niemanden absehbar. Vieles bei der Durchführung des Kongresses war anders als gewohnt. Maskenpflicht, Abstandsgebot, regelmäßige Händedesinfektion und Ehrungen sowie Preisverleihungen ohne den obligatorischen Händedruck – das in der Verantwortung des Kongresspräsidenten mit den zuständigen Gesundheitsbehörden abgestimmte Hygienekonzept wurde konsequent eingehalten und machte die Veranstaltung auch unter diesen besonderen Bedingungen sicher durchführbar.

Insgesamt 259 Teilnehmende hatten den Weg an die Ostsee gefunden. Sie erwartete ein fachlich anspruchsvolles Vortrags- und Posterprogramm, Workshops und den Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis. In der begleitenden Industrieausstellung zeigten 39 Aussteller ihre wehrmedizinisch relevanten Innovationen.

Feierliche Kongresseröffnung an der Warnow

Am Freitag, den 23. Oktober 2020, um 8:00 Uhr begrüßte der Präsident der DGWMP e. V., Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, im Rahmen der feierlichen Kongresseröffnung die Teilnehmenden, darunter hochrangige Gäste aus Politik, Wissenschaft, Standespolitik sowie aus der Bundeswehr. Vorausgegangen war eine musikalische Eröffnung, dargeboten von einem Ensemble des Marinereservistenmusikkorps Hamburg unter der Leitung von Fregattenkapitän d. R. Peters, dem sich drei weitere Musikstücke im Verlauf der Kongresseröffnung anschlossen.

Der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, stellte als Schirmherr der Veranstaltung in seinem Grußwort die Relevanz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Rahmen der Vorbereitung auf und die Reaktion bei militärischen und auch zivilen Krisen, wie sie auch die aktuelle Corona-Pandemie darstellt, besonders heraus. Sein Bekenntnis zur Bundeswehr und sein Respekt vor dem Dienst der Soldatinnen und Soldaten kamen offensichtlich aus tiefster Überzeugung.

Der Rektor der Universität Rostock, Prof. Dr. Wolfgang Schareck, wandte sich in einer sehr persönlichen Grußnote an das Auditorium.

„Wehrmedizinische Expertise sowie mannigfaltige Erfahrungen des militärischen Sanitätsdienstes sind ein ­wesentlicher Motor für den Fortschritt in der Medizin!“ betonte Prof . Dr. Wolfgang Schareck, Rektor der Universität Rostock und ehemaliger aktiver chirurgisch tätiger Sanitätsoffizier, in seiner sehr persönlichen Grußnote unter Bezug auf seine ersten Berufsjahre im Bundeswehrkrankenhaus Hamm.

Der Stellvertreter des Inspekteurs der Marine, Vizeadmiral Rainer Brinkmann, sah die Herausforderungen der Corona-Pandemie im Kontext des Kongressthemas.

Der Stellvertreter des Inspekteurs der Marine, Vize­admiral Rainer Brinkmann, vom Marinekommando mit Sitz in Rostock, sah ebenfalls die aktuellen Herausforderungen rund um Corona im Kontext mit dem Generalthema des Kongresses. Antworten auf die Fragen des Umgangs mit einem Massenanfall von Verwundeten oder Verletzten durch kriegerische Handlungen oder Katastro­phenfälle könnten Parallelen zum Handling von Pandemieinfizierten haben, so der Admiral.

Der Präsident der DGWMP e. V., Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, übermittelte die Grüße und Wünsche des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner.

Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps übermittelte bei seiner Kongresseröffnung die Grüße und Wünsche des kurzfristig terminlich verhinderten Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, und stellte den Sanitätsdienst der Bundeswehr als verlässlichen Partner für die Streitkräfte sowie das zivile Gesundheitswesen heraus. Sehe man die aktuelle Pandemie als ein Szenar im Rahmen der Landesverteidigung, bestehe auch bei diesem ­Kongress die Chance, Lehren aus dem Umgang mit ­COVID-19 zu ziehen und wehrmedizinische Aspekte im Rahmen der Tagung zu diskutieren, betonte er.

Dr. Schoeps beschrieb ebenfalls die medizinische Expertise des Sanitätsdienstes aus den vielen Einsätzen der Bundeswehr der letzten Dekaden, die auch die zivile Notfallmedizin wesentlich beeinflusst haben – neben einsatztaktischen Verfahren vor allem Maßnahmen zur Blutstillung, spezielle chirurgische Interventionen sowie ethische Aspekte der Triage.

Preise und Ehrungen

Der Präsident der DGWMP e. V. schloss mit der Verleihung des Paul-Schürmann-Preises 1 2020 an Oberstabsarzt Dr. Katharina Estel (Bundeswehrkrankenhaus Berlin) und Major d. R. Peter Braun (Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München) sowie der Ehrenmedaille der Gesellschaft an die jahrgangsbesten ­Teilnehmenden 2020 am Offizierlehrgang der Sanitätsoffizieranwärter, Fähnrich (San OA) Rebekka Kube, und am Offizierlehrgang für Offiziere des militärfachlichen Dienstes, Leutnant Lukas Grandjean.

Der Paul-Schürmann-Preis 2020 ging an Oberstabsarzt Dr. Katharina Estel (linkes Bild) und Major d. R. Peter Braun (rechtes Bild)

Festvortrag

Den Festvortrag zum Thema „Rationierung und Triage: Muss es maximale Medizin im Ausnahmezustand geben?“ hielt Prof. Dr. Heiner Fangerau, Direktor des Instituts für Medizingeschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Das Mitglied der Leopoldina kontrastierte zivile und militärische Ansätze zur Fragestellung, in dem er insbesondere zu Aspekten der Verteilungsgerechtigkeit, Ressourcenknappheit, zu Entwicklung und Zwecken von Triage, zu Doppelloyalität zwischen militärischem und medizin-ethischem Ziel mit Patientenfokussierung ausführte. In der Konsequenz empfahl er eine Minimierung der Folgen von Entscheidungen bei Wertkonflikten durch Orientierung an medizinischen Kriterien, Katastrophenforschung und -prävention, das entsprechende geplante Vorhalten von Ressourcen sowie die Vermeidung von Priorisierungsszenarien im Sinne eines auch im Rahmen der Corona-Bekämpfung in Deutschland angestrebten „Flatten the Curve“ – ein hochaktueller Ratschlag für die aktuelle Diskussionsführung um sanitätsdienstliche Strukturen und Fähigkeiten in der Bundeswehr.

Wissenschaftliches Programm

Das wissenschaftliche Programm des Kongresses umfasste fünf Plenarsitzungen, Workshops zu den Themen „Impfqualifikation“, „Militärpsychiatrie/Psychotraumatologie“ und „Corona und seine Auswirkungen – Epidemiologie und Wissenschaft“ sowie die Sitzungen der Arbeitskreise der Gesellschaft.

Ausgewählte Vorträge werden als Kurzbeiträge in den folgenden Ausgaben der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht. Hier erscheinen auch Berichte aus Arbeitskreisen der Gesellschaft.

Posterwettbewerb

Ein Highlight wie in den vergangenen Jahren war wieder die Posterausstellung, bei der diesmal 13 Teilnehmende zu verzeichnen waren. Die Jury bestehend aus Generalarzt Prof. Dr. Becker und Oberstarzt Prof. Dr. Willy (beide Bundeswehrkrankenhaus Berlin) musste eine knappe Entscheidung treffen. Der erste Preis ging an Leutnant (SanOA) Allessandro Cocca, der zweite an Stabsveterinär Philipp Girl (beide Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München). Den dritten Platz belegte Stabsarzt Ingo Höhling aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm.

Die Kurzfassungen der Posterarbeiten werden in der Februarausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht.

Die Reihe der wissenschaflichen Vorträge im Plenum eröffnete Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Eine Zusammenfassung seines Vortrags zur «Spanischen Grippe» und deren Vergleichbarkeit mit der Corona-Pandemie ist in dieser Ausgabe veröffentlicht.

Heinz-Gerngroß-Förderpreis

Spannend wie in den vergangenen Jahren verlief der Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis 2020. Fünf Nachwuchswissenschaftler – darunter drei noch im Studium befindliche Sanitätsoffizieranwärter – präsentierten die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit in einem 10-minütigen Vortrag und stellten sich einer anschließenden Diskussion mit den Jury-Mitgliedern. Die Themenpalette reichte von Untersuchungen zur optimalen Einlagenversorgung in Kampfstiefeln bei Fußfehlstellungen über den Vergleich der roboterassistierten und der laparoskopischen Sigmaresektion bis hin zur Bedeutung der Interaktion zwischen großen und kleinen Thrombozyten mit Bakterien.

Vielleicht gab die etwas größere Erfahrung der Vortragenden, möglicherweise aber auch in Nuancen die Aktualität der Themen, den Ausschlag für die Entscheidung der Jury unter Leitung von Generalarzt Prof. Dr. Becker, die eine schwierige Entscheidung zu treffen hatte. Den ersten Platz belegte schließlich Oberstabsarzt Janina Post (Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung, Köln) mit ihrem Vortrag „Innereuropäische Aeromedical-Evacuation-Flüge der Bundeswehr von COVID-19-Patienten“. „Etablierung einer robusten SARS-CoV-2-Back-Up-Diagnostik und deren Anwendung zur Evaluierung von Probenahme und Bearbeitung für die Human- und Veterinärmedizin“ lautete das Thema des Vortrags von Oberstabsveterinär Dr. Anja Petrov (Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München), mit dem sie den zweiten Preis errang.

Die Teilnehmenden am Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis mit dem Leiter der Jury (von links): Leutnant SanOA Patrick Telle, Oberstabsveterinär Dr. Anja Petrov, Generalarzt Prof. Dr. Becker, Oberstabsarzt Janina Post, Leutnant zur See SanOA Alexander Pascal-Laurent Schmitt, Leutnant SanOA Lisa Knörzer

„Eigentlich hätten alle, die sich dem Wettbewerb gestellt haben, einen Preis verdient. Über das wissenschaftliche Engagement und die Souveränität unserer jungen Kameradinnen und Kameraden kann man teilweise nur staunen. Schade, dass coronabedingt nicht alle, die zum Wettbewerb ausgewählt waren, kommen konnten. Aber nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb – ich würde mich freuen, die/den eine(n) oder andere(n) auch im Jahre 2021 in Koblenz begrüßen zu können!“

Die Siegerinnen im Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis: Oberstabsarzt Janina Post (links) und Oberstabsveterinär Dr. Anja Petrov (rechts)

Die Bekanntgabe der Sieger und die Preisverleihung fanden im Rahmen des Festabends durch den Präsidenten der DGWMP e. V. und Generalarzt Prof. Dr. Becker statt. Kurzfassungen der Wettbewerbsvorträge werden in dieser Ausgabe der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht.

Beim Festabend wurde durch den Präsidenten auch die „Pro Meritis-Plakette“ an Admiralarzt Dr. Reuter (Bundeswehrkrankenhaus Hamburg) für seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Leiter des 50. Jahreskongresses in Leipzig und an Andreas Heidorn (Berlin-Chemie)wegen seiner verdienstvollen Tätigkeit für die Gesellschaft, u. a. als langjähriger Sprecher der Aussteller, verliehen.

Fazit

Trotz der coronabedingten Einschränkungen war der 51. Jahreskongress ein großer Erfolg. Der für die wissenschaftliche Arbeit, die durch die einzige deutsche Fachgesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie für den Sanitätsdienst geleistet wurde und wird, zwingend notwendige interdisziplinäre fachliche Austausch ist auf Dauer weder durch Videokonferenzen, Newsletter oder Web-Publikationen vollständig zu ersetzen. Insofern hat sich die intensive Arbeit des Teams von Admiralarzt Dr. Apel sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der DGWMP e. V. bei der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses mehr als gelohnt. Dank geht an die Tagungsteilnehmenden, die unter schwierigen Bedingungen durch ihr Kommen ein deutliches Zeichen der Verbundenheit mit der DGWMP e. V. gezeigt haben.

Es bleibt zu hoffen, dass der vom 14. bis 16. Oktober 2021 geplante 52. Jahreskongress der DGWMP e. V. ohne oder mit deutlich weniger pandemiebedingten Einschränkungen durchgeführt werden kann.

Nachtrag

Bis zum 15. November, also mehr als zwei Wochen nach Kongressende, war es zu keiner Rückmeldung an die Kongressveranstalter über eine Erkrankung durch SARS-CoV-2 bei einem der Teilnehmenden gekommen. Das Hygienekonzept der Veranstaltung war damit offenbar erfolgreich.

Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees

Oberstarzt Dr. Kai Schmidt, M.Sc.

DGWMP e. V., Bonn

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

E-Mail: schmidt.kai@webmail.dgwmp.de


1 Die Arbeiten der Preisträger des Paul-Schürmann-Preises 2020 werden in verkürzter Form in der Wehrmedizinischen Monatsschrift des Jahres 2021 veröffentlicht.