Wehrmedizinische Monatsschrift

Laparoskopische versus roboterassistierte Sigmaresektion zur ­operativen Therapie der Divertikulitis – Ergebnisse einer ­retrospektiven Single-Center-Untersuchung (Vortrags-Abstract)

Lisa Knörzera, Christian Beltzera, Roland Schmidta

a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie

 

Einleitung

Die chirurgische Sigmaresektion im entzündungsfreien Intervall ist die Therapie der Wahl bei rezidivierender oder komplizierter Sigmadivertikulitis. Grundsätzlich kann die Operation offen chirurgisch oder laparoskopisch durchgeführt werden. Dabei hat sich die laparoskopische Sigma­resektion mittlerweile als operativer Goldstandard etabliert.

Seit wenigen Jahren können Sigmaresektionen auch roboterassistiert (OP-Roboter da Vinci®) erfolgen. Das Verfahren bietet gegenüber der laparoskopischen Technik mehrere technische Vorteile, wie Instrumente mit EndoWrist®-Technologie 1 , die eine feinere und diffizilere Präparation ermöglicht, Tremorreduktion, eine stark vergrößerte 3D-HD-Sicht sowie eine optimierte Ergonomie für den Operateur.

Die roboterassistierte Chirurgie mit dem da Vinci®-System ist eine Weiterentwicklung der minimalinvasiven Chirurgie. Studien zur Wertigkeit dieser Technik bei Sigmadivertikulitis liegen nur in geringer Anzahl vor, so dass die Evidenz der roboterassistierten Chirurgie speziell für die Sigmaresektion bei Divertikulitis bisher unklar ist.

Ziel der Studie war es zu evaluieren, inwiefern sich die technischen Innovationen der Roboterchirurgie auch auf das Outcome der Patienten auswirken, insbesondere im Vergleich zum laparoskopischen Verfahren. Im Fokus stand ebenso die Frage, ob die laparoskopische Sigmaresektion als notwendige einsatzchirurgische Ausbildungsoperation in Bezug auf das Patienten-Outcome gegenüber dem technisch überlegenen roboterassistierten Verfahren weiterhin gerechtfertigt ist.

Abb. 1: Da Vinci®-Operationssystem, bestehend aus Patientenwagen, Videosystemwagen und Chirurgenkonsole, am BwKrhs Ulm (links); der Operateur steuert den Roboter von der Konsole aus (rechts).

Methodik

In die retrospektive Auswertung wurden alle Patienten eingeschlossen, bei denen in der Zeit von Oktober 2013 bis November 2018 eine minimalinvasive Sigmaresektion (laparoskopisch oder roboterassistiert) im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm durchgeführt wurde. Indikation zur Sigmaresektion waren alle Stadien der Divertikelkrankheit. Demografische Daten, operative Kennzahlen, postoperative Komplikationen und das funktionelle Outcome mit Abstand > 6 Monaten zur Operation wurden analysiert.

Demografische Daten und Patientencharakteristika wie Geschlecht, Alter, BMI, Klassifizierung der American Association of Anaesthesiologists (ASA), Nikotinabusus, Diabetes mellitus Typ 2 und abdominale Voroperationen wurden erfasst. Ebenso wurde das jeweilige Stadium der Divertikulitis nach der Classification of Diverticular Disease (CDD) in die Datenauswertung aufgenommen.

Intraoperative Parameter, die für beide Gruppen erhoben und verglichen wurden, waren die Konversion zur offenen Operation, die Anlage eines Stomas, die Schnitt-Naht-Zeit, die Raten der intraoperativ verabreichten Bluttransfusionen und angelegten Epiduralkathetern sowie die Lokalisation des Bergeschnitts.

Zu den untersuchten postoperativen Parametern gehörten die Raten an Anastomoseninsuffizienzen sowie, oberflächlichen (SSSI) und tiefen Wundinfektionen (DSSI), die 30-Tages Re-Operationsrate, der Bedarf an postoperativer intravenöser Schmerztherapie sowie die Dauer des postoperativen Ileus. Die Komplikationserfassung erfolgte anhand der Clavien-Dindo-Klassifikation.

Weiterhin wurde eine Nachbefragung aller Patienten mit einem Mindestabstand von > 6 Monaten zur Operation durchgeführt. Damit wurde das funktionelle Outcome durch Abfrage von Kontinenzstörungen, Entwicklung der Beschwerden gegenüber der präoperativen Situation, Veränderungen des Stuhlgangs, Beeinträchtigung im Alltag und bestehenden Schmerzen erfasst.

Operationsvorbereitung und operative Sigmaresektion

Alle Patienten erhielten vor dem Eingriff eine Single-Shot-Antibiotikaprophylaxe, bestehend aus 1,5 g Cefuroxim und 500 mg Metronidazol. Zur mechanischen Darmvorbereitung (MBP) am Tag vor der Operation wurden 1000 ml Polyethylenglykol (Moviprep®, Norgine, Amsterdam, Niederlande) verwendet. Eine zusätzliche orale Darmvorbereitung, bestehend aus 2 g Paromomycin und 400 mg Metronidazol, wurde ab Januar 2018 allen ­Patienten am Abend vor dem Eingriff verabreicht.

Die roboterassistierten Eingriffe wurden mit dem da ­Vinci® Xi-Operationssystem (Intuitive Surgical, Inc., Sunnyvale, Kalifornien, USA) von zwei erfahrenen Kolorektalchirurgen durchgeführt. Alle Patienten wurden in Steinschnittlagerung operiert, wobei der Operationsroboter mit einer 4- oder 5-Trokar-Technik (ein 12 mm Kameratrokar, drei 8 mm Trokare, optional ein 12 mm Hilfstrokar) an der rechten Seite des Patienten angedockt wurde. Die roboterassistierten Präparationen erfolgten mit dem daVinci® Vessel Sealer.

Die laparoskopisch durchgeführten Eingriffe erfolgten unter Verwendung von 4 Trokaren (alle 12 mm) ebenfalls in Steinschnittlagerung. Für laparoskopische Präparationen wurde die Harmonic ACE®+7-Schere (Ethicon, Bridgewater, New Jersey, USA) verwendet.

Abb. 2: Laparoskopische Sigmaresektion am BwKrhs Ulm; linkes Bild: Operateur, 1.und 2. Assistent (von links nach rechts); rechtes Bild: Positionierung der 12 mm Trokare

Die Absetzung des Darms erfolgte in beiden Gruppen unter Verwendung eines Staplers im oberen Rektumdrittel. Alle Sigmoid-Resektate wurden unter Verwendung eines Alexis®-Wundschutzretraktors (Applied Medical, Rancho Santa Margarita, Kalifornien, USA) entweder durch einen Pfannenstiel-Schnitt oder einen Schnitt in der linken Fossa iliaca vor die Bauchdecke luxiert.

Eine End-zu-End- oder Seit-zu-End-Descendorektostomie wurde unter Verwendung eines 29 mm EES Circular Staplers® (Ethicon, Bridgewater, New Jersey, USA) angelegt.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 106 Patienten (roboterassistierte Sigmaresektion: 60 Patienten vs. Laparoskopische Sigmaresektion: 46 Patienten) im Beobachtungszeitraum 2013-2018 identifiziert und ausgewertet werden.

Die demografischen Daten und Patientencharakteristika wiesen mit Ausnahme einer häufiger durchgeführten oralen präoperativen Antibiotikaprophylaxe in der roboterassistierten Gruppe keine signifikanten Unterschiede auf. Es ergaben sich zwischen laparoskopischer und roboterassistierter Gruppe für die Parameter Schnitt-Naht-Zeit (130 min. vs. 118 min), Anastomoseninsuffizienzen (6,7 % vs. 6,5 ), Konversionsrate (1,7 % vs. 0 %), Re-Operationen (8,3 % vs. 15,2 %), Gesamtkomplikationen (Clavien-Dindo: 30,0 % vs. 30,4 %) und Mortalität (1,7 % vs. 0 %) keine signifikant unterschiedlichen Ergebnisse. Die postoperative Darmatonie war in der roboterassistierten Gruppe signifikant verkürzt (2,2 Tage vs. 2,8 Tage, p = 0.01).

74 Patienten (70 %, davon laparoskopisch 28, roboterassistiert 46) beantworteten den Fragebogen und wurden in die Auswertung aufgenommen. Im funktionellen Outcome bzw. der postoperativen Lebensqualität ergaben sich zwischen beiden Verfahren keine signifikanten Unterschiede.

Diskussion und Schlussfolgerung

Ziel unserer Studie war es, den Stellenwert der roboterassistierten Sigmaresektionen bei Patienten mit Divertikelkrankheit zu untersuchen. Hierzu wurden operative Kennzahlen, intra- und postoperative Komplikationen sowie das funktionelle Outcome von roboterunterstützten und laparoskopischen Sigmoidresektionen für dieselbe Indikation retrospektiv analysiert.

Anhand der im Rahmen unserer retrospektiven Studie erhobenen Daten konnte gezeigt werden, dass sich für die Indikation Divertikulitis mit der roboterassistierten Sigmaresektion gegenüber der laparoskopischen Operation vergleichbare Ergebnisse erzielen lassen. Dies betraf sowohl alle erhobenen intraoperativen Parameter als auch die Rate an postoperativen Komplikationen.

Die Gesamtkomplikationen nach Sigmaresektion bei Divertikulitis nach Clavien-Dindo waren in beiden untersuchten Gruppen relativ hoch (roboterassistiert versus laparoskopisch: 30,0 % versus 30,4 %). Eine aktuelle Meta-Analyse der Komplikationen nach Divertikulitis-Operation ergab eine vergleichbare postoperative Gesamtkomplikationsrate von 32,64 % [4]. Bei unseren Patienten konnten die meisten Komplikationen konservativ, ohne eine erneute Operation unter Vollnarkose (Clavien Dindo ≤ IIIa) behandelt werden. Re-Operationen (Clavien-Dindo ≥ III b; roboterassistiert vs. Laparoskopie: 8,3 % vs. 15,2 %, p = 0.27) wurden bei Patienten mit Anastomoseninsuffizienz und bei Patienten mit SSSI zum chirurgischen Wunddebridement und Anlegen einer vakuumassistierten Wundtherapie durchgeführt. Es zeigte sich keine signifikante Reduktion der Komplikationen bei Patienten, welche roboterassistiert operiert wurden.

Wir konnten anhand unserer Ergebnisse die roboterassistierte Sigmaresektion bei Divertikelkrankheit als sicheres und gegenüber der laparoskopischen Operation gleichwertiges Verfahren evaluieren.

Wehrmedizinische Relevanz

Die Kernaufgabe der Einsatzchirurgie liegt in der Notfalltherapie akuter chirurgischer Erkrankungen und Verwundungen. Um die Maxime des Sanitätsdienstes zu erfüllen, Soldaten im Einsatz eine Behandlung zuteilwerden zu lassen, die im Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entspricht, soll die laparoskopische Chirurgie zukünftig auch in Auslandseinsätzen vermehrt Anwendung finden (Role 2, Votum Konsiliargruppe Chirurgie).

Zur Erlangung notwendiger chirurgischer Kompetenzen ist dafür eine exzellente Ausbildung im Heimatland ­unabdingbar. Die BwKrhs befinden sich dabei im Spannungsfeld zwischen ihrem Auftrag zur Ausbildung (laparoskopische Chirurgie) und einem steigenden Patien­tenanspruch (Robotik/„High-End-Chirurgie“).

Bei gleichem Patienten-Outcome ist aufgrund des primären Auftrags der BwKrhs zur Qualifikation von Chirurgen für Auslandseinsätze die laparoskopische gegenüber der roboterassistierten Sigmaresektion zu bevorzugen.

Literatur

  1. Jayne D, Pigazzi A, Marshall H et al.: Effect of Robotic-Assisted vs Conventional Laparoscopic Surgery on Risk of Conversion to Open Laparotomy Among Patients Undergoing Resection for Rectal Cancer: The ROLARR Randomized Clinical Trial: JAMA 2017; 318(16): 1569-1580. mehr lesen
  2. Beltzer CR, Knörzer L, Bachmann R, Axt S, Dippel H, Schmidt R: Robotic Versus Laparoscopic Sigmoid Resection for Diverticular Disease: A Single-Center Experience of 106 Cases. J Laparoendosc Adv Surg Tech A 2019; 29(11): 1451-1455. mehr lesen
  3. Beltzer CR, Knörzer L, Dippel H, Schmidt R: Functional Results after Laparoscopic versus Robot-assisted Sigmoid Resection in Diverticulitis. Zentralbl Chir 2020; , letzter Aufruf 13. November 2020. mehr lesen
  4. Haas JM, Singh M, Vakil N: Mortality and complications following surgery for diverticulitis:Systematic review and meta-analysis. United European Gastroenterol J 2016; 4(5): 706-713. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Knörzer L, Beltzer C, Schmidt R: Laparoskopische versus roboterassistierte Sigmaresektion zur operativen Therapie der Divertikulitis – Ergebnisse einer retrospektiven Single-Center-Untersuchung (Vortrags-Abstract). WMM 2020; 65(1): 37-39.

Verfasserin

Leutnant SanOA Lisa Knörzer

Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie

Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm

E-Mail: l.knoerzer@t-online.de

Vortrag beim Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 23. Oktober 2020 in Rostock-Warnemünde.


1 Instrumente mit EndoWrist®-Technologie sind in 7 Freiheitsgraden beweglich und verfügen damit über mehr Bewegungsmöglichkeiten als eine menschliche Hand.