Wehrmedizinische Monatsschrift

Vergleich des Einflusses stützender und sensomotorischer
Schuheinlagen auf die Muskelaktivität des M. tibialis anterior
und des M. peroneus longus im Kampfstiefel (Vortragsabstract)

Alexander Schmitta, b, Alexander Hamm a, Christoph Schulze b, c

a Sanitätsunterstützungszentrum Neubrandenburg

b Universitätsmedizin Rostock, Orthopädische Klinik und Poliklinik, Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie (FORBIOMIT)

c Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr

 

Hintergrund

Der Knick-Senkfuß zählt zu den häufigsten Fußdeformitäten, auch bei Soldaten. Eine Therapie mit stützenden Einlagen wird in diesem Kontext, insbesondere bei Auftreten von Beschwerden, oftmals angewendet. Zwar wurde der Einfluss von sensomotorischen Einlagen im Sportschuh untersucht und eine Zunahme der Muskelaktivität beobachtet, jedoch ist zur Evidenz der Therapie des Knick-Senkfuß mit sensomotorischen Einlagen die Datenlage aktuell unzureichend. Auch der GKV-Spitzenverband äußerte sich hierzu 2016 eindeutig – sensomotorische Einlagen werden nicht von den Kostenträgern übernommen.

Ziel dieser Arbeit war es, den Einfluss von stützenden/korrigierenden und sensomotorischen Einlagen im Kampfstiefel auf die Muskulatur der unteren Extremität zu untersuchen und damit Rückschlüsse auf den Nutzen der Einlagentherapie im militärischen Schuhwerk zu ziehen.

Methodik

In die randomisierte, doppelt verblindete, placebo-kontrollierte Studie wurden 73 Patienten (männlich/weiblich = 61/12; Durchschnittsalter: 30,8 ± 7,9 Jahre) mit einem Knick-Senkfuß eingeschlossen. Nach statistischer Beratung konnte jeder Fuß einzeln betrachtet werden, sodass 146 Datensätze auswertbar waren. Die Intervention erfolgte durch stützende (N = 44), sensomotorische (N = 56) und Placebo-Einlagen (N = 46).

Bei der durchgeführten Ganganalyse, bei der eine Schrittfrequenz von 85/min durch ein Metronom vorgegeben wurde, wurde die Muskelaktivität mittels Oberflächenelektromyogramm (EMG; Clinical DTS, MR3; Software MR3 3.10.16,; Fa. Noraxon®, Scottsdale, AZ, USA) des M. ­tibialis anterior und des M. peroneus longus gemessen.

Das EMG wurde anhand einer MVC (Maximum voluntary contraction) relativiert. Messpunkte waren Barfuß, Kampfstiefel mit Einlage und Kampfstiefel ohne Einlage.

Zur Analyse der Muskelaktivität wurden Peak (Durchschnittswert der Maximalwerte), Mean (Amplitudenmittelwert), Amplitude (Höhe der Amplitude) und Integral (Fläche unter der EMG-Kurve) verwendet.

Zudem wurden der FADI (Foot and Ankle Disability Index) und der Valgus-Index, zu welchem auch ein Blauabdruck gehört, erhoben.

Einschlusskriterien waren ein unbehandelter Knick-Senk-Fuß, Beschwerden, die unterhalb des Kniegelenkes lokalisiert waren und die Bereitschaft zur Nachuntersuchung.

Eine Polyneuropathie jeglicher Genese, rheumatoide Erkrankungen, ein akutes Trauma oder ein Hallux valgus mit Hallux-valgus-Winkel > 30° zählten zu den Ausschlusskriterien.

Die statistische Auswertung erfolgte mittels zweifaktorieller ANOVA mit Messwiederholung und Post hoc Bonferroni-Korrektur (SPSS® Vers. 27; Fa. IBM, NY, USA).

Abb. 1: Untersuchte Einlagentypen

Ergebnisse

M. tibialis anterior

Bei der EMG-Messung zeigte sich beim Parameter „Maximum“ zwischen den Barfußmessungen und den Messungen im Schuh ohne Einlage bei der sensomotorischen Gruppe eine Steigerung der Muskelaktivität um die mittlere Differenz von 4,69 % (p = 0.037, bei der stützenden Gruppe von 7,47 % (p = 0.001) und bei der ­Placebo-Gruppe von 6,87 % (p = 0.01). In allen Studienarmen war somit ein signifikanter Anstieg der Muskelaktivität zu verzeichnen. Es konnten innerhalb der Studienarme keine signifikanten Veränderungen zwischen Messung im Stiefel mit und ohne Einlage nachgewiesen werden. Auch bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen.

M. peroneus longus

Bei der EMG-Messung zeigten sich beim Parameter Integral zwischen den Barfußmessungen und den Messungen im Stiefel ohne Einlage bei der sensomotorischen Gruppe eine mittlere Differenz von -0,30 µV (p = 0.934), bei der stützenden Gruppe von 4,02 µV (p = 0.310) und bei der Placebo-Gruppe von -11,99 µV (p = 0,011).

Es konnte kein signifikanter Unterschied in der Muskelaktivität zwischen den Messungen im Stiefel mit und ohne Einlage, weder bei der sensomotorischen noch bei der stützenden Gruppe gezeigt werden. Ebenso gab es keinen signifikanten Unterschied der Muskelaktivität zwischen den Interventionsarmen.

FADI

Bei den Patienten zeigte sich zwischen den Interventionsgruppen hinsichtlich der Ausprägung der Beschwerden anfangs kein signifikanter Unterschied. In beiden Gruppen konnte der Ausgangswert zum Ende des Beobachtungszeitraumes verbessert werden (Sensomotorischer Arm: mittlere Differenz zwischen erstem und zweitem Messzeitpunkt: 5,92 (p < 0.001) und mittlere Differenz zwischen erstem und drittem Messzeitpunkt: 7,95 (p < 0.001), Stützender Arm: mittlere Differenz zwischen erstem und zweitem Messzeitpunkt: -6,89 (p < 0.001) und mittlere Differenz zwischen erstem und drittem Messzeitpunkt: -8,66 (p < 0.001)).

Valgus-Index

Die Ausprägung des Valgus-Index war bei den Patienten der verschiedenen Interventionsgruppen und im Placeboarm vergleichbar ausgeprägt, so dass auch hier von einer vergleichbaren Ausgangssituation in der Ausprägung des Knicksenkfuß auszugehen war.

Diskussion

In der Literatur ist der Einfluss sensomotorischer Schuheinlagen auf die Muskelaktivität der Unterschenkelmuskulatur im Turnschuh beschrieben. Weiterhin ist bekannt, dass militärisches Schuhwerk, insbesondere der Kampfstiefel, ebenfalls einen starken Einfluss auf die hier untersuchte Unterschenkelmuskulatur hat. Dieser Einfluss überragt die messbaren Effekte der Einlage an M. tibialis anterior und M. peroneus longus.

Der M. tibialis posterior, als direkt an der Aufrichtung der Längswölbung beteiligter Muskel, konnte aufgrund seiner anatomischen Lage mittels Oberflächen-EMG nicht betrachtet werden. Dies erschwert die Aussage hinsichtlich der therapeutischen Wirksamkeit anhand von EMG-Messungen.

Kritisch muss weiter angemerkt werden, dass die Verblindung auf Patientenseite aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit der Einlagen nur eingeschränkt zu gewährleisten war.

Daten dieser Studie zeigen aber, dass sensomotorische Einlagen im Kampfstiefel beim M. peroneus longus tendenziell Effekte zeigen, allerdings ist der Einfluss durch die Kampfstiefel selbst stark. Beim M. tibialis anterior wurden keine signifikanten Unterschiede der Differenzen bei beiden Muskeln zwischen den verschiedenen Studienarmen dargestellt.

Die Einlagen würden bei therapeutischer Anwendung aber auch in anderem Schuhwerk (Halb-, Sport- und Freizeitschuh) getragen werden, wo in anderen Untersuchungen Effekte auf die Muskulatur nachgewiesen wurden. Eine Langzeiterhebung klinischer Verlaufsdaten sollte hier zur Evaluation des Nutzens auch im Kampfstiefel genutzt werden.

Es sind weitere Untersuchungen der Unterschenkelmuskulatur mit unterschiedlichen Schuheinlagen im Halbschuh sinnvoll, da man hierdurch die Effekte beim Tragen von Alltagsschuhwerk und Sportschuhen auch in der EMG besser darstellen könnte.

Schlussfolgerung

Sensomotorische Einlagen zeigten trotz großer Beeinflussung durch den Kampfstiefel einen tendenziellen Einfluss auf die Peroneusmuskulatur. Beim Tragen von Schuhwerk, das die Sprunggelenkbewegung weniger einschränkt, könnte sich deshalb unter Berücksichtigung der Literaturlage auch für sensomotorische Einlagen ein positiver therapeutischer Effekt ergeben.

Die Therapie allein im Kampfstiefel und Schuhwerk mit ähnlichen Materialeigenschaften bleibt nach jetzigem Kenntnisstand umstritten. Die Ergebnisse der Entwicklung der klinischen Parameter nach 6- und 12-Monats-Follow-up bleibt, um genauere Aussagen treffen zu können, abzuwarten,

Manuskriptdaten

Zitierweise

Schmitt A, Hamm A, Schulze C: Vergleich des Einflusses stützender und sensomotorischer Schuheinlagen auf die Muskelaktivität des M. tibialis anterior und des M. peroneus longus im Kampfstiefel (Vortrags-Abstract). WMM 2021; 65(1): 40-41.

Verfasser

Leutnant zur See SanOA Alexander Schmitt

Sanitätsunterstützungszentrum Neubrandenburg

Südstraße, 17034 Neubrandenburg

E-Mail: alexander.schmitt@uni-rostock.de

Vortrag beim Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 23. Oktober 2020 in Rostock-Warnemünde.