Wehrmedizinische Monatsschrift

Militärisch-Dienstlich orientierte Rehabilitation (MDOR) bei ­psychischen Erkrankungen – Konzeption und Ergebnisse der ­Pilotprojekte in Berlin und Rostock (Vortrags-Abstract)

Franziska Langner a, Martin Schlottmann b, Alexander Hamm c

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin – Psychotraumazentrum der Bundeswehr

b Sanitätsunterstützungszentrum Neubrandenburg

c Facharztzentrum Rostock

 

Hintergrund

Bei psychisch erkrankten Soldaten kann bei langwierigen Behandlungsverläufen im Rahmen einer psychischen Grunderkrankung (Depression, einsatzassoziierte Angststörung usw.) die fehlende Wiederaufnahme der Dienstfähigkeit den Gesundungsprozess beeinflussen. Dieses stellt ein erhebliches Hindernis in der weiteren Betreuung für das gesamte professionelle Umfeld dar. Die Thematisierung dienstlicher Aspekte sollte frühzeitig in den Behandlungsprozess integriert werden (siehe Abbildung 1). Daher wurde am Psychotraumazentrum im Bundeswehrkrankenhaus Berlin ein dienstlich orientiertes Rehabilitationstraining konzipiert und erfolgreich im Rahmen eines Pilotversuchs umgesetzt.

Abb. 1: Rehabilitationsmaßnahmen sollen durch die dienstlich orientierte Reha stärker als bisher miteinander verzahnt werden

Pilotversuch und erste Anwendung

Pilotversuch

In dem Pilotversuch eines kliniknahen stationären Rehabilitationstrainings mit insgesamt N = 17 Teilnehmenden und einer Evaluation vor, unmittelbar und 3 Monate nach dem Training zeigten sich folgende Effekte:

Die ermutigenden Ergebnisse dieses Pilotprojekts sollen im Rahmen einer kontrollierten Studie mit Parallelgruppendesign weiter untersucht werden.

Mit einer ähnlichen Ausrichtung wurde das Konzept des dienstlich-orientierten Rehabilitationstrainings an die Bedürfnisse der regionalen Sanitätseinrichtungen adaptiert und konnte bereits einmalig am Facharztzentrum Rostock angewendet werden.

Indikationsstellung

Der Indikationsstellung hinsichtlich ambulanter (regionaler) bzw. (teil-)stationärer (kliniknaher) dienstlich orientierter Rehabilitation sollte eine entsprechende fachlich fundierte Überprüfung vorausgehen. Hier sollten Aspekte wie Mobilität, bisherige dienstliche Integration, Chronifizierungs- und Schweregrad der psychischen Erkrankung, ebenso wie logistische und ökonomische Aspekte gegeneinander abgewogen werden (siehe Tabelle 1). Allgemeiner Konsens herrscht darüber, dass bei regionaler Verfügbarkeit von Therapieplätzen und ausreichender psychischer wie physischer Stabilität die Möglichkeiten in entsprechenden Schwerpunktstandorten ausgeschöpft werden sollten. Patienten mit höherem Schweregrad und Leidensdruck bezüglich der psychischen Erkrankung sowie insgesamt geringerer Belastbarkeit sollten eher in das kliniknahe (teil-) stationäre Setting integriert werden. Selbstverständlich spielt auch der Patientenwunsch eine erhebliche Rolle, um eine ­Adhärenz im Behandlungsprozess sicher zu gewährleisten.

Erste Anwendung in Regionaler Sanitätseinrichtung

Im Facharztzentrum Rostock wurde erstmalig nach der „Leitlinie zur beruflichen Rehabilitation psychisch ­erkrankter Soldatinnen und Soldaten in regionalen Sanitätseinrichtungen“ ein 4-wöchiges modulares dienstliches Reintegrationstraining durchgeführt. Fünf Sol­da­tin­nen und Soldaten mit einer mindestens 26-wöchigen durchgehenden oder unterbrochenen Befreiung von allen Diensten im letzten Jahr und dem Vorliegen einer Facharztdiagnose mit Indikation zur Psychotherapie nahmen teil. Die tägliche Arbeitszeit nahm nach dem Reintegrationstraining signifikant zu. Die subjektiv eingeschätzte berufliche Funktionsfähigkeit verbesserte sich im Nachbeobachtungszeitraum ebenfalls signifikant.

Tab. 1: Aspekte der Indikationsstellung zu ambulanten bzw. stationären Rehabilitationsmaßnahmen

Dabei konnte gezeigt werden, dass unter den ambulanten Bedingungen eines Facharztzentrums andere Schwerpunkte in der Behandlung als unter stationären Bedingungen gesetzt werden müssen. Stationäre und ambulante Reintegrationsmaßnahmen stehen dabei nicht in Konkurrenz zueinander, sondern stellen eine sinnvolle gegenseitige Ergänzung unter verschiedenen Therapieansätzen dar.

Hoher Ressourcenbedarf

Diesen ersten positiven Ergebnissen steht eine enorme Bindung personeller und infrastruktureller Ressourcen im Facharztzentrum gegenüber, was bei der Frage nach einer durchhaltefähigen Implementierung in Regionalen Sanitätseinrichtungen als sinnvolle Ergänzung eines Gesamtbehandlungsplans kritisch analysiert werden muss. Ähnliche Erfahrungen konnten im klinischen Setting im Bundeswehrkrankenhaus Berlin insbesondere hinsichtlich infrastruktureller Gegebenheiten (z. B. Bereitstellung von Unterkünften in militärischen Liegenschaften), aber auch bei personellen Ressourcen gemacht werden.

Fazit

Pilotversuch und erste praktische Erprobung einer dienstlich orientierten Rehabilitation in einer Regionalen Sanitätseinrichtung bei psychischen Erkrankungen zeigten, dass ein solches Training auch unter dem personellen und strukturellen Ansatz eines Facharztzentrums durchgeführt werden kann. Bei Ergänzung entsprechender Einrichtungen der Regionalen Sanitätsdienstlichen Unterstützung um Ressourcen für einen „Schwerpunkt Rehabilitation“ wird dieses zukünftig auch personell besser zu realisieren sein.

Ausgewählte Literatur

  1. Egger JW: Das biopsychosoziale Krankheitsmodell. Psychologische Medizin 2005; 16(2): 3-12. mehr lesen
  2. Heitzmann B, Helfert S, Schaarschmidt U: Fit für den Beruf: AVEM gestütztes Patientenschulungsprogramm zur beruflichen Orientierung in der stationären Rehabilitation. Bern: Huber 2008.
  3. Mittag O: Evidenzbasierung der medizinischen Rehabilitation (in Deutschland). In Public health forum 2011; 19(4): 4-6.
  4. Märtin S, Zollmann P: Keine Reha vor der Rente? Ergebnisse des Projekts „Sozioökonomische Situation von Personen mit Erwerbsminderung“. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) 2013; 111: 109-111. mehr lesen
  5. Müller-Fahrnow W, Greitemann B, Radoschewski FM, Gerwinn H, Hansmeier T: Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Rehabilitation 2005; 44(05): e32-e45. mehr lesen
  6. Neal L A, Kiernan M, Hill D, McManus FRANK, Turner MA: Management of mental illness by the British Army. The British Journal of Psychiatry 2003; 182(4): 337-341. mehr lesen
  7. Zimmermann P, Alliger-Horn C, Wesemann U, Willmund GD: Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr. WMM 2015; 59(2): 34-37. mehr lesen

 

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Franziska Langner

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Psychotraumazentrumd er Bundeswehr

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: franziskalangner@bundeswehr.org

Vortrag beim Workshop „Militärpsychiatrie/Psychotraumatologie“ im Rahmen des 51. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. in Rostock-Warnemünde (23. Oktober 2020).