Wehrmedizinische Monatsschrift

ORGINALARBEIT

Am Dienst orientierte Rehabilitation bei psychischen Erkrankungen – Individuelle Begleitung von Beginn an

Service orientated rehabilitation of soldiers with mental illness –
individual accompaniment from the beginning

Franziska Langnera, Ulrike Finke a, Peter L. Zimmermanna, Andreas Dierichb, Kerstin Herrc,
Anne-Kathrein Hoffmann c, Gerd D. Willmund a

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Psychotraumazentrum der Bundeswehr

b Sanitätsunterstützungszentrum Neubrandenburg

c Facharztzentrum Hohe Düne

 

Zusammenfassung

Bei psychisch erkrankten Soldaten kann bei langwierigen Behandlungsverläufen im Rahmen einer psychischen Grunderkrankung (Depression, einsatzassoziierte Angststörungen usw.) die fehlende Wiederaufnahme des Dienstes den Gesundungsprozess beeinflussen. Dieses erweist sich als ein erhebliches Hindernis in der weiteren Betreuung für das gesamte professionelle Umfeld. Das Psychotraumazentrum am Bundeswehrkrankenhaus Berlin hat deshalb ein berufliches/dienstliches Rehabilitationstraining konzipiert und erstmals in einem Pilotdurchgang, der als Vorstufe zu einer entsprechenden Studie dient, erfolgreich mit 17 teilnehmenden Soldaten 1 umgesetzt. Erste Erkenntnisse im Hinblick auf die Methodik und einen Trend in Bezug auf den therapeutischen Effekt dieses medizinisch-dienstlich orientierten Rehabilitationstrainings (MDOR) als einem Therapiemodul für militärisches Personal mit einer psychiatrischen Erkrankung und fehlender bzw. reduzierter Dienstfähigkeit sollen in diesem Beitrag dargestellt werden.

Die Evaluation erfolgte mittels semi-strukturierter Rückmeldungen der teilnehmenden Soldaten und quantitativen Angaben zur Dienstfähigkeit (wöchentliche Dienstzeit, Krankschreibungstage).

Es zeigten sich dabei erste Hinweise, dass das berufliche Rehabilitationstraining in der Bundeswehr eine sinnvolle Ergänzung eines Gesamtbehandlungsplans ist. Neben einer Zunahme der täglichen Dienstzeit und Reduktion von Krankschreibungstagen, zeichneten sich auch positive Entwicklungen im Bereich der Steigerung von Zuversicht im Hinblick auf die gelingende dienstliche Wiedereingliederung, Verbesserung der Tagesstruktur, Steigerung der Dienstzufriedenheit und Steigerung des eigenen Selbstwertes ab.

Weitere Studien sollten diese Rehabilitationstrainings zukünftig standardisiert evaluieren.

Schlüsselworte: MDOR, Rehabilitationstraining, Wiedereingliederung, Dienstzeit, Dienstzufriedenheit

Summary

In the case of mentally ill soldiers with protracted treatment procedures in the context of an underlying mental illness (depression, mission-associated anxiety disorders, etc.) the failure to return to duty can influence the recovery process.

This turns out to be a significant obstacle in further support for the entire professional environment. For this reason, the Bundeswehr Centre for Military Mental Health (Psychotrauma Centre) has designed a professional rehabilitation training which was successfully implemented with 17 participating soldiers for the first time in a pilot phase, serving as a preliminary stage to a corresponding study. First results regarding the methodology and a trend concerning the therapeutic effect of this rehabilitation training as a therapy module for military personnel with psychiatric illness and a lack of or reduced ability for service should be presented in this article. The evaluation was carried out by means of semi-structured feedback from the participating soldiers and quantitative information on the ability to work (weekly service time, sick days). Initial indications emerged that vocational rehabilitation training in the Bundeswehr is a useful supplement to an overall treatment plan. In addition to an increase in daily working hours and a reduction in sickness days, there were also positive developments concerning increasing confidence in successful reintegration into work, improving the daily structure, increasing service satisfaction and increasing self-esteem.

Further studies should evaluate this rehabilitation training in a standardized way in the future.

Keywords: service orientated rehabilitation, rehabilitation training, reintegration, office hours, service hours, service satisfaction

Einführung

Rehabilitationsbedarf im Militär

In Deutschland gilt der versorgungsmedizinische Grundsatz „Reha vor Rente“ [8]. Rehabilitation bezeichnet die Bestrebung (oder den resultierenden Erfolg), einen Menschen wieder in dessen vormalig existierenden körperlichen und/oder psychischen Zustand zu versetzen. Rehabilitation hat aber auch zum Ziel, Beeinträchtigungen und Einschränkungen abzuwenden, die sich als bleibende Folgen von chronischen Erkrankungen oder Unfällen einstellen und soll die Patientin/den Patienten bei der Wiedererlangung oder dem Erhalt körperlicher, beruflicher oder sozialer Fähigkeiten unterstützen. Das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben aufgrund von Krankheit oder Behinderung, hier auch explizit bei psychischen Erkrankungen, soll durch Leistungen zur Teilhabe vermieden oder zumindest hinausgezögert werden.

Im internationalen Vergleich zeigen Untersuchungen beispielsweise an amerikanischen Veteranen, die in Afghanistan und im Irak gedient haben [1], dass psychische Erkrankungen mit einer Beeinträchtigung im Bereich der mentalen zwischenmenschlichen Anforderungen, dem Zeitmanagement und der Leistung einhergehen. Die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit ist auch hier nachweislich eine Hauptkomponente für eine erfolgreiche Reintegration ins (zivile) Leben und sollte mit arbeits-spezifischen Interventionen gestärkt werden. Untersuchungen an britischen Soldaten [11] zeigen, dass spezielle Trainings wie MTRU (Military Training and Rehabilitation Unit) signifikant die Chancen erhöhen, wieder fit in den aktiven Dienst zurückzukehren.

Unter den derzeitig etablierten Rehabilitationsmöglichkeiten – auch insbesondere für einsatzgeschädigte Soldaten – bekommt dieses Thema eine besondere ­dienstliche Bedeutung. In der Anwendung des Einsatzversorgungsgesetzes und – in Ergänzung – des ­Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, des Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetzes sowie der Einsatzunfallverordnung stehen die Begrifflichkeiten medizinische und berufliche Rehabilitation nebeneinander. Nach stattgehabter medizinischer Rehabilitation (z. B. ambulanter Psychotherapie, stationärer psychotherapeutischer Behandlungen wie Trauma- oder suchtspezifische Therapien etc.) können Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation (Weiterbildungen, Umschulungen, Ausbildungen) beginnen.

Abb. 1: Maßnahmen zur psychischen Rehabilitation bei einsatzassoziierten Erkrankten in der Bundeswehr (Zimmermann, 2020)

Bei Patientinnen und Patienten kann bei langwierigen Behandlungsverläufen im Rahmen einer psychischen Grunderkrankung (PTBS, Depression, einsatzassoziierte Angststörungen usw.) die fehlende Wiederaufnahme des Dienstes ein Hindernis in der weiteren Betreuung für das gesamte professionelle Umfeld sein. Häufig stellt sich dann die Frage, inwieweit therapeutische bzw. rehabilitative Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation ausgeschöpft sind und/oder die Einleitung eines Dienstunfähigkeitsverfahrens avisiert werden sollte. Rund 60 % aller vorzeitigen gesundheitlich begründeten Entlassungen aus dem Wehrdienst sind dementsprechend im langjährigen Mittel auf psychische Erkrankungen zurückzuführen.

Das Ziel aller Lösungsansätze ist, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen oder das Arbeitsverhältnis zu erhalten.

Sozialgesetzbuch (gemäß § 167 Absatz 2 SGB IX)

 

Grundsätze dienstlicher Wiedereingliederung

Bei langzeiterkrankten Patienten und/oder Chronifizierung einer psychischen Symptomatik ist ein Wiedereingliederungsversuch in den Dienst oftmals eine erhebliche Hürde und stellt sowohl den Betroffenen als auch das private wie professionelle Umfeld vor besondere Herausforderungen. Nicht selten spielen auch bei körperlichen Erkrankungen, wenn es zu Blockaden im Rehabilitationsprozess kommt, psychische Begleiterkrankungen eine maßgebliche Rolle, z. B. bei depressiven Erkrankungen.

In der aktuellen Zentralen Dienstvorschrift „ZDv A-2640/36 - Strukturierte Wiedereingliederung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Dienst“ vom 28. Februar 2020 gelten als

Langzeiterkrankte: „Soldaten, die aus gesundheitlichen Gründen innerhalb von 12 Monaten insgesamt länger als sechs Wochen von allen Diensten befreit waren.“

Unter Einbeziehung der Vorgesetzten, des Truppenarztes, der Vertrauensperson, ggf. der Schwerbehindertenvertretung und der militärischen Gleichstellungsbeauftragten sowie auf Wunsch Angehörige oder der Lotse 2 , wird zukünftig in den Dienststellen ein Verfahren zur strukturierten Wiedereingliederung eingeleitet. Nach Herstellung der Verwendungsfähigkeit soll so eine Wiedereingliederung in die bisherige oder eine andere geeignete Verwendung erreicht werden.

Die ZDv A-2640/36 führt hierzu weiter aus:

„Inhaltlich gehören dazu unter anderem die Befreiung von Dienstverrichtungen und/oder Einschränkungen der täglichen Arbeitszeit. Wird nach Beendigung bzw. Abschluss des Verfahrens festgestellt, dass eine fortgesetzte Wiedereingliederung in der bisherigen oder einer anderen geeigneten Verwendung keinen Erfolg verspricht, […] hat der Vorgesetzte der personalbearbeitenden Stelle des Betroffenen die Einleitung eines Verfahrens zur Beendigung des Dienstverhältnisses wegen Dienstunfähigkeit vorzuschlagen.“

Ein zusätzlich steuerndes sanitätsdienstliches Versorgungselement speziell für Einsatzgeschädigte sind die „Interdisziplinären Patientenzentrierten Rehabilitationsteams“ (IPR). Die IPR-Sitzungen werden für die Betroffenen bei Bedarf nach Entlassung aus der stationären Behandlung in die ambulante Betreuung des Sanitätsversorgungszentrums (SanVersZ) durch das zuständige Sanitätsunterstützungszentrum (SanUstgZ) initiiert. Die IPR planen fach- und approbationsübergreifend den Behandlungs- und Rehabilitationsverlauf. Sie setzen sich fallweise und individuell, bezogen auf die Patientenbedürfnisse, aus Vertreterinnen bzw. Vertretern der für die Behandlung der Patientinnen und Patienten relevanten klinischen Fachdisziplinen sowie weiteren Vertreterinnen/Vertretern der psychosozialen Netzwerke zusammen.

Grundsätzlich steht bei Fragen zur Rehabilitation auch die Zentrale Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle (ZALK) des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) zur Verfügung.

Eine Liste ausgewählter Dokumente aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung zeigt Tabelle 1.

Tab. 1: Ausgewählte Dokumente und Vorschriften aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung zum Themenfeld „Rehabilitation“

 

Zivile Rehabilitationsangebote

Betroffene haben im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung (utV) die Möglichkeit, die rehabilitativen Behandlungsangebote des zivilen Gesundheitssektors zu nutzen, soweit diese entsprechend den Heilfürsorgerichtlinien des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw – Referat PA 3) abrechenbar sind. Dazu gehören z. B. stationäre oder tagesklinische Psychotherapien in psychosomatischen Fachkliniken, stationäre Entwöhnungstherapien. Des Weiteren gehören hierzu auch arbeitsbezogene Rehabilitationsmaßnahmen, auf die im Folgenden genauer eingegangen werden soll.

Die Deutsche Rentenversicherung bietet verschiedene Angebote, um Patienten sowohl mit somatischen als auch mit psychischen Funktionseinschränkungen zu rehabilitieren. Dazu zählen beispielsweise psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlungen in Fachkliniken mit multimodalen Rehabilitationskonzepten bei im Vordergrund stehenden psychischen Störungen (auch bei chronischen Schmerzstörungen).

Steht eine gravierende Funktionseinschränkung in einem rehabilitationsrelevanten somatischen Indikationsbereich im Vordergrund und wird diese von einer wesentlichen psychischen Komponente begleitet, kann die Teilnahme an einer verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation (VOR) indiziert sein.

Verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation

Im Rahmen eines interdisziplinären Konzeptes konzentriert sich eine VOR über einen Zeitraum von 29 Tagen inhaltlich auf 3 Kernangebote:

  1. Psychologische Gruppensitzungen mit dem Schwerpunkt im sozialen Lernen (Krankheitsbewältigung, Stressbewältigung, Motivationsförderung, Analyse sozialer Probleme im Sinne des bio-psycho-sozialen Modells) und einzeltherapeutische Sitzungen (Analyse von familiären, beruflichen und biografischen Kontextfaktoren, Symptomänderung, Nachsorgeorganisation),
  2. Bewegungskompetenzgruppen mit im Schwerpunkt erlebnisorientierter Körperarbeit, Körperwahrnehmung, Interaktion und Kommunikation über Bewegung sowie
  3. dem Kernangebot einer weiteren Berufsgruppe in Abhängigkeit von der Indikation (Ergotherapeut/in, Diätassistent/in, Kunsttherapeut/in).

Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation

Ein weiteres in den letzten 10 Jahren im Bereich der Deutschen Rentenversicherung entwickeltes Verfahren ist die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR). Unter MBOR wird eine spezifische Form der medizinischen Rehabilitation verstanden, die den Arbeitsbezug in den gesamten Rehabilitationsprozess einbezieht [10] und die sich explizit auf die Bedingungen am (angestrebten oder aktuellen) Arbeitsplatz der Rehabilitanden konzentriert. Die MBOR ist somit konzeptionell eine diagnostische und therapeutische Erweiterung der herkömmlich angebotenen medizinischen Rehabilitation. Sie gilt als effektiv hinsichtlich der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes, der Vermeidung von Fehlzeiten und der Verbesserung der beruflichen Wiedereingliederung. Auch funktionale, schmerzbezogene und psychosoziale Parameter können positiv beeinflusst werden. Hierbei finden sich auch deutliche Gemeinsamkeiten zur VOR – eine Kombination aus den Kernangeboten ist in der Regel sinnvoll. Einen zusätzlichen Nutzen haben insbesondere Patienten, die eine deutliche Diskrepanz zwischen der eigenen Leistungsfähigkeit und den Anforderungen am Arbeitsplatz wahrnehmen.

Zivile MBOR-Rehabilitationseinrichtungen kommen jedoch im spezifischen Berufsfeld des Soldaten immer wieder an ihre Grenzen. Die militärspezifischen Anforderungen an das Berufsfeld des Soldaten, hierbei seien exemplarisch die Grundpflichten (§7 Soldatengesetzt (SG)), die Pflicht zur Kameradschaft (§12 SG) oder Regelungen zur Uniform (§4 SG) genannt, können häufig nicht authentisch genug dargestellt werden oder treffen aufgrund des nachvollziehbaren Mangels an Wissen durch häufiges Nachfragen auf Unverständnis bei den Betroffenen. Auch die Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederungskonzepte, sowohl zeitliche Variationen als auch berufsübergreifende Tätigkeiten (z. B. „Innendienst“) innerhalb eines militärischen Bereichs, das Vorhandensein direkter truppen- oder betriebsärztlicher Expertise, die sozialdienstliche Unterstützung und der direkte Austausch mit dem Vorgesetzten sind aus einem zivilen Behandlungskontext heraus in der Regel nicht darstellbar.

Aus diesem Grund konzipierte das Psychotraumazentrum am Bundeswehrkrankenhaus Berlin ein spezifisches stationäres MBOR-basiertes Rehabilitationstraining für psychisch erkrankte Soldaten mit und ohne Einsatz und eingeschränkter bzw. aufgehobener Dienstfähigkeit (Medizinisch-dienstlich orientiertes Rehabilitationstraining MDOR). Erste Evaluationen zweier Pilotdurchführungen sollen nachfolgend dargestellt werden.

Methode

Teilnehmende

Das Rehabilitationstraining richtet sich an (einsatzgeschädigte) psychisch erkrankte Soldaten, die bereits Erfahrungen in der Psychotherapie gemacht und dadurch eine gewisse Symptomreduktion und beginnende Veränderungsmotivation für sich erarbeitet haben. Es werden Soldaten eingeschlossen, die sich in ambulanter bzw. stationärer psychischer Behandlung befinden und die spezifische Einschlusskriterien erfüllen:

Bei bestehendem Wunsch nach Einleitung eines Dienstunfähigkeitsverfahrens durch den Betroffenen selbst besteht ein Ausschlussgrund, da bei fehlender Veränderungsmotivation kaum positive Veränderungsprozesse zu erwarten sind. Sollte jedoch die Sorge bei Betroffenen um die möglicherweise bevorstehende Einleitung eines Dienstunfähigkeitsverfahrens durch die Einheit oder den Truppenarzt die Motivation zur Teilnahme am Training darstellen, kann unter Umständen in einem Vorgespräch eine für den Betroffenen annehmbare Lösungsstrategie durch die Teilnahme gemeinsam erarbeitet werden.

Durchführung des Trainings

Das 23-tägige Rehabilitationstraining für psychisch erkrankte Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus Berlin beinhaltet die 3 zentralen MDOR-Kernmaßnahmen:

  1. Berufsbezogene psycho-edukative Gruppen (13 Sitzungen von jeweils 120 min Dauer),
  2. interne Belastungserprobung (Arbeitstraining: 8 Sitzungen plus Projekttag, Sport 10 Einheiten usw.) sowie
  3. zusätzliche supportive Maßnahmen.

Abb. 2: MDOR – Kernmaßnahme 1: Berufsbezogene Psychoedukation (13 Gruppensitzungen mit jeweils einer Dauer von 120 min)

Abb. 3: MDOR – Kernmaßnahme 2: Interne Belastungserprobung

Das Training wird in der Regel in Uniform durchgeführt. Die Unterbringung der Teilnehmenden erfolgt in einer militärischen Liegenschaft mit Nutzung der dortigen Truppenküche und Sportstätten.

Abb. 4: MDOR – Kernmaßnahme 3: Supportive Maßnahmen

Nachbetreuung

Nach der Teilnahme sollen die Teilnehmenden im Sinne eines individuellen Anschlusskonzeptes ausführlich über die weiteren Behandlungsabschnitte informiert sein und diese verbindlich vereinbart haben (weitere Psychotherapie, sozial und dienstrechtliche Maßnahmen usw.). Die Teilnehmenden werden 3 Monate nach Abschluss der Maßnahme zu einem 3-tägigen Aufenthalt in die psychiatrische Tagesklinik wiedereinbestellt. Hier erfolgt neben der katamnestischen Messung auch im Gruppenrahmen die Reevaluation und Wirksamkeitsüberprüfung der bisherigen Maßnahmen; ggf. erfolgt eine weitere Anpassung der rehabilitativen Empfehlungen. Im Anschluss an das Training werden die Teilnehmenden nach 6 Monaten erneut katamnestisch mittels Fragebögen evaluiert. Der weitere Verlauf wird durch die Fachuntersuchungsstellen bzw. durch kooperierende Truppenärzte koordiniert. Wünschenswert wären hierbei regelmäßige Gespräche im Hinblick auf den individuellen Reha-Verlauf, um die dienstliche Wiedereingliederung zu begleiten.

Evaluation

An 4 Messzeitpunkten finden Datenerhebungen statt. Die erste und zweite Datenerhebung erfolgen zu Beginn (t0) und Ende des Gruppentrainings (t1). Katamnestisch werden 3 (t2) und 6 Monate (t3) nach Intervention die anonymisierten Fragebögen den Teilnehmenden mit einem frankierten Rückumschlag zugesandt und daher in anonymisierter Form ohne Rückschluss auf den Absender ausgewertet.

Ergebnisse

Insgesamt N = 7 Teilnehmende wurden in die Evaluation vor, nach und katamnestisch 3 Monate nach dem Training eingeschlossen. Es zeigten sich folgende Effekte:

Die durchschnittliche Anzahl der Krankentage (krank zu Hause (kzH)) sank von 30,1 (vor Training) auf 11,8 Tage (katamnestisch). Die Krankentage verringerten sich somit signifikant von t0 zu t2 (Z: -2,511, p = .012, N = 17).

Abb. 5: Krankschreibungstage (KzH-Tage) vor (t0) und drei Monate nach dem Training (t2); Die Krankentage verringerten sich somit signifikant von t0 zu t2 (Z: -2,511, p = .012, N = 17).

Die durchschnittliche wöchentliche Dienstzeit stieg von 15,6 Stunden vor (t0) auf 21,3 Stunden drei Monate nach dem Training (t2). Die Dienstdauer erhöhte sich somit signifikant von t0 zu t2 (Z = -2,805, p = .005, N = 17).

Abb. 6: Wöchentliche Dienstzeit in Stunden vor (t0) und drei Monate nach dem Training (t2); Die Dienstdauer erhöhte sich signifikant von t0 zu t2 (Z: -2,805, p=.005, N = 17).

In der Erhebung wurde auf die Fragen:

In den folgenden Bereichen habe ich Fortschritte gemacht:

bei einem dichotomen Antwortformat mit einer Steigerung der Zuversicht im Hinblick auf die gelingende dienstliche Wiedereingliederung und einer Steigerung der Dienstzufriedenheit geantwortet.

Auf die Fragen:

In den folgenden Bereichen habe ich Fortschritte gemacht:

antworteten die Teilnehmenden (ebenfalls im dichotomen Antwortformat) mehrheitlich zustimmend.

Diskussion

Im Rahmen dieser Pilotstudie konnte bei den Teilnehmern eines stationären Rehabilitationstrainings im Psychotraumazentrum der Bundeswehr eine signifikante Verkürzung der Krankschreibungstage und eine signifikante Verlängerung der wöchentlichen Dienstzeit gefunden werden. In der Freitext-Rückmeldung wurde ein positiver Nutzen durch die Teilnehmenden beschrieben. Diese erste Evaluation kann als Hinweis gelten, dass das stationäre berufliche Rehabilitationstraining in der Bundeswehr eine sinnvolle Ergänzung für einen Gesamtbehandlungsplan ist.

Belastbare Evidenz für die langfristige Wirksamkeit von Rehabilitation, so wie sie in Deutschland umgesetzt wird, ist bisher kaum vorhanden [7]. Zudem haben im zivilen Gesundheitssektor seitens der Rentenversicherungsträger 40 % der Neuzugänge zur Erwerbsminderungsrente im Vorfeld keine Rehabilitationsleistungen in Anspruch genommen [9]. Die Erforschung der Motive und Gründe für die Nichtinanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen, Prädiktoren für den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahmen und die Untersuchung der gesundheitsökonomischen Bewertung sind ein aktueller Schwerpunkt in der sozialmedizinischen Forschung [2] sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.

Limitiert wurde diese Untersuchung vor allem durch den Stichprobenumfang, der allenfalls die Anwendung des Wilcoxon-Tests als non-parametrischen Test für nicht-normalverteilte Stichproben zuließ. Weiterhin sollte in diesem Pilotdurchgang zunächst die Etablierung und Umsetzbarkeit des Rehabilitationsprogramms getestet werden, sodass zunächst auf die Erhebung einer Kontrollgruppe verzichtet wurde.

Ausblick

Die wissenschaftliche Untersuchung von Rehabilitationsmaßnahmen und deren Auswirkungen auf die dienstliche Wiedereingliederung von militärischem Personal ist ein elementarer Forschungsschwerpunkt im Psychotraumazentrum der Bundeswehr. Die ermutigenden Ergebnisse der voranstehend beschriebenen Pilotstudie sollen im Rahmen einer kontrollierten Studie mit Parallelgruppendesign weiter untersucht werden, um zu klären ob die Effekte abhängig vom Rehabilitationsprogramm und nicht allein als Veränderung über die Zeit erklärbar sind.

Im Schwerpunkt sollen die Verbesserung der Teilhabe im beruflichen Kontext (berufliche Wiedereingliederung) und die allgemeine Lebensqualität nach Durchlaufen des Gruppenprogramms im Vergleich zur herkömmlichen Therapie (treatment as usual) mittels psychometrischer Testverfahren untersucht werden. Hypothetische Veränderungen werden hierbei in den folgenden Bereichen erwartet:

Außerdem sollen Prädiktoren für eine erfolgreiche individuelle Wiedereingliederung untersucht werden; hierbei werden auch Faktoren wie Arbeitsmotivation und Commitment dem Dienstherrn gegenüber als Einflussgrößen geprüft. Des Weiteren sollen mögliche Korrelationen zwischen demografischen Angaben und der abhängigen Variable (berufliche Wiedereingliederung) betrachtet werden. Eine wesentliche Entwicklungsperspektive stellt die Adaptation des Reha-Coachings für die ambulante Anwendung in den SanUstgZ dar, denn im truppenärztlichen Versorgungssegment ist die frühzeitige Anwendung von Rehabilitationselementen eine besonders wichtige Option.

Die Grundlagen wurden in der „Leitlinie und Manual zur beruflichen Rehabilitation psychisch erkrankter Soldaten in regionalen Sanitätseinrichtungen“ des Zentrums für Psychiatrie und Psychotraumatologie/Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhauses Berlin und im „Durchführungsmanual des Facharztzentrums Rostock“ umfassend konzipiert. Im Facharztzentrum Rostock, Hohe Düne wurde dieses ambulante Rehabilitationstraining bereits erfolgreich erprobt und soll – mit entsprechender personeller Hinterlegung – zukünftig in Zusammenarbeit mit dem Psychotraumazentrum fortgeführt werden. Weitere SanUstgZ sollen folgen.

Für die Information, Koordinierung sowie Anmeldung von Teilnehmenden kann die Projektleitung direkt über rehacoaching@ptzbw.org erreicht werden.

Literatur

  1. Adler DA, Possemato K, Mavandadi S et al.: Psychiatric status and work performance of veterans of Operations Enduring Freedom and Iraqi Freedom. Psychiatric services 2011; 62(1): 39-46. mehr lesen
  2. Becker F, Morfeld M: Versorgungsleistungen in der Rehabilitation. In: Gesundheitswissenschaften [1. Aufl. 2019] (pp. 597-608); Berlin,Heidelberg: Springer 2019. mehr lesen
  3. Egger JW: Das biopsychosoziale Krankheitsmodell. Psychologische Medizin 2005; 16(2): 3-12.  mehr lesen
  4. Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz - SG), SG Ausfertigungsdatum: 19.03.1956 Vollzitat: "Soldatengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2387) geändert worden ist“. mehr lesen
  5. Heitzmann B, Helfert S, Schaarschmidt U: Fit für den Beruf: AVEM-gestütztes Patientenschulungsprogramm zur beruflichen Orientierung in der stationären Rehabilitation. Bern: Huber 2008.
  6. Langer G, Zimmermann M, Behrens J, Dreyer-Tümmel A: Motive und Gründe für die (Nicht-) Inanspruchnahme von Reha-Maßnahmen vor der Frühberentung. Das Gesundheitswesen 2004; 66(08/09): 115. mehr lesen
  7. Mittag O: Evidenzbasierung der medizinischen Rehabilitation (in Deutschland). In Public health forum 2011; 19(4): 4-6. mehr lesen
  8. Mittag O, Reese C, Meffert C: [Keine] Reha vor Rente: Analyse der Zugänge zur Erwerbsminderungsrente 2005-2009. WSI-Mitteilungen 2014; 67(2), 149-155. mehr lesen
  9. Märtin S, Zollmann P: Keine Reha vor der Rente? Ergebnisse des Projekts „Sozioökonomische Situation von Personen mit Erwerbsminderung “. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.) 2013; 111: 109-111. mehr lesen
  10. Müller-Fahrnow W, Greitemann B, Radoschewski FM, Gerwinn H, Hansmeier T: Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Rehabilitation 2005; 44(05): e32-e45. mehr lesen
  11. Neal L A, Kiernan M, Hill D, McManus FRANK, Turner MA: Management of mental illness by the British Army. The British Journal of Psychiatry 2003; 182(4): 337-341. mehr lesen
  12. Zimmermann P, Alliger-Horn C, Wesemann U, Willmund GD: Update: Psychische Erkrankungen in der Bundeswehr.WMM 2015; 59(2): 34-37. mehr lesen

Manuskriptdaten

Eingereicht: 27. November 2020

Nach Überarbeitung angenommen: 19. Januar 2021

Zitierweise

Langner F, Finke U, Zimmermann PL, Dierich A, Herr K, Hoffmann AK, Willmund GD: Am Dienst orientierte Rehabilitation bei psychischen Erkrankungen – Individuelle Begleitung von Beginn an. WMM 2021; 65(3-4):127-134.

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Franziska Langner

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Psychotraumazentrum der Bundeswehr

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: franziskalangner@bundeswehr.org

Manuscript data

Submitted: 27 November 2020

After revision accepted: 19 Januar 2021

Citation

Langner F, Finke U, Zimmermann PL, Dierich A, Herr K, Hoffmann AK, Willmund GD: Service orientated rehabilitation of soldiers with mental illness – individual accompaniment from the beginning. WMM 2021; 65(3-4): 127-134.

For the Authors

Lieutenant Colonel (MC) Dr. Franziska Langner

Bundeswehr Hospital Berlin

Bundeswehr Psychotrauma Centre

Scharnhorststr. 13, D-10115 Berlin

E-Mail: franziskalangner@bundeswehr.org


1 In diesem Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form „Soldat“ verwendet. Damit sind alle anderen Formen gleichermaßen mitgemeint.

2 Der Lotse für Einsatzgeschädigte unterstützt den Betroffenen als Ansprechpartner und ist Mittler zwischen den Betroffenen und der Vielzahl an Hilfs - und Beratungsangeboten der diversen fachlichen Stellen.