Wehrmedizinische Monatsschrift

WEANING AUF DER INTENSIVSTATION

Vorstellung eines Protokolls zum prolongiertem Weaning bei Patienten der Weaning-Kategorie 3b auf der Intensivstation

Stefan Markoff a

Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik X – Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin

 

Zusammenfassung

Die Entwöhnung eines Intensivpatienten von der maschinellen Beatmung (Weaning) ist oftmals ein langwieriger Prozess, dessen Dauer und Erfolg von zahlreichen Parametern abhängig ist. Insbesondere bei Patienten, bei denen dieser Prozess prologiert verläuft (Weaning-Kategorie 3) kann ein protokollbasiertes Vorgehen hilfreich und erfolgversprechend sein.

In dieser Arbeit wird ein Konzept zum protokollbasierten Weaning von Patienten der Internationalen Weaningkategorie 3b auf der Intensivstation und dessen Abbildung im Krankenhausinformationssystem vorgestellt. Dieses Protokoll ist eine Weiterentwicklung des am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin etablierten Protokolls zum prolongierten Weaning invasiv beatmeter Patienten der Weaning-Kategorie 3a, welches ebenfalls kurz dargelegt wird.

Schlüsselwörter: Weaningprotokoll, prolongiertes Weaning, Non-invasive Beatmung, Weaningprozess

Keywords: weaning protocol, prolonged weaning, non-invasive ventilation, weaning process

Einführung

Die Beatmungstherapie ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung schwer- und schwerstkranker Patienten auf der Intensivstation. Indikationen für die Einleitung einer Beatmungsbehandlung sind vielfältig und reichen von primär respiratorischen Störungen, z. B. ARDS, bis zur unterstützenden Behandlung bei nicht primär respiratorischen Erkrankungen, z. B. abdomineller Sepsis. Schon während, spätestens jedoch nach Abschluss der Therapie der Grunderkrankung, erfolgt das Entwöhnen (Weaning) des Patienten vom Respirator. Dieses Entwöhnen kann bis zu 50 % und mehr der Gesamtbeatmungszeit in Anspruch nehmen.

Von der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wurden Qualitätsindikatoren (QI) Intensivmedizin identifiziert. Diese dienen der Verbesserung der Versorgungsqualität der Intensivpatienten. Der QI 4 „Frühzeitige Entwöhnung von einer invasiven Beatmung“ konzentriert sich auf ein möglich rasches Beenden der invasiven Beatmung [3].

Die vorliegenden Leitlinien zum Thema „Weaning“ beschäftigen sich im Schwerpunkt mit der Entwöhnung invasiv beatmeter Patienten. In der S3-Leitlinie zum Thema „Invasive Beatmung“ wird jedoch auch in einem Kapitel auf den Einsatz von „Non-invasiver Beatmung (NIV)“ im prolongierten Entwöhnungsverlauf eingegangen [1].

Weaning-Kategorien

Patienten im Weaningprozess lassen sich in 3 Weaning-Kategorien (WK) einteilen [5]. Diese sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tab. 1: Internationale Weaning-Klassifikation

Der überwiegende Teil (70 %) der beatmeten Intensivpatienten lässt sich der Kategorie 1 zuordnen. Lediglich 30 % der Patienten gehören den Kategorien 2 oder 3 an. Ursachen für ein erschwertes Weaning sind äußerst vielfältig [2]; darauf wird hier nicht im Einzelnen eingegangen. Diese wurden u. a. im Rahmen der Artikelserie ­„Refresher Intensivmedizin“ von VEIT und IVERSEN 2019/2020 in dieser Zeitschrift vorgestellt [7].

Insbesondere Patienten der WK 3 erfordern eine differenzierte Strategie im Weaningprozess. Hierzu werden in der deutschen S2-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ die Patienten der Kategorie 3 nochmals wie in Tabelle 2 dargestellt aufgegliedert [5].

Tab. 2.: Untergruppen der WK 3

 

Weaning-Management

Auf die Strategien im Weaningprozess des invasiv beatmeten Patienten, wie z. B. die Durchführung eines täglichen Aufwachversuches, Beurteilung der Weaningbereitschaft und andere, wird z. B. in verschiedenen Leitlinien explizit abgehoben [1][3].

Der Einsatz von Patientendatenmangementsystemen (PDMS) bietet dabei im Rahmen der Standardisierung der entsprechenden ärztlichen Verordnungen und deren Umsetzung im klinischen Alltag aus Sicht des Autors viele Vorteile. Viele Patienten der WK 3 werden aus den Akutkliniken in spezialisierte Einrichtungen, sogenannte Weaningzentren, verlegt [6], um den Herausforderungen des komplexen Weaningprozesses Rechnung zu tragen. Jedoch sind Behandlungsplätze in diesen Zentren begrenzt verfügbar und so ist sicher nahezu jede Intensivstation täglich gefordert, sich den Anforderungen der Patienten im prolongierten Weaningprozess zu stellen.

Weaningkonzept für Patienten der Weaning-Kategorie 3a

Für die Intensivstation des BwKrhs Berlin hat sich die Durchführung eines protokollbasierten Weanings für Patienten der WK 3a bewährt. Hierbei werden diese gemäß ihrem individuell zu ermittelnden Weaningfortschritts in sogenannten „Weaningstufen“ diskontinuierlich am Sprechventil (Passy-Muir®-Ventil (PMV)) entwöhnt.

Die Weaningstufen sind in einem Verordnungs-Bundle des PDMS hinterlegt (Abbildung 1). Sollen andere Ventilsysteme angewendet werden, kann dies ebenfalls individuell verordnet werden. Für das Weaning sind feste Zeitintervalle und Uhrzeiten vorgegeben (Abbildung 2).

Abb. 1: Verordnungs-Bundle WK 3a

Abb. 2: Details und zeitliche Festlegungen des Verordnungs-Bundle WK 3a

Weaningkonzept für Patienten der Weaning-Kategorie 3b

Aus den positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des Weaningprotokolls im Weaningprozess bei WK 3a-Patienten ergab sich nahezu zwangsläufig der Wunsch, auch Patienten der WK 3b protokollbasiert zu entwöhnen. Dieses Protokoll ist im BwKrhs Berlin seit Mai 2019 im Einsatz und bei den ersten Patienten bereits erfolgreich zur Anwendung gekommen. Die Weaningstufen sind ähnlich aufgebaut, wobei zu beachten ist, dass hier anstelle der PMV-Phase eine NIV-Pause verordnet wird (siehe Abbildung 3). Nachts erfolgt keine Unterbrechung der Beatmung bis eine entsprechende Rekonstitution erreicht wird.

Die Weaningstufen werden täglich individuell auf den Patienten abgestimmt und verordnet. Ob und wann ein Patient bereit ist, auf der „Weaningtreppe“ eine Stufe höher zu steigen, wird mehrfach täglich reevaluiert. Auch ein evtl. erforderliches Zurückkehren auf eine niedrigere Weaningstufe ist täglich zu überprüfen [4][7] (siehe Abbildung 6). Hierbei werden feste Zeiten für die NIV-freie Phase verordnet. Damit wird eine hohe Kohärenz im Verordnungsbild für das prolongierte Weaning erreicht. Unabhängig von der Weaningstrategie im BwKrhs Berlin werden alle Patienten, die sich in einem prolongierten Entwöhnungsprozess befinden, für die Verlegung in Weaningeinrichtungen angemeldet.

Für ein erfolgreiches Weaning kann ein Protokoll nur ein – nach Auffassung des Autors aber wichtiger – Baustein im komplexen Prozess der Beatmungsentwöhnung sein. Weitere wesentliche Punkte in der täglichen Behandlungspraxis bilden unter anderem die Frühmobilisierung des Intensivpatienten, eine adäquate Ernährungsbehandlung, Korrektur von Elektrolytdysbalancen oder auch die konsequente Therapie von Begleiterkrankungen, wie zum Beispiel der Herzinsuffizienz [2][4][7]. Hier wird auf weiterführende Literatur verwiesen.

Abb. 3: Verordnungs-Bundle WK 3b

Für Patienten im prolongierten Weaning findet sich eine unzureichende Studienlage bezüglich der besten Weaningoptionen, weshalb keine Empfehlung für den generellen Einsatz von Weaningprotokollen in der aktuellen S3-Leitlinie zur invasiven Beatmung abgegeben wurde [1].

Dokumentation des Weaningprozesses
im Patientendatenmanagementsystem

Für die Dokumentation und eine sich daraus ableitende Bewertung des Weaningerfolges ist im PDMS der Intensivstation des BwKrhs Berlin ein entsprechendes Feld im Beatmungsprotokoll verfügbar. Die Dokumentation erfolgt im Wesentlichen durch das Intensivpflegepersonal. Hierzu wird automatisiert der OPS-Code 8-718 „Beatmungsentwöhnung [Weaning] bei maschineller Beatmung“ generiert. Besonderen Stellenwert in der Dokumentation hat der Unterpunkt „Besonderheiten“. Hier können Informationen hinterlegt werden, die den klinischen Zustand der Patienten beschreiben, und auch ein Wechsel der Weaningstufen kann hier erfasst werden (siehe Abbildungen 4, 5 und 6).

Abb. 4: Dokumentationstool „Prolongiertes Weaning WK 3a“ im PDMS

Abb. 5: Dokumentationstool „Prolongiertes Weaning WK 3a mit Deeskalation“ im PDMS

Abb. 6: Dokumentationstool „Prolongiertes Weaning WK 3b“ im PDMS

Fazit für die Praxis

Patienten der Weaningkategorie 3 erfordern ein differenziertes Vorgehen im Entwöhnungsprozess vom Respirator. Insbesondere bei begrenzter Verfügbarkeit von ­Behandlungsoptionen in spezialisierten Weaningeinrichtungen ist es sinnvoll, auch in Akutabteilungen Konzepte für dieses Patientenklientel zu etablieren.

Abb. 7: Dokumentationstool „Verlauf Prolongiertes Weaning WK 3a“ im PDMS (ähnlich Screenshot)

Die hier vorgestellten Bundles zum prolongiertem Weaning von Patienten der internationalen Weaning-Kategorie 3a und 3b können als ein Bestandteil des Behandlungsprozesses erfolgreich zur Entwöhnung beitragen, wenngleich sich aus der aktuellen Studienlage keine generelle Empfehlung zum Einsatz von Protokollen im prolongierten Weaning ergibt.

Literatur

  1. Adamzik M et al.: S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz 1. Auflage, Langversion, Stand 04. Dezember 2017. mehr lesen
  2. Bickenbach J: Der schwierig zu weanende Patient. Intensivmed.up2date 2016; 12(03): 251–263. mehr lesen
  3. Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensivmedizin: Qualitätsindikatoren Intensivmedizin. DIVI 2017; , letzter Aufruf 6. Januar 2020. mehr lesen
  4. Markoff S: SOP und Checklisten der Intensivstation des Bundeswehrkrankenhauses Berlin. BwKrhs Berlin 2020.
  5. Schönhofer B, Geiseler J, Dellweg D et al.: Prolongiertes Weaning. Pneumologie 2014; 68(1): 19–75. mehr lesen
  6. Storre J H, Schönhofer B: Stellenwert der Respiratorentwöhnung in der Pneumologie. Pneumologe 2017; 14(2): 51–60. mehr lesen
  7. Veit C, Iversen MF: Refresher Intensivmedizin – Lunge und Beatmung. WMM 2019; 63(12): 386-400. mehr lesen

Interessenkonflikte/Danksagung

Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Die verwendeten Abbildungen sind für einen Testpatienten ohne realen Bezug erstellt worden.

Der Autor dankt Frau K. Danz, Philips HealthCare, für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung der Abbildungen (Screenshots) für diese Publikation.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Markoff S: Vorstellung eines Protokolls zum prolongiertem Weaning bei Patienten der Weaning-Kategorie 3b auf der Intensivstation. WMM 2021; 65(3-4): 153-157.

Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Stefan Markoff

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Klinik X – Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin

Interdisziplinäre Intensivstation

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: stefanmarkoff@bundeswehr.org